VwGH 14.12.2023, Ra 2023/13/0143
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | GlücksspielautomatenabgabeG Wr 2005 §2 Abs1 GlücksspielautomatenabgabeG Wr 2005 §2 Abs2 |
RS 1 | Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel zur Verfügung hat, so verletzt der Vertreter keine abgabenrechtliche Pflicht (vgl. , VwSlg 7566 F/2000); werden mangels Vorhandenseins irgendwelcher Gesellschaftsmittel keinerlei Zahlungen der Gesellschaft an wen immer geleistet, liegt kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot vor (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/13/0108 E RS 2 |
Normen | |
RS 2 | Das Parteiengehör (§ 115 Abs. 2 BAO) gehört zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates (vgl. , mwN). Gemäß § 183 Abs. 4 BAO ist den Parteien vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Das BFG war gemäß § 269 Abs. 1 BAO verpflichtet, zu den Erhebungsergebnissen der Abgabepflichtigen (und dem Finanzamt) Gehör einzuräumen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/13/0064 E RS 3 (hier betreffend den Haftungspflichtigen) |
Normen | |
RS 3 | Gegenstand des Parteiengehörs ist auch die Beweisquelle. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des M in D, Isle of Man, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7400027/2021, betreffend Haftung gemäß § 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Stadt Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom wurde der Revisionswerber als Geschäftsführer der U s.r.o. für den entstandenen Rückstand an Glücksspielautomatenabgabe (betreffend verschiedene Standorte in Wien und mehrere Zeiträume im Jahr 2017) zur Haftung herangezogen.
2 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte geltend, die U s.r.o. sei vermögenslos; dies sei sie auch bei seinem Eintritt gewesen. Er sei erst im Jahr 2018 als Geschäftsführer eingetreten. Er könne sich nur auf jene Unterlagen verlassen, welche ihm zur Verfügung stünden. Bekannt sei ihm, dass die U s.r.o. mit September 2017 jegliche Geschäftstätigkeit in Österreich eingestellt habe. Bedauerlicherweise habe beim Steuerberater im Jahr 2019 eine Hausdurchsuchung stattgefunden, im Zuge derer alle Ordner der U s.r.o. sichergestellt worden seien, sodass ihm keine Unterlagen zur Verfügung stünden. Die U s.r.o. verfüge aber angeblich über ein hohes Guthaben bei der Stadt Wien; es werde ersucht bekanntzugeben, wie mit diesem Guthaben weiter verfahren werde.
3 Die belangte Behörde forderte den Revisionswerber mit Schreiben vom auf, für den Zeitraum bis eine nach Monaten gegliederte Liquiditätsaufstellung vorzulegen.
4 Der Revisionswerber teilte dazu mit, nach Beendigung der Geschäftstätigkeit in Österreich hätten keine Verbindlichkeiten bestanden; es seien auch keine Verbindlichkeiten hinzugekommen. Seit seien keine Zahlungen mehr geleistet worden, es habe auch keine Zug-um-Zug-Geschäfte gegeben. Die U s.r.o. habe über keine liquiden Mittel verfügt, eine monatliche Aufstellung erübrige sich daher. Bei seinem Eintritt seien ihm keine liquiden Mittel übergeben worden, es seien keine liquiden Mittel vorhanden gewesen. Die einzigen Aktiva seien Guthaben an Vergnügungssteuern und Glücksspielautomatenabgabe, welche die Stadt Wien innehabe und welche Gegenstand mehrerer Verfahren seien. Er mache diese Auskünfte nach bestem Wissen und Gewissen; Unterlagen, welche sich noch bei der Steuerfahndung befänden, stünden ihm derzeit nicht zur Verfügung.
5 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.
