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VwGH 11.01.2024, Ra 2023/09/0147

VwGH 11.01.2024, Ra 2023/09/0147

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Tatsachen, die bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemacht wurden, können jedenfalls keinen Wiederaufnahmegrund nach dieser Bestimmung begründen (vgl. E , 92/12/0043). Dies gilt auch für Vorbringen, die im Wesentlichen nur eine Wiederholung von bereits während des ersten Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Umständen oder eine Bekämpfung der von der Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung enthalten.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2010/09/0198 E RS 2
Normen
RS 2
Eine Wiederaufnahme nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG 2014 erfordert das Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweismittel, bietet also lediglich dann eine Möglichkeit für die nachträgliche Durchbrechung der Rechtskraft, wenn ein Korrekturbedarf auf der Tatsachenebene offenbar wird. Eine (lediglich) unrichtige rechtliche Beurteilung durch das VwG bildet hingegen keinen Wiederaufnahmegrund nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG 2014 (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/07/0063 E RS 6

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Rieder, über die außerordentliche Revision des Mag. A B in C, vertreten durch Dr. Anton Ehm, Dr.in Simone Metz und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 42/6, gegen den Beschluss des Personalausschusses des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW-PA-176/2020, betreffend die Wiederaufnahme eines Verfahrens in einer Angelegenheit der Dienstbeurteilung nach dem Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist seit dem Richter des Verwaltungsgerichts Wien (Verwaltungsgericht).

2 Die Dienstbeurteilungen des Revisionswerbers lauteten für die Jahre 2014 und 2015 auf „gut“ und für das Jahr 2016 auf „entsprechend“. Mit Erkenntnis des Personalausschusses des Verwaltungsgerichts Wien (Personalausschuss) vom wurde die Dienstbeurteilung des Revisionswerbers für den Beurteilungszeitraum bis gemäß § 10 Abs. 2 Z 5 Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz (VWG-DRG) mit „nicht entsprechend“ festgesetzt. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Ra 2020/09/0049, zurück.

3 Mit Erkenntnis des Personalausschusses vom wurde die Dienstbeurteilung des Revisionswerbers für den Beurteilungszeitraum bis wiederum mit „nicht entsprechend“ festgesetzt. Infolge der vom Revisionswerber dagegen erhobenen außerordentlichen Revision hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Personalausschusses betreffend die Dienstbeurteilung für das Jahr 2020 mit Erkenntnis vom , Ra 2021/09/0263, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

4 Zur weiteren Vorgeschichte wird im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2022/09/0144, verwiesen, mit dem die vom Revisionswerber gegen die Abweisung von Anträgen auf Wiederaufnahme erhobene außerordentliche Revision in Hinblick auf die Dienstbeurteilung für den Zeitraum 2017 bis 2019 zurückgewiesen und in Hinblick auf die Dienstbeurteilung für das Jahr 2020 als gegenstandlos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt wurde.

5 Mit Antrag vom stellte der Revisionswerber einen weiteren auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gestützten Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Personalausschusses vom abgeschlossenen Verfahrens, VGW-PA-176/2020, und des mit Erkenntnis vom abgeschlossenen Verfahrens, VGW-PA-157/2021. Der Revisionswerber führte dazu im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass ein rezentes E-Mail des EDV-Beauftragten des Verwaltungsgerichts die jahrelang bestehenden Missstände (Abstürze) bei der gerichtsinternen Aktenverwaltungssoftware belegen würden und somit der Justizverwaltung seit Langem bekannt gewesen seien, und übermittelte in diesem Zusammenhang zahlreiche Bildschirmfotos. Unter einem lehnte der Revisionswerber eine Beteiligung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts im Wiederaufnahmeverfahren im Hinblick auf das in den früheren Wiederaufnahmeanträgen erstattete Vorbringen zu dessen Befangenheit ab.

6 Mit dem angefochtenen Beschluss vom wies der Personalausschuss den Antrag auf Wiederaufnahme des Dienstbeurteilungsverfahrens betreffend den Zeitraum bis , VGW-176/2020, gemäß § 14 DVG in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ab (Spruchpunkt I.) Weiters wurde das Verfahren zur Wiederaufnahme des Dienstbeurteilungsverfahren betreffend den Zeitraum bis im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/09/0263, als gegenstandslos eingestellt (Spruchpunkt II.). Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte der Personalausschuss für nicht zulässig (Spruchpunkt III.).

