VwGH 28.08.2024, Ra 2023/08/0087
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Ein Rückstandsausweis ist kein Bescheid, sondern ein "Auszug aus den Rechnungsbehelfen", mit dem die Behörde eine - sich bereits aus dem Gesetz oder aus früher erlassenen Bescheiden ergebende - "Zahlungsverbindlichkeit" bekannt gibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0205, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2012/08/0020 E RS 1 |
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RS 2 | Der "Einspruch" im Sinne des § 25 Abs. 5 BUAG ist ungeachtet seiner Bezeichnung kein aufsteigendes Rechtsmittel gegen den Rückstandsausweis, sondern ein Antrag an die Bezirksverwaltungsbehörde auf Einleitung des Verwaltungsverfahrens über "die Richtigkeit der Vorschreibung", d.h. über den dem Rückstandsausweis zu Grunde liegenden materiellen Anspruch (vgl. , mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/08/0156 B RS 2 |
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RS 3 | Gemäß § 25 Abs. 5 BUAG hat die Bezirksverwaltungsbehörde nach einem Einspruch gegen einen gemäß § 25 Abs. 3 BUAG ergangenen Rückstandsausweis mit Bescheid über die Richtigkeit der Vorschreibung zu entscheiden. In der Begründung dieser Entscheidung ist im Fall der Bestreitung die (hier nicht in Rechtskraft erwachsende) Vorfrage zu beantworten, ob der Arbeitgeber den Vorschriften dieses Bundesgesetzes unterliegt oder ob für das in Betracht kommende Arbeitsverhältnis dieses Bundesgesetz Anwendung findet. Diese Frage kann in einem auf Antrag der BUAK eingeleiteten Verfahren nach § 25 Abs. 6 BUAG auch als Hauptfrage (Sache des Verfahrens) in einer der Rechtskraft fähigen Weise (durch Aufnahme in den Spruch der Entscheidung) beantwortet werden (, 0036). Eine Verpflichtung der BUAK, einen solchen Feststellungsantrag zu stellen, ist § 25 Abs. 6 BUAG ebenso wenig zu entnehmen wie eine Pflicht der Behörde, von Amts wegen über die genannte Frage einen Feststellungsbescheid zu erlassen. § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG berechtigte das Landesverwaltungsgericht nicht, den angefochtenen Bescheid (Ablehnung des Einspruchs gegen den gemäß § 25 Abs. 3 BUAG von der BUAK ausgestellten Rückstandsausweis) zu beheben und die Angelegenheit an die belangte Behörde (Bezirkshauptmannschaft) zum Zweck der Änderung (Ausdehnung) des Streitgegenstandes durch die BUAK zurückzuverweisen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/08/0124 E RS 1 (hier nur die ersten beiden Sätze) |
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RS 4 | Aus keiner Bestimmung des BUAG ergibt sich, dass die BUAK im Verfahren nach § 25 Abs. 5 BUAG beweispflichtig wäre. Damit die BUAK ihren Aufgaben nachkommen kann, sieht das BUAG in seinen §§ 22 ff zwar einerseits Melde- und Auskunftspflichten der Arbeitgeber und -nehmer und andererseits Kontroll- und Einsichtsrechte der BUAK einschließlich der Ermächtigung zu eigenen "Erhebungen" (vgl. § 23d BUAG) vor. Die Durchführung eines behördlichen Verfahrens obliegt jedoch gemäß § 25 Abs. 5 BUAG ausschließlich der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde. In diesem Verfahren kommen der BUAK nach allgemeinen Grundsätzen Mitwirkungsobliegenheiten zu. |
Normen | AVG §13a AVG §37 AVG §39 Abs2 AVG §45 Abs2 AVG §45 Abs3 AVG §46 AVG §58 Abs2 AVG §60 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §29 Abs1 VwRallg |
RS 5 | Unterlässt eine Partei die ihr obliegende Mitwirkung trotz der ihr, allenfalls nach Rechtsbelehrung (§ 13a AVG) unter Setzung einer angemessenen Frist, gebotenen Möglichkeit bzw. nach entsprechenden Aufforderungen, so wird es nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern auch diese Unterlassung gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht; dies allerdings nur, wenn und soweit die Behörde ohne Mitwirkung der Partei ergänzende Ermittlungen nicht oder nur mit einem unzumutbaren Aufwand durchführen kann oder deren Notwendigkeit gar nicht zu erkennen vermag (vgl. E , 94/12/0298). Die Verletzung der Obliegenheit des Antragstellers zur Mitwirkung bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes ("Mitwirkungspflicht") enthebt die Behörde aber nicht von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt überhaupt festzustellen, und auch weder ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör noch ihrer Begründungspflicht (vgl. E , 94/12/0298). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2008/09/0189 E RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in Wien, vertreten durch Mag. Franjo Schruiff, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14/7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW-101/V/050/4937/2022-19, betreffend Einspruch gegen einen Rückstandsausweis nach dem BUAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2./20. Bezirk; mitbeteiligte Partei: C O in W, vertreten durch die Müller Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rockhgasse 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) schrieb dem Mitbeteiligten mit Rückstandsausweis vom gemäß § 25 Abs. 3 BUAG Zuschläge in Höhe von € 52.793,09 zuzüglich Zinsen vor. Auf Grund des vom Mitbeteiligten am gemäß § 25 Abs. 5 BUAG dagegen erhobenen Einspruchs erließ der Magistrat der Stadt Wien den Bescheid vom , mit dem festgestellt wurde, dass die mit dem Rückstandsausweis vorgeschriebenen Zuschläge in Höhe von € 52.064,84 zu Recht bestünden; im Hinblick auf den Arbeitnehmer E.P. wurde dem Einspruch stattgegeben, weil für diesen alle Forderungen storniert worden seien.
2 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien statt, indem es den Bescheid mit am verkündetem Beschluss gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behob und die Angelegenheit zur Durchführung weiterer Ermittlungen an die Behörde zurückverwies.
3 Der Magistrat erließ daraufhin den Bescheid vom , mit dem dem Einspruch gegen den Rückstandsausweis stattgegeben wurde, weil weder von der BUAK noch von der Behörde festgestellt werden könne, ob der Mitbeteiligte einen Betrieb im Sinn des § 2 oder vielmehr im Sinn des § 3 BUAG geführt habe.
4 Gegen diesen Bescheid erhob die BUAK Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.
5 Dieses gab der Beschwerde mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung verkündeten und in der Folge auf Antrag der BUAK schriftlich ausgefertigten Erkenntnis keine Folge.
6 In der Begründung - die eine Gliederung in Feststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung gänzlich vermissen lässt - führte das Verwaltungsgericht aus, dass am eine Baustellenkontrolle durch die BUAK stattgefunden habe. Bei dieser seien zwei Arbeitnehmer des Mitbeteiligten angetroffen worden und hätten Baustellenerhebungsprotokolle in ihrer Muttersprache (rumänisch) ausgefüllt. Eine beglaubigte Übersetzung befinde sich nicht im Akt. Am habe eine Betriebskontrolle in den Räumlichkeiten der steuerlichen Vertretung des Mitbeteiligten stattgefunden. Das Protokoll über diese Betriebskontrolle befinde sich nicht im Akt. Laut Angaben des Mitbeteiligten habe sie nicht länger als zehn Minuten gedauert. Eine Dokumentation der eingesehenen Unterlagen bzw. darüber, von wem die Kontrolle durchgeführt worden sei, befinde sich nicht im Akt. Auf Grund der dabei festgestellten Tatsachen sei der Mitbeteiligte mit Schreiben vom über die Einbeziehung von neun Arbeitnehmern in das System der BUAK gemäß § 27 BUAG informiert und die daraus entstandene Forderung vorgeschrieben worden. Gegen diese Einbeziehung seien vom Mitbeteiligten mehrere Einwendungen erhoben worden. Am sei der schon erwähnte Rückstandsausweis ergangen. Im Verfahren über den dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Einspruch habe die BUAK angeregt, die betreffenden Arbeitnehmer hinsichtlich der von ihnen ausgeübten Tätigkeiten einzuvernehmen, wobei sie der Behörde einen Fragenkatalog vorgelegt habe. Die BUAK habe dazu vermerkt, dass erst mit den wahrheitsgemäßen Angaben der Arbeitnehmer eine abschließende Klärung des Sachverhalts ermöglicht werde. Dieser Anregung folgend habe die Behörde sämtliche genannten Arbeitnehmer geladen. Es sei die Einvernahme von fünf der Arbeitnehmer erfolgt. Die weiteren vier Arbeitnehmer seien ebensowenig einvernommen worden wie der Mitbeteiligte. Die BUAK habe in ihrer Stellungnahme vom aus den zur Verfügung gestellten Einvernahmeprotokollen den Schluss gezogen, dass durch den Betrieb des Mitbeteiligten jedenfalls überwiegend BUAG-pflichtige Tätigkeiten ausgeübt würden. Sie habe jedoch keine Festlegung hinsichtlich der Einordnung des Unternehmens unter eine der Betriebsformen des § 2 BUAG oder als Mischbetrieb gemäß § 3 BUAG getroffen. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom sei dann gemäß § 25 Abs. 5 BUAG festgestellt worden, dass die Vorschreibungen zu Recht bestünden. Eine genauere Auseinandersetzung mit den einzelnen Tätigkeiten, die die Arbeitnehmer ausgeführt hätten, sei nicht erfolgt.