6 Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
7 In weiteren Eingaben an das Bundesfinanzgericht beantragte der Revisionswerber u.a., das Verfahren auszusetzen, bis ihm die Buchhaltungsunterlagen von der Staatsanwaltschaft oder der Steuerfahndung ausgefolgt würden und ihm somit die Möglichkeit eingeräumt werde, qualifizierte Gegenargumente zu präsentieren. Es sei ihm auch nicht möglich, die insgesamt 65 beschlagnahmten Ordner im Zuge einer Akteneinsicht durchzuarbeiten. Er könne lediglich nochmals vorbringen, dass er kein Vermögen der U s.r.o. verwaltet habe, da ihm ein solches auch nicht übergeben worden sei; er habe auch keine Zahlungen geleistet. Er beantragte die Vernehmung des Zeugen H, der ihm mitgeteilt habe, dass seit dem Jahr 2013 durchlaufend Guthaben an Vergnügungssteuern vorhanden seien.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
9 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, dem Haftungsbescheid lägen Festsetzungsbescheide (betreffend Glücksspielautomatenabgabe und Säumniszuschlag; sowie Aussetzungszinsen) zu Grunde. Die Abgaben könnten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden, da nach Auskunft der slowakischen Behörden vom der Abgabenrückstand bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sei. Die Primärschuldnerin habe - laut dieser Auskunft - weder bewegliches noch unbewegliches Vermögen; das Unternehmen habe auch kein Bankkonto in der Slowakei. Auch nach den Angaben des Revisionswerbers verfüge die Primärschuldnerin über keinerlei Vermögen. Aus dem Vorbringen des Revisionswerbers, es bestünden Guthaben an Vergnügungssteuer, lasse sich nichts gewinnen, da diese auf aushaftende Vergnügungssteuern verrechnet worden seien und damit im (gesonderten) Haftungsverfahren betreffend Vergnügungssteuern zu behandeln seien. Meinungsverschiedenheiten zwischen Haftendem und der Abgabenbehörde über die Gebarung am Abgabenkonto seien im Übrigen nicht im Haftungsverfahren, sondern in einem Verfahren über einen Abrechnungsbescheid auszutragen.
10 Der Revisionswerber sei seit Geschäftsführer der U s.r.o. Ihm sei daher ab diesem Zeitpunkt die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblegen; insbesondere habe er für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.
11 Die Abgaben seien überwiegend bereits vor dem Zeitpunkt der Übernahme seiner Geschäftsführungstätigkeit fällig gewesen. Ein Geschäftsführer habe sich aber bei Übernahme seiner Funktion auch darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei.
12 Werde eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel habe, so verletze der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht. Der Einwand des Revisionswerbers, über keinerlei liquide Mittel der Primärschuldnerin zu verfügen, erscheine aufgrund des gegen den wahren Machthaber (H) eines Konstruktes mehrerer Gesellschaften (darunter die U s.r.o.) geführten Ermittlungsverfahrens, in dem der Verdacht auf Abgabenhinterziehungen in Millionenhöhe bestehe, unglaubwürdig. Aus einem - auszugsweise zitierten - Bericht der Steuerfahndung vom ergebe sich, dass der Revisionswerber als Strohmann der Gesellschaft für H fungiert habe. Dem Revisionswerber habe daher die Höhe der vereinnahmten Erlöse aus den Glücksspielautomaten und damit der tatsächlich vorhandenen liquiden Mittel nicht bekannt sein können. Es erübrige sich somit jegliche weitere Auseinandersetzung mit dem darauf gerichteten Vorbringen, weshalb sich auch aus dem Einwand des Revisionswerbers, dass die Buchhaltungsunterlagen von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden seien, mangels erfolgversprechenden Nachweises hinsichtlich der eingewendeten unzureichenden liquiden Mittel nichts gewinnen lasse.
13 Da der Ausgang des derzeit bei der Staatsanwaltschaft anhängigen und im Zusammenhang mit den beschlagnahmten Unterlagen der Primärschuldnerin stehenden Verfahrens nicht von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Beschwerde sei, habe dem Antrag des Revisionswerbers auf Aussetzung des Verfahrens nicht entsprochen werden können.
