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VwGH 17.08.2023, Ra 2023/09/0125

VwGH 17.08.2023, Ra 2023/09/0125

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art133 Abs4
DMSG 1923 §1
DMSG 1923 §3
MRKZP 01te Art1
StGG Art5
VwGG §34 Abs1
RS 1
Bei der Unterschutzstellung handelt es sich nicht um eine (entschädigungsrelevante) Enteignung (Hinweis E VfSlg. 9189/1981, zur Rechtslage vor der DMSG-Novelle, BGBl. I Nr. 170/1999). Vielmehr handelt es sich um eine Eigentumsbeschränkung aus öffentlichen Interessen, die auch nicht unverhältnismäßig erscheint. Daran hat sich durch die Novelle BGBl. I Nr. 170/1999 nichts geändert.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2007/09/0010 E RS 3 (hier nur der erste Satz)
Normen
B-VG Art133 Abs4
DMSG 1923 §1
DMSG 1923 §3
DMSG 1923 §5
VwGG §34 Abs1
RS 2
In einem Verfahren betreffend die Unterschutzstellung nach den §§ 1 und 3 DMSG ist die im öffentlichen Interesse bestehende Erhaltungswürdigkeit ausschließlich nach den Kriterien der geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung des Objekts zu prüfen und sind etwa Fragen der Wirtschaftlichkeit in diesem Verfahren unbeachtlich, weil eine Abwägung möglicherweise widerstreitender öffentlicher Interessen an der Erhaltung des Denkmales wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung gegenüber nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten privaten Interessen in diesem Verfahren nicht stattzufinden hat. Derartige Gesichtspunkte sind jedoch für eine Entscheidung im Verfahren gemäß § 5 DMSG relevant (Hinweis E vom , Zl. 2001/09/0010, mwN).

(Hier: Die ins Treffen geführten Fragen der Verhältnismäßigkeit und Adäquanz, der wirtschaftlichen Zumutbarkeit und eingeschränkten Nutzbarkeit können daher nicht im Unterschutzstellungsverfahren, sondern nur in einem Verfahren nach § 5 DMSG aufgegriffen werden.)
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2007/09/0010 E RS 2
Normen
B-VG Art133 Abs4
DMSG 1923 §1
DMSG 1923 §3
VwGG §34 Abs1
RS 3
Baurechtliche Belange (wie ein Abbruchbescheid) sind in einem Unterschutzstellungsverfahren nicht maßgeblich ().

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die außerordentliche Revision der Stadtgemeinde X in Y, vertreten durch Dr. Michael Koth, Rechtsanwalt in 2230 Gänserndorf, Rathausplatz 2, gegen das das am  mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, Zl. W176 2259738-1/11E, betreffend Teilunterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdenkmalamt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem im Beschwerdeverfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen angefochtenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Erhaltung der „Anlage ehem. Synagoge, ehemaliges Rabbinerhaus - diesem unter Ausnahme des nördlichen Anbaus (späteren Zubau) - und der Freifläche zwischen den Bauten“ gemäß Darstellung eines näher konkretisierten Katasterplans an einer angeführten Adresse in Y gemäß §§ 1 und 3 Denkmalschutzgesetz (DMSG) im Sinne einer Teilunterschutzstellung gemäß § 1 Abs. 8 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen sei. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

2 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis unter anderem von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht oder eine solche fehlt.

3 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Die revisionswerbende Partei, die sich durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem Recht auf Eigentum als Alleineigentümerin der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft und auf Unterbleiben einer Unterschutzstellung im Sinne des Denkmalschutzgesetzes verletzt erachtet, führt zur Zulässigkeit ihrer Revision im Wesentlichen aus, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (dazu zitiert ) insoweit ab, als „erst auf Basis eines entsprechend festgestellten Sachverhaltes und einer darauf aufbauenden fachlichen Gesamtwürdigung eine rechtliche Beurteilung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Denkmales getroffen werden kann“. Nach den „Verfahrens- und Beweisergebnissen (Gutachten SV [Y] und SV [X])“ würde gegenständlich kein Rabbinerhaus sondern lediglich ein Wohnsitz eines Ritualfunktionärs bzw. Assistenten sowie eine (bloße) Freifläche zwischen Gebäuden vorliegen, sodass die Objekte gesamt betrachtet keine Anlage im Sinne des Denkmalschutzgesetzes darstellen würden. Außerdem würden nach den eingeholten Gutachten zahlreiche erhebliche und gravierende Schäden und Mängel der betreffenden Gebäude vorliegen sowie ein baubehördlicher Abbruchbescheid und ein behördliches Betretungsverbot vorliegen, weshalb gemäß § 1 Abs. 10 DMSG die Erhaltung des Objekts nicht im öffentlichen Interesse gelegen sein könne.

