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VwGH 18.12.2024, Ra 2023/13/0032

VwGH 18.12.2024, Ra 2023/13/0032

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic-Marinkovic, über die Revision des P in W, vertreten durch die Fidi Unger Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Bartensteingasse 16/6, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102645/2016, betreffend Wiederaufnahme Einkommensteuer 2003 bis 2007, Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2003 bis 2005 und 2007, sowie Einkommensteuer 2003 bis 2008 und Umsatzsteuer 2003 bis 2005 und 2007:

I. zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren (Einkommensteuer 2003 bis 2006 und Umsatzsteuer 2003 bis 2005) sowie der Einkommensteuer 2003 bis 2006 und der Umsatzsteuer 2003 bis 2005 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber war in der Immobilienbranche (Immobilienvermittlung, -beratung und -entwicklung) tätig. Im Rahmen einer durchgeführten Außenprüfung wurden nach dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung diverse Aufwendungen nicht anerkannt bzw. nicht versteuerte Einnahmen festgestellt. Das Finanzamt nahm die Verfahren betreffend Einkommensteuer 2003 bis 2007 und Umsatzsteuer 2003 bis 2005 und 2007 wieder auf und erließ neue Sachbescheide. Weiters erließ es einen Einkommensteuerbescheid 2008.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Verfahren zur Einkommensteuer 2003 bis 2007, die Wiederaufnahme der Verfahren zur Umsatzsteuer 2003 bis 2005 und 2007, sowie gegen die Umsatzsteuer 2005 und 2007 als unbegründet ab. Es gab der Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2003 bis 2008 und Umsatzsteuer 2003 und 2004 teilweise Folge.

3 Zur Wiederaufnahme führte es aus, in der Beschwerde sei vorgebracht worden, dass die Wiederaufnahme aufgrund bereits eingetretener Verjährung unzulässig sei. Dazu legte es dar, dass die Erstbescheide betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2003 und 2004 am , betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2005 am , betreffend Einkommensteuer 2006 am und betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2007 am erlassen worden seien. Die jeweilige Erlassung der Bescheide stelle eine Verlängerungshandlung dar, die die Verjährungsfrist um ein Jahr verlängere. Die Verjährungsfrist betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2003 habe sich daher bis verlängert. Zumal in den Jahren 2009 ff unstrittig jeweils zahlreiche Verlängerungshandlungen vorliegen würden und die Wiederaufnahme vor Eintritt der absoluten Verjährung erfolgt sei, sei der Eintritt der Verjährung der verfügten Wiederaufnahme nicht entgegengestanden.

4 In der Sache stellte es fest, dass die H Bank, Liechtenstein, ein als „Konto R“ bezeichnetes Bankkonto geführt habe. Das Konto R sei im Februar 2002 vom Revisionswerber und seiner Ehefrau eröffnet worden. Beiden sei die Einzelzeichnungsberechtigung eingeräumt worden. Dem gemeinsamen Sohn sei zunächst bloß eine im Todesfall der Eltern eintretende uneingeschränkte Vollmacht und ab eine (generelle) Einzelzeichnungsberechtigung eingeräumt worden. Der Revisionswerber habe in den einzelnen Jahren auf das Konto Bareinzahlungen von mehreren hunderttausend Euro getätigt. Das Konto sei im Jahr 2005 aufgelöst und auf das ebenso dem Revisionswerber zuzurechnende „Konto K“ übertragen worden. Wirtschaftlich berechtigt hinsichtlich des Kontos sei nur der Revisionswerber gewesen, nur ihm seien die Guthaben bzw. Gelder zuzurechnen gewesen. Die Mittelherkunft der vorgenommenen Bareinzahlungen sei in allen Jahren des Bestehens des Kontos als nicht aufgeklärt anzusehen. Vom Revisionswerber habe der vorliegende Vermögenszuwachs nicht aufgeklärt werden können, obwohl ihm hinreichend Gelegenheit dafür gegeben worden sei. Es sei davon auszugehen bzw. es erscheine am wahrscheinlichsten, dass die Bareinzahlungen aus bisher nicht versteuerten bzw. steuerlich nicht erklärten Einnahmen/Umsätzen des Revisionswerbers stammten.

