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VwGH 26.07.2023, Ra 2023/08/0084

VwGH 26.07.2023, Ra 2023/08/0084

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
ASVG §4 Abs4
VwRallg
RS 1
Bei der Beurteilung des Vorhandenseins wesentlicher Betriebsmittel ist zu untersuchen, ob sich der freie Dienstnehmer mit Betriebsmitteln eine eigene betriebliche Infrastruktur geschaffen hat. Dabei kommt es weder auf die Notwendigkeit oder Unerlässlichkeit der Verwendung eines Betriebsmittels, noch auf den Betriebsgegenstand jenes Unternehmens an, für welches der freie Dienstnehmer tätig ist. Zu beachten ist weiters, dass § 4 Abs. 4 ASVG nicht bloß dann zur Anwendung kommt, wenn keinerlei eigene Betriebsmittel eingesetzt werden, sondern (umgekehrt) nur dann nicht, wenn derjenige, der die Leistung erbringt, im Wesentlichen nicht auf ihm zur Verfügung gestellte Betriebsmittel angewiesen ist (vgl. zum Ganzen , mwH, insbesondere auf das grundlegende Erkenntnis ). Es kommt also - im Sinn des "Angewiesenseins" auf fremde Betriebsmittel - letztlich auf die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Dienstgeber bzw. Auftraggeber bei der konkreten Tätigkeit an (vgl. dazu auch die im Erkenntnis , wiedergegebenen Gesetzesmaterialien, insbesondere den Ausschussbericht 912 BlgNR 20. GP, 5). Dabei ist davon auszugehen, dass eine unternehmerische Tätigkeit grundsätzlich eine gewisse unternehmerische Struktur voraussetzt. Auch wenn im Dienstleistungssektor Anlagegüter wie Geräte und Maschinen eine geringere Rolle spielen, bedarf es im Allgemeinen auch hier zumindest einer Ausstattung mit Bürobedarf und elektronischen Kommunikationsmitteln, um nicht nur die Erbringung der Leistung, sondern vor allem auch deren Anbieten am Markt zu ermöglichen.
Norm
ASVG §4 Abs4
RS 2
Die Wortfolge "auch sonst" bzw. "losgelöst vom konkreten Auftrag" aus der Rechtsprechung des VwGH (zB , wonach es darauf ankommt, ob der Dienstnehmer "- losgelöst vom konkreten Auftrag - spezifische Betriebsmittel anschafft, werbend am Markt auftritt, auch sonst über eine gewisse unternehmerische Infrastruktur verfügt und seine Spesen in die dem Auftraggeber verrechneten Honorare selbst einkalkuliert") bezieht sich nicht auf Betriebsmittel für einen anderen Tätigkeitsbereich, sondern auf solche für potentielle weitere Aufträge (auch anderer Auftraggeber) im gleichen Tätigkeitsbereich.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

Ra 2023/08/0085

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision 1. der E Gesellschaft m.b.H in W und 2. des M F in D, beide vertreten durch die Hasch und Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Zelinkagasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W167 2258607-1/10E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz; mitbeteiligte Parteien: 1. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt Landesstelle Wien in 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, 2. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, und 3. Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Landesstelle Niederösterreich in 3100 St. Pölten, Neugebäudeplatz 1), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest, dass der Zweitrevisionswerber auf Grund seiner Tätigkeit für die Erstrevisionswerberin als Begleitperson bei Krankenrücktransporten in näher bezeichneten Zeiträumen der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 14 iVm Abs. 4 ASVG und in der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei. Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) war in ihrem beim Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid vom noch von einer Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ausgegangen.

