VwGH 24.04.2023, Ra 2023/08/0054
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Die Vereinbarung eines zeitbezogenen (Pauschal-)Entgelts spricht für das Bestehen einer persönlichen Abhängigkeit (vgl. etwa , Rn. 67, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2023/08/0008 B RS 1 |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2023/08/0050 B
Ra 2023/08/0052 B
Ra 2023/08/0059 B
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der S GmbH in L, vertreten durch Dr. Felix Karl Vogl, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Bahnhofstraße 34/Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , I413 2225020-1/8E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse; mitbeteiligte Parteien: 1. D C in W, 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt Außenstelle Dornbirn in 6850 Dornbirn, Eisengasse 12, 3. Pensionsversicherungsanstalt Landesstelle Vorarlberg in 6850 Dornbirn, Zollgasse 6; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer für die revisionswerbende Partei als Dienstgeberin in näher bezeichneten Zeiträumen in den Jahren 2016 und 2017 der Pflichtversicherung in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG sowie in weiteren näher bezeichneten Zeiträumen in den Jahren 2015 und 2016 gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 iVm § 7 Z 3 ASVG der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung unterlegen sei.
2 In der Entscheidungsbegründung stellte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen fest, dass die revisionswerbende Partei eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Vorarlberg sei. Ihr Geschäftszweig laute auf „Transportunternehmen“. Sie führe im Auftrag von Speditionsunternehmen Frachtdienste in Form von fixen Touren bzw. Linien durch, indem sie Fracht von einem bestimmten Ort in Vorarlberg jeden Tag oder jede Nacht über eine bestimmte Route an einen bestimmten Ort und von dort wieder Fracht nach Vorarlberg transportiere.
3 Die revisionswerbende Partei habe mit dem Erstmitbeteiligten, einem serbischen Staatsangehörigen mit Hauptwohnsitz in Vorarlberg, vereinbart, dass dieser für sie Transporte auf einer der von ihr bedienten Linien durchführen solle. Der Erstmitbeteiligte habe zu diesem Zweck die (Anteile an der) C. + J. EOOD (im Folgenden kurz: Gesellschaft), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach bulgarischem Recht mit Sitz in Bulgarien, gekauft. Diese Gesellschaft verfüge über eine Transportlizenz, übe aber in Bulgarien keine Tätigkeit aus. Es handle sich um eine reine Sitzgesellschaft. Ein Konzessionsträger und eine Sekretärin würden vom Erstmitbeteiligten in Bulgarien bezahlt. Es befinde sich dort ein kleines Einmannbüro, das im Bürogebäude des Konzessionsträgers liege und für das keine Miete bezahlt werden müsse. Die Gesellschaft habe über keine eigenen LKW oder andere Fahrzeuge für Frachtfuhren verfügt. Sie habe nur Fahrer gehabt, die der Revisionswerberin vermittelt worden seien. Dabei habe sich der Erstmitbeteiligte mit der Revisionswerberin über eine bestimmte, stets gleichbleibende Linie, über die zu fahrenden Zeiten und den Pauschalpreis der Fahrten geeinigt. Die diesbezüglichen Daten habe er nach Bulgarien geschickt, von wo er monatlich eine den gefahrenen Tagen entsprechende Faktura erhalten habe, die er unterschrieben und der Revisionswerberin übergeben habe. Das Entgelt habe er sodann von der Revisionswerberin monatlich im Nachhinein überwiesen bekommen.
4 Die Fahrer seien vom Erstmitbeteiligten für die Gesellschaft angestellt und in Bulgarien zur Sozialversicherung angemeldet worden. Mangels eigenen Fuhrparks habe der Erstmitbeteiligte mit der Revisionswerberin vereinbart, dass er einen ihrer LKW im Weg eines Leasingvertrags kaufen solle, der nach Ablauf der Leasingdauer und nach Bezahlung des Restbetrags in das Eigentum der Gesellschaft übergehen sollte. Die Leasingvereinbarung sei dann aber nach spätestens zehn Monaten gleichzeitig mit der Einstellung der zunächst vom Erstmitbeteiligten bedienten Linie aufgehoben worden.