5 In der Beweiswürdigung führte das Bundesfinanzgericht aus, der Revisionswerber habe eine aktive Mitwirkung an der Aufklärung des zugrundeliegenden Sachverhalts grundsätzlich verweigert. Demonstrativ könne dabei etwa die Verweigerung, am gerichtlichen Erörterungstermin bzw. an der mündlichen Senatsverhandlung persönlich teilzunehmen, genannt werden. Zu beiden Terminen sei der Revisionswerber jeweils (auch) persönlich vorgeladen gewesen. Es sei jedoch jeweils seine Verhandlungsunfähigkeit behauptet worden. In der mündlichen Verhandlung sei (in einem anderen Zusammenhang) von den steuerlichen Vertretern vorgetragen worden, dass der Revisionswerber, neben seiner Stellung als Gesellschafter von diversen Gesellschaften, nach wie vor auch als Einzelunternehmer in der Maklerbranche agiere und auch Mitarbeiter beschäftige. Es ergebe sich daraus die Widersprüchlichkeit, dass der Revisionswerber einerseits angeblich unfähig sei, sich einer gerichtlichen Einvernahme von lediglich 1,5 Stunden (allenfalls sogar in seinen persönlichen Wohnräumlichkeiten) zu unterziehen, andererseits habe er jedoch selbständig (ausdrücklich er als Person) Arbeitsleistungen erbringen können. Die Verweigerung der persönlichen Mitwirkung habe sich jedoch nicht in der Nicht-Teilnahme an gerichtlichen Verhandlungsterminen beschränkt. Etwa habe der Revisionswerber bereits bei der im Rahmen der erfolgten Außenprüfung am angesetzten Schlussbesprechung seine Teilnahme abgelehnt. Aus der Niederschrift ergebe sich, dass sowohl der Revisionswerber selbst als auch sein steuerlicher Vertreter K. als geladene Teilnehmer angeführt worden, jedoch beide abwesend geblieben seien. Der weitere steuerliche Vertreter B sei zur Schlussbesprechung erschienen, habe aber mitgeteilt, dass er nicht an dieser teilnehme, sondern bloß Akteneinsicht nehmen wolle. Auch grundsätzlich sei der Revisionswerber (in Person seiner steuerlichen Vertreter) von Seiten des Gerichts wiederholt auf seine erhöhte Mitwirkungspflicht an der Aufklärung des gegenständlichen - auslandsbezogenen und ungewöhnliche Verhältnisse umfassenden - Sachverhalts hingewiesen worden. Vom Revisionswerber sei eine solche jedoch ausdrücklich abgelehnt worden. Es sei Sache des Revisionswerbers gewesen, von der allgemeinen Lebenserfahrung abweichende Behauptungen darzutun, und nicht Sache der Behörde oder des Gerichts, die Unrichtigkeit von derartigen Behauptungen zu beweisen. Aus den angeführten Gründen sei die Person des Revisionswerbers auch generell als wenig glaubwürdig zu qualifizieren.

6 Zum Konto K stellte das Bundesfinanzgericht fest, dass dieses im Jahr 2005 vom Revisionswerber eröffnet worden sei und zunächst er, sowie später auch seine Ehefrau und sein Sohn zeichnungsberechtigt gewesen seien. Im Zeitraum 2006 bis 2007 seien Bareinzahlungen von gesamt 2.503.462 € vorgenommen worden. Im Zeitraum 2006 bis 2009 seien insgesamt Auszahlungen von 1.911.437 € überwiegend in bar erfolgt, mit Ausnahme einer Überweisung für den Kauf einer Motoryacht und zwei Überweisungen nach Australien. Die Gelder (Guthaben) am Konto K seien nur dem Revisionswerber zuzurechnen gewesen, nicht hingegen, wie von ihm behauptet, WM. Der Revisionswerber habe über die Gelder selbst verfügen können; es habe dafür keiner Absprache mit WM bedurft. Die Mittelherkunft der vorgenommenen Bareinzahlungen sei in allen Jahren des Bestehens des Kontos als nicht aufgeklärt anzusehen. Der vorliegende Vermögenszuwachs habe nicht aufgeklärt werden können, obwohl dafür hinreichend Gelegenheit gegeben worden sei. Es ist davon auszugehen bzw. es erscheine am wahrscheinlichsten, dass die Bareinzahlungen aus bisher nicht versteuerten bzw. steuerlich nicht erklärten Einnahmen/Umsätzen des Revisionswerbers stammten.