5 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die erstrevisionswerbende Partei ein Unternehmen betreibe, das für Versicherungsunternehmen tätig sei und u.a. die Rückholung von Versicherten von beliebigen Orten organisiere. In manchen Fällen sei für den Rücktransport per Linienflug die Begleitung durch medizinisch ausgebildetes Personal erforderlich. Dafür habe die erstrevisionswerbende Partei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über einen Pool von ungefähr 30 Personen verfügt, die für eine solche Begleitung in Frage kämen. Wenn eine Begleitung erforderlich sei, würden an die im Pool tätigen Begleitpersonen der Aufenthaltsort der Person und der voraussichtlich benötigte Zeitraum übermittelt. Sie hätten dann zwei Stunden Zeit, um sich für den Auftrag zu melden. Danach erfolge die Entscheidung, wer den Auftrag konkret übernehme. Für den Fall, dass im Pool kein Personal zur Verfügung stehe, gebe es die Möglichkeit des Rücktransports durch Flugambulanzen; außerdem kooperierten die Standorte des Unternehmens der erstrevisionswerbenden Partei untereinander.

6 Nach Annahme eines Auftrags würden für die jeweilige Begleitperson die Flüge gebucht, was durch ein spezialisiertes Reisebüro erfolge. Dazu gebe es Spezialverträge und Spezialkonditionen, da die Rücktransporte besondere Anforderungen hätten.

7 Zwischen der erst- und zweitrevisionswerbenden Partei seien im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zwei schriftliche „Kooperationsvereinbarungen“ (in den Jahren 2014 und 2016) sowie ein schriftlicher „Werkvertrag“ (im Jahr 2019) abgeschlossen worden. Die Verträge seien jeweils auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gewesen und hätten Kündigungsklauseln enthalten.

8 In den „Kooperationsvereinbarungen“ seien der Umfang und die Modalitäten der Leistungserbringung festgehalten worden. Es sei geregelt gewesen, dass der Zweitrevisionswerber „nach Maßgeblichkeit der Einsatzzentrale“ der erstrevisionswerbenden Partei zur Verfügung stehen werde. Nichterreichbarkeit müsse fernmündlich oder per Mail bekannt gegeben werden. Betreffend den Leistungsgegenstand werde im „Werkvertrag“ auf den Anhang verwiesen, in dem das Zustandekommen eines Auftrags und die Aufgaben des Zweitrevisionswerbers grob umschrieben seien. Im „Werkvertrag“ sei Weisungsfreiheit vereinbart. Keiner der Verträge enthalte ein Konkurrenzverbot. Alle Verträge enthielten Regelungen über die Haftung des Zweitrevisionswerbers, Datenschutz und Verschwiegenheitspflichten. Allen Verträgen sei eine Vereinbarung über das Entgelt angeschlossen, in der für die ersten 24 Stunden des Einsatzes ein Stundenlohn und darüber hinaus Pauschalbeträge für Ganz- und Halbtage festgelegt würden. In der Vereinbarung aus 2019 sei außerdem der Ersatz von Hotel- und Transportkosten geregelt. Laut den älteren Vereinbarungen würden nötige finanzielle Sonderausgaben und Spesen extra in Rechnung gestellt und gemäß den vorgelegten Belegen von der erstrevisionswerbenden Partei ersetzt.

9 Der Zweitrevisionswerber sei in den Jahren 2014 bis 2020 bei 66 Rücktransporten als Begleitung tätig gewesen. Insgesamt seien in diesem Zeitraum von der erstrevisionswerbenden Partei 622 Aufträge an den Begleitpersonenpool übermittelt worden. Die einzelnen Einsätze hätten zwischen zehn Stunden und fünf Tagen gedauert. Der Zweitrevisionswerber habe sich nicht zur Übernahme einer bestimmten Mindestanzahl von Einsätzen verpflichtet.