7 Nach Aufhebung des genannten Bescheides durch das Landesverwaltungsgericht und Zurückverweisung der Angelegenheit sei am erstmals eine Einvernahme des Mitbeteiligten erfolgt. Daraufhin sei der neuerliche Bescheid ergangen, mit welchem dem Einspruch stattgegeben worden sei.
8 Der Betrieb des Mitbeteiligten sei mit eingestellt worden. Es habe sich dabei um ein kleines Einzelunternehmen ohne organisatorische Trennung gehandelt. Das Unternehmen habe in den Jahren 2017 und 2018 Gewerbeberechtigungen für Übersiedlungen und Entrümpelungen sowie das Aufstellen von Kaffeeautomaten gehabt.
9 Die Feststellungen gründeten sich, so das Landesverwaltungsgericht, auf den Akteninhalt sowie das Vorbringen und die Stellungnahmen der BUAK, der belangten Behörde und des Mitbeteiligten im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Die Baustellenprotokolle könne das Gericht nicht als beweiskräftig ansehen, weil die Antworten der Arbeiter auf Rumänisch erfolgt seien und eine Übersetzung nicht vorhanden sei.
10 Es werde als erwiesen angesehen, dass die BUAK vor Erlassung des Rückstandsausweises keine Einvernahme des Mitbeteiligten und seiner Arbeitnehmer durchgeführt, sondern dies der Behörde im Rahmen des Einspruchsverfahrens überlassen habe. Der Behörde sei es nicht gelungen, sämtliche betroffenen Arbeitnehmer zu befragen, da einige nicht mehr greifbar gewesen seien. Der Mitbeteiligte selbst sei erst nach Behebung des ersten Bescheides erstmals einvernommen worden. Auf Grund all dieser Umstände, „nämlich vor allem der mangelnden Beweise hinsichtlich des von der BUAK geführten Verfahrens, der nicht mit allen Arbeitnehmern der mitbeteiligten Partei durchgeführten Vernehmungen zur Frage deren konkreten Tätigkeiten“, werde dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei gefolgt. Es werde somit als erwiesen angenommen, dass im Rahmen der von der BUAK durchgeführten Baustellenkontrolle nur kursorisch mit zwei Arbeitnehmern eine Befragung ohne Dolmetsch durchgeführt worden und die Betriebskontrolle „äußerst kursorisch“ gewesen sei und etwa zehn Minuten lang gedauert habe. Hinsichtlich der Aussagen der Arbeitnehmer und des Mitbeteiligten selbst werde davon ausgegangen, dass die Aussagen in den Einvernahmeprotokollen der Behörde als erwiesen anzusehen seien, da diesen nicht entgegen getreten worden sei. Weiters werde als erwiesen angenommen, dass von der BUAK nicht eindeutig angegeben worden sei, ob es sich beim Betrieb des Mitbeteiligten um einen solchen nach § 2 oder nach § 3 BUAG handle. Es sei nur angegeben worden, dass überwiegend BUAG-pflichtige Tätigkeiten durchgeführt worden seien. Hinsichtlich sämtlicher Arbeitnehmer der Mitbeteiligten könne nicht als erwiesen festgestellt werden, welche Leistungen die Mitarbeiter konkret und detailliert erbracht hätten und ob und in welchem Ausmaß diese Mitarbeiter über das Jahr gesehen BUAG-pflichtige Leistungen erbracht hätten.
11 Nach Wiedergabe von Auszügen des BUAG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte das Landesverwaltungsgericht aus, es sei unstrittig, dass im Betrieb des Mitbeteiligten auch Tätigkeiten verrichtet würden, die unter § 2 BUAG fielen, sowie dass keine organisatorische Trennung zwischen dem Betriebsbereich im Sinn des § 2 BUAG und dem übrigen Betriebsbereich bestehe.