7 In der Beweiswürdigung führte das Bundesfinanzgericht aus, die Existenz des Kontos K, die Zeichnungsberechtigung des Revisionswerbers bzw. später auch seiner Familienmitglieder sowie die vorgenommenen Ein- bzw. Auszahlungen/Überweisungen seien aktenkundig und könnten als unstrittig angesehen werden. Vom Revisionswerber sei aber zunächst (zumindest fallweise) seine Kontoinhaberschaft in Frage gestellt worden. Das Bundesfinanzgericht weise diesbezüglich darauf hin, dass bereits die persönlich erfolgte Kontoeröffnung grundsätzlich darauf hindeute, dass er auch Kontoinhaber gewesen sei. Auch habe das Landesgericht für Strafsachen Wien in seinem Urteil XY festgestellt, dass die Kontoinhaberschaft dem Revisionswerber zuzurechnen gewesen sei und dazu auch ausgeführt, dass letztlich die Einräumung des Zeichnungsrechtes an seine Ehegattin und seinen Sohn dartue, dass der Revisionswerber keine bloße Zeichnungsbefugnis gehabt habe, weil die Einräumung eines Zeichnungsrechts nur durch den Kontoinhaber erfolgen könne. Im späteren Verlauf des Abgabeverfahrens sei der Revisionswerber zur Behauptung übergegangen, bei den Kontoguthaben handle es sich um Gelder des WM, mit denen er, einer Vereinbarung nach, Investitionen zu tätigen gehabt hätte. Die Grundlage für die Zurechnung der Gelder an WM liege in einer zwischen ihm und WM abgeschlossenen „Immobilieninvestmentvereinbarung“. Nach der mit datierten, zwischen dem Revisionswerber und WM abgeschlossenen Grundsatzvereinbarung hätte letzterer nach dem Vorbringen des Revisionswerbers „in den folgenden Jahren“ auf dem Konto K bis zu 2,5 Millionen € zur Durchführung von (insbesondere gemeinsamen) Immobilienprojekten zur Verfügung stellen wollen. Der Revisionswerber sei berechtigt, aber nicht verpflichtet gewesen, Immobilienprojekte für WM - der selbst nicht nach außen habe auftreten wollen - in dieser Höhe durchzuführen. Es hätte sich bei der Immobilieninvestmentvereinbarung um eine zuvor mündlich getroffene Vereinbarung gehandelt, die erheblich später schriftlich nachgefasst worden sei.

8 Das Bundesfinanzgericht könne diesen Darstellungen des Revisionswerbers nicht folgen. Es könne bereits der Behauptung, dem Revisionswerber sei nur deshalb die Zeichnungsberechtigung eingeräumt worden, weil WM nicht als Kontoinhaber nach außen hin habe auftreten wollen, nicht gefolgt werden, zumal es sich ohnehin um ein Pseudonym-Konto gehandelt habe und dieses noch dazu im Ausland errichtet worden sei. Weiter spreche auch der Umstand, dass der Revisionswerber seiner Ehegattin und dem gemeinsamen Sohn eine Zeichnungsberechtigung eingeräumt habe, nicht hingegen WM, für das Vorliegen einer Scheinbehauptung. Wären die Gelder tatsächlich diesem zuzurechnen gewesen, hätte der Revisionswerber ihm, insbesondere bei tatsächlichem Vorliegen des behaupteten schlechten Gesundheitszustands, irgendeine Art von notfalls eintretender Zeichnungsberechtigung eingeräumt.

