VwGH 14.08.2024, Ra 2023/13/0061
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Bei der Geltendmachung der tatsächlichen Kosten nach § 35 Abs. 5 EStG 1988 ist, anders als beim Freibetrag (§ 35 Abs. 3 EStG 1988), nicht normiert, dass die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (nur) durch bestimmte amtliche Bescheinigungen nachgewiesen werden könnten (vgl. ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic-Marinkovic, über die Revision des K in W, vertreten durch Dr. Rebekka Stern, Wirtschaftsprüferin in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 15/1/30, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100520/2023, betreffend Einkommensteuer 2021, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber machte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2021 tatsächliche Kosten aufgrund einer Behinderung in Höhe von insgesamt 5.100,79 € als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt geltend. Die behinderungsbedingten Kosten setzten sich - wie aus einer auf Vorhalt des Finanzamts vorgelegten Aufstellung hervorgeht - aus Apothekerkosten, Krankenhauskosten, Taxikosten, Aufwendungen für Heilbehelfe sowie Heimkosten zusammen, wobei diese einen Aufpreis für eine zweite Person, eine Frühstückspension, einen Garagenplatz und Kabelfernsehen (im November zusätzlich Unterstützung für Körperpflege, Verbandswechsel geringer Aufwand, Unterstützung-Ausscheidung) umfassten. Außerdem wurden Krankheitskosten mit Selbstbehalt als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht.
2 Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom wurde dem Revisionswerber rückwirkend mit Pflegegeld der Pflegestufe 3 zuerkannt.
3 Mit dem Einkommensteuerbescheid 2021 versagte das Finanzamt die Anerkennung der Heimkosten als außergewöhnliche Belastung. Begründend führte es aus, dass die Aufwendungen nicht infolge Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder besonderer Betreuungsbedürftigkeit entstanden seien. Die durch sonstige Krankheiten bedingte außergewöhnliche Belastung wurde zwar in Höhe von 1.106 € anerkannt, führte aber mangels Überschreitung des Selbstbehaltes zu keiner Minderung des Einkommens.
4 Der Revisionswerber erhob dagegen Beschwerde und beantragte erneut die Anerkennung der in der Arbeitnehmerveranlagung geltend gemachten Kosten.
5 In der Beschwerdevorentscheidung erkannte das Finanzamt (nach Abzug des Pflegegeldes) behinderungsbedingte Kosten in Höhe von 246,35 € zu und führte begründend aus, die behinderungsbedingten Kosten seien nur für den Zeitraum der Gewährung des Pflegegeldes, demnach für Dezember 2021, zu berücksichtigen. Garagengebühren und Kosten für Kabelfernsehen stellten keine außergewöhnliche Belastung dar. Die übrigen Aufwendungen hätten den Selbstbehalt von 4.489,39 € nicht überstiegen und seien demnach nicht einkommensmindernd berücksichtigt worden.
6 Im eingebrachten Vorlageantrag führte der Revisionswerber aus, dass eine Begründung hinsichtlich der fehlenden Berücksichtigung der Heilbehandlungskosten fehle. Bezugnehmend auf die Heimkosten werde darauf hingewiesen, dass der Revisionswerber ein Pflegegeld der Stufe 3 erhalte und deshalb von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25% auszugehen sei. Ein weiterer Nachweis sei in diesen Fällen nicht erforderlich.
