VwGH 02.05.2023, Ra 2023/08/0067
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
RS 1 | Nichtstattgebung - Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG - Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die revisionswerbende Partei zur Zahlung von Beiträgen nach dem ASVG samt Verzugszinsen verpflichtet. In ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung begründet sie einen unverhältnismäßigen Nachteil durch den Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses damit, dass sie "beträchtliche Geldmittel" erübrigen müsste, welche sie für die Aufrechterhaltung und den Ausbau ihres Betriebes benötige, wodurch zahlreiche Arbeitsplätze in ihrem Betrieb gefährdet wären. Damit ist die revisionswerbende Partei der sie treffenden Konkretisierungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Der Antrag war daher abzuweisen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der S GmbH, vertreten durch Dr. Felix Karl Vogl, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Bahnhofstraße 34/Top 12, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , I413 2167399-1/25E, betreffend Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof einer Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegen stehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2 Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es erforderlich, dass der Revisionswerber schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt (vgl. zur insoweit unveränderten Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 122/2013 den Beschluss eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10381/A). Im Fall der Auferlegung von Geldleistungen ist es notwendig, die im Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen Einkünfte sowie Vermögensverhältnisse (unter Einschluss der Schulden nach Art und Ausmaß) konkret - tunlichst ziffernmäßig - anzugeben; weiters sind Angaben dazu erforderlich, welcher Vermögensschaden durch welche Maßnahme droht und inwiefern dieser Schaden im Hinblick auf die sonstigen Vermögensumstände der beschwerdeführenden Partei unverhältnismäßig ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2010/08/0003).
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die revisionswerbende Partei zur Zahlung von Beiträgen nach dem ASVG samt Verzugszinsen verpflichtet.
4 In ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung begründet sie einen unverhältnismäßigen Nachteil durch den Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses damit, dass sie „beträchtliche Geldmittel“ erübrigen müsste, welche sie für die Aufrechterhaltung und den Ausbau ihres Betriebes benötige, wodurch zahlreiche Arbeitsplätze in ihrem Betrieb gefährdet wären.
5 Damit ist die revisionswerbende Partei der sie treffenden Konkretisierungspflicht nicht hinreichend nachgekommen.
6 Der Antrag war daher abzuweisen.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der S GmbH in L, vertreten durch Dr. Felix Karl Vogl, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Bahnhofstraße 34/Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , I413 2167399-1/25E, betreffend Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse Landesstelle Vorarlberg; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Österreichische Gesundheitskasse hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom stellte die Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) fest, dass die revisionswerbende Partei als Dienstgeberin verpflichtet sei, allgemeine Beiträge, sonstige Beiträge und Umlagen für die in der Beilage angeführten Dienstnehmer in den ebenfalls in der Beilage angeführten Zeiträumen in der Höhe von € 51.237,21 und Verzugszinsen in der Höhe von € 13.452,18 zu entrichten.
2 Die Nachverrechnung bezog sich auf drei Sachverhalte: Erstens „Abfuhrdifferenzen“ hinsichtlich der Beiträge zur betrieblichen Vorsorgekasse, zweitens zu gering entlohnte Überstunden und drittens ausständige Beiträge für nachträglich in die Pflichtversicherung nach dem ASVG einbezogene Dienstnehmer (im Bescheid „Nachverrechnungsposition ,Anmeldung/Laufendes Entgelt/Bezug‘“ genannt).
3 Die revisionswerbende Partei erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, in der sie sich gegen die Qualifikation als Dienstnehmer wandte, die dem dritten Nachverrechnungssachverhalt zugrunde lag.
4 Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28., 29. und eine mündliche Verhandlung durch.
5 Mit Schriftsatz vom schränkte die revisionswerbende Partei die Beschwerde insoweit ein, als sie sich nur auf die Nachverrechnungsposition „Anmeldung/Laufendes Entgelt/Bezug“ beziehen sollte. Die Nachverrechnungspositionen „Abfuhrdifferenzen“ und „Überstundenentlohnung“ würden hingegen nicht bestritten. Es stünden daher nur mehr Beiträge in Höhe von € 44.949,79 und Verzugszinsen in Höhe von € 11.688,41 in Beschwerde.
6 Die revisionswerbende Partei ergänzte in diesem Schriftsatz außerdem ihr Beschwerdevorbringen um eine Bestreitung der Nachverrechnung der Höhe nach. Sie machte insbesondere geltend, dass das von der belangten Behörde zugrunde gelegte Entgelt der Fahrer nicht im Schnitt € 175,-- pro Tag, sondern deutlich weniger (nach den Aussagen der Fahrer zwischen € 70,-- und € 80,--) betragen habe; € 175,-- seien nur den „Inhabern“ der Subunternehmen ausgezahlt worden, die den Betrag dann zwischen sich und den Fahrern aufgeteilt hätten. Zudem hätten nach § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG beitragsfreie Tages- und Nächtigungsgelder, wie sie im Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe vorgesehen seien, in Abzug gebracht werden müssen.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.
8 In der Begründung gab das Bundesverwaltungsgericht den Verfahrensgang, nicht aber den Schriftsatz vom wieder. Es stellte die Höhe der aushaftenden Beiträge fest und erklärte in der Beweiswürdigung, dass diese „nicht von der Beschwerde wie auch vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung der Höhe nach in Zweifel gezogen“ worden sei. Dies wiederholte das Bundesverwaltungsgericht in der rechtlichen Beurteilung und ergänzte, dass sich „auch im Rahmen einer rechnerischen Prüfung keine Zweifel an der Richtigkeit der Vorschreibung“ ergeben würden.
9 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die Österreichische Gesundheitskasse eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
11 Die Revision bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dass zur Beitragsnachverrechnung kein Vorbringen erstattet worden sei, erweise sich als aktenwidrig. Vielmehr habe die revisionswerbende Partei insbesondere im Schriftsatz vom ein umfassendes Vorbringen erstattet, welches das Bundesverwaltungsgericht „glatt ignoriert“ habe. Bei inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Vorbringen hätte das Bundesverwaltungsgericht zu einer deutlich niedrigeren Beitragsnachverrechnung kommen müssen.
12 Die Revision ist aus dem genannten Grund zulässig und berechtigt.
13 Das Bundesverwaltungsgericht hat den Schriftsatz vom - im Übrigen auch insoweit, als damit die Beschwerde eingeschränkt wurde - völlig übergangen. Indem es sich nicht mit dem hinreichend substantiierten Vorbringen zur Berechnung des beitragspflichtigen Entgelts auseinandergesetzt hat, hat es seine Begründungspflicht nach den §§ 17 und 29 VwGVG iVm § 60 AVG verletzt, zumal sich schon die Begründung des bei ihm angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Beitragshöhe in einer Wiedergabe der gesetzlichen Grundlagen erschöpft hat; dies war auch unter Einbeziehung des insoweit seinerseits wenig aussagekräftigen Prüfberichts und der tabellarischen Aufstellung der nachverrechneten Beträge nicht ausreichend.
14 Da der aufgezeigte Begründungsmangel die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof maßgeblich beeinträchtigt (vgl. zu diesen Kriterien für die Wesentlichkeit eines Begründungsmangels etwa ), war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
15 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
16 Von der in der Revision beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023080067.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-46237