9 Als unglaubhaft sei schließlich generell das gesamte Vorbringen betreffend die Immobilieninvestmentvereinbarung(en) zu beurteilen. Die entsprechenden Inhalte der vorgelegten schriftlichen Dokumente würden von Seiten des Bundesfinanzgerichts als Schutzbehauptungen bzw. die Dokumente als Scheindokumente qualifiziert. Dies insbesondere schon deshalb, weil der Revisionswerber im Laufe des Verfahrens erklärt habe, dass die Vereinbarungen zuerst mündlich abgeschlossen und erst erheblich später, im Jahr 2009 aufgrund einer medialen Berichterstattung, verschriftlicht und rückdatiert worden seien. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts entspreche es jedoch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Vereinbarungen über Investitionen in Millionenhöhe nicht bloß mündlich abgeschlossen und erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt nachträglich verschriftlicht würden. Eine derartige Vorgehensweise wäre als geschäftsunüblich anzusehen. Die Unglaubhaftigkeit werde durch widersprüchliche Aussagen zur Vertragsentstehung und durch die mangelnde Offenlegung aller Umstände bekräftigt. Schließlich würden die vorgenommenen Überweisungen für die Anschaffung der Motoryacht des Revisionswerbers bzw. an seine australische Gesellschaft die klare Mittelverwendung außerhalb des behaupteten Zwecks bestätigen.

10 Dass das Konto K dem Revisionswerber zuzurechnen gewesen sei, würde auch in einem näher bezeichneten Urteil des Landesgerichts für Strafsachen so gesehen. Nach Auffassung des Landesgerichts für Strafsachen (sowie nach Auffassung des Finanzamtes) würden die Bareinzahlungen auf dem Konto K aus einem Drittel der nichtversteuerten Provisionen stammen, die für den Erwerb der Anteile an den Liegenschaften X von einem Investor geflossen seien. Beim Zufluss im Jahr 2007 habe es sich abermals um ein Drittel von nichtversteuerten Provisionen, die diesfalls im Zusammenhang mit dem Projekt T geflossen seien, gehandelt. Ob die Kontoeingänge tatsächlich, wie im Urteil des Landesgerichts festgestellt, aus den betreffenden Provisionen stammten, sei für das gegenständliche Abgabenverfahren letztlich belanglos. Das Konto K und die darauf befindlichen Gelder (Guthaben) seien dem Revisionswerber klar zuzurechnen und er habe es nicht vermocht, die Mittelherkunft der einbezahlten Beträge zu erklären.

11 Wie auch beim Konto R sei der Revisionswerber der gebotenen (erhöhten) Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des zugrundeliegenden Sachverhalts in äußerst unzureichendem Ausmaß nachgekommen und habe in wesentlichen Punkten die aktive Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung verweigert. Sein Vorbringen habe sich als unschlüssig und widersprüchlich und somit nicht geeignet erwiesen, die einbezahlten Beträge zu erklären.

12 Rechtlich führte das Bundesfinanzgericht aus, beim Revisionswerber liege ein nicht aufgeklärter Vermögenszuwachs vor. Dies rechtfertige die Annahme, dass er aus nicht erklärten Einkünften stamme, womit die Schätzungsbefugnis nach § 184 Abs. 2 BAO gegeben sei.

13 Hinsichtlich der Einkommensteuer 2008 führte das Bundesfinanzgericht aus, dem Revisionswerber seien Zinsen von einem ihm zuzurechnenden Bankkonto in Australien gutgeschrieben worden. Diese seien in Österreich steuerpflichtig. In Australien sei 10% Quellensteuer einbehalten worden. Diese bisher nicht angerechnete Quellensteuer werde zugunsten des Revisionswerbers in Abänderung des Bescheides angerechnet. Hinsichtlich näher bezeichneter strittiger Hinzurechnungen von Lohnaufwendungen sei die Beschwerde zurückgenommen worden.