7 Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Das Bundesfinanzgericht stellte nach Wiedergabe des Verfahrensgangs unter anderem fest, ein Nachweis, dass die für 2021 geltend gemachten Kosten im Zusammenhang mit der dem Revisionswerber ab dem attestierten Pflegebedürftigkeit und der daraus abzuleitenden Behinderung im Ausmaß von 25% gestanden wären, sei nicht erbracht worden. Die vorgelegte Kostenaufstellung genüge nicht, um einen Zusammenhang der geltend gemachten Aufwendungen mit der Behinderung des Revisionswerbers nachzuweisen. Trotz eines Vorhalts der belangten Behörde sei keine ärztliche Verordnung für Medikamente vorgelegt worden, die einen direkten Zusammenhang dieser Kosten mit einer Pflegebedürftigkeit des Revisionswerbers bescheinigt hätte. Dies treffe ebenso auf die Apothekerkosten, Krankenhauskosten, Fahrtkosten und Kosten für Heilbehelfe zu. Da diese Kosten allerdings zur Behandlung anderer Krankheiten als glaubwürdig zu erachten seien, seien diese als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt - neben den vom Finanzamt bereits anerkannten sonstigen Krankheitskosten - zu berücksichtigen. Auch die Heimkosten von Jänner bis November 2021 (samt verrechneten Kosten für Frühstück, Garage und Kabelfernsehen) seien nicht als Kosten aufgrund von Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit nachgewiesen worden. Selbst wenn diese Kosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen wären, führe dies zu keinem anderen Ergebnis, weil die Heimkosten im Dezember 2021 die monatliche Haushaltsersparnis und das für den Dezember gewährte Pflegegeld nicht überstiegen hätten. Die Kosten für Garage und Kabelfernsehen seien Kosten der Lebensführung und keine außergewöhnliche Belastung.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, der Freibetrag nach § 35 EStG 1988 stehe ganzjährig - unabhängig davon, in welchem Monat des Jahres eine körperliche Behinderung festgestellt worden sei - zu. Statt eines Freibetrages könnten auch tatsächliche Kosten geltend gemacht werden. Da ein Steuerpflichtiger die Wahl habe, entweder den Freibetrag ohne Nachweis von Kosten in Anspruch zu nehmen oder aber die tatsächlichen Kosten mit deren Nachweis, müssten die tatsächlichen Kosten das Schicksal des Freibetrages teilen. Da der Freibetrag ganzjährig zuerkannt werde, gelte dies auch für die Inanspruchnahme der tatsächlichen Kosten. Dazu fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters sei im gegenständlichen Fall die Behinderung nicht durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, sondern nach dem Bundespflegegeldgesetz bescheinigt worden. Sowohl die Behindertenbescheinigung bzw. der Behindertenpass als auch der Pflegegeldbescheid seien öffentliche Urkunden, die dem Antragsteller eine körperliche Behinderung bescheinigten. Nach dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der Beweismittel könnten Nachweise unterschiedlicher Behörden, welche dieselbe entscheidungsrelevante Tatsache - nämlich eine Behinderung - bestätigten, nicht unterschiedliche steuerliche Rechtsfolgen entfalten. Im konkreten Fall sei zwar die Unteilbarkeit des Freibetrages bestätigt worden, die tatsächlich nachgewiesenen Kosten jedoch einer Abgrenzung unterworfen worden, indem die Kosten nur ab dem Stichtag der bescheidmäßigen Zuerkennung des Pflegegeldes berücksichtigt worden seien. Damit würden aus einer Rechtsvorschrift, die ein Wahlrecht gewähre, unterschiedliche Rechtsfolgen abgeleitet werden. Solche unterschiedlichen Rechtsfolgen seien aus der Rechtsvorschrift jedoch nicht erkennbar.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen u. a. durch eine eigene körperliche Behinderung, so steht ihm gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 ein Freibetrag zu (Abs. 3 leg. cit.), wenn er keine pflegebedingte Geldleistung erhält. Gemäß Abs. 5 leg. cit. können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden.
14 Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind nach § 35 Abs. 2 EStG 1988 durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stellen sind der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947), die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern und in allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen.
15 Wenn die Revision vorbringt, dass die Behindertenbescheinigung bzw. der Behindertenpass mit einem Pflegegeldbescheid gleichwertig sei und deshalb nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen könne, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Geltendmachung der tatsächlichen Kosten nach § 35 Abs. 5 EStG 1988, anders als beim Freibetrag (§ 35 Abs. 3 EStG 1988), nicht normiert ist, dass die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (nur) durch bestimmte amtliche Bescheinigungen nachgewiesen werden könnten (vgl. ).
16 Wenn die Revision releviert, dass der Revisionswerber die Wahl gehabt hätte, den Freibetrag in Anspruch zu nehmen, der nicht aliquotiert worden wäre, oder die tatsächlichen Kosten geltend zu machen, ist darauf zu verweisen, dass der Revisionswerber die Voraussetzungen für den Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 nicht erfüllt, weil er keine amtliche Bescheinigung im Sinne des § 35 Abs. 2 EStG 1988 vorgelegt hat.
17 Das Bundesfinanzgericht hat allerdings die Aufwendungen bereits als nicht behinderungsbedingt eingestuft, weil kein Nachweis eines ursächlichen Zusammenhanges der Kosten mit der Behinderung erbracht wurde. Dagegen wendet sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023130061.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-46288