7 Die vorliegende Revision richtet sich ausdrücklich nur gegen die Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Dienstbeurteilungsverfahrens VGW-PA-176/2020 (Dienstbeurteilung betreffend den Zeitraum 2017 - 2019).

8 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

9 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Der Revisionswerber erblickt eine grundsätzliche Rechtsfrage im Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der vorliegenden Konstellation. Diese sei geprägt von jahrelang vorliegenden groben Mängeln in einem Aktenunterstützungssystem, welche schon im Beurteilungszeitraum 2017 bis 2019 vorgelegen seien und die im Zusammenhalt mit einer nicht funktionstüchtigen Geschäftsabteilung und dem Antritt der Elternkarenz des Revisionswerbers dazu geführt hätten, dass Verhandlungsprotokolle nicht ordnungsgemäß abgespeichert worden seien und nach Rückkehr des Revisionswerbers aus der Karenz auch nicht wiederhergestellt hätten werden können. Die Justizverwaltung ignoriere die nach wie vor bestehenden Mängel. Ein unverzüglicher Sanierungsversuch in den von der EDV-Störung betroffenen Akten sei vom Präsidenten verunmöglicht worden, weil er diese Akten dem Revisionswerber kurz nach dessen Rückkehr aus der Elternkarenz physisch entzogen habe. Erst nach der negativen Beurteilung habe der Revisionswerber diese Akten zurückerhalten. Angesichts der neu hervorgekommenen Beweise in Verbindung mit den bisherigen Ergebnissen hätte der Personalausschuss zu einer anderen Beurteilung kommen müssen, weil die Verantwortung für sieben unvollständig abgespeicherte Verhandlungsprotokolle beim Revisionswerber gesehen worden sei. Diese hätten eine dementsprechend zentrale Rolle in der Begründung der negativen Beurteilung eingenommen.

11 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt.

12 Gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens unter anderem dann stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten. Da § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG dem Wiederaufnahmegrund gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nachgebildet ist, kann auch auf die dazu ergangene Judikatur zurückgegriffen werden.

13 Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund ungeachtet des Erfordernisses seiner Neuheit aber nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt (und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit) die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche die Behörde entweder den den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrages bildenden Bescheid oder (zumindest) die zum Ergebnis dieses Bescheides führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat.

14 Die Beurteilung, ob im Wiederaufnahmeantrag die Gründe für die Wiederaufnahme konkretisiert und schlüssig dargelegt und ob Tatsachen vorgebracht werden, auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft, dass sie im wiederaufzunehmenden Verfahren zu einer anderen Entscheidung geführt hätten, ist als Einzelfallbeurteilung in der Regel nicht revisibel, solange das Verwaltungsgericht nicht von den Leitlinien der hg. Rechtsprechung abgewichen ist (vgl. zu alledem , mwN).

15 Im Übrigen kann eine bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemachte Tatsache einen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nicht begründen. Ein Vorbringen, das im Wesentlichen nur eine Wiederholung von bereits während des wiederaufzunehmenden Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Umständen oder eine Bekämpfung der von der Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung enthält, ist daher nicht geeignet, nach § 69 AVG eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu begründen (vgl. , mwN).

16 Das nachträgliche Erkennen, dass im abgeschlossenen Verwaltungsverfahren Verfahrensmängel oder eine unrichtige rechtliche Beurteilung seitens der Behörde vorgelegen seien, bildet ebenfalls keinen Wiederaufnahmegrund nach dieser Bestimmung (vgl. etwa , mwN). Eine Wiederaufnahme nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG erfordert somit das Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweismittel, bietet also lediglich dann eine Möglichkeit für die nachträgliche Durchbrechung der Rechtskraft, wenn ein Korrekturbedarf auf der Tatsachenebene offenbar wird. Eine (lediglich) unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Verwaltungsgericht bildet hingegen keinen Wiederaufnahmegrund nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG (vgl. , mwN).

