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VwGH 03.09.2024, Ra 2023/13/0186

VwGH 03.09.2024, Ra 2023/13/0186

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
DBAbk USA 1998 Art4
EStG 1988 §1
RS 1
Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt (vgl. Hofstätter/Reichel, § 1 EStG 1988, Tz 9). Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2005/15/0135), aber auch Verbindungen zu Sachgesamtheiten, wie Privatsammlungen, und die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements (vgl. Vogel/Lehner, DBA5 (2008), Art 4 Rn 192). Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (vgl. Wassermeyer, in Wassermeyer/Lang/Schuch (Hrsg.), Doppelbesteuerung2, Rn 70).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/15/0193 E RS 2 (hier keine Bezugnahme auf Verbindungen zu Sachgesamtheiten, wie Privatsammlungen)
Normen
DBAbk USA 1998 Art4
EStG 1988 §1
RS 2
Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht, Z 4 Tz 11).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/15/0193 E RS 4
Normen
DBAbk USA 1998 Art4
EStG 1988 §1
RS 3
Begründet eine Person in einem Staat eine Wohnstätte, ohne ihre im anderen Staat schon bestehende Wohnstätte aufzugeben, so kann die Tatsache, dass sie die erste Wohnstätte beibehält, wo sie bisher gelebt und gearbeitet hat und wo sie ihre Familie und ihren Besitz hat, zusammen mit anderen Gesichtspunkten dafür sprechen, dass sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ersten Staat beibehalten hat (vgl. Vogel/Lehner, DBA5 (2008), Rn 193; Wassermeyer, in Wassermeyer/Lang/Schuch (Hrsg.), Doppelbesteuerung2, Rn 59; Beiser, Doppelwohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen im zwischenstaatlichen Steuerrecht, ÖStZ 1989, 241, 243). Eine zeitlich begrenzte Auslandstätigkeit lässt den Mittelpunkt der Lebensinteressen auch dann im Inland bestehen, wenn die Familie an den Arbeitsort im Ausland mitzieht, die Wohnung im Inland aber beibehalten wird (vgl. Beiser, aaO, 244).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/15/0193 E RS 3 (hier nur der letzte Satz)
Normen
DBAbk USA 1998 Art4
EStG 1988 §1
RS 4
Übliche Kontakte zu Arbeitskollegen und Mitbewohnern fallen nicht als persönliche Beziehungen zu einem Staat ins Gewicht.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/15/0193 E RS 5 (hier keine Bezugnahme auf Mitbewohner)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic-Marinkovic, über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Waldviertel in 3500 Krems an der Donau, Rechte Kremszeile 58, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100991/2021, betreffend Einkommensteuer 2017 und 2018 (mitbeteiligte Partei: Mag. N in K, vertreten durch die Althuber Spornberger & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Doblhoffgasse 9/Top 14), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte war nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts von bis aufgrund einer befristeten Entsendung seines österreichischen Arbeitgebers für das US-amerikanische Unternehmen A Inc US tätig und übersiedelte zu diesem Zweck mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern samt zwei Haustieren in die USA.

2 Das Finanzamt ging davon aus, dass der Mitbeteiligte in den Jahren 2017 und 2018 in Österreich ansässig war und den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hatte und erließ am entsprechende Einkommensteuerbescheide. Nach Beschwerde und abweisender Beschwerdevorentscheidung stellte der Mitbeteiligte einen Vorlageantrag.

3 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde Folge und hob die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 ersatzlos auf. Es stellte fest, dass der Mitbeteiligte für die Dauer des Aufenthalts in den USA einen auf 32 Monate befristeten Mietvertrag über eine Unterkunft in den USA abgeschlossen habe. Die Visa aller Familienmitglieder seien jeweils vom bis ausgestellt worden. Er habe sein Gehalt für den Zeitraum Februar 2017 bis Jänner 2019 von A Inc US auf ein Bankkonto in den USA erhalten. Während des Auslandsaufenthaltes sei der Mitbeteiligte durchgehend der österreichischen Sozialversicherung unterlegen. Während des revisionsgegenständlichen Zeitraums hätten die Söhne des Mitbeteiligten eine Schule in den USA besucht und seien in Sportvereinen aktiv tätig gewesen. Die Ehefrau des Mitbeteiligten habe in den USA eine (zuvor in Österreich abgebrochene) Yoga-Ausbildung abgeschlossen und unentgeltlich Yoga-Unterricht angeboten. Das im Eigentum des Mitbeteiligten stehende Einfamilienhaus in Österreich sei während des Aufenthalts in den USA nicht vermietet worden. Die Adresse sei in diesem Zeitraum im Zentralen Melderegister als Nebenwohnsitz angeführt worden. Der Mitbeteiligte habe sich in der Zeit vom bis  mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Söhnen ausschließlich in den USA aufgehalten und habe in den USA während dieses Zeitraums seine gesamte Freizeit und Urlaube verbracht. Der Mitbeteiligte sei ursprünglich von einer Entsendedauer von mindestens drei Jahren ausgegangen. Die auf drei Jahre befristete Entsendung (mit Option auf Verlängerung um zwei Jahre) sei im Hinblick auf die Schulausbildung der Kinder vorzeitig auf verkürzt worden. Die Rückübersiedlung nach Österreich sei im Dezember 2018 erfolgt.