14 Es liege auch ein für die Haftung eines Geschäftsführers relevantes Verschulden vor, wenn sich der Geschäftsführer vor der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erkläre oder eine solche Beschränkung in Kauf nehme, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung gegenüber den Abgabenbehörden unmöglich mache. Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, stelle eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar.
15 Der Behauptung des Revisionswerbers, die Primärschuldnerin habe ihre Tätigkeit in Österreich mit endgültig eingestellt, müsse die widersprechende Aktenlage entgegengehalten werden, da noch im Dezember 2017 in Betrieb stehende Glücksspielautomaten vorgefunden worden seien.
16 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , E 1122/2022-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
17 Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wendet sich auch die nunmehrige Revision. Zur Zulässigkeit wird u.a. geltend gemacht, es liege ein relevanter Begründungsmangel vor. Dem angefochtenen Erkenntnis sei nicht hinreichend zu entnehmen, welchen Sachverhalt das Bundesfinanzgericht annehme. Das Bundesfinanzgericht habe auch gegen das Überraschungsverbot verstoßen, indem es seine Entscheidung auf einen Bericht der Steuerfahndung gründe, diesen Bericht aber dem Revisionswerber nicht zur Stellungnahme übermittelt habe. Wäre dem Revisionswerber dazu rechtliches Gehör eingeräumt worden, hätte er weiteres (in der Revision näher dargelegtes) Vorbringen erstattet und insbesondere den angeblichen „wahren Machthaber“ als Zeugen zum Nachweis des Nichtvorhandenseins liquider Mittel im maßgebenden Zeitraum beantragt.
18 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung eingebracht; die weitere Partei hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
20 Die Revision ist zulässig und begründet.
21 Gemäß § 1 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz ist für das Halten von Spielapparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so z.B. Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann und für die keine Bewilligung oder Konzession nach den §§ 5, 14 oder 21 Glücksspielgesetz erteilt wurde, eine Steuer zu entrichten.
22 Nach § 2 Abs. 1 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz ist jede bzw. jeder, in deren bzw. dessen Namen oder auf deren bzw. dessen Rechnung der Spielapparat gehalten wird oder die Entgelte gefordert werden, steuerpflichtig. Die Inhaberin oder der Inhaber des für das Halten des Apparates benützten Raumes oder Grundstückes und die Eigentümerin oder der Eigentümer des Apparates gelten als Gesamtschuldnerinnen bzw. Gesamtschuldner.
23 Nach § 2 Abs. 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Steuer insoweit, als die Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung; § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.
24 Dass der Revisionswerber zum Vertreter (iSd § 80 BAO) der slowakischen U s.r.o. bestellt wurde, ist unbestritten.
25 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass sich ein Geschäftsführer (Vertreter) bei Übernahme seiner Funktion darüber zu unterrichten hat, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft (juristische Person) bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist, weil die Pflicht der Gesellschaft zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung endet. Die Gesellschaft bleibt verpflichtet, diese Abgabenschuldigkeiten zu erfüllen; zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist der Geschäftsführer der Gesellschaft verhalten (vgl. z.B. , mwN).
26 Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel zur Verfügung hat, so verletzt der Vertreter keine abgabenrechtliche Pflicht. Werden mangels Vorhandenseins irgendwelcher Gesellschaftsmittel keinerlei Zahlungen der Gesellschaft an wen immer geleistet, liegt kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot vor (vgl. , mwN).
27 Der Revisionswerber machte bereits in der Beschwerde geltend, es seien ihm keinerlei Mittel zur Verfügung gestanden.
28 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte so zu begründen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs für diesen nachvollziehbar ist. Hiezu muss die Begründung insbesondere erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet wird (vgl. z.B. , mwN).
29 Diesen Anforderungen entspricht das angefochtene Erkenntnis nicht.
30 Das angefochtene Erkenntnis weist keine formale Gliederung betreffend Sachverhaltsfeststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung auf, was im vorliegenden Fall - wie die Revision zutreffend rügt - insoweit von Relevanz ist, als unklar bleibt, welche Sachverhaltsannahmen das Bundesfinanzgericht seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde legt. Das Bundesfinanzgericht scheint bei der Prüfung der Voraussetzungen der Haftung insbesondere von einander widersprechenden Sachverhaltsannahmen auszugehen.