10 Nach Annahme eines Auftrags habe der Zweitrevisionswerber mit der zu begleitenden Person Kontakt aufgenommen und ein Treffen vereinbart, das meist im Krankenhaus gemeinsam mit dem medizinischen Personal stattgefunden habe. Er habe vor Ort abgeklärt, in welcher Form die Person transportfähig sei und die nötigen Transportmittel vor Ort organisiert. Darüber habe er die Einsatzzentrale informiert, die Abrechnung der Transportkosten sei im Nachhinein erfolgt. Er habe die Person abgeholt und zum Flughafen gebracht. Dort habe er die weitere Betreuung, zB einen Rollstuhl, organisiert und sich um die erforderlichen Formulare gekümmert. Am Zielflughafen angekommen, habe er die Person je nach Vereinbarung nach Hause oder ins Krankenhaus begleitet bzw. sie an einen bodengebundenen Krankentransport übergeben. Während des gesamten Einsatzes habe sich die gesundheitliche Situation bzw. die medizinische Einschätzung jederzeit ändern und Umbuchungen oder die Organisation alternativer Transportmittel erfordern können. Es sei Aufgabe des Zweitrevisionswerbers gewesen, auf diese Änderungen der Umstände entsprechend einzugehen und den Transport entsprechend zu organisieren. Es habe diesbezüglich keine Vorgaben der erstrevisionswerbenden Partei und auch keine Weisungen im Einzelfall gegeben. Die Organisation habe der Zweitrevisionswerber selbständig durchgeführt. Ihm sei seitens der erstrevisionswerbenden Partei vermittelt worden, dass Freizeitkleidung für die Einsätze nicht passend sei. Er kleide sich für die Einsätze daher zweckmäßig, aber nicht zu leger.

11 Die Einschulung des Zweitrevisionswerbers habe darin bestanden, dass er den ersten Einsatz gemeinsam mit einem erfahrenen Notarzt durchgeführt habe und ihm dabei die wesentlichen Punkte eines „klassischen Ablaufs“ näher gebracht worden seien. Er habe bereits über medizinische Kenntnisse verfügt und betreffend die organisatorischen Aspekte auf Vorerfahrungen aus anderen Tätigkeitsbereichen sowie eigene Reisen zurückgreifen können.

12 Der Zweitrevisionswerber habe Transportprotokolle erstellt, die von der erstrevisionswerbenden Partei dem jeweiligen Akt zugeordnet worden seien. Es seien aber nur das Festhalten der Beginn- und Endzeiten sowie die Dokumentation von Unregelmäßigkeiten im Ablauf erwartet worden. Die Dokumentation der einzelnen Tätigkeiten sei nicht erforderlich gewesen. Für die erstrevisionswerbende Partei hätten die Protokolle als Leistungsnachweis für ihre Kunden, die Versicherungsunternehmen, gedient. Seitens der erstrevisionswerbenden Partei seien nur stichprobenartige Überprüfungen der Protokolle erfolgt.

13 Es sei regelmäßig zu zeitlichen Verschiebungen oder Verlängerungen des Einsatzes auf Grund einer Änderung des gesundheitlichen Zustands der zu begleitenden Personen oder der medizinischen Einschätzung gekommen. In diesen Fällen sei der Zweitrevisionswerber nicht verpflichtet gewesen, den Auftrag zu einem anderen Zeitpunkt durchzuführen oder trotz Verlängerung des Zeitraums den Auftrag abzuschließen. Die erstrevisionswerbende Partei sei in solchen Fällen vielmehr davon ausgegangen, dass der Zweitrevisionswerber den Auftrag nicht erfüllen könne. Die Storno- bzw. Umbuchungskosten bei Änderungen des Zeitraums und/oder der Begleitpersonen habe die erstrevisionswerbende Partei getragen.

14 Es wäre dem Zweitrevisionswerber möglich gewesen, bereits übernommene Aufträge ohne Bekanntgabe von Gründen wieder abzusagen. Die erstrevisionswerbende Partei hätte dann selbst für Alternativen gesorgt.

15 Der Zweitrevisionswerber habe der erstrevisionswerbenden Partei jeweils nach Erfüllung eines Auftrags Honorarnoten vorgelegt. Die angeführten Beträge hätten der schriftlichen Entgeltvereinbarung entsprochen. Das Entgelt hätte in den im Spruch genannten Zeiträumen jeweils die Geringfügigkeitsgrenze überschritten.

