VwGH 09.06.2023, Ra 2023/13/0042
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | BAO §166 |
RS 1 | Im Abgabenverfahren besteht grundsätzlich kein Beweisverwertungsverbot (vgl. - auch zu einer Ausnahme davon - , mwN). |
Normen | EStG 1988 §82 MRK Art6 |
RS 2 | Abgabenverfahren fallen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (vgl. ; , Ra 2019/13/0111, mwN; , Ro 2014/15/0019; zur Haftungsinanspruchnahme ; , 99/14/0128). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/13/0047 B RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der A KG in W, vertreten durch Mag. Robert Igali-Igalffy, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 34, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100962/2019, betreffend Haftung für Lohnsteuer und Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für 2013, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Im Gefolge einer Gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben wurde die revisionswerbende Kommanditgesellschaft mit Bescheiden vom für die Einbehaltung und Abfuhr von Lohnsteuer für das Jahr 2013 in Anspruch genommen; weiters wurde der Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2013 festgesetzt.
2 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerde. In der Begründung wurde dargelegt, im Zuge der Außenprüfung sei unterstellt worden, dass es sich bei den beauftragten Subfirmen um Scheinselbständige bzw. Aushilfen gehandelt habe. Diese Unterstellung treffe nicht zu; es handle sich um Werkunternehmer. Die Subunternehmer seien mit ihrem Betrieb jeweils in der Slowakei steuerlich erfasst gewesen.
3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung verwies das Finanzamt insbesondere auf die niederschriftliche Einvernahme des Komplementärs der Revisionswerberin, aus der abzuleiten sei, dass die „Subunternehmer“ als Dienstnehmer zu beurteilen seien.
4 Die Revisionswerberin beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Jahr 2013 teilweise Folge und änderte den Bescheid ab. Betreffend Haftung für Lohnsteuer wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die revisionswerbende Kommanditgesellschaft sei im Jahr 2007 gegründet worden; im Jahr 2013 habe sie den Handel und die Verlegung von Natursteinen und keramischen Fliesen betrieben. Unbeschränkt haftender Gesellschafter der Revisionswerberin sei seit ihrer Gründung MJ.
7 Mehrere slowakische Staatsangehörige seien im Jahr 2013 als Dienstnehmer der Revisionswerberin mit dem Verlegen von Platten und Fliesen oder dem Ausgleichen, Spachteln, Isolieren und Ausmalen auf Baustellen befasst gewesen. Die Entlohnung der Arbeiten sei zeitraumbezogen pro Monat erfolgt. Bis zur Befragung des MJ im Juni 2013 sei die Entlohnung nach geleisteten Stunden erfolgt, danach nach geleisteten Quadratmetern oder Pauschalen. Aufzeichnungen, Kalkulationen oder Vereinbarungen über das Zustandekommen der Höhe des jeweiligen Pauschalbetrages existierten nicht. Die von den Arbeitern geführten Stundenlisten seien von MJ kontrolliert worden; diese bildeten die Grundlage für die an die Revisionswerberin gestellten Rechnungen. Die Arbeitskontrolle und die Anweisungen seien durch MJ erfolgt. Die Arbeiter seien je nach Bedarf auf den Baustellen der Revisionswerberin eingesetzt worden. Im Falle eines Schadens habe die Revisionswerberin gehaftet. Die Möglichkeit einer Vertretung im Fall einer Krankheit oder sonstigen Verhinderung der Personen sei nicht vorgesehen gewesen. Firmenfahrzeuge, Werkzeug, Parkscheine und Dienstwohnung seien den Arbeitern zur Verfügung gestellt worden.
8 Zu Beweisanträgen, die in der mündlichen Verhandlung gestellt worden waren, führte das Bundesfinanzgericht aus, es sei beantragt worden, die Werkunternehmer zu vernehmen. Diese Personen seien jedoch im Ausland wohnhaft und seien daher als Zeugen stellig zu machen. Auch seien weder die Namen noch Beweisthemen konkret angeführt worden. Zum Beweisantrag, dass die Werkunternehmer die steuerliche Behandlung in der Slowakei vorlegen sollten oder das Bundesfinanzgericht die steuerliche Behandlung in der Slowakei erheben solle, sei zu bemerken, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen aus unselbständiger Arbeit, die in Österreich ausgeübt werde, von Personen, die in der Slowakei ansässig seien, nach dem anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen in Österreich besteuert werden dürfen. Die steuerliche Behandlung in der Slowakei habe darauf keinen Einfluss, sodass auch dieser Beweisantrag abzulehnen gewesen sei.
9 Die „Werkvertragsnehmer“ hätten der Revisionswerberin ihre Arbeitskraft zur Verlegung von Platten und Fliesen bzw. zum Ausgleichen, Spachteln, Isolieren und Ausmalen zur Verfügung gestellt. Sie seien dem persönlichen Weisungsrecht der Revisionswerberin unterlegen und in den Betrieb der Revisionswerberin eingegliedert gewesen.