14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die unter anderem zu ihrer Zulässigkeit betreffend die Wiederaufnahmen vorbringt, das Bundesfinanzgericht habe keine konkreten Feststellungen zu den behaupteten Verlängerungshandlungen ab dem Jahr 2009 getroffen. Im Folgenden wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts. Der Revisionswerber sei durch zwei ärztliche Atteste, die die Vernehmungsunfähigkeit klar bescheinigten, ordnungsgemäß entschuldigt gewesen und die gegenteilige Ansicht des Bundesfinanzgerichts hätte nicht in die Beweiswürdigung einfließen dürfen. Die geforderte Mitwirkungspflicht sei überspannt worden. Das Bundesfinanzgericht sei zu Unrecht von einer erhöhten Mitwirkungspflicht ausgegangen. Wie der Revisionswerber dargestellt habe, hätten die festgestellten Sachverhalte ihre Wurzeln nicht im Ausland gehabt, sondern es seien zur Gänze Sachverhalte im Inland unterstellt worden. Die „belangte Behörde“ habe sich mit der Sachverhaltsdarstellung des Revisionswerbers nicht auseinandergesetzt und auch nicht jene Gründe angeführt, die sie an der Richtigkeit dieser Sachverhaltsdarstellung zweifeln ließen. Der bloße Hinweis auf eine „generelle“ Unglaubwürdigkeit des Revisionswerbers genüge nicht. Die Schlussfolgerung, dass der Revisionswerber unglaubwürdig sei und der Verweis auf Widersprüchlichkeiten im Vorbringen übersehe, dass sich das Gericht keinen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft habe. Bezüglich der erfolgten Schätzung zitiere das Bundesfinanzgericht lediglich Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes und habe in weiterer Folge angenommen, dass der bewirkte Vermögenszuwachs unaufgeklärt geblieben sei und somit die Annahme rechtfertige, dass er aus nicht bekannten Einkünften stamme, womit die Schätzungsbefugnis gegeben gewesen sei. Nach dieser Rechtsprechung ergebe sich aber die Berechtigung zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erst dann, wenn das Vorliegen von Umsatzverkürzungen in einem mängelfreien Verfahren bejaht worden sei. Ergäben sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von tatsächlichen Abgabenverkürzungen, könne nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass die getätigten Einlagen tatsächlich aus nicht erklärten Erlösen stammen würden. Darüber hinaus sei der Revisionswerber zu jeder Zeit zwingend Bilanzierer gewesen. Wie im Verfahren vorgebracht, sei er zur Zurückzahlung der an ihn übergebenen Geldbeträge verpflichtet gewesen. Als Bilanzierer hätte für die Rückzahlungsverpflichtung eine Rückstellung bzw. Verbindlichkeit eingestellt werden müssen, die das Einkommen mindere. Dies sei im Verfahren vorgebracht, aber zu keiner Zeit behandelt worden. Das Einstellen eines Passivpostens liege nicht im Ermessen, sondern sei zwingend vorzunehmen.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:

I. Zur Wiederaufnahme Einkommensteuer 2003 bis 2006, Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2003 bis 2005, sowie Einkommensteuer 2003 bis 2006 und Umsatzsteuer 2003 bis 2005:

16 Das Recht eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 Satz 1 BAO fünf Jahre.

17 Werden innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen unternommen, so verlängert sich gemäß § 209 Abs. 1 BAO die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte so zu begründen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs für diesen nachvollziehbar ist. Hiezu muss die Begründung insbesondere erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet wird (vgl. z.B. , mwN).

19 Das Bundesfinanzgericht führt in seinem Erkenntnis lediglich aus, dass zahlreiche Verlängerungshandlungen seit 2009 stattgefunden hätten, ohne diese jedoch konkret zu benennen und ohne Feststellungen dazu zu treffen. Auch dem „Verfahrensgang“ und den Erwägungen sind keine diesbezüglichen Informationen zu entnehmen.

20 Eine Beurteilung, ob die Verjährung der Wiederaufnahme für die Jahre 2003 bis 2006 entgegenstand, ist für den Verwaltungsgerichtshof somit nicht möglich.