16 Der Zweitrevisionswerber sei seit 2007 selbständig für verschiedene Auftraggeber tätig gewesen. Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) vom sei ausgesprochen worden, dass er auf Grund seiner Tätigkeit als Seminarleiter und Qualitätsmanager der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG unterliege. Er verfüge für die Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit für andere Auftraggeber über eine betriebliche Struktur, bestehend aus IT-Infrastruktur, Drucker, Kopierer und Mobiltelefon. Er habe Kollegen, die er um Vertretung ersuchen könne, darunter Personen, die ebenfalls für die erstrevisionswerbende Partei tätig seien. Außerdem habe er eine Steuerberaterin. Für die Tätigkeit für die erstrevisionswerbende Partei verwende er in erster Linie sein eigenes Mobiltelefon. Die erstrevisionswerbende Partei stelle ihm für die konkreten Einsätze auch ein Mobiltelefon zur Verfügung, um die Erreichbarkeit in allen Netzen weltweit zu garantieren. Außerdem trage der Zweitrevisionswerber bei Einsätzen ein ihm gehörendes Erste-Hilfe-Set mit sich. Nur wenn eine Ärztin im Team dabei sei, stelle die erstrevisionswerbende Partei auch ein Set mit medizinischer Ausrüstung zur Verfügung.

17 Sein Mobiltelefon habe der Zweitrevisionswerber auf Grund der Finanzierung durch Zahlung kleiner Raten an den Mobilfunkbetreiber nicht in das Anlageverzeichnis seiner Steuererklärung aufgenommen und somit nicht steuerlich als Betriebsmittel geltend gemacht.

18 In rechtlicher Hinsicht verneinte das Bundesverwaltungsgericht - insbesondere mangels vertragsmäßiger Konkretisierung des Werks - das Vorliegen eines Werkvertrags bzw. einzelner Werkverträge. Es sei auch kein Maßstab für Gewährleistungsansprüche ersichtlich. Es könne keine Rede davon sein, dass jeweils bei Annahme eines konkreten Auftrags ein Werkvertrag über den Rücktransport einer bestimmten Person abgeschlossen werde; denn im Fall von zeitlichen Verschiebungen oder Verlängerungen des Einsatzes sei der Zweitrevisionswerber nicht verpflichtet gewesen, den Auftrag dennoch abzuwickeln. Es habe daher für den Zweitrevisionswerber nur die Verpflichtung bestanden, in einem vorab bekannt gegebenen Zeitraum als Begleitperson zur Verfügung zu stehen. Er habe der erstrevisionswerbenden Partei jedoch nicht eine erfolgreich abgeschlossene Rückholung einer bestimmten Person garantiert.

19 Der Zweitrevisionswerber sei auch kein echter Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG gewesen; dies schon deshalb nicht, weil ihn angesichts des ihm glaubhaft eingeräumten sanktionslosen Ablehnungsrechts keine persönliche Arbeitspflicht getroffen habe.

20 Es sei aber ein freies Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG vorgelegen. Der Zweitrevisionswerber habe sich in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen - somit in Zeiten, in denen der Zweitmitbeteiligte (regelmäßig) für die Erstmitbeteiligte entgeltlich tätig wurde - zur Erbringung von Dienstleistungen gegenüber der erstrevisionswerbenden Partei verpflichtet. Er habe diese Dienstleistungen persönlich erbracht und dafür ein Entgelt erhalten. Schließlich habe er über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügt; die Schaffung einer unternehmerischen Infrastruktur für die gegenständlich zu beurteilende Tätigkeit sei nämlich nicht zu erkennen. Der Zweitrevisionswerber habe dafür nur sein Mobiltelefon verwendet und dieses - im Unterschied zu den für seine selbständige Tätigkeit angeschafften Betriebsmitteln - nicht steuerlich als Betriebsmittel geltend gemacht. Die erstrevisionswerbende Partei habe ihm zudem selbst ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus habe er nur ein Erste-Hilfe-Set bei seinen Einsätzen mitgeführt, worin angesichts von dessen Geringwertigkeit keine Schaffung einer betrieblichen Struktur erkannt werden könne. Auch im Vorhandensein von für eine Vertretung ansprechbaren Kollegen und der Beauftragung einer Steuerberaterin liege noch keine betriebliche Struktur, zumal die Vertretungen tatsächlich durch die erstrevisionswerbende Partei organisiert worden seien und die Steuerberaterin schon allein auf Grund des Umstands, dass der Zweitrevisionswerber mehreren Erwerbstätigkeiten nachgehe - unabhängig von der Selbständigkeit - zweckdienlich sein könne. Der Umstand, dass die erstrevisionswerbende Partei das Entgelt und die Modalitäten der Berechnung durch die den Verträgen angeschlossene Entgeltaufstellung festgesetzt habe, belege außerdem, dass dem Zweitrevisionswerber diesbezüglich kein unternehmerischer Gestaltungsspielraum zugekommen sei.