5 Für die Durchführung der Fuhren hätten die Parteien einen Pauschalsatz vereinbart (zunächst € 170,-- pro Nacht, später € 600,-- pro Fahrt [hin und retour]). Zur Abwicklung eines konkreten Auftrags habe die Revisionswerberin dem betreffenden Fahrer, auch dem Erstmitbeteiligten selbst, einen bestimmten LKW zugewiesen. Zudem habe er die nötigen Daten betreffend die Destination und die Zeiten der Fracht erhalten. In der Vereinbarung seien der genaue zeitliche Ablauf der Transporte in Form eines Fahrplans mit Abfahrts- und Ankunftsdaten geregelt worden. Zu Fahrzeug und Anhänger sei vereinbart worden, dass das Fahrzeug von der Gesellschaft zu „Realkosten“ von der Revisionswerberin übernommen werden solle. Damit sollten Kosten für Leasing, Versicherung, Steuer, Aufwände für Reparaturen, Service, Reifen und Selbstbehalte aus Unfällen ohne Abschlag an die Gesellschaft weiterverrechnet werden. Letztlich seien aber alle von der Gesellschaft genutzten LKW im Eigentum der Revisionswerberin geblieben. Die frustrierten Leasingaufwendungen seien der Gesellschaft nicht refundiert worden. Zwischen den Parteien sei vereinbart worden, dass Maut nach Aufwand in Abzug gebracht werden solle und zur Betankung ein Tankchip der W. GmbH zur Verfügung gestellt werde, wobei die verbuchten Tankungen weiterverrechnet werden sollten. Nach Einstellung der zunächst vom Erstmitbeteiligten bedienten Linie habe die Gesellschaft der Revisionswerberin nur mehr Fahrer zur Verfügung gestellt. Diese seien von der Gesellschaft nach Belieben auf verschiedenen Linien eingesetzt worden.
6 Der Erstmitbeteiligte sei in den Zeiträumen der festgestellten Pflichtversicherung ausschließlich für die revisionswerbende Partei wöchentlich stets die gleichen Touren gefahren. Diese seien zeitlich und streckenmäßig genau von der revisionswerbenden Partei geplant und organisiert gewesen. Bei der Durchführung der Touren habe kein Gestaltungsspielraum für den Erstmitbeteiligten, seine Gesellschaft oder deren LKW-Fahrer bestanden. Welche LKW zur Durchführung der jeweiligen Tour verwendet worden seien, habe die revisionswerbende Partei vorgegeben.
7 Der Erstmitbeteiligte bzw. die Gesellschaft hätten ausschließlich mit Betriebsmitteln gearbeitet, die in der Verfügungsgewalt der revisionswerbenden Partei gestanden seien. Um Frachtpapiere habe sich die Spedition gekümmert; sie seien dem Fahrer jeweils bei Beginn der Fahrt ausgehändigt worden. Die LKW und Anhänger seien auf die revisionswerbende Partei zugelassen gewesen. Die Schlüssel zum LKW habe der jeweilige Fahrer erhalten, wobei ein weiterer Satz mit Schlüsseln bei der Revisionswerberin vorhanden sei, die den jeweiligen LKW während des Tages für den eigenen Bedarf nutze. Der Erstmitbeteiligte und andere Fahrer der Gesellschaft seien mit der Revisionswerberin zuzurechnenden LKW gefahren, je nachdem, wie die Revisionswerberin den jeweiligen Fahrer eingeteilt habe.
8 Die Gesellschaft habe sich verpflichtet, alle Schäden an Fahrzeugen umgehend der revisionswerbenden Partei zu melden. Diese habe die Reparatur solcher Fahrzeuge veranlasst. Der Erstmitbeteiligte bzw. die Gesellschaft hätten keine Reparaturen in Auftrag geben können, da die revisionswerbende Partei den Vertragspartner ausgewählt habe.
9 Die Gesellschaft verfüge weder in Bulgarien noch in Vorarlberg über eine eigene betriebliche Struktur. Weder habe die Gesellschaft die typische Infrastruktur eines Transportbetriebs wie einen Parkplatz, ein Betriebsgebäude, Magazine, Tankkarten und dergleichen, noch die zur Vermittlung von Arbeitskräften typische Infrastruktur. Sie trete nicht am Markt auf, um Fahrer zu vermitteln und mache keine Werbung, sondern habe die Fahrer ausschließlich an die Revisionswerberin vermittelt.