4 Rechtlich führte das Bundesfinanzgericht aus, es stehe fest, dass der Mitbeteiligte sowohl in Österreich als auch in den USA eine Wohnung innegehabt habe, die er für seinen Wohnbedarf jederzeit hätte nutzen können. Für die Beurteilung der Frage, in welchem Staat der Mitbeteiligte den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen habe, sei auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Interessen abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gebe. Im Revisionsfall sei der Mitbeteiligte von einem (mindestens) dreijährigen Aufenthalt in den USA ausgegangen. Die durch äußere Umstände herbeigeführte frühzeitige Rückkehr nach Österreich nach knapp zwei Jahren ändere nichts an der ursprünglich subjektiven Absicht eines längeren Aufenthalts. Es sei daher im vorliegenden Fall nicht auf die tatsächliche, sondern auf die nachweislich geplante Dauer des Aufenthaltes von drei Jahren abzustellen. Für die Beurteilung des Mittelpunkts der Lebensinteressen sei neben der knapp zweijährigen Berufstätigkeit zu berücksichtigen, dass der Mitbeteiligte für den Zeitraum Februar 2017 bis Jänner 2019 sein Gehalt von A Inc US auf ein Bankkonto in den USA bezogen habe. Die Ehefrau und zwei Söhne seien samt Haustieren in die USA gezogen und hätten dort gemeinsam mit dem Mitbeteiligten ihre gesamte Freizeit inklusive Urlaube verbracht. Die Söhne hätten eine Schule in den USA besucht und seien in verschiedenen Vereinen aktiv gewesen. Die Ehefrau des Mitbeteiligten habe sich bei amerikanischen Unternehmen beworben, eine Yoga-Ausbildung absolviert und unentgeltlich Yoga-Unterricht angeboten. Demgegenüber stünden als Anknüpfungspunkte an Österreich das als Nebenwohnsitz gemeldete Eigenheim, die während dieses Zeitraums durchgehende österreichische Sozialversicherung, Spendenzahlungen der Ehefrau in Österreich, Überweisungen auf ein österreichisches Bank- und Sparkonto sowie der bereits bei Wegzug bestehende Plan, die Kinder bei der Rückkehr wieder in das österreichische Schulsystem zu integrieren. Da den persönlichen Verhältnissen eine gewichtige Rolle zukomme, könne hinsichtlich des Gesamtbildes der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im vorliegenden Fall jedenfalls kein eindeutiges Überwiegen der Beziehungen zu Österreich erkannt werden. Wenn nicht bestimmt werden könne, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen habe, so gelte nach Artikel 4 Abs. 3 lit. b DBA USA diese Person in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe. Da der Mitbeteiligte im Zeitraum 2017 bis 2018 fast ausschließlich in den USA körperlich (und nicht nur vorübergehend) anwesend gewesen sei, sei von einem gewöhnlichen Aufenthalt iSd § 26 Abs. 2 BAO auszugehen. Das Besteuerungsrecht falle gemäß Art. 15 DBA USA daher den Vereinigten Staaten von Amerika zu.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Finanzamtes, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung nur dann erfolgen dürfte, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht komme. „Sache“ des Beschwerdeverfahrens seien die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer der Jahre 2017 und 2018 gewesen. Der Einkommensteuerbescheid 2017 sei im wiederaufgenommenen Verfahren ergangen; der diesbezügliche Wiederaufnahmebescheid sei unbekämpft geblieben und in Rechtskraft erwachsen. Auf Grund dieses Wiederaufnahmebescheides sei der auf Grund eines Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung vom ergangene Einkommensteuerbescheid 2017 vom gemäß § 307 Abs. 1 BAO aufgehoben worden. Durch die ersatzlose Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 durch das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts sei somit der Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung vom wiederum unerledigt, eine Entscheidung in der Sache sei nicht erfolgt. Das Bundesfinanzgericht hätte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2017 in Entsprechung seiner rechtlichen Würdigung dahingehend abändern müssen, dass der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid vor der Wiederaufnahme inhaltlich wiederhergestellt worden wäre.