21 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

22 Die revisionswerbenden Parteien erblicken entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zunächst darin, dass das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht das Vorliegen eines Werkvertrags verneint habe.

23 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Abgrenzung des Werkvertrags von Dienstverträgen im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG bzw. § 4 Abs. 4 ASVG kommt es entscheidend darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall liegt ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es beim Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf die Bereitschaft des Letzteren zur Erbringung von Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit, ankommt. Der Werkvertrag begründet in der Regel ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet (vgl. , mwN).

24 Ein „Endprodukt“ im genannten Sinn war bei der Tätigkeit des Zweitrevisionswerbers aber nicht ersichtlich, zumal kein Maßstab dafür vorhanden war, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werkes beurteilt werden sollten (vgl. auch zu diesem Aspekt das soeben zitierte Erkenntnis ). Der erfolgreiche Rücktransport der jeweiligen Person war nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht geschuldet, da dieser „Erfolg“ zum einen auch von der Tätigkeit von Personen außerhalb der Ingerenz des Zweitrevisionswerbers - insbesondere in der Einsatzzentrale der erstrevisionswerbenden Partei - und zum anderen von durch ihn nicht beeinflussbaren äußeren Umständen - etwa in Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand der zu begleitenden Person - abhing. Bei durch solche Umstände bedingten zeitlichen Verschiebungen war der Zweitrevisionswerber gerade nicht verpflichtet, den Auftrag abzuschließen. Umgekehrt hätte er bei einer kürzeren Dauer eines Einsatzes einen geringeren Anspruch auf das zeitbezogene Entgelt gehabt.

25 In der Revision wird zwar behauptet, dass das angefochtene Erkenntnis zur Feststellung des Fehlens der genannten Verpflichtung, den Auftrag auch im Fall zeitlicher Verzögerungen abzuschließen, keine Beweiswürdigung enthalte. Dies trifft jedoch nicht zu: Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich insofern auf die übereinstimmenden Aussagen der revisionswerbenden Parteien in der mündlichen Verhandlung (vgl. S 11 des angefochtenen Erkenntnisses).

26 Insgesamt ist nicht zu sehen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Verneinung des Vorliegens eines Werkvertrags von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre oder - wie in der Revision auch geltend gemacht wird - ein unvertretbares Ergebnis erzielt hätte.

27 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG weiters vor, dass das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht eine Verpflichtung des Zweitrevisionswerbers zur Erbringung von Dienstleistungen für die erstrevisionswerbende Partei angenommen habe. Diese Annahme widerspreche dem vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Recht des Zweitrevisionswerbers zur Ablehnung von Aufträgen.

28 Das vom Bundesverwaltungsgericht festgestellte Ablehnungsrecht ist aber nicht im Sinn einer völligen Unverbindlichkeit zu verstehen, die selbst ein freies Dienstverhältnis ausschlösse (vgl. dazu Mosler in SV-Komm § 4 Rz 111, der als Beispiel die selbst initiierte - und im Nachhinein abgegoltene - Kundenzuführung bei Versicherungen und Bausparkassen nennt). Vielmehr ist vor dem Hintergrund aller festgestellten Umstände des Vertragsverhältnisses von einer grundsätzlichen Verpflichtung zum Tätigwerden nach Übernahme eines Auftrags auszugehen, wobei dem Zweitrevisionswerber aber der Sache nach ein jederzeitiges fristloses Kündigungsrecht zukam. Angesichts der ihm damit eingeräumten Dispositionsfreiheit konnte von keiner persönlichen Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ausgegangen werden, was aber nichts daran ändert, dass er, solange er von der ihm zugestandenen Option keinen Gebrauch machte, zu Dienstleistungen für die erstrevisionswerbende Partei verpflichtet war.

