VwGH 17.04.2024, Ra 2023/15/0009
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Norm | BAO §184 |
RS 1 | Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen. Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Es ist jene Methode (allenfalls mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint (vgl. die bei Ritz, BAO3, Tz 3 und 12 zu § 184 zitierte hg. Rechtsprechung). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2004/17/0211 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des H K in G, vertreten durch Mag. Philipp Moritz, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Grazbachgasse 57/1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2101202/2020, betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2013 bis 2016, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber betrieb in den streitgegenständlichen Jahren als Einzelunternehmer ein Taxiunternehmen. In den Jahren 2013 bis 2016 hatte dieses sieben Fahrzeuge in Betrieb. Neben diesen Fahrzeugen wurden im Falle von Werkstättenbesuchen Leihfahrzeuge verwendet.
2 Im Rahmen einer Außenprüfung kam es zu einer Schätzung der Einkommen- und Umsatzsteuer 2013 bis 2016, weil der Revisionswerber keine ausreichenden Aufzeichnungen geführt und lückenhafte Unterlagen vorgelegt hatte.
3 Bei der Schätzung der Umsätze des Betriebes ging das Prüfungsorgan nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts folgender Maßen vor: Zunächst wurden anhand der vorliegenden Aufzeichnungen und Belege wie beispielsweise des Gutachtens gemäß § 57a KFG die gefahrenen Kilometer für jedes der acht Fahrzeuge ermittelt und jeweils ein Durchschnitt der zurückgelegten Kilometer pro Tag berechnet. Die Summe dieser acht Durchschnittswerte wurde durch die Anzahl der angemeldeten acht Fahrzeuge dividiert, woraus sich die am Tag durchschnittlich zurückgelegten Kilometer (hier: 151,48 km/Tag) ergaben. Dieser Wert wurde wiederum mit der Anzahl der Tage, an denen die Fahrzeuge pro Jahr jeweils zugelassen waren, multipliziert. Im nächsten Schritt wurden Regiekilometer und privat gefahrene Kilometer abgezogen, woraus sich die Gesamtkilometerleistung pro Jahr ergab. Für die Jahre 2013 bis 2015 wurde der durchschnittliche Ertrag pro Kilometer anhand der vorhandenen Schichtabrechnungen errechnet, während für das Jahr 2016 die Taxameterdaten vom 29. September bis herangezogen wurden. Der durchschnittliche Ertrag pro Kilometer wurde wiederum mit der zuvor errechneten Gesamtkilometerleistung multipliziert. Der auf diese Art und Weise ermittelte Umsatz wurde mit den gemeldeten Umsätzen verglichen, woraus sich eine Zuschätzung durch die Außenprüfung ergab.
4 Aufgrund der vom Prüfer getroffenen Feststellungen nahm das Finanzamt mit Bescheiden vom die Verfahren betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2013 bis 2015 wieder auf. Ebenfalls mit erließ das Finanzamt die (neuen) Sachbescheide für die Jahre 2013 bis 2016.
5 Die dagegen eingebrachte Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab, woraufhin der Revisionswerber - betreffend die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide - einen Vorlageantrag stellte.
6 Mit Schreiben vom ergänzte der Revisionswerber sein Vorbringen und führte zunächst aus, dass lediglich sieben Taxis zugelassen worden seien. Dies ergebe sich daraus, dass fälschlicherweise beim Autokauf ein falscher Typenschein übergeben worden sei. Aufgrund der Verwechslung sei nachträglich mit dem richtigen Typenschein dasselbe Auto nochmals angemeldet worden, weshalb es sich nicht wie von der Betriebsprüfung angenommen um zwei unterschiedliche Autos handle. Weiters wurde im Schreiben ausgeführt, dass die ermittelte durchschnittliche Kilometerleistung/Tag mathematisch gesehen nicht richtig sei, da hier der Durchschnitt von den Durchschnitten ermittelt worden sei und es mathematisch korrekter gewesen wäre, die Summe aller gefahrenen Kilometer durch die Summe aller Tage, an denen ein Taxi angemeldet gewesen sei, zu dividieren. Für die Ermittlung der durchschnittlichen Erträge hätte die Exel-Datei „Gesamtaufzeichnungen_GESAMT“ miteinbezogen werden müssen, weil damit „Ausreißer“ von extrem guten und auch schlechten Tagen hätten ausgeschlossen werden können und damit vermieden werde, dass ein vergleichsweise kurzer Betrachtungszeitraum vom 29. September bis mit einer Vielzahl von umsatzstarken Tagen, wie diese im restlichen Zeitraum vom 1. Jänner bis nicht vorkämen, herangezogen werde.
7 Auf dieses Schreiben replizierte der Prüfer und erläuterte, dass die im Durchschnitt pro Tag gefahrenen Kilometer der Taxis ermittelt worden sei. Dabei sei im Schätzungswege der Gesamtdurchschnitt basierend auf allen Autos ermittelt worden, weil aufgrund der nur teilweise vorgelegten Grundaufzeichnungen über die einzelnen Fahrten und die dabei erzielten Erlöse und die Nichtvorlage der täglichen Aufzeichnungen der Kilometerleistungen (Leer- und Besetztkilometer, Pauschal- und Botenfahrten) laut Taxameterablesung eine exakte Verprobung der Kilometerleistung pro Auto nicht möglich gewesen sei. Eine in der Stellungnahme vom angesprochene „Gewichtung“ für die einzelnen Prüfungsjahre sei allein schon durch die fehlenden Grundaufzeichnungen nicht möglich gewesen und daher nur die gewählte Schätzungsmethode plausibel.