21 Das angefochtene Erkenntnis war daher insoweit (samt neuen Sachbescheiden) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

22 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

II.a Zur Wiederaufnahme der Verfahren der Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2007 sowie der Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2007:

23 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

24 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

25 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

26 Für das Jahr 2007 erfolgte die erstmalige Festsetzung der Einkommensteuer und Umsatzsteuer am , wodurch sich die Verjährungsfrist bis zum verlängerte. Die Wiederaufnahme erfolgte am und somit innerhalb der Verjährungsfrist, ohne dass es dafür weiterer Verlängerungshandlungen bedurft hätte.

27 Für die Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2007 ist vorab darauf hinzuweisen, dass es in diesem Jahr nur um die Vorgänge rund um das Konto K geht und nicht das Konto R betroffen ist, das bereits im Jahr 2005 aufgelöst wurde.

28 Die Revision wendet sich mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts. Dazu wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verwiesen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. (vgl. , mwN).

29 Der Revision ist zunächst zuzugestehen, dass die Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, der Revisionswerber wäre aufgrund der vorgelegten Atteste nicht für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung entschuldigt gewesen, nicht ausreichend nachvollziehbar ist. Dafür hätte es einer näheren Auseinandersetzung damit bedurft, wieso das Bundesfinanzgericht aufgrund der geschilderten gesundheitlichen Probleme des Revisionswerbers davon ausgeht, dass er zu einer Verhandlung und Vernehmung fähig gewesen wäre. Auch eine (allenfalls schriftliche) Befragung der die Atteste ausstellenden Ärzte ist trotz Ankündigung des Bundesfinanzgerichts in der Ladung zur mündlichen Verhandlung unterblieben.

30 Es ist allerdings nicht erkennbar, dass die Nichtteilnahme an der stattgefundenen mündlichen Verhandlung durch den Revisionswerber die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts derart beeinflusst hat, dass der Revisionswerber tragend deswegen als unglaubwürdig beurteilt wurde und auch die entsprechende Beweiswürdigung vor allem deshalb zu seinen Ungunsten erfolgte.

31 Das Bundesfinanzgericht weist zwar in seiner Beweiswürdigung darauf hin, dass es den Revisionswerber generell als wenig glaubwürdig ansieht, stützt sich dabei aber nicht ausschließlich auf die Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung, sondern bringt eine Vielzahl weiterer Aspekte vor, wie die fehlende Mitwirkung bereits im Verfahren vor der Abgabenbehörde, die Nichtteilnahme an der Schlussbesprechung durch ihn und seine steuerlichen Vertreter, die nicht vollständige Offenlegung aller Umstände im Rahmen der Selbstanzeige im Zusammenhang mit dem Konto R, die Vorlage eines E-Mails im Zusammenhang mit dem Konto K, das der versuchten Verschleierung der Zurechnungsverhältnisse diente, der Umstand, dass der Revisionswerber zwar vernehmungsunfähig sei, gleichzeitig aber nach den Angaben der steuerlichen Vertreter weiterhin als Einzelunternehmer (auch persönlich) tätig sei sowie die widersprüchlichen Angaben zur Mittelherkunft in der Berufung und ihrem Nachtrag.

32 Wenn die Revision dazu ausführt, es hätte keine erhöhte Mitwirkungspflicht gegeben, weil keine Auslandssachverhalte vorlägen, ist dem entgegenzuhalten, dass eine solche Mitwirkungspflicht auch bei Vorliegen ungewöhnlicher Verhältnisse, die nur durch den Abgabepflichtigen aufklärbar sind, gegeben ist (vgl. , mwN), oder wenn Behauptungen eines Abgabepflichtigen mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch stehen (vgl. ). Dass ein solcher Fall beim Konto K vorliegt, hat das Bundesfinanzgericht in nicht zu beanstandender Beweiswürdigung festgestellt, weil der Abschluss bloß mündlicher Vereinbarungen über Millionengeschäfte, die erst Jahre später in schriftlichen und rückdatierten Dokumenten festgehalten werden, dem gewöhnlichen Geschäftsleben nicht entspricht. Ebenso lagen beim Konto R derartige Umstände vor.