29 Schließlich wendet sich die Revision unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch gegen die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Zweitrevisionswerber im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügt habe. Zu Konstellationen, in denen die Tätigkeit ihrer Art nach keinen nennenswerten Einsatz von Betriebsmitteln erfordere, gebe es keine „eindeutige bzw. einheitliche“ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

30 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung des Vorhandenseins wesentlicher Betriebsmittel zu untersuchen, ob sich der freie Dienstnehmer mit Betriebsmitteln eine eigene betriebliche Infrastruktur geschaffen hat. Dabei kommt es weder auf die Notwendigkeit oder Unerlässlichkeit der Verwendung eines Betriebsmittels, noch auf den Betriebsgegenstand jenes Unternehmens an, für welches der freie Dienstnehmer tätig ist. Zu beachten ist weiters, dass § 4 Abs. 4 ASVG nicht bloß dann zur Anwendung kommt, wenn keinerlei eigene Betriebsmittel eingesetzt werden, sondern (umgekehrt) nur dann nicht, wenn derjenige, der die Leistung erbringt, im Wesentlichen nicht auf ihm zur Verfügung gestellte Betriebsmittel angewiesen ist (vgl. zum Ganzen , mwH, insbesondere auf das grundlegende Erkenntnis ).

31 Es kommt also - im Sinn des „Angewiesenseins“ auf fremde Betriebsmittel - letztlich auf die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Dienstgeber bzw. Auftraggeber bei der konkreten Tätigkeit an (vgl. dazu auch die im Erkenntnis , wiedergegebenen Gesetzesmaterialien, insbesondere den Ausschussbericht 912 BlgNR 20. GP, 5). Dabei ist davon auszugehen, dass eine unternehmerische Tätigkeit grundsätzlich eine gewisse unternehmerische Struktur voraussetzt. Auch wenn im Dienstleistungssektor Anlagegüter wie Geräte und Maschinen eine geringere Rolle spielen, bedarf es im Allgemeinen auch hier zumindest einer Ausstattung mit Bürobedarf und elektronischen Kommunikationsmitteln, um nicht nur die Erbringung der Leistung, sondern vor allem auch deren Anbieten am Markt zu ermöglichen. Über eine solche unternehmerische Struktur verfügte der Zweitrevisionswerber bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Krankentransportbegleiter nicht. Vielmehr war es die zweitrevisionswerbende Partei, die ihm mit der bei ihr vorhandenen betrieblichen Infrastruktur die Aufträge verschaffte und deren Durchführung ermöglichte, wobei sie ihm sogar ein Mobiltelefon zur Verfügung stellte (auch wenn er nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts überwiegend sein eigenes verwendete).

32 Angesichts dieser Rahmenbedingungen der Tätigkeit des Zweitrevisionswerbers für die erstrevisionswerbende Partei begegnet es keinen Bedenken, dass das Bundesverwaltungsgericht im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG das Vorhandensein wesentlicher eigener Betriebsmittel verneint hat. Darauf, dass der Zweitrevisionswerber über Betriebsmittel für die Ausübung anderer Erwerbstätigkeiten verfügte, kommt es bei der Beurteilung der Tätigkeit für die erstrevisionswerbende Partei nicht an. Die von der Revision in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Wortfolge „auch sonst“ bzw. „losgelöst vom konkreten Auftrag“ aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB , wonach es darauf ankommt, ob der Dienstnehmer „- losgelöst vom konkreten Auftrag - spezifische Betriebsmittel anschafft, werbend am Markt auftritt, auch sonst über eine gewisse unternehmerische Infrastruktur verfügt und seine Spesen in die dem Auftraggeber verrechneten Honorare selbst einkalkuliert“) bezieht sich nicht auf Betriebsmittel für einen anderen Tätigkeitsbereich (im Fall des Zweitrevisionswerbers: Seminarleitung und Qualitätsmanagement), sondern auf solche für potentielle weitere Aufträge (auch anderer Auftraggeber) im gleichen Tätigkeitsbereich.

33 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am

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ASVG §4 Abs4
VwRallg
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023080084.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-46239