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VwGH 28.08.2024, Ra 2023/11/0167

VwGH 28.08.2024, Ra 2023/11/0167

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
LSD-BG 2016 §29 Abs1
LSD-BG 2016 §29 Abs2
LSD-BG 2016 §29 Abs3
VStG §45 Abs1 Z2
VwGG §42 Abs2 Z1
RS 1
Schon aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass § 29 Abs. 3 LSD-BG 2016 keinen Strafaufhebungs- oder -ausschließungsgrund im Sinne des § 45 Abs. 1 Z 2 VStG normiert. Denn sowohl Abs. 2 als auch Abs. 3 des § 29 LSD-BG 2016 setzen voraus, dass der in dessen Abs. 1 umschriebene Straftatbestand nach der objektiven und subjektiven Tatseite erfüllt ist. Kommt es zu einer Nachzahlung unter den Anforderungen des Abs. 2, entfällt die Strafbarkeit. Kommt es zu einer Nachzahlung unter den Anforderungen des Abs. 3, bleibt zwar die Strafbarkeit bestehen, es ist jedoch von der Verhängung einer Strafe abzusehen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/11/0041 E RS 1
Norm
VStG §5 Abs1
RS 2
Das Vorbringen, es sei eine taugliche Person, wie zB ein Rechtsanwalt, beauftragt worden, reicht allein für sich nicht hin, dass der Beschuldigte von der ihn im Verwaltungsstrafverfahren treffenden Verantwortung entlastet wäre. Es bedarf hierzu weiterer Glaubhaftmachung, dass auch für eine geeignete Kontrolle der beauftragten Person Vorsorge getroffen worden sei (Hinweis: E , 92/05/0074). Auch auf die richtige Ausführung des Auftrages durch einen Rechtsanwalt darf nicht völlig vertraut werden.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2000/02/0181 E RS 5 (hier: betreffend Beauftragung eines Steuerberaters)

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2023/11/0168 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätin Dr.in Oswald als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Janitsch, über die Revision der Österreichischen Gesundheitskasse, vertreten durch die Fischer & Walla Rechtsanwälte OG in 6850 Dornbirn, Marktstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom , Zl. LVwG-1-348/2023-R6, betreffend Übertretungen nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Dornbirn; mitbeteiligte Parteien: 1. B V, vertreten durch die Leitner Hirth Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 27, und 2. A GmbH in H), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Erstmitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Zweitmitbeteiligten zu verantworten, dass an drei näher genannte, im Betrieb der Zweitmitbeteiligten beschäftigte Arbeitnehmer jeweils in näher genannten Zeiträumen zwischen und weniger als die nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Sonderzahlungen ausbezahlt worden seien, wobei die Unterentlohnung im jeweiligen Fall € 728,40 bzw. 48,07%, € 221,09 bzw. 50,13% und € 891,88 bzw. 41,72% betragen habe. Dadurch habe der Erstmitbeteiligte § 29 Abs. 1 des Lohn- und Sozialdumping-BekämpfungsgesetzesLSD-BG i.V.m. dem Kollektivvertrag für Arbeiter im Eisen- und Metallverarbeitenden Gewerbe vom übertreten, weswegen über ihn eine Geldstrafe in Höhe von € 4.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 5 Tagen und 14 Stunden) verhängt und ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben wurde.

2 2. Der gegen dieses Straferkenntnis vom Erstmitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis gemäß § 50 VStG Folge, es hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig.

3 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, in Bezug auf drei näher genannte Arbeitnehmer der Zweitmitbeteiligten sei es im Zusammenhang mit der Auszahlung von Sonderzahlungen im Zeitraum zwischen bzw.  und zu Unterentlohnungen im Ausmaß von € 728,40 bzw. 48,07%, € 221,09 bzw. 50,13% und € 891,88 bzw. 41,72% gekommen. Aufgrund einer Strafanzeige der Revisionswerberin habe die belangte Behörde am das Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine Aufforderung der Behörde, die Differenzbeträge nachzuzahlen, sei nicht erfolgt. Im Zuge der Beschwerde an das Verwaltungsgericht habe der Erstmitbeteiligte Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass den betroffenen Arbeitnehmern die Differenzbeträge im April 2023 ausbezahlt worden seien, wobei jedoch betreffend einen der Arbeitnehmer noch ein Betrag in der Höhe von € 2,79 ausständig gewesen sei. Dieser Betrag sei schließlich auf Aufforderung des Verwaltungsgerichtes ausbezahlt worden.