33 Das Bundesfinanzgericht hat sich in seiner Beweiswürdigung entgegen dem Vorwurf des Revisionswerbers auch nicht damit begnügt, auf eine generelle Unglaubwürdigkeit des Revisionswerbers zu verweisen. Es hat mit ausführlicher Begründung in der Beweiswürdigung dargelegt, wieso es von dem angenommenen Sachverhalt ausgeht und aufgrund welcher Widersprüchlichkeiten es die Aussagen des Revisionswerbers als nicht glaubhaft beurteilt. Wesentliche Sachverhaltsannahmen basierten zudem auf dem Vorbringen der Partei oder unstrittigen Ermittlungsergebnissen des Finanzamtes. Wenn die Revision behauptet, das Bundesfinanzgericht habe sich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers überhaupt nicht auseinandergesetzt, legt sie nicht dar, welches Sachverhaltsvorbringen vom Bundesfinanzgericht nicht gewürdigt wurde und inwieweit dies zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

34 Wenn die Revision rügt, das Bundesfinanzgericht habe sich keinen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber gemacht, genügt der Hinweis, dass der Richter mehrmals zu Erörterungsterminen und dann zu einer mündlichen Verhandlung geladen und auch eine Einvernahme in den Räumlichkeiten des Revisionswerbers angeboten hat.

35 Soweit auch die „überlange Verfahrensdauer“ gerügt wird, ist zu bemerken, dass dem Revisionswerber gegen eine Säumnis der Behörde oder des Verwaltungsgerichts entsprechende Säumnisbehelfe zur Verfügung standen; eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung wird damit nicht begründet.

36 Die Revision macht zur Schätzung geltend, dass die Voraussetzungen für eine Schätzung nicht vorgelegen hätten, weil sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von tatsächlichen Abgabenverkürzungen ergäben hätten. Deshalb dürfe nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass die getätigten Einlagen tatsächlich aus nicht erklärten Erlösen stammen würden.

37 Wird in einem mängelfreien Verfahren ein Vermögenszuwachs festgestellt, den der Abgabepflichtige nicht aufklären kann, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Annahme gerechtfertigt, dass der unaufgeklärte Vermögenszuwachs aus nicht einbekannten Einkünften stammt; das Vorliegen eines unaufgeklärten Vermögenszuwachses löst diesfalls die Schätzungsbefugnis der Behörde nach § 184 Abs. 2 BAO aus (vgl. , mwN).

38 Dass die Sachverhaltsannahme, es liege ein (unaufgeklärter) Vermögenszuwachs vor, mit die Zulässigkeit der Revision begründenden Verfahrensmängeln belastet sei, kann die Revision nicht aufzeigen. Dass sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von tatsächlichen Abgabenverkürzungen ergäben hätten, widerspricht dem vom Bundesfinanzgericht in nicht zu beanstandender Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalt.

39 Wenn die Revision schließlich noch vorbringt, der Revisionswerber sei ein Bilanzierer gewesen, weshalb die Rückzahlung von Beträgen hätte passiviert werden müssen, ist dem entgegenzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht - sollte mit diesem Vorbringen die behauptete Rückzahlungspflicht an WM gemeint sein - bei der Rückzahlungsvereinbarung eine Scheinurkunde angenommen hat. Das wird von der Revision nicht bekämpft.

II.b Zur Einkommensteuer 2008:

40 Zur Einkommensteuer 2008 gibt es kein auf dieses Jahr bezogenes Zulässigkeitsvorbringen. Das Bundesfinanzgericht hat nur Änderungen zu Gunsten des Revisionswerbers vorgenommen.

41 Die Revision war daher hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens der Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2007, der Einkommensteuer 2007 und 2008 sowie der Umsatzsteuer 2007 mangels Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am

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ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023130032.L00
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QAAAF-46272