TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH 09.07.2024, Ra 2023/13/0142

VwGH 09.07.2024, Ra 2023/13/0142

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BAO §303 Abs1
BAO §305
RS 1
Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die gemäß § 305 BAO zuständige Behörde (vgl. , zur vergleichbaren Rechtslage vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/15/0066 E RS 1
Norm
BAO §303 Abs1
RS 2
Was "Sache" des Wiederaufnahmeverfahrens ist, bestimmt sich am Wiederaufnahmegrund, nicht am Sachbescheid, um dessen Wiederaufnahme es geht (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/15/0066 E RS 4 (hier keine Bezugnahme auf den Sachbescheid)
Normen
BAO §279 Abs1
BAO §303 Abs1
BAO §93 Abs2
RS 3
Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. mit weiteren Hinweisen ). Aufgabe des Bundesfinanzgerichts bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihm bekämpften Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben (vgl. nochmals ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2014/15/0058 E RS 7 (hier nur die letzten beiden Sätze)
Normen
BAO §149 Abs1
BAO §150
BAO §303 Abs1
BAO §303 Abs1 litb
BAO §93 Abs3 lita
RS 4
Das Finanzamt kann zur Begründung des Wiederaufnahmebescheides auf den Betriebsprüfungsbericht oder die Niederschrift verweisen (vgl. ; , 2012/15/0172).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/13/0025 E RS 2
Normen
BAO §150
BAO §303 Abs1 litb
RS 5
Im Zusammenhang mit einer Wiederaufnahme des Verfahrens lässt der in einem Betriebsprüfungsbericht gegebene Hinweis auf einzelne Textziffern im Regelfall den Schluss zu, dass das Finanzamt die Wiederaufnahme auf den Neuerungstatbestand (nunmehr § 303 Abs. 1 lit. b BAO) gestützt hat und die in diesen Textziffern getroffenen Prüfungsfeststellungen jenen Tatsachenkomplex bilden, der nach Ansicht des Finanzamtes im Zuge der Prüfung neu hervorgekommen ist (vgl. ; , 2008/15/0005).
Normen
BAO §279 Abs1
BAO §280 Abs1 lite
BAO §303 Abs1
BAO §303 Abs1 litb
BAO §93 Abs3 lita
RS 6
Bei einem Bescheid betreffend amtswegiger Wiederaufnahme des Verfahrens wird die Sache, über die das BFG zu entscheiden hat, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde herangezogen wurde. Die Ergänzung einer mangelhaften Begründung stellt dabei kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (vgl. z.B. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/13/0138 B RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schultheis, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Baden Mödling in 2500 Baden bei Wien, Josefsplatz 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103762/2022, betreffend u.a. Wiederaufnahme (Körperschaftsteuer 2016 bis 2018) (mitbeteiligte Partei: K GmbH in B, vertreten durch die KMB Steuerberatung Krottendorfer & Partner GmbH in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 31-32), zu Recht erkannt:

Spruch

Das Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Wiederaufnahme betreffend Körperschaftsteuer 2016 bis 2018) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheiden vom (für das Jahr 2016), (für das Jahr 2017) und (für das Jahr 2018) setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuer der mitbeteiligten Partei (einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung) fest.

2 In der Niederschrift über die Schlussbesprechung einer Außenprüfung vom wurde ausgeführt, die Mitbeteiligte betreibe zwei Tankstellen. Auf die Mitbeteiligte seien im Prüfungszeitraum insgesamt vier Fahrzeuge angemeldet gewesen. Für zwei Fahrzeuge habe keine betriebliche Veranlassung nachgewiesen werden können. Bei einem weiteren Fahrzeug seien sowohl betriebliche als auch private Fahrten behauptet worden; diese Behauptung habe aber nicht verifiziert werden können. Somit sei auch für dieses Fahrzeug eine betriebliche Nutzung nicht erkennbar gewesen. Insgesamt würden drei Viertel der Kfz-Betriebskosten als verdeckte Gewinnausschüttung ausgeschieden.

3 Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom wurde (zu Tz 1) - insoweit in Übereinstimmung mit der Niederschrift - dargelegt, es seien drei Viertel der Kfz-Betriebskosten als verdeckte Gewinnausschüttung auszuscheiden. Darüber hinaus wurde ausgeführt, es sei auch die Absetzung für Abnutzung für zwei Fahrzeuge (in Höhe von jeweils 5.000 €) auszuscheiden. Im Zusammenhang mit dem Prüfungsabschluss wurde im Prüfungsbericht ausgeführt, hinsichtlich der Körperschaftsteuer für die Jahre 2016, 2017 und 2018 seien Feststellungen getroffen worden, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO erforderlich machten. Die Kenntnis der in den bezeichneten Feststellungen angeführten Wiederaufnahmetatbestände „(gem. § 303 Abs. 1 lit. a bis c BAO)“ hätte allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens im Spruch anders lautende Bescheide herbeigeführt; verwiesen wurde dazu - betreffend Körperschaftsteuer 2016 bis 2018 - auf die Feststellung zu Tz 1 des Prüfungsberichts.