10 Das Gesamtbild der Tätigkeiten der slowakischen Arbeiter lasse - wie näher dargelegt wird - ein Überwiegen der Merkmale der Unselbständigkeit erkennen. Die Abgabenbehörde habe daher die Revisionswerberin zu Recht zur Haftung für Lohnsteuer herangezogen sowie Dienstgeberbeiträge festgesetzt.
11 Da eine der als Dienstnehmer zu behandelnden Personen im Jahr 2013 bereits das 60. Lebensjahr vollendet gehabt habe, seien dessen Arbeitslöhne nicht in der Beitragsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag zu erfassen (§ 41 Abs. 4 lit. f FLAG 1967); insoweit sei der Bescheid abzuändern gewesen.
12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 In der Revision wird zur Zulässigkeit geltend gemacht:
„Die Revision ist zulässig, weil die Anwendungen der Bestimmungen des § 82 EStG, die Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich und der tschechoslowakischen sozialistischen Republik unrichtig angewendet wurde, § 159 StPO analog sowie § 156 Abs. 1 Z 1 StPO analog, § 313a BAO vom Bundesfinanzgericht nicht berücksichtigt wurde und das Verfahren insgesamt alleine schon wegen der überlangen Verfahrensdauer und der Abweisung relevanter Beweisanträge maßgebliche Verfahrensvorschriften verletzt.
Verwiesen wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf Artikel 6 MRK.
Das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts verstößt deshalb auch gegen die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es liegt daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.“
17 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.
18 Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es dem Revisionswerber, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt demnach anhand des Vorbringens in der gesonderten Zulassungsbegründung. In den „gesonderten“ Gründen zur Zulässigkeit der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG ist daher konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. , mwN).
19 Die vorliegende Zulässigkeitsbegründung erfüllt diese Anforderungen schon deswegen nicht, weil in keiner Weise auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen oder dargelegt wird, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer konkreten Frage fehle.
20 Soweit unter Verweis auf § 82 EStG 1988 und das Doppelbesteuerungsabkommen erkennbar behauptet wird, dass betreffend die in der Slowakei ansässigen Personen in Österreich keine Steuerpflicht bestehe, ist zu bemerken, dass nach Art. 15 Abs. 1 des hier anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommens, BGBl. Nr. 34/1979, Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (hier: in der Slowakei) aus unselbständiger Arbeit bezieht, im anderen Staat (hier: Österreich) besteuert werden dürfen, wenn die Arbeit dort (in Österreich) ausgeübt wird, was hier der Fall ist. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung dürfen diese Vergütungen nur im erstgenannten Staat (Slowakei) besteuert werden, wenn die dort genannten, kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen gegeben sind. Da aber der Arbeitgeber (die Revisionswerberin) in Österreich ansässig ist, sind die Voraussetzungen für eine ausschließliche Besteuerung in der Slowakei unabhängig davon nicht erfüllt, ob diese Personen (wie in der Revision eingewandt) nicht länger als 183 Tage in Österreich aufhältig waren.
21 Wenn durch Verweis auf Bestimmungen der Strafprozessordnung erkennbar die Nichtigkeit (§ 159 Abs. 3 StPO; im Sinne einer Unbeachtlichkeit) von Beweisergebnissen geltend gemacht wird, ist zu erwidern, dass im Abgabenverfahren grundsätzlich kein Beweisverwertungsverbot besteht (vgl. - auch zu einer Ausnahme davon - , mwN).
22 Dem Vorbringen zu § 313a BAO ist entgegenzuhalten, dass nach dieser Bestimmung ein Gehörlosendolmetscher nur „erforderlichenfalls“ beizustellen ist. Wie die Revisionswerberin selbst vorbrachte (Eingabe vom ; erörtert auch in der mündlichen Verhandlung), benötigt der Komplementär der Revisionswerberin „ein sehr sensibel eingestelltes Hörgerät“. Schon nach diesem Vorbringen ist aber davon auszugehen, dass zur Ermöglichung der Verständigung mit dem Komplementär der Revisionswerberin von diesem ein entsprechendes Hörgerät zu verwenden war; ein derartiges Hörgerät wurde - wiederum nach dem Revisionsvorbringen - in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht ohnehin verwendet. Dass die Beiziehung eines Gehörlosendolmetschers erforderlich gewesen wäre, kann damit nicht abgeleitet werden; ein Verfahrensmangel ist insoweit nicht erkennbar.
23 Wenn schließlich die Verfahrensdauer gerügt wird, kann damit nicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses dargetan werden. Der Revisionswerberin wären im Übrigen auch Säumnisbehelfe zur Verfügung gestanden.
24 Welchen Beweisanträgen das Bundesfinanzgericht nicht nachgekommen sei, wird im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens nicht dargelegt. Das Zulässigkeitsvorbringen enthält auch keinerlei Auseinandersetzung mit der Begründung des Bundesfinanzgerichts zur Abweisung der Beweisanträge; dieser Begründung ist vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht entgegenzutreten.
25 Dem Hinweis auf Art. 6 EMRK ist zu erwidern, dass Abgabenverfahren nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK fallen (vgl. , mwN).
26 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023130042.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-46276