5 Soweit die revisionswerbende Partei mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen damit im Ergebnis einen Verstoß gegen die Begründungspflicht moniert, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

6 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens wiederstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa - von der Revision herangezogen - bzw. , und , Ro 2014/03/0076, jeweils mwN).

7 Die Zulässigkeit der Revision setzt neben dem Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die Revisionswerber bei richtiger rechtlicher Beurteilung günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. , mwN).

8 Dem angefochtenen Erkenntnis sind die entscheidungsrelevanten beweiswürdigenden Überlegungen deutlich nach dem die Feststellungen enthaltenden Abschnitt zu entnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht legte in der Begründung der Entscheidung nach ausführlicher Darlegung des Verfahrensganges und auf Grundlage mehrerer im Verfahren eingeholter Gutachten schlüssig und nachvollziehbar dar, weshalb es dem Gutachten des Amtssachverständigen X und seinen Ergänzungen in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen Y zur bauhistorischen Untersuchung folgt, wonach in Österreich nur noch sehr wenige Synagogen erhalten seien und die Kombination aus Synagoge und Rabbinerhaus noch seltener sei. Das gegenständlichen Objekt als einfache Synagoge auf dem Land mit Rabbinerhaus und konstruktiver Freifläche dazwischen sei ein dreidimensionales Dokument, dem geschichtliche Bedeutung zukomme; dem stehe auch nicht die Ausführung des Sachverständigen Y entgegen, dass das Rabbinerhaus nichts spezifisch Jüdisches an sich habe, bzw. die Frage, ob in diesem Haus tatsächlich ein Rabbiner oder aber (bloß) ein Ritualfunktionär (Assistent des Rabbiners) gewohnt habe, zumal sich daran zeige, dass anhand des Objektes die Kultur und Alltagsgeschichte des jüdischen Lebens einer Landgemeinde erforscht werden könne. Ebenso begründete es näher, warum es auf Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Z zur Frage der Sanierbarkeit der Schäden an den Objekten und den ergänzenden Ausführungen dieses Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung sowie derjenigen des Amtssachverständigen X zum Ergebnis gelangt sei, dass die erforderlichen Maßnahmen einer durchschnittlichen Sanierungsmaßnahme an historischen Bauten entspräche, deren Auswirkung vernachlässigbar seien und daher keine besonders schweren Schäden vorlägen, die von vornherein jede denkmalgerechte Erhaltungsmöglichkeit im Sinne von § 1 Abs. 10 DMSG ausschließen würden.

9 Vor diesem Hintergrund kann die Revision mit dem angeführten, pauschal gehaltenen Zulässigkeitsvorbringen dem Erfordernis einer hinreichenden Relevanzdarstellung behaupteter Verfahrensmängel nicht gerecht werden.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits festgehalten, dass es sich bei einer Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz nicht um eine Enteignung handelt (vgl. , mwN). Die revisionswerbende Partei verkennt, dass in einem Verfahren betreffend die Unterschutzstellung nach den §§ 1 und 3 DMSG die im öffentlichen Interesse bestehende Erhaltungswürdigkeit ausschließlich nach den Kriterien der geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung des Objekts zu prüfen ist und etwa Fragen der Wirtschaftlichkeit in diesem Verfahren unbeachtlich sind, weil eine Abwägung möglicherweise widerstreitender öffentlicher Interessen an der Erhaltung des Denkmals wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung gegenüber nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten privaten Interessen in diesem Verfahren nicht stattzufinden hat. Die Gesichtspunkte sind jedoch für eine Entscheidung im Verfahren gemäß § 5 DMSG relevant. Fragen der Verhältnismäßigkeit und Adäquanz, der wirtschaftlichen Zumutbarkeit und eingeschränkten Nutzbarkeit können daher nicht im Unterschutzstellungsverfahren, sondern nur in einem Verfahren nach § 5 DMSG aufgegriffen werden (vgl. grundlegend ; siehe auch , mwN). Baurechtliche Belange (wie ein Abbruchbescheid) sind in einem Unterschutzstellungsverfahren nicht maßgeblich (vgl. dazu ).

11 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B - VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
B-VG Art133 Abs4
DMSG 1923 §1
DMSG 1923 §3
DMSG 1923 §5
MRKZP 01te Art1
StGG Art5
VwGG §34 Abs1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023090125.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-46252