12 Es sei im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen, um welche Art von Betrieb im Sinn des BUAG es sich beim Unternehmen des Mitbeteiligten handle. Seitens der BUAK sei nur ein „kursorisch nachvollziehbares“ Verfahren durchgeführt worden, wobei nicht eindeutig festgehalten worden sei, „ob und um welchen Betrieb“ im Sinn des § 2 BUAG es sich handle, aber auch nicht, dass das Unternehmen einen Mischbetrieb im Sinn des § 3 BUAG darstelle. Es wäre die Pflicht der BUAK gewesen, die für die Einordnung als BUAG-pflichtigen Betrieb notwendigen Beweise vorzulegen. Dies sei jedoch nicht bzw. nur in unzureichendem Ausmaß geschehen, nämlich durch das Vorlegen der Baustellenbegehungsprotokolle hinsichtlich zweier Mitarbeiter und durch eine Aufstellung der Rechnungen des Mitbeteiligten, welche im Rahmen der Betriebskontrolle eingesehen worden seien. Diese Rechnungen hätten aber für sich allein keinen Aufschluss darüber geben können, welche Tätigkeiten im Betrieb des Mitbeteiligten „de facto tatsächlich“ ausgeführt worden seien bzw. durch welche Mitarbeiter welche Tätigkeiten durchgeführt worden seien. Gerade dieser Umstand erscheine dem Landesverwaltungsgericht besonders maßgeblich für die abschließende Beurteilung der BUAG-Pflichtigkeit des Mitbeteiligten. Weitere Beweise habe die BUAK nicht erhoben, sondern vielmehr ausdrücklich der Behörde im Rahmen des Verfahrens nach § 25 Abs. 5 BUAG abverlangt, wie etwa die Einvernahme der Arbeitnehmer. Dieses „Ersuchen um Erhebung von Beweismitteln“ spreche für eine „allfällige mögliche Annahme“ der BUAK, dass es sich beim Unternehmen des Mitbeteiligten um einen Mischbetrieb handle, weil offenbar nicht evident sei, dass es sich um einen Betrieb handle, der sich „eindeutig und zur Gänze der BUAG-Pflicht unterliegend“ darstelle.
13 Jedenfalls sei davon auszugehen dass es der BUAK nicht gelungen sei, den Beweis zu erbringen, dass der Mitbeteiligte gemäß § 2 bzw. § 3 BUAG beitragspflichtig sei. So habe etwa auch die Vertreterin der BUAK in der mündlichen Verhandlung erstmals dargetan, dass es sich nach Dafürhalten der BUAK um einen Baumeisterbetrieb handle. Diese Qualifikation wäre von einem Kollegen in der Kontrollabteilung der BUAK auf Grund der vorgelegten Rechnungen vorgenommen worden. Dafür habe die BUAK jedoch in keinem Stadium des Verfahrens einen Beweis vorgelegt und auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nichts weiter ausgeführt, sondern vorgebracht, dass sie nicht mehr sagen könne. Nicht nachvollziehbar sei auch die Aussage der Vertreterin der BUAK, dass man auf die Einvernahme der Arbeitnehmer durch die Behörde gewartet hätte, weil seitens der BUAK die Meinung bestünde, dass die Behörde eine solche Einvernahme in objektiverer Weise durchführen könnte und es für die BUAK bis zu diesem Zeitpunkt auch keinen Anlass gegeben hätte, anzunehmen, dass ein Mischbetrieb vorläge. Es sei auch zugestanden worden, dass das Protokoll der Betriebskontrolle der Behörde nicht vorgelegt worden sei. Rechnungen seien erst im weiterführenden Verfahren vorgelegt worden. Die Vertreterin der BUAK habe es als ausreichend empfunden, die Behörde durch Stellungnahmen, nicht aber durch die Vorlage der „tatsächlich allenfalls durch die BUAK erhobenen Beweise“ zu informieren. Es sei überdies zugestanden worden, dass die Einsichtnahme in die Ausgangsrechnungen und in weiterer Folge auch in die „Sozialversicherungsauszüge“ der Arbeitnehmer nicht in den Akt der BUAK Eingang gefunden hätten und somit weder der Behörde noch dem Landesverwaltungsgericht zur Verfügung gestanden seien. Alle anderen Beweisaufnahmen, die im Akt dokumentiert seien, seien erst im behördlichen Verfahren auf Grund des Einspruchs erfolgt. Auch eine Einvernahme des Mitbeteiligten sei bis März 2022 weder durch die BUAK noch durch die Behörde erfolgt. Es sei „somit“ davon auszugehen, dass die Behörde mit Recht ausgesprochen habe, dass