4 Der Erstmitbeteiligte habe angegeben, die Höhe des den Arbeitnehmern auszuzahlenden Gehaltes nicht selbst berechnen zu können, weshalb er dafür eine Steuerberatungskanzlei beauftragt habe. Er verlasse sich darauf, dass die von der Steuerberatungskanzlei durchgeführten Berechnungen richtig seien. Eine als Zeugin vernommene Mitarbeiterin der in Rede stehenden Steuerberatungskanzlei habe ausgesagt, dass es sich bei den gegenständlichen Unterentlohnungen um einen Abrechnungsfehler gehandelt habe, der schon einmal passieren könne, wenn man nicht genauer hinschaue, der dem Erstmitbeteiligten aber nicht hätte auffallen können. Der Erstmitbeteiligte habe aber nicht dargelegt, dass die korrekte Lohnverrechnung der Steuerberatungsfirma durch ihn selbst oder anderweitig, insbesondere im Rahmen eines entsprechenden Kontrollsystems, überprüft worden sei. Daher sei dem Erstmitbeteiligten Verschulden anzulasten.

5 Zwar sei das Ausmaß der festgestellten Unterentlohnungen nicht gering, allerdings übersteige das Verschulden des Erstmitbeteiligten nicht leichte Fahrlässigkeit. Von grober Fahrlässigkeit sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen, zumal Entgeltbe- und -abrechnungen grundsätzlich komplex und fehleranfällig seien und der Erstmitbeteiligte aus diesem Grund einen Steuerberater beigezogen habe. Zudem betreffe die Unterentlohnung ausschließlich die an im September 2020 neu eingetretene Arbeitnehmer auszuzahlenden Sonderzahlungen bezüglich des letzten Quartals des Jahres 2020 und sei die Berechnung der Höhe des zu leistenden Entgelts in eine „Hochphase der Corona-Pandemie“ gefallen, in der viele Steuerberater stark belastet gewesen seien. Aus diesen Gründen sowie aufgrund des geringen Zeitraums der Unterentlohnung und des Umstandes, dass die ausständigen Beträge nach Aufforderung unverzüglich nachbezahlt worden seien, sei von keiner ungewöhnlichen bzw. auffallenden Sorglosigkeit auszugehen. Somit seien die Voraussetzungen nach § 29 Abs. 3 LSD-BG für ein Absehen von der Verhängung einer Strafe erfüllt.

6 3. Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete der Erstmitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

8 3.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf ) ab, als das Verwaltungsgericht das Verwaltungsstrafverfahren einstellte. Komme es zu einer Nachzahlung unter den Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 LSD-BG, bleibe die Strafbarkeit bestehen und es sei nur von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Das Verwaltungsgericht hätte daher lediglich von der Verhängung der Strafe absehen dürfen. Überdies sei das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Erstmitbeteiligten lediglich leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei schon im Fall einer nicht geringen Unterentlohnung, von der mehrere Arbeitnehmer betroffen sind, das Verschulden nicht als gering anzusehen. Darüber hinaus könne nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Fehlen eines funktionierenden Kontrollsystems von einem geringfügigen Verschulden nicht gesprochen werden.

9 Die Revision ist aufgrund dieses Vorbringens zulässig und im Ergebnis auch begründet.

10 3.2. § 29 Lohn- und Sozialdumping-BekämpfungsgesetzLSD-BG, BGBl. I Nr. 44/2016 in der Fassung BGBl. I Nr. 174/2021, lautet auszugsweise:

„Unterentlohnung

§ 29. (1) Wer als Arbeitgeber einen oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm oder ihnen zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten, begeht unabhängig von der Anzahl der von der Verwaltungsübertretung betroffenen Arbeitnehmer eine einzige Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 50 000 Euro zu bestrafen. Ist im Erstfall bei Arbeitgebern mit bis zu neun Arbeitnehmern die Summe des vorenthaltenen Entgelts geringer als 20 000 Euro beträgt die Geldstrafe bis zu 20 000 Euro. Ist die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 50 000 Euro, beträgt die Geldstrafe bis zu 100 000 Euro. Ist die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 100 000 Euro beträgt die Geldstrafe bis zu 250 000 Euro. Ist die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 100 000 Euro und wurde das Entgelt in Lohnzahlungszeiträumen der Unterentlohnung vorsätzlich um durchschnittlich mehr als 40 vH des Entgelts vorenthalten, beträgt die Geldstrafe bis zu 400 000 Euro. Wirkt der Arbeitgeber bei der Aufklärung zur Wahrheitsfindung unverzüglich und vollständig mit, ist anstelle des Strafrahmens bis 100 000 Euro oder bis 250 000 Euro der jeweils niedrigere Strafrahmen anzuwenden. Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, liegt eine einzige Verwaltungsübertretung vor. Entgeltzahlungen, die das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt übersteigen, sind auf allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum anzurechnen. Hinsichtlich von Sonderzahlungen für Arbeitnehmer im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 1 und 2 liegt eine Verwaltungsübertretung nach dem ersten Satz nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Sonderzahlungen nicht oder nicht vollständig bis spätestens 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres leistet. Ebenso ist zu bestrafen, wer als Auftraggeber im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 3 einen Heimarbeiter beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz oder Verordnung gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten.

