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VwGH 22.11.2023, Ra 2023/13/0156

VwGH 22.11.2023, Ra 2023/13/0156

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Auch bewusst mangelhafte ("leere") Beschwerden sind nach der BAO im Allgemeinen einer Mängelbehebung zu unterziehen (vgl. ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tichy, über die Revision der A W in B, vertreten durch die Eckhardt Wirtschaftsprüfung und Steuerberatungs GmbH in 7033 Pöttsching, Hauptstraße 58, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7101823/2015, betreffend Abweisung eines „Antrages auf Entscheidung über Beschwerden“, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zum bisherigen Verfahrensgeschehen kann eingangs auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2022/13/0120, verwiesen werden.

2 Für das vorliegende Revisionsverfahren ist daraus hervorzuheben, dass mit Bescheiden vom die Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1997 bis 2001 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommen und neue Sachbescheide erlassen wurden. Die Wiederaufnahmebescheide tragen jeweils die Überschrift „Einkommensteuerbescheid [Jahr]“ mit dem Hinweis „Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303(4) BAO zu Bescheid [...]“. In der Rechtsmittelbelehrung dieser Wiederaufnahmebescheide wurde ausgeführt, in der Berufung sei der Bescheid zu bezeichnen „(Einkommensteuerbescheid für [Jahr] vom )“. Auch in den neuen Sachbescheiden wurde in der Rechtsmittelbelehrung jeweils ausgeführt, in der Berufung sei der Bescheid zu bezeichnen „(Einkommensteuerbescheid für [Jahr] vom ).

3 Die Revisionswerberin erhob (durch einen steuerlichen Vertreter) mit Eingabe vom Berufung „gegen den Einkommensteuerbescheid 2001, den Einkommensteuerbescheid 2000, den Einkommensteuerbescheid 1999, den Einkommensteuerbescheid 1998 und den Einkommensteuerbescheid 1997“ sowie gegen Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen sowie den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2004. Beantragt wurde darin, die genannten Bescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 aufzuheben und erklärungsgemäß zu veranlagen.

4 Mit Vorlagebericht vom  legte das Finanzamt die Berufung dem (damaligen) unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

5 Mit Berufungsentscheidung vom wies der unabhängige Finanzsenat (u.a.) die Berufung gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 als unbegründet ab.

6 Mit Erkenntnis vom , 2010/15/0188, hob der Verwaltungsgerichtshof diese Berufungsentscheidung u.a. betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

7 Mit Eingabe vom hatte die Revisionswerberin beantragt, das Finanzamt möge über die bis jetzt unerledigten Berufungen gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 absprechen.

8 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag ab. Das Schreiben vom beinhalte keine Beschwerde (Berufung) gegen die Wiederaufnahmebescheide.

9 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.

10 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

11 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG sei die ordentliche Revision nicht zulässig.

12 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Wiederaufnahmebescheide gehörten nicht zu den in der Betreffzeile der Beschwerde aufgezählten Bescheiden. Die für Wiederaufnahmen des Verfahrens typischen Schlüsselwörter „Wiederaufnahme“, § 303 BAO“, „neu hervorgekommene Tatsache“ und „neu hervorgekommenes Beweismittel“ fehlten in der Beschwerde. Die Beschwerde enthalte auch keine auf die Wiederaufnahmebescheide sich beziehende Anfechtungserklärung, Beschwerdepunkte, Änderungsanträge oder Begründung. Die Wiederaufnahmebescheide seien demnach zweifelsfrei nicht mit der Beschwerde vom angefochten worden. Würden Wiederaufnahmebescheide zweifelsfrei nicht mit einer Beschwerde angefochten, müsse ein Mängelbehebungsverfahren nicht durchgeführt werden.

13 Die Rechtsmittelbelehrungen mögen betreffend die Bescheidbezeichnungen nicht vollständig sein; dies hätte die Revisionswerberin aber bloß davon abgehalten, die Wiederaufnahmebescheide in der Betreffzeile der Beschwerde aufzuzählen. Sie hätten die Revisionswerberin aber nicht davon abgehalten, auf Wiederaufnahmebescheide sich beziehende Anfechtungserklärungen, Abänderungsanträge und Begründungen zu formulieren.

14 Die Beschwerde vom enthalte somit keine Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide. Ohne gegen diese Bescheide gerichtete Beschwerde bestehe keine Entscheidungspflicht, sodass der angefochtene Abweisungsbescheid rechtsrichtig erlassen worden und die dagegen erhobene Beschwerde abzuweisen gewesen sei.

15 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.

16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

19 Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis verstoße gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach auch leere Beschwerden die Beschwerdefrist wahren (Hinweis auf ).

20 Zutreffend ist, dass auch bewusst mangelhafte („leere“) Beschwerden nach der BAO im Allgemeinen einer Mängelbehebung zu unterziehen sind (vgl. ). Im vorliegenden Fall lag aber nach der Beurteilung des Bundesfinanzgerichts keine (auch keine mangelhafte) Beschwerde betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren vor.

21 Für die Beurteilung von Anbringen kommt es auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes an. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgebend. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Behörde hingegen gehalten, die Absicht der Partei zu erforschen. Die vertretbare Auslegung eines Antrags geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und vermag sohin keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen (vgl. , mwN).

22 Der Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, im vorliegenden Fall sei keine Beschwerde (Berufung) auch gegen die Wiederaufnahmebescheide erhoben worden, ist vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht entgegenzutreten. Durch die Bezeichnung der Bescheide und deren Rechtsmittelbelehrung wurde zwar zweifellos eine unklare Situation geschaffen. Die Berufung enthielt aber - wie auch im hier angefochtenen Erkenntnis näher ausgeführt - keinerlei Hinweis auf eine Bekämpfung auch der Wiederaufnahmebescheide. Insbesondere enthielt dieser Schriftsatz auch keinen Hinweis darauf, dass für das jeweilige Jahr zwei verschiedene (Wiederaufnahmebescheid und neuer Sachbescheid), aber gleich bezeichnete („Einkommensteuerbescheid [Jahr]“) Erledigungen des Finanzamts angefochten werden sollten. Im Übrigen ist zu dieser Frage auf die Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2022/13/0120 (Rz 38 bis 42), gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG zu verweisen.

23 Ein „Antrag auf Entscheidung“ über bisher unerledigt gebliebene Berufungen war im vorliegenden Fall verfahrensrechtlich verfehlt; die (behauptete) Verletzung der Entscheidungspflicht wäre mittels Fristsetzungsantrag geltend zu machen gewesen. Der Antrag der Revisionswerberin wäre demnach (nach Mängelbehebung) allenfalls als solcher zu werten oder aber zurückzuweisen gewesen. Da die Revision dazu keinerlei Vorbringen enthält, ist diese Frage (auch eine damit - für den Fall der Beurteilung des Antrags als Fristsetzungsantrag - verbundene Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts; vgl. dazu ) hier nicht aufzugreifen.

24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023130156.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-46307