dem Einspruch gegen den Rückstandsausweis stattgegeben werde, habe doch das Beweisverfahren ergeben, „dass schon allein für die belangte Behörde das Beweisverfahren aus dem Verfahren der Beschwerdeführerin [BUAK] nicht ausreichend war, um sicher davon auszugehen, dass die dem Rückstandsausweis zugrunde liegenden Festhaltungen bewiesen bzw. aufgrund des Akteninhaltes auch nur nachvollziehbar waren“. Es sei hierauf zurückzuführen, dass das Verfahren, das mit der Einbeziehung in die Beitragspflicht begonnen habe, auf keiner ausreichenden Beweislage beruht habe und es weder der Behörde noch dem Landesverwaltungsgericht „aufgrund des Akteninhaltes bzw. des Nachvollziehens des Vorbringens“ möglich gewesen sei, ein „Beweisverfahren zu führen, das zu einem nachvollziehbaren Ergebnis der allfälligen Beitragspflicht geführt hätte“. Es sei somit weder der BUAK noch der Behörde gelungen, dem Mitbeteiligten nachzuweisen, dass eine BUAG-Pflicht bestehe. Überdies sei das Landesverwaltungsgericht der Meinung, dass das ursprüngliche Beweisverfahren derart mangelhaft gewesen sei, dass es nicht als „Grundlage für alles weitere Geschehen“ herangezogen werden könne. Durch die Vorgangsweise der BUAK, nämlich einen Großteil des Beweisverfahrens in das Verfahren der Behörde auf Grund des Einspruchs des Mitbeteiligten zu verlegen, seien die Parteirechte des Mitbeteiligten im Sinn des Art. 6 EMRK derart massiv eingeschränkt gewesen, dass dem seitens der Behörde nur mit der von ihr gewählten Vorgangsweise Rechnung getragen werden habe können. In diesem Sinne sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
14 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Landesverwaltungsgericht mit nur formelhafter Begründung aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
17 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zusammengefasst vor, dass zum einen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere zu der Frage fehle, ob der BUAK als Körperschaft öffentlichen Rechts, die nicht mit Behördeneigenschaft ausgestattet, sondern nur Verfahrenspartei im Sinn des § 8 AVG sei, ein Beweisverfahren aufzuerlegen sei, das die Ermittlungspflicht des Gerichts und der erstinstanzlichen Behörde ersetze. Das Landesverwaltungsgericht habe in wesentliche Beweise nicht Einsicht genommen und diese nicht gewürdigt und im Folgenden nicht einmal Negativfeststellungen über den Sachverhalt getroffen; dies mit der Begründung, es wären die im Verfahren vorliegenden Beweismittel nicht durch die BUAK selbst eingebracht worden. Zum anderen sei das Landesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es entgegen der Offizialmaxime kein eigenes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe.
18 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
19 Gemäß § 25 Abs. 5 BUAG hat die Bezirksverwaltungsbehörde nach einem Einspruch gegen einen gemäß § 25 Abs. 3 BUAG ergangenen Rückstandsausweis - der kein Bescheid ist, sondern ein „Auszug aus den Rechnungsbehelfen“, mit dem eine sich bereits aus dem Gesetz oder aus früher erlassenen Bescheiden ergebende „Zahlungsverbindlichkeit“ bekannt gegeben wird - mit Bescheid über die „Richtigkeit der Vorschreibung“ zu entscheiden. Der „Einspruch“ im Sinne des § 25 Abs. 5 BUAG ist somit ungeachtet seiner Bezeichnung kein aufsteigendes Rechtsmittel gegen den Rückstandsausweis, sondern ein Antrag an die Bezirksverwaltungsbehörde auf Einleitung des Verwaltungsverfahrens über „die Richtigkeit der Vorschreibung“, d.h. über den dem Rückstandsausweis zu Grunde liegenden materiellen Anspruch. In der Begründung der Entscheidung über den Einspruch ist im Fall der Bestreitung die (hier nicht in Rechtskraft erwachsende) Vorfrage zu beantworten, ob der Arbeitgeber den Vorschriften dieses Bundesgesetzes unterliegt oder ob für das in Betracht kommende Arbeitsverhältnis dieses Bundesgesetz Anwendung findet (vgl. zum Ganzen etwa , mwN).