31 Zur Frage der erschwerten Einbringlichkeit verweist das Bundesfinanzgericht auf eine Auskunft der slowakischen Behörden (vom , also vor der Bestellung des Revisionswerbers zum Geschäftsführer), wonach die Primärschuldnerin weder bewegliches noch unbewegliches Vermögen habe; das Unternehmen habe auch kein Bankkonto in der Slowakei. Weiters verweist es dazu auf die Angaben des Revisionswerbers, wonach die Gesellschaft über keinerlei Vermögen verfüge. Diese Darlegungen werden an dieser Stelle vom Bundesfinanzgericht in keiner Weise in Frage gestellt, etwa als unglaubwürdig bezeichnet. Dass der im Oktober 2018 zum Geschäftsführer bestellte Revisionswerber ab seiner Bestellung über liquide Mittel hätte verfügen können, scheint das Bundesfinanzgericht hier somit nicht anzunehmen.
32 Bei der Frage des Verschuldens des Revisionswerbers geht das Bundesfinanzgericht hingegen davon aus, dass der Einwand des Revisionswerbers zum Nichtvorliegen von liquiden Mitteln unglaubwürdig sei.
33 Es ist auch nicht erkennbar, dass sich diese divergierenden Annahmen des Bundesfinanzgerichts auf verschiedene Zeitpunkte beziehen sollen. Gerade die Auskunft der slowakischen Behörden zur Vermögenslosigkeit der Primärschuldnerin (wenn auch insoweit nur in der Slowakei) erfolgte bereits vor der Bestellung des Revisionswerbers zum Geschäftsführer. Es ist auch unklar, was sich daraus ergeben soll, wenn das Bundesfinanzgericht ergänzend ausführt, die Behauptung des Revisionswerbers, die Primärschuldnerin habe ihre Tätigkeit in Österreich mit eingestellt, sei unglaubwürdig, weil noch im Dezember 2017 in Betrieb stehende Glückspielautomaten hätten vorgefunden werden können. Die Bestellung des Revisionswerbers zum Geschäftsführer erfolgte erst im Oktober 2018; dass damals noch aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten Mittel hätten gewonnen werden können, ist somit ebenfalls nicht ableitbar.
34 Im Hinblick darauf, dass somit schon nicht erkennbar ist, von welchem Sachverhalt das Bundesfinanzgericht gerade zur im Verfahren strittigen Frage des Vorliegens von liquiden Mitteln ausgeht, ist eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht möglich.
35 Weiters macht die Revisionswerberin die Verletzung des Parteiengehörs geltend.
36 Das Parteiengehör (§ 115 Abs. 2 BAO) gehört zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates. Gemäß § 183 Abs. 4 BAO ist den Parteien vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Das Bundesfinanzgericht war gemäß § 269 Abs. 1 BAO verpflichtet, zu den Erhebungsergebnissen u.a. dem Revisionswerber Gehör einzuräumen (vgl. , mwN; vgl. auch ).
37 Das Bundesfinanzgericht hatte zwar bereits in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf verwiesen, dass der Revisionswerber „nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens lediglich als Strohmann“ für H fungiere, weshalb ihm die tatsächlich vorhandenen liquiden Mittel nicht hätten bekannt sein können. Gegenstand des Parteiengehörs ist aber auch die Beweisquelle (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 115 Tz 15, mwN), die - soweit aus den vorgelegten Verfahrensakten erkennbar - erstmals im angefochtenen Erkenntnis gegenüber dem Revisionswerber genannt wurde.
38 Auch die Unterlassung des Parteiengehörs belastet das angefochtene Erkenntnis mit einem Verfahrensmangel, dessen Relevanz in der Revision dargelegt wird.
39 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
40 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023130143.L00 |
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Fundstelle(n):
NAAAF-46302