10 Laufende mit dem Betrieb des LKW verbundene Kosten für Treibstoff, Maut, Instandhaltung und dergleichen seien von der revisionswerbenden Partei beglichen und im Rahmen der monatlichen Abrechnung der Gesellschaft verrechnet worden. Strafen, die mit dem Zustand und der Verkehrstüchtigkeit des Fahrzeugs in Zusammenhang gestanden seien, seien von der revisionswerbenden Partei beglichen worden.
11 Die aufgezeichneten Daten in den LKW seien ausschließlich von der revisionswerbenden Partei ausgelesen worden.
12 Für die durchgeführten Fahrten habe die Gesellschaft der revisionswerbenden Partei monatsweise nachträglich Rechnungen ausgestellt und die Fahrten entsprechend den von der revisionswerbenden Partei festgelegten Pauschalpreisen fakturiert. Diesen Pauschalpreisen seien keine unternehmerischen Kalkulationen der Gesellschaft zugrunde gelegen. Vielmehr seien diese von der revisionswerbenden Partei kalkuliert und vorgegeben worden. Den jeweils in Rechnung gestellten Betrag habe die revisionswerbende Partei auf ein Bankkonto in Österreich überwiesen.
13 Die Revisionswerberin habe genau wissen wollen, welcher Fahrer der Gesellschaft die Fahrt vornehme. Wenn der Fahrer erkrankt sei, habe er den Erstmitbeteiligten angerufen. Ein anderer Fahrer habe nur eingesetzt werden können, nachdem die Revisionswerberin davon informiert worden sei. Es hätte keine Möglichkeit gegeben, dass ein Fahrer von sich aus nicht mehr fahre oder einen anderen Fahrer schicke.
14 Es wäre der Gesellschaft nicht möglich gewesen, Aufträge der revisionswerbenden Partei auszuschlagen. Sie habe auch keine Dispositionsmöglichkeiten gehabt, Aufträge von anderen Auftraggebern anzunehmen, und sei vollständig von Entscheidungen der revisionswerbenden Partei abhängig gewesen.
15 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es sei im Sinn des wahren wirtschaftlichen Gehalts nach § 539a ASVG zu beurteilen, ob eine echte unternehmerische Tätigkeit des Erstmitbeteiligten im Rahmen der Gesellschaft vorliege oder ob seine Tätigkeit als (echtes) Dienstverhältnis zur revisionswerbenden Partei anzusehen sei. Der Gesellschaft fehle es an jeglichem „unternehmerischen Gehalt“. Ein Konzessionsträger und eine in Bulgarien beschäftigte Sekretärin vermöchten daran nichts zu ändern. Der „Inhaber“ der Gesellschaft - der Erstmitbeteiligte - lebe in Österreich und fahre LKW als Dienstnehmer von Transportgesellschaften, darunter auch die Revisionswerberin. Für diese fahre er auf fix von ihr vorgegebenen Linien weit entfernt vom bulgarischen Sitz der Gesellschaft. Es mangle ihm an jeder Möglichkeit, außerhalb der Tätigkeit für die revisionswerbende Partei tätig zu werden, nicht zuletzt, weil es ihm am Wissen und den Kontakten fehle, die für die Auftragsakquisition erforderlich seien. Als Fahrer stelle er nur seine Arbeitskraft als LKW-Lenker zur Verfügung. Wirtschaftlich betrachtet erfolgten somit alle wesentlichen Tätigkeiten in Vorarlberg im Rahmen der einzigen Auftraggeberin - der revisionswerbenden Partei - ohne Möglichkeit der Gesellschaft, auf diese Tätigkeiten wirksam Einfluss zu nehmen. Die Gesellschaft sei mangels eigener betrieblicher Strukturen vollkommen von der revisionswerbenden Partei abhängig.
16 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei für die Dienstgebereigenschaft nach § 35 Abs. 1 ASVG wesentlich, wer nach rechtlichen Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet werde, wen also das Risiko des Betriebs im Gesamten unmittelbar treffe. Unter einem Betrieb im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG sei - unter Rückgriff auf die Judikatur zu § 34 Abs. 1 ArbVG - jede organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb deren eine Person (Personengemeinschaft) mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolge.