20 Aus keiner Bestimmung des BUAG ergibt sich, dass die BUAK im Verfahren nach § 25 Abs. 5 BUAG beweispflichtig wäre. Damit die BUAK ihren Aufgaben nachkommen kann, sieht das BUAG in seinen §§ 22 ff zwar einerseits Melde- und Auskunftspflichten der Arbeitgeber und -nehmer und andererseits Kontroll- und Einsichtsrechte der BUAK einschließlich der Ermächtigung zu eigenen „Erhebungen“ (vgl. § 23d BUAG) vor. Die Durchführung eines behördlichen Verfahrens obliegt jedoch gemäß § 25 Abs. 5 BUAG ausschließlich der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde.
21 In diesem Verfahren kommen der BUAK nach allgemeinen Grundsätzen Mitwirkungsobliegenheiten zu. So entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 39 Abs. 2 AVG, dass mit der Pflicht der Behörde zur amtswegigen Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts (Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens) die Pflicht der Parteien korrespondiert, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Das Offizialprinzip entbindet die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf, also insbesondere dann, wenn es auf Umstände ankommt, die in der Sphäre der Partei selbst gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei Informationen betreffend betriebsbezogene bzw. personenbezogene Umstände der Fall ist, über die allein die Partei verfügt. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist also gerade dann von Bedeutung, wenn ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen (vgl. etwa , mwN).
22 Unterlässt eine Partei die ihr obliegende Mitwirkung trotz der ihr allenfalls nach Rechtsbelehrung (§ 13a AVG) unter Setzung einer angemessenen Frist gebotenen Möglichkeit bzw. nach entsprechenden Aufforderungen, so wird es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern auch diese Unterlassung gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht; dies allerdings nur, wenn und soweit die Behörde ohne Mitwirkung der Partei ergänzende Ermittlungen nicht oder nur mit einem unzumutbaren Aufwand durchführen kann oder deren Notwendigkeit gar nicht zu erkennen vermag. Die Verletzung der Obliegenheit zur Mitwirkung bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes („Mitwirkungspflicht“) enthebt die Behörde aber nicht von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt überhaupt festzustellen, und auch weder von ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör noch ihrer Begründungspflicht (vgl. neuerlich , mwN). Gemäß § 17 VwGVG ist das sich aus § 39 Abs. 2 AVG ergebende Amtswegigkeitsprinzip auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich (vgl. etwa , u.a.).
23 Das bedeutet, dass das Landesverwaltungsgericht die BUAK - wie auch den Mitbeteiligten - konkret auffordern hätte können, weitere Beweismittel aus ihrem jeweiligen Verfügungsbereich vorzulegen. Diese wären - ebenso wie eine allfällige Weigerung, entsprechend am Verfahren mitzuwirken - zu würdigen gewesen. Erst dann, wenn es nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und unter Einbeziehung sämtlicher Beweisergebnisse nicht möglich sein sollte, festzustellen, ob bzw. von welchen Arbeitnehmern im Sinn des § 3 Abs. 3 BUAG zumindest überwiegend von § 2 BUAG erfasste Tätigkeiten verrichtet wurden (sofern nicht überhaupt ein zur Gänze dem BUAG unterfallender Betrieb im Sinn des § 2 BUAG vorlag), wäre die rechtliche Schlussfolgerung zulässig, dass keine Zuschläge vorzuschreiben waren. Dass die Beweislage im vorliegenden Fall derart unzureichend und auch nicht durch ergänzende Ermittlungen zu vervollständigen war, ist aber vorerst nicht zu sehen, zumal nicht nur zahlreiche Rechnungen über die durchgeführten Arbeiten, sondern auch Niederschriften mit fünf von neun Arbeitnehmern sowie mit dem Mitbeteiligten vorhanden waren und entgegen der Ansicht des Landesverwaltungsgerichts auch die in rumänischer Sprache ausgefüllten Fragebögen nach Übersetzung ins Deutsche als Beweismittel in Betracht gekommen wären.
24 Jedenfalls rechtswidrig war es, von weiteren Ermittlungen und Feststellungen mit der Begründung abzusehen, dass die BUAK ihrerseits ein mangelhaftes Beweisverfahren durchgeführt habe.
25 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
26 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
27 Von der Durchführung der in der Revision beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
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Schlagworte | Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Parteiengehör Parteiengehör Allgemein Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023080087.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-46240