(2) Die Strafbarkeit nach Abs. 1 ist nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber vor einer Erhebung der zuständigen Einrichtung nach den §§ 12, 14 und 15 die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem Arbeitnehmer nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgelt nachweislich leistet.

(3) Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem Arbeitnehmer nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgelt binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist nachweislich leistet, und

1. die Unterschreitung des nach Abs. 1 maßgeblichen Entgelts unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien gering ist oder

2. das Verschulden des Arbeitgebers oder des zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs. 1 VStG) oder des verantwortlichen Beauftragten (§ 9 Abs. 2 oder 3 VStG) leichte Fahrlässigkeit nicht übersteigt,

hat sie von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Ebenso ist von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem Arbeitnehmer nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgelt vor der Aufforderung durch die Bezirksverwaltungsbehörde nachweislich leistet und die übrigen Voraussetzungen nach dem ersten Satz vorliegen. Ist die Entscheidung der Bezirksverwaltungsbehörde von der Klärung einer Vorfrage im Sinne des § 38 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, abhängig, die den Gegenstand eines beim zuständigen Gericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahrens bildet, hat die Bezirksverwaltungsbehörde das Verwaltungsstrafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen; das verwaltungsbehördliche Strafverfahren gilt als unterbrochen, die Parteien sind davon in Kenntnis zu setzen. In Verwaltungsstrafverfahren nach Abs. 1 ist § 45 Abs. 1 Z 4 und letzter Satz VStG nicht anzuwenden. Weist der Arbeitgeber der Bezirksverwaltungsbehörde nach, dass er die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem Arbeitnehmer nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgelt geleistet hat, ist dies bei der Strafbemessung strafmildernd zu berücksichtigen.

(...)“

11 3.3. Fallgegenständlich ging das Verwaltungsgericht davon aus, die Voraussetzungen nach dem ersten Satz des § 29 Abs. 3 Z 2 LSD-BG würden vorliegen, weil den betroffenen Arbeitnehmern - nach Durchführung einer Erhebung durch die Revisionswerberin - die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgelt geleistet worden sei und - so die Annahme des Verwaltungsgerichtes - das Verschulden des Erstmitbeteiligten leichte Fahrlässigkeit nicht übersteige.

12 3.4. Zunächst ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis das Verwaltungsstrafverfahren zu Unrecht eingestellt hat. § 29 Abs. 3 LSD-BG normiert nämlich keinen Strafaufhebungs- oder -ausschließungsgrund. Denn sowohl Abs. 2 als auch Abs. 3 des § 29 LSD-BG setzen voraus, dass der in dessen Abs. 1 umschriebene Straftatbestand nach der objektiven und subjektiven Tatseite erfüllt ist. Kommt es zu einer Nachzahlung unter den Anforderungen des Abs. 2, entfällt die Strafbarkeit. Kommt es zu einer Nachzahlung unter den Anforderungen des Abs. 3, bleibt zwar die Strafbarkeit bestehen, es ist jedoch - in den Fällen des ersten und zweiten Satzes - von der Verhängung einer Strafe abzusehen ().

13 Die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens entbehrt folglich schon aus diesem Grund einer gesetzlichen Grundlage.

14 3.5. Die Revision zeigt aber im Ergebnis auch zu Recht auf, dass das Verwaltungsgericht fallbezogen die Voraussetzungen für ein Absehen von der Strafe nach § 29 Abs. 3 LSD-BG zu Unrecht bejahte:

15 Nach § 29 Abs. 3 erster und zweiter Satz LSD-BG ist - bei erfolgter Nachzahlung des Differenzbetrages - von der Verhängung der Strafe abzusehen, wenn eine bloß geringe Unterschreitung des maßgeblichen Entgelts vorliegt (Z 1) oder das Verschulden leichte Fahrlässigkeit nicht übersteigt (Z 2).

16 3.5.1. Das Verwaltungsgericht ging zunächst in nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass im vorliegenden Fall schon in Anbetracht des Ausmaßes der Unterentlohnung keine geringe Unterschreitung i.S.d. § 29 Abs. 3 Z 1 LSD-BG vorliegt.

17 3.5.2. Angesichts der vom Verwaltungsgericht festgestellten Umstände des vorliegenden Falles ist aber nicht nachvollziehbar, dass im Hinblick auf den Erstmitbeteiligten die Voraussetzungen der Z 2 des § 29 Abs. 3 LSD-BG (Vorliegen bloß leichter Fahrlässigkeit) erfüllt wären.