17 Die wesentlichen Bestandteile eines Frachtbetriebs seien LKW, Anhänger, die Abstellflächen für solche LKW sowie die für die Durchführung der Transportaufträge erforderliche Infrastruktur. Alle diese Betriebsmittel seien im vorliegenden Fall wirtschaftlich der revisionswerbenden Partei zuzurechnen. Dies gelte auch für den LKW der Gesellschaft des Erstmitbeteiligten, den diese kurzzeitig von der Revisionswerberin „geleast“ habe. Die Leasingkonstruktion sei einseitig von der Revisionswerberin beendet worden, womit deutlich gemacht worden sei, dass der LKW stets Teil des Betriebsvermögens der Revisionswerberin gewesen sei und es sich beim Leasing um eine „Chimäre“ gehandelt habe. Mangels jeglicher Möglichkeit, Fahrer zu Transporten einzusetzen, seien der Erstmitbeteiligte und seine Gesellschaft wirtschaftlich völlig von der Revisionswerberin abhängig gewesen. Die revisionswerbende Partei sei aus den getätigten Umsatzgeschäften berechtigt und verpflichtet worden, nicht hingegen der Erstmitbeteiligte oder seine bulgarische Gesellschaft. Wirtschaftlich betrachtet sei die Gesellschaft des Erstmitbeteiligten keine operativ tätige Gesellschaft und der Betrieb auf Rechnung der revisionswerbenden Partei geführt worden. Die Gesellschaft sei wirtschaftlich betrachtet nicht Dienstgeberin des Erstmitbeteiligten bzw. Auftragnehmerin der revisionswerbenden Partei.
18 Mit der gewählten Konstruktion der Zwischenschaltung der bulgarischen Gesellschaft hätten die Beteiligten versucht, einen Sachverhalt zu konstruieren, der von den Tatbeständen der §§ 4 und 35 ASVG nicht erfasst sei. Allerdings sei gemäß § 539a ASVG nicht auf die äußere Form, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt abzustellen, der sich anders präsentiere. Es liege eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Gestaltungsmöglichkeiten vor, weil der einzige erkennbare Grund für die vorgenommene Gestaltung der Vertragsbeziehungen darin bestanden habe, gesetzliche Vorschriften des ASVG zu umgehen.
19 Somit erweise sich die gewählte rechtliche Konstruktion als bedeutungslos. Mangels Unternehmenswagnis und eigener Betriebsmittel sei „die Gesellschaft wirtschaftlich unselbständig“ und führe ihren Betrieb ausschließlich auf Rechnung und Gefahr der Revisionswerberin. Daher seien die Arbeitsverhältnisse, die die Gesellschaft eingegangen sei, nicht der Gesellschaft, sondern der Revisionswerberin zuzurechnen. Diese sei Dienstgeberin des Erstmitbeteiligten im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG.
20 Nach dem Gesamtbild des zu beurteilenden Beschäftigungsverhältnisses hätten beim Erstmitbeteiligten die Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen der persönlichen Unabhängigkeit überwogen. Somit sei eine persönliche Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben. Der Erstmitbeteiligte sei als LKW-Fahrer im Linienbetrieb, vergleichbar einem Zusteller, eingesetzt worden. Er habe sich zu einem vorgegebenen Zeitpunkt einzufinden gehabt, um das Frachtgut samt LKW zu übernehmen und dieses zu einem bestimmten Zeitpunkt am vorgegebenen Ziel abzuladen und sodann auf die gleiche Weise wieder zurückzukehren. Er sei in den Betrieb der revisionswerbenden Partei mit einer von dieser determinierten Ablauforganisation eingebunden gewesen. Abänderungen der Ablauforganisation seien als Fahrer nicht durchsetzbar gewesen. Das Entgelt sei in Form einer Pauschale einseitig von der revisionswerbenden Partei festgelegt worden. Im Hinblick auf die Merkmale und näheren Umstände der verrichteten Tätigkeit könne bei einem LKW-Fahrer wie dem Erstmitbeteiligten von einer Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgegangen werden, zumal es sich um eine einfache manuelle Tätigkeit ohne einen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum in Bezug auf Arbeitsausführung und Verwertbarkeit handle.