6 Das Bundesfinanzgericht sei zudem von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach eine zeitlich begrenzte Auslandstätigkeit den Mittelpunkt der Lebensinteressen selbst dann im Inland bestehen lasse, wenn die Familie an den Arbeitsort im Ausland mitziehe, die Wohnung im Inland aber beibehalten werde. Gemäß dem Verständigungsprotokoll (Anlage 2 zum DBA-USA) zu Artikel 4 („Mittelpunkt der Lebensinteressen bei Auslandsentsendungen“) des Abkommens könne der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht allein dadurch festgestellt werden, dass man die Umstände prüft, die in einem einzigen Jahr vorherrschten; vielmehr könne die Berücksichtigung eines längeren Zeitraumes erforderlich sein. Indem das Bundesfinanzgericht die Ansässigkeit der mitbeteiligten Partei - unter Außerachtlassung des oa Verständigungsprotokolls - nicht aufgrund des Mittelpunktes der Lebensinteressen iSd Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA USA, sondern anhand des gewöhnlichen Aufenthaltes iSd Art. 4 Abs. 2 lit. b DBA USA festgestellt habe, sei das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit behaftet.

7 Weiters sei das Parteiengehör des Finanzamtes verletzt worden, weil das Bundesfinanzgericht angeforderte Unterlagen des Mitbeteiligten dem Finanzamt erst auf Anfrage und mit dem Hinweis übermittelt habe, dass der Senat bereits beraten habe und das Erkenntnis voraussichtlich in der Folgewoche approbiert werden würde. Das Finanzamt hätte bei Wahrung des Parteiengehörs vorbringen können, dass kein Nachweis von der mitbeteiligten Partei erbracht worden ist, dass für 2018 bei den US-Behörden um die Ausstellung einer Ansässigkeitsbescheinigung für Zwecke der Abkommensanwendung angesucht worden sei und die fehlende Ansässigkeitsbestätigung dafür spreche, dass auch die US-Behörden von keiner steuerlichen Ansässigkeit mit Jahr 2018 ausgegangen seien. In Zusammenschau mit den anderen von der Abgabenbehörde vorgebrachten Fakten (u.a. Vater der mitbeteiligten Partei, Mutter und Bruder von dessen Ehefrau würden in Österreich leben, Rückkehr nach Österreich sei dem Arbeitgeber spätestens am offiziell bekannt gegeben worden, in Österreich begonnenes Studium sei von der Ehefrau mittels Fernstudium fortgesetzt worden, Sozialversicherung in Österreich, laufende Geldüberweisungen nach Österreich, es habe weiterhin ein Dienstvertrag mit dem österreichischen Arbeitgeber bestanden) hätte das Bundesfinanzgericht zu einer anderslautenden Entscheidung gelangen können, nämlich dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen der mitbeteiligten Partei während der Entsendedauer in Österreich gelegen sei.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:

9 Die Revision ist zulässig und begründet.

10 Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (vgl. ; , 2011/13/0091, jeweils mwN).

11 Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. , mwN).

12 Eine zeitlich begrenzte Auslandstätigkeit lässt den Mittelpunkt der Lebensinteressen auch dann im Inland bestehen, wenn die Familie an den Arbeitsort im Ausland mitzieht, die Wohnung im Inland aber beibehalten wird (vgl. , mwN).

13 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass der Mitbeteiligte im Revisionszeitraum über einen Wohnsitz in Österreich verfügte. Bei der Prüfung, ob der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich oder den USA gelegen war, kam es zu der Beurteilung, dass nicht bestimmt werden könne, in welchem Staat der Mittelpunkt der Lebensinteressen gelegen sei. Dabei führte es auf der einen Seite für die USA ins Treffen, dass der Mitbeteiligte von einem dreijährigen Entsendezeitraum ausgegangen und dort zwei Jahre berufstätig gewesen sei, er sein Gehalt von A Inc US auf ein Bankkonto in den USA bezogen habe, die gesamte Freizeit und die Urlaube in den USA mit der mitgezogenen Familie verbracht worden seien, den Schulbesuch und die Vereinsaktivitäten der Söhne in den USA und die Bewerbungen der Ehefrau in den USA sowie deren Absolvierung einer Yoga-Ausbildung und das Anbieten von Yoga-Unterricht. Auf der anderen Seite wurde für Österreich das als Nebenwohnsitz gemeldete Eigenheim, die während dieses Zeitraums durchgehende österreichische Sozialversicherung, Spendenzahlungen der Ehefrau in Österreich, Überweisungen auf ein österreichisches Bank- und Sparkonto sowie der bereits bei Wegzug bestehende Plan, die Kinder bei der Rückkehr wieder in das österreichische Schulsystem zu integrieren, herangezogen.

