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VwGH 05.06.2023, Ra 2023/13/0019

VwGH 05.06.2023, Ra 2023/13/0019

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BAO §83
ZustG §9
RS 1
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließt eine allgemeine Vertretungsbefugnis eine Zustellungsbevollmächtigung mit ein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2010/17/0215, mwN). Das gilt auch, wenn sich ein Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/17/0154). Der Abgabepflichtige kann auch mehrere Vertreter, also auch mehrere Zustellungsbevollmächtigte bestellen (vgl. Wanke, Zustellungsfragen im Abgabenverfahren, Teil 2, ÖStZ 1988, 283 (285)).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2012/13/0051 E RS 1 (hier ohne den letzten Satz)
Normen
BAO §83
ZustG §9
RS 2
Die Kündigung oder der Widerruf einer Vollmacht wird der Behörde gegenüber erst wirksam, wenn dies der Behörde mitgeteilt wird (vgl. , mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Wien 4/5/9/10/18/19 Klosterneuburg in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103372/2022, betreffend Nachsichtsansuchen (§ 236 BAO) (mitbeteiligte Partei: Dr. B in W, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Eingabe vom gab Rechtsanwalt A bekannt, dass die Mitbeteiligte ihn bevollmächtigt habe, eine Regelung des bestehenden Abgabenrückstandes mit der Abgabenbehörde vorzunehmen. Abgesehen davon bleibe die steuerliche Vertretung durch die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft K GmbH aufrecht.

2 Mit Eingabe vom stellte Rechtsanwalt A namens der Mitbeteiligten den Antrag auf teilweise Nachsicht des Abgabenrückstandes, soweit dieser einen Betrag in der Höhe von 10.000 € übersteige, sodass mit der Bezahlung eines Betrags von 10.000 € kein weiterer Abgabenrückstand bestehe.

3 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Nachsicht ab. Diese Erledigung wurde an die Mitbeteiligte zu Handen der K GmbH zugestellt.

4 Die Mitbeteiligte erhob, vertreten durch Rechtsanwalt A, Beschwerde gegen diesen Bescheid.

5 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Diese Erledigung wurde der Mitbeteiligten persönlich zugestellt.

6 Die Mitbeteiligte beantragte, vertreten durch Rechtsanwalt A, die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Darin wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass die Mitbeteiligte bereits im erstinstanzlichen Verfahren rechtsfreundlich vertreten gewesen sei; die Zustellung des „angefochtenen Bescheides“ sei in gesetzwidriger Weise nicht an ihren Rechtsfreund, sondern direkt an sie erfolgt.

7 Über Vorhalt des Bundesfinanzgerichts teilte Rechtsanwalt A mit, der Bescheid des Finanzamts vom sei von der K GmbH am per E-Mail an ihn weitergeleitet worden; die Beschwerdevorentscheidung sei ihm von der Mitbeteiligten im Original übergeben worden. Die K GmbH teilte dem Bundesfinanzgericht mit, dass sie den Bescheid vom eingescannt und per E-Mail an Rechtsanwalt A weitergeleitet habe; das Original des Bescheides habe sie vernichtet.

8 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als nicht zulässig zurück. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, aus der Eingabe vom gehe zweifelsfrei der Wille der Mitbeteiligten hervor, dass zur Regelung des Abgabenrückstandes A beauftragt und bevollmächtigt sei und dass der K GmbH in dieser Angelegenheit keine Vollmacht erteilt worden sei. Damit sei die belangte Behörde nicht befugt gewesen, den Bescheid über die Abweisung des Nachsichtsansuchens an die in diesem Verfahren nicht bevollmächtigte K GmbH zuzustellen. An Rechtsanwalt A sei der Bescheid lediglich per E-Mail weitergeleitet worden. Damit habe die als Bescheid intendierte Erledigung der belangten Behörde keine Rechtswirkungen entfalten können. Die dennoch eingebrachte Beschwerde sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

10 Gegen diesen Beschluss wendet sich die Revision des Finanzamts. Zur Zulässigkeit wird u.a. geltend gemacht, der angefochtene Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Danach habe die Bekanntgabe einer weiteren Zustellungsvollmacht nicht zur Folge, dass damit eine der Behörde bereits bekannte Zustellungsvollmacht beendigt werde.

11 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

13 Die Revision ist zulässig und begründet.

14 Eine allgemeine Vertretungsbefugnis schließt (im Allgemeinen) eine Zustellungsbevollmächtigung mit ein. Dies gilt auch, wenn sich ein dazu befugter (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 83 Tz 10) Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (vgl. , mwN). Die Kündigung oder der Widerruf einer Vollmacht wird der Behörde gegenüber erst wirksam, wenn dies der Behörde mitgeteilt wird (vgl. , mwN).

15 Unbestritten besteht eine (allgemeine) Zustellvollmacht der Mitbeteiligten an die K GmbH. Wenn mit der Eingabe vom  mitgeteilt wurde, die Mitbeteiligte habe für die Regelung des Abgabenrückstandes Rechtsanwalt A bevollmächtigt, so berief sich damit Rechtsanwalt A auf die Bevollmächtigung; diese schließt auch eine Zustellvollmacht mit ein. Mit dieser Eingabe wurde - wie das Bundesfinanzgericht an sich zutreffend darlegt - der K GmbH keine Vollmacht in dieser Angelegenheit erteilt. Dem Schreiben kann aber auch nicht entnommen werden, dass damit eine bereits bestehende allgemeine Zustellvollmacht widerrufen oder auch nur eingeschränkt würde; die Zustellvollmacht wird in der Eingabe mit keinem Wort erwähnt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass damit eine weitere Bevollmächtigung bekannt gegeben wurde.

16 Hat eine Partei mehrere Zustellungsbevollmächtigte, so gilt nach § 9 Abs. 4 Zustellgesetz die Zustellung als bewirkt, sobald sie an einen von ihnen vorgenommen worden ist (vgl. dazu z.B. ; , Ra 2020/13/0066).

17 Die Zustellung der Erledigung vom an die Mitbeteiligte zu Handen der K GmbH erfolgte damit wirksam an einen Zustellungsbevollmächtigten der Mitbeteiligten.

18 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §83
ZustG §9
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023130019.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-46267