21 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
22 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
23 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
24 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
25 In diesem Sinn bringt die - nach Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof ausgeführte - Revision zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe festgestellt, dass die Gesellschaft des Erstmitbeteiligten infolge des vorzeitig beendeten Leasingvertrags „beträchtliche Aufwandspositionen“ für den LKW getragen habe. Dennoch habe es gefolgert, dass die Gesellschaft über keine nennenswerten eigenen Betriebsmittel verfüge. Damit sei das Bundesverwaltungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach der Fuhrpark eines Transportunternehmens ein wesentliches Betriebsmittel sei.
26 Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass nach den - insoweit unbestrittenen - Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts von einem eigenen „Fuhrpark“ der Gesellschaft des Erstmitbeteiligten keine Rede sein kann, mögen ihn auch während der Leasingdauer nicht refundierte Kosten getroffen haben. Auch konnte vor dem Hintergrund der festgestellten Abrechnungsmodalitäten weder aus diesen Kosten noch aus weiteren in der Revision genannten Aufwendungen (Betriebskosten, Reparaturen) geschlossen werden, dass die Gesellschaft oder den Erstmitbeteiligten ein (nennenswertes) Unternehmerwagnis getroffen habe.
27 Entgegen dem weiteren Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Vereinbarung eines zeitbezogenen (Pauschal-)Entgelts (von dem hier jedenfalls in der ersten Phase, in der eine Bezahlung pro Nacht vereinbart war, auszugehen ist) für das Bestehen einer persönlichen Abhängigkeit spricht (vgl. etwa , Rn. 67, mwN). Den beiden von der revisionswerbenden Partei zitierten Erkenntnissen ( - das im Übrigen nicht zum ASVG ergangen ist - und ) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen; vielmehr wird im zuletzt genannten Erkenntnis explizit auf ein zeitunabhängiges Pauschalentgelt als mögliches Indiz für eine Tätigkeit in persönlicher Unabhängigkeit abgestellt.
28 Im Übrigen handelt es sich dabei bloß um ein Nebenkriterium, das nur dann eine entscheidende Rolle spielen kann, wenn im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit erlaubt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa , Rn. 21, mwN). Schon deswegen wird mit dem im weiteren Zulässigkeitsvorbringen der Revision gerügten Fehlen einer expliziten Feststellung, dass das vereinbarte Pauschalentgelt pro Tour erfolgsunabhängig gewesen sei, ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass bei der Beschäftigung des Erstmitbeteiligten die Merkmale persönlicher Abhängigkeit überwogen hätten, war nämlich bereits auf Basis der übrigen dafür herangezogenen Feststellungen - Einsatz vergleichbar einem Zusteller, Bindung an Ordnungsvorschriften in zeitlicher Hinsicht, Einbindung in den Betrieb der revisionswerbenden Partei mit einer von dieser determinierten Ablauforganisation, Durchführung einer einfachen manuellen Tätigkeit ohne einen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum in Bezug auf Arbeitsausführung und Verwertbarkeit - jedenfalls nicht unvertretbar (vgl. zu diesem Maßstab bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision etwa , Rn. 10, mwN).
29 Die Revision rügt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auch noch, dass es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen habe, sämtliche beantragten Zeugen zu vernehmen. Zwei der insgesamt acht beantragten Zeugen seien nämlich unentschuldigt nicht erschienen, einer habe sich wegen Krankheit entschuldigt. Die Zeugen hätten im Fall ihrer nochmaligen Ladung bzw. zwangsweisen Vorführung ausgesagt, dass die Arbeitnehmer der Gesellschaft stets die Gesellschaft unter Leitung des Erstmitbeteiligten als ihren Arbeitgeber angesehen hätten, dass dieser sich den Arbeitnehmern gegenüber wie ein Arbeitgeber verhalten habe, sie insbesondere in persönlicher Abhängigkeit und Weisungsunterworfenheit gegenüber der Gesellschaft unter der Leitung des Erstmitbeteiligten tätig gewesen seien und stets von diesem Weisungen erhalten hätten, weiters, dass der Erstmitbeteiligte sich als Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber der revisionswerbenden Partei wie ein Werkunternehmer verhalten habe und er