14 Das Bundesfinanzgericht hat bei seiner Beurteilung aber weder berücksichtigt, dass sich enge Verwandte des Revisionswerbers (Vater, Schwiegermutter und Schwager) in Österreich befanden, noch ergeben sich Anhaltspunkte für persönliche Bindungen des Mitbeteiligten in den USA. Übliche Kontakte zu Arbeitskollegen fallen nicht als persönliche Beziehungen ins Gewicht (vgl. ). Der Mitbeteiligte hat im bisherigen Verfahren kein substantiiertes Vorbringen über konkrete persönliche Beziehungen erstattet, die über persönliche Beziehungen in Österreich hinausgingen, und mehr als die Angabe, Kontakte „auch in der Freizeit gepflegt“ und eine „private Beziehung“ zu Arbeitskollegen aufgebaut zu haben, enthielt. Die Mitgliedschaft in Vereinen in den USA wurde vom Mitbeteiligten verneint; es wurden lediglich Vereinsaktivitäten der Kinder angegeben.

15 Wie das Finanzamt auch zu Recht in seiner Revision vorbringt, wurde nicht in die Beurteilung miteinbezogen, dass der Mitbeteiligte weiterhin einen aufrechten Dienstvertrag mit seinem österreichischen Arbeitgeber hatte. Wie das Bundesfinanzgericht zu der Annahme gekommen ist, dass trotz expliziter Angaben im Aktenvermerk zur Entsendung und in Ermangelung eines Arbeitsvertrages mit dem amerikanischen (Konzern-)Unternehmen der Dienstgeber des Mitbeteiligten nicht das österreichische Unternehmen geblieben ist, erschließt sich nicht.

16 Das angefochtene Erkenntnis weicht zudem von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach eine zeitlich begrenzte Auslandstätigkeit den Mittelpunkt der Lebensinteressen selbst dann im Inland bestehen lässt, wenn die Familie an den Arbeitsort im Ausland mitzieht, die Wohnung im Inland aber beibehalten wird (vgl. ; siehe aber zu einem mehr als zehnjährigen Aufenthalt im Ausland bei immer wieder verlängerten Verträgen ).

17 Auch wenn nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts ursprünglich eine dreijährige Entsendung geplant war und eine zweijährige Verlängerungsoption bestand, kann nicht außer Betracht bleiben, dass der Mitbeteiligte schon im Frühjahr 2018, also nach nicht einmal 1,5 Jahren, den Entschluss gefasst hatte, wieder nach Österreich zurückzukehren, um seinen Söhnen eine problemlose Wiedereingliederung in der Schule in Österreich zu ermöglichen und die Rückkehr tatsächlich nach 23 Monaten erfolgte. Gerade der Umstand, dass der Wiedereingliederung der Kinder ein wesentlich höherer Stellenwert eingeräumt wurde als der Fortsetzung des gemeinsamen Aufenthaltes in den USA, wobei die wesentliche Bedeutung dieser schulischen Weiterentwicklung der Kinder für den Mitbeteiligten von Anfang an vorgelegen war und sich auch durch die Erkundigungen des Mitbeteiligten vor und während seiner Entsendung bei der Schule und dem Bildungsministerium zeigte, spricht dafür, dass auch während der Dauer des USA-Aufenthaltes die engeren Bindungen zu Österreich bestanden.

18 Im Recht ist die Revision zudem damit, dass eine ersatzlose Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 rechtswidrig war, weil in dieser Sache eine weitere Entscheidung in Betracht kam (vgl. ).

19 Nach dem Gesagten hat das Bundesfinanzgericht sein Erkenntnis mit einer inhaltlichen Rechtwidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am

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Normen
DBAbk USA 1998 Art4
EStG 1988 §1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023130186.L00
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EAAAF-46318