17 Der Personalausschuss hat sich im Erkenntnis vom zur Begründung der negativen Dienstbeurteilung in erster Linie auf die im Berichtszeitraum bestehende hohe Anzahl an offenen Verfahren mit überlanger Verfahrensdauer gestützt, welche bereits im Beurteilungszeitraum bis zu einem Kalkül „entsprechend“ geführt hätte. Er verwies darauf, dass die vom Revisionswerber zu verantwortende Verschleppung von Verfahren besonders ins Gewicht falle. Darüber hinaus berücksichtigte er unter anderem auch Mängel im Zusammenhang mit der mündlichen Verkündung. Dazu traf der Personalausschuss Feststellungen, wonach sich bei sechs im Berichtszeitraum vom Revisionswerber durchgeführten Verhandlungen im Verhandlungsprotokoll der Hinweis darauf gefunden habe, dass zu einer bestimmten Zeit nach Schluss der Verhandlung (demnächst bzw. in einer oder zwei Stunden) eine mündliche Verkündung stattfinden werde, jedoch sei weder jeweils dem schriftlichen Akt noch der elektronischen Aktenversion eine Niederschrift über die Verkündung zu entnehmen. Die Parteien hätten laut den nicht widerlegbaren Angaben des Revisionswerbers in diesen Verfahren erklärt, die Verkündung nicht mehr abzuwarten. Es sei dann ohne nochmaligen Aufruf der Sache zu den im Verhandlungsprotokoll genannten Zeitpunkten die Entscheidung vom Revisionswerber in Abwesenheit der Parteien und ohne Beziehung einer Schriftführerin verkündet worden. Möglicherweise sei vom Revisionswerber eine Niederschrift erstellt worden, jedoch sei diese nicht ausgedruckt und unterfertigt worden. Der Revisionswerber habe jedenfalls nicht kontrolliert, ob einem allfälligen seinen Mitarbeitern in der Geschäftsabteilung erteilten Auftrag, diese auszudrucken und ihm vorzulegen, entsprochen worden sei.

18 Der Personalausschuss hat sich im wiederaufzunehmenden Verfahren bereits mit der vom Revisionswerber in diesem Zusammenhang vorgebrachten Rechtfertigung mit EDV-Problemen bei Niederschriften über mündliche Verkündungen und einer nicht funktionierenden Geschäftsabteilung auseinandergesetzt, diese jedoch mit der Begründung als unbeachtlich eingestuft, dass gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG nach mündlicher Verkündung der Entscheidung die Niederschrift den Verfahrensparteien auszufolgen bzw. zuzustellen und die Niederschrift gemäß § 14 Abs. 5 AVG vom Leiter der Amtshandlung zu unterschreiben sei. Die fehlenden Niederschriften über die Verkündung hätten dem Revisionswerber daher auffallen müssen. Zu der vom Revisionswerber ebenfalls schon im wiederaufnehmenden Verfahren ins Treffen geführten Elternkarenz von bis verwies der Personalausschuss darüber hinaus darauf, dass der unmittelbar bevorstehende Antritt der Karenz nur bei einem Teil der fehlenden Niederschriften eine Erklärung für das Unterlassen der unverzüglichen bzw. zeitnahen Herstellung und Unterfertigung einer Niederschrift über die Verkündung sein könnte, nicht jedoch hinsichtlich der schon länger zurückliegenden Verkündungen.

19 Vor diesem Hintergrund vermag der Revisionswerber mit seinen Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufzuzeigen, dass der Personalausschuss bei seiner rechtlichen Beurteilung, es werde mit dem Vorbringen zu den behaupteten EDV-Problemen im Wiederaufnahmeantrag kein tauglicher Wiederaufnahmegrund dargetan, weil es sich dabei im Wesentlichen nur um eine Wiederholung von bereits während des wiederaufzunehmenden Verfahrens vorgebrachten Umständen handle und die vorgebrachten EDV-Probleme zu keiner Änderung im Hauptinhalt des Spruches geführt hätten, von der hg. Rechtsprechung abgewichen wäre.

20 Soweit der Revisionswerber in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung Begründungsmängel im Zusammenhang mit der vorgebrachten Befangenheit des Präsidenten des Verwaltungsgerichts rügt, liegt eine vom Verwaltungsgerichtshof insoweit in inhaltliche Behandlung zu nehmende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG schon deshalb nicht vor, weil der Revisionswerber in den Revisionsgründen darauf nicht mehr zurückkommt (vgl. etwa , mwN; zu dem vorgebrachten Vorwurf der Befangenheit siehe im Übrigen bereits ausführlich ).

21 Die Revision war daher mangels Rechtsfrage, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, zurückzuweisen.

22 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Schlagworte
Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova producta
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023090147.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-46255