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass das Vorbringen, es sei eine taugliche Person, wie z.B. ein Steuerberater, beauftragt worden, für sich allein nicht hinreicht, dass der Beschuldigte von der im Verwaltungsstrafverfahren ihn treffenden Verantwortung entlastet wäre. Es bedarf hierzu weiterer Glaubhaftmachung, dass auch für eine geeignete Kontrolle der beauftragten Person Vorsorge getroffen worden sei (vgl. zu Übertretungen des AuslBG etwa , mwN; vgl. etwa auch ). Auch auf die Tätigkeit eines Steuerberaters darf nicht völlig vertraut werden (vgl. , mwN).

19 Auf dem Boden der Feststellungen des Verwaltungsgerichtes ist nicht ersichtlich, dass im Betrieb der Zweitmitbeteiligten Vorsorge für eine Kontrolle der durch die beauftragte Steuerberatungskanzlei durchgeführten Lohnverrechnung getroffen worden wäre. Vielmehr ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Erstmitbeteiligte - ohne Kontrollmaßnahmen - darauf vertraut habe, dass die beauftragte Steuerberatungskanzlei die Gehaltsabrechnung korrekt ausgeführt habe.

20 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes führt dies im vorliegenden Fall aber nicht nur - wie das Verwaltungsgericht zunächst richtig erkannte - zur Bejahung des Verschuldens des Erstmitbeteiligten. Vielmehr ist fallgegenständlich auch nicht erkennbar, dass die Beauftragung einer Steuerberatungskanzlei mit der Lohnverrechnung für sich genommen die Annahme von bloß leichter Fahrlässigkeit rechtfertigen könnte (dazu, dass auch bei Beiziehung eines Steuerberaters im konkreten Fall Geringfügigkeit des Verschuldens zu verneinen sein kann, vgl. etwa ).

21 So erläuterte die vom Verwaltungsgericht als Zeugin vernommene Mitarbeiterin der Steuerberatungskanzlei - wie sich aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung ergibt, war sie zum in Rede stehenden Zeitpunkt noch gar nicht im Betrieb der Steuerberatungskanzlei beschäftigt - nur, dass ein Abrechnungsfehler vorliege, der passieren könne „wenn man nicht genau hinschaut“. Ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen getroffen wurden, um solche Abrechnungsfehler zu vermeiden oder ihre Folgen rasch zu beseitigen, wurde vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Vielmehr ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Fehler erst im Zuge einer von der Revisionswerberin durchgeführten Kontrolle entdeckt wurde. Auf dem Boden der Feststellungen ist somit auch nicht ersichtlich, dass etwa ein Kontrollsystem zur effektiven Vermeidung von Fehlern bei der Lohnverrechnung etabliert gewesen wäre.

22 Der pauschale Hinweis auf die „Hochphase der Corona-Pandemie“, in der „viele Steuerberater stark belastet waren“, vermag keine fallbezogenen besonderen Umstände aufzuzeigen, die das Vorliegen bloß leichter Fahrlässigkeit begründen könnten.

23 Schließlich kann auch der vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführte Umstand, dass die ausständigen Beträge durch die Arbeitgeberin nachbezahlt wurden, keine Geringfügigkeit des Verschuldens begründen, handelt es sich dabei doch um eine nach § 29 Abs. 3 erster und zweiter Satz LSD-BG kumulativ zur leichten Fahrlässigkeit zu erfüllende Voraussetzung für das Absehen von der Verhängung einer Strafe.

24 Das Vorliegen von bloß leichter Fahrlässigkeit ist fallbezogen auf Basis der getroffenen Feststellungen schon aus den genannten Gründen nicht ersichtlich. Auf die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Frage, ob leichte Fahrlässigkeit aus dem Grund zu verneinen wäre, weil mehrere Arbeitnehmer von der Unterentlohnung betroffen waren, kommt es somit nicht an. Hinzuweisen ist aber darauf, dass die von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang zitierte, zu Vorgängerbestimmungen des § 29 Abs. 3 LSD-BG ergangene Rechtsprechung Fälle betraf, in denen (zum Teil wesentlich) mehr Arbeitnehmer betroffen waren als im gegenständlichen Fall (vgl. ; , Ro 2014/11/0071; , 2013/11/0121).

25 3.6. Das angefochtene Erkenntnis war aus den genannten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

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Normen
LSD-BG 2016 §29 Abs1
LSD-BG 2016 §29 Abs2
LSD-BG 2016 §29 Abs3
VStG §45 Abs1 Z2
VStG §5 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
Schlagworte
Verantwortung für Handeln anderer Personen Allgemein
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023110167.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-46259