8 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde teilweise Folge und änderte die angefochtenen Bescheide ab. Es stellte fest, dass in den Jahren 2013 bis 2015 sowie im Zeitraum bis händische Abrechnungsbelege von den Taxifahrern des Unternehmens geführt worden seien. Diese Belege hätten unter anderem Angaben zum Kilometerstand bei Übernahme und Rückgabe, die gefahrenen Kilometer und die Umsätze enthalten. Gänzlich gefehlt hätten Aufzeichnungen über die einzelnen Fahrten und die dabei erzielten Erlöse, Leer- oder Besetztkilometer, aber auch Angaben über Pauschal- und Botenfahrten. Ab dem seien diese Daten durch ein elektronisches Taxametersystem aufgezeichnet worden. Bei der Verwendung von Leihfahrzeugen seien die Taxameter nicht auf „null“ gestellt und auch auf den Abrechnungsbelegen keine entsprechenden Vermerke gesetzt worden, die auf die Benützung eines Leihfahrzeuges hingewiesen hätten.
9 Bei der durchgeführten Außenprüfung habe der Revisionswerber lückenhafte und zum Teil einem bestimmten Fahrzeug nicht zuordenbare händische Aufzeichnungen von Umsätzen und gefahrenen Kilometern für den Zeitraum bis sowie das vollständige Taxameterprotokoll vom 29. September bis vorgelegt. Trotz mehrfacher Aufforderungen des Prüfungsorgans habe der Revisionswerber die restlichen Grundaufzeichnungen nicht vorgelegt. Aufgrund der größtenteils fehlenden Grundaufzeichnungen sei es nicht möglich, die Buchführung bzw. Aufzeichnungen auf deren materielle Richtigkeit zu überprüfen, weshalb im Ergebnis die Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2013 bis 2016 geschätzt worden sei.
10 Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht habe sich durch die Information der steuerlichen Vertretung vom herausgestellt, dass im Beschwerdezeitraum nicht acht, sondern lediglich sieben Taxis zum Einsatz gekommen seien. Entsprechend dieser Feststellung sei eine Neuberechnung der Gesamtkilometerleistung unter Adaptierung der durchschnittlichen Tageskilometer auf 145,12 (statt 151,48) erfolgt. Im Übrigen sei die Mittelwertberechnung anhand der vorhandenen Grundaufzeichnungen vorgenommen worden, worauf die kalkulatorische Schätzung aufbaue. So seien für die Ermittlung der im Durchschnitt pro Tag und Fahrzeug gefahrenen Kilometer die vorgelegten Rechnungen für Service, Reparaturen und Gutachten gemäß § 57a KFG herangezogen worden. Daraus sei der jeweilige zum Ausstellungstag gefahrene Kilometerstand ersichtlich. Die durchschnittlichen Erträge pro Kilometer würden wiederum auf den vorgefundenen Schichtabrechnungen beruhen. Die gewählte Schätzung sei im Ergebnis schlüssig und beziehe die vorhandenen Grundaufzeichnungen mit ein.
11 Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wendet sich die nunmehr vorliegende Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, eine in mathematischer Hinsicht unrichtige Berechnungsmethode könne keine taugliche Methode, geschweige die geeignetste Methode für eine Schätzung darstellen, da hierdurch keinesfalls eine den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahekommende Schätzung gegeben sei. Vielmehr fehle es einer mathematisch unrichtigen Methode schon per se an der Eignung. In concreto sei eine Berechnung des Durchschnitts von den wiederum durch Schätzung ermittelten Durchschnitten der einzelnen Fahrzeuge erfolgt und sei dies irrelevant, solange diese nicht gewichtet würden. Mathematisch korrekt wäre es hingegen gewesen, wenn die Summe aller gefahrenen Kilometer durch die Summe aller Tage, an denen ein Taxi angemeldet war, dividiert worden wäre. Diesfalls hätte sich anstelle eines Durchschnittes von ursprünglich 151,48 km, nunmehr im angefochtenen Erkenntnis reduziert auf 145,12, tatsächlich eine Kilometerleistung pro Tag von nur 131,81 km ergeben. Ergänzend wendet sie sich gegen die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes, wonach alle vorhandenen Grundaufzeichnungen Berücksichtigung finden müssten.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahren zu fassen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde (und nachfolgend das Verwaltungsgericht) die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (vgl. , mwN).
16 Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen. Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Es ist jene Methode (allenfalls mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint (vgl. ; , 2004/17/0211).
17 Dass im vorliegenden Fall die Schätzungsbefugnis im Hinblick auf das Fehlen von Grundaufzeichnungen gegeben ist, ist im Revisionsverfahren unbestritten.
18 Der Höhe nach hat das Bundesfinanzgericht mit näherer Erläuterung ausgeführt, dass die Mittelwertberechnung anhand der vorhandenen Grundaufzeichnungen des Revisionswerbers durchgeführt und darauf aufbauend eine kalkulatorische Schätzung vorgenommen worden sei. Auf die im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wiedergegebene Stellungnahme des Prüfers, in der er erläutert hat, wieso ein nochmaliger Durchschnitt von den Durchschnitten errechnet wurde - nämlich, weil die Unterlagen derart lückenhaft waren, dass die Durchschnittskilometerstände bei den einzelnen Autos nicht exakt errechnet werden konnten - geht die Revision nicht ein.
19 Hinsichtlich der Heranziehung der „Gesamtaufzeichnung_Gesamt“ für die Ermittlung des Ertragswertes im Jahr 2016 hat das Bundesfinanzgericht vertretbar ausgeführt, dass eine solche nicht erfolgt sei, weil die Daten bis zum unvollständig gewesen seien und aus diesem Grund die vorhandenen und unbestrittenen Grundaufzeichnungen vom 29. September bis herangezogen worden seien, um der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage nahe zu kommen. Dieser Ausführung tritt die Revision nicht entgegen.
20 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
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Norm | BAO §184 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023150009.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-46327