4 Mit Bescheiden vom wurden die Verfahren hinsichtlich der Körperschaftsteuer für die Jahre 2016, 2017 und 2018 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufgenommen. In der Begründung wurde ausgeführt, die Wiederaufnahme erfolge aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien.

5 Mit weiteren Bescheiden vom wurde die Körperschaftsteuer für die Jahre 2016, 2017 und 2018 neu festgesetzt. In der Begründung wurde ausgeführt, die Veranlagung erfolge unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien.

6 Schließlich wurden mit weiteren Bescheiden vom Anspruchszinsen (Körperschaftsteuer) für die Jahre 2016 und 2017 festgesetzt.

7 Die Mitbeteiligte erhob gegen diese Bescheide Beschwerde. Darin wurde insbesondere geltend gemacht, die über die Schlussbesprechung abgehaltene Niederschrift weiche erheblich vom Prüfungsbericht ab; diese Abweichung sei ohne Rücksprache mit der Mitbeteiligten erfolgt. Da die Bescheide auf die Niederschrift bzw. den Prüfungsbericht verwiesen, fehle eine eindeutige Begründung; es sei von Nichtbescheiden auszugehen.

8 In einer Stellungnahme zur Beschwerde führte die Prüferin insbesondere aus, die nachträgliche Änderung der Absetzung für Abnutzung sei nicht „schriftlich kommuniziert“ worden.

9 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom änderte das Finanzamt die Bescheide vom betreffend Körperschaftsteuer 2016, 2017 und 2018 ab.

10 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Körperschaftsteuer für die Jahre 2016 bis 2018) sowie betreffend Anspruchszinsen für 2016 und 2017 als unbegründet ab.

11 Die Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht.

12 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Körperschaftsteuer für die Jahre 2016, 2017 und 2018) Folge und hob die Wiederaufnahmebescheide ersatzlos auf. Die Beschwerde betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen wurde als unbegründet abgewiesen. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

13 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht (soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung) im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte betreibe zwei Tankstellen. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Mitbeteiligten sei K. Infolge einer bei der Mitbeteiligten durchgeführten Außenprüfung seien drei Viertel der Kfz-Betriebskosten nicht anerkannt und als verdeckte Ausschüttung zugunsten des Gesellschafter-Geschäftsführers qualifiziert worden. Aufgrund dieser Feststellungen seien die Verfahren betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2016 bis 2018 wiederaufgenommen und neue Sachbescheide erlassen worden. Festgestellt werde, dass weder in den Wiederaufnahmebescheiden noch im Betriebsprüfungsbericht explizit ein Wiederaufnahmegrund genannt werde.

14 In der Begründung der Wiederaufnahmebescheide werde auf § 303 Abs. 1 BAO verwiesen. Daraus sei nicht ersichtlich, auf welchen der in § 303 Abs. 1 BAO angeführten Tatbestände (lit. a bis c) die Wiederaufnahme des Verfahrens gestützt werden solle. Auch im Prüfungsbericht werde lediglich auf § 303 Abs. 1 lit. a bis c BAO verwiesen. Es bleibe daher auch hier offen, welcher Tatbestand für eine Wiederaufnahme herangezogen werden solle. Das Wort „neu“ komme im Außenprüfungsbericht nicht vor. Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung werde hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer auf Tz 1 verwiesen. Dieser Textziffer sei jedoch nicht zu entnehmen, welchen Tatsachenkomplex die Abgabenbehörde konkret als Wiederaufnahmegrund habe heranziehen wollen. Auch erschließe sich nicht, welche Tatsachen hiebei „neu hervorgekommen“ seien. Durch einen pauschalen Verweis auf eine Textziffer und die darin enthaltenen Feststellungen könne die Abgabenbehörde nicht ihre Begründungspflicht umgehen und sich somit offen halten, welche Tatsachen als Wiederaufnahmegrund herangezogen würden. Da kein konkreter Sachverhaltskomplex festgelegt worden sei, könne über die Eignung der einzelnen Tatsachen keine Aussage getroffen werden. Es scheine, als wolle die Abgabenbehörde mit ihrer vagen Begründung die Wiederaufnahme quasi auf Vorrat mit einer Mehrheit von unbestimmten Tatsachen begründen. Für den Fall, dass eines der in Tz 1 angeführten Sachverhaltselemente nicht neu hervorgekommen wäre, könnte ein anderes in dieser Textziffer genanntes Sachverhaltselement herangezogen werden. Da keine Festlegung auf eine Tatsache erfolgt sei, sei dem Bundesfinanzgericht jedoch schon die Prüfung, ob eine Tatsache neu hervorgekommen sei, verwehrt.

15 Da kein Wiederaufnahmegrund genannt worden sei, könne auch nicht überprüft werden, ob die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig sei. Dieser Mangel könne im Rechtsmittelverfahren „nicht nachgeholt“ werden.

16 Gegen dieses Erkenntnis, soweit damit über die Wiederaufnahme der Verfahren (Körperschaftsteuer 2016, 2017 und 2018) entschieden wurde, wendet sich die Revision des Finanzamts. Zur Zulässigkeit der Revision wird ausgeführt, nach der (näher zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne das Finanzamt zur Begründung des Wiederaufnahmebescheides auf den zugrundeliegenden Betriebsprüfungsbericht oder die diesbezügliche Niederschrift verweisen. Wenn die Abgabenbehörde - wie hier - zur Begründung der Wiederaufnahme auf eine Textziffer des Betriebsprüfungsberichtes verweise, die eine Berechnung der Auswirkungen auf die Körperschaftsteuer beinhalte, komme mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, worauf sich das Finanzamt habe stützen wollen. Der vom Bundesfinanzgericht festgestellte Sachverhalt, wonach im Betriebsprüfungsbericht explizit ein Wiederaufnahmegrund nicht genannt worden sei, sei auch aktenwidrig.

17 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat sich die Mitbeteiligte nicht am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beteiligt.

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

19 Die Revision ist zulässig und begründet.

20 Gemäß § 303 Abs. 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist (lit. a), oder Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind (lit. b), oder der Bescheid von Vorfragen (§ 116 BAO) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist (lit. c), und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

21 Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die gemäß § 305 BAO zuständige Behörde (vgl. ; , Ra 2021/15/0066, mwN).

22 Was „Sache“ des Wiederaufnahmeverfahrens ist, bestimmt sich am Wiederaufnahmegrund (vgl. ; , 2008/15/0327; sowie neuerlich , mwN). Aufgabe des Bundesfinanzgerichts bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wiederaufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre (vgl. , mwN). Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihm bekämpften Wiederaufnahmebescheid des Finanzamts ersatzlos aufheben (vgl. ; , Ra 2014/15/0058, mwN).

23 Das Finanzamt kann zur Begründung des Wiederaufnahmebescheides auch auf den Betriebsprüfungsbericht oder die Niederschrift verweisen (vgl. ; , Ro 2020/13/0005; , Ra 2020/13/0025, mwN). Im Zusammenhang mit einer Wiederaufnahme des Verfahrens lässt der in einem Betriebsprüfungsbericht gegebene Hinweis auf einzelne Textziffern im Regelfall den Schluss zu, dass das Finanzamt die Wiederaufnahme auf den Neuerungstatbestand (nunmehr § 303 Abs. 1 lit. b BAO) gestützt hat und die in diesen Textziffern getroffenen Prüfungsfeststellungen jenen Tatsachenkomplex bilden, der nach Ansicht des Finanzamtes im Zuge der Prüfung neu hervorgekommen ist (vgl. ; , 2008/15/0005).

24 Bei einem Bescheid betreffend amtswegige Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO wird die Sache, über die das Bundesfinanzgericht zu entscheiden hat, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde herangezogen wurde. Die Ergänzung einer mangelhaften Begründung stellt dabei kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (vgl. ; , Ra 2020/13/0031, je mwN).

25 An sich zutreffend verweist das Bundesfinanzgericht darauf, dass das Finanzamt im Bescheid zur Wiederaufnahme nur pauschal auf § 303 Abs. 1 BAO verwiesen und auch im Prüfungsbericht nur allgemein Wiederaufnahmetatbestände „(gem. § 303 Abs. 1 lit. a bis c BAO)“ genannt hat. Zur Körperschaftsteuer (2016 bis 2018) wird dazu aber weiter auf die Feststellungen laut „Tz 1“ des Prüfungsberichts verwiesen. Die Textziffer 1 enthält Feststellungen zur nicht-betrieblichen Nutzung von mehreren Kraftfahrzeugen. Irgendwelche Hinweise auf eine gerichtlich strafbare Tat, auf eine Erschleichungshandlung oder auch auf das Vorliegen einer abweichenden Entscheidung über eine Vorfrage enthalten die Darlegungen im Prüfungsbericht nicht. Es ist daher im vorliegenden Fall - wie im Regelfall (anders als nach dem Sachverhalt zu ) - erkennbar, dass durch diese Verweise der Neuerungstatbestand (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO) angesprochen wurde.

26 Wenn auch - worauf die Mitbeteiligte in ihrer Beschwerde verwiesen hatte - die Niederschrift vom Prüfungsbericht abweicht, so wird aber übereinstimmend auf eine nicht-betriebliche Nutzung von Fahrzeugen verwiesen; im Prüfungsbericht werden gegenüber der Niederschrift aus diesem Umstand lediglich weitere Folgen gezogen. Sowohl aus der Niederschrift als auch aus dem Prüfungsbericht ist aber klar erkennbar, welcher Tatsachenkomplex von der Abgabenbehörde für die Wiederaufnahme herangezogen wurde, nämlich die - nach Ansicht der Abgabenbehörde - neu hervorgekommene Tatsache der nicht-betrieblichen Nutzung von mehreren Fahrzeugen. Es war daher Aufgabe des Bundesfinanzgerichts, zu prüfen, ob diese Tatsachen vorliegen und für die Behörde neu hervorgekommen waren.

27 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BAO §149 Abs1
BAO §150
BAO §279 Abs1
BAO §280 Abs1 lite
BAO §303 Abs1
BAO §303 Abs1 litb
BAO §305
BAO §93 Abs2
BAO §93 Abs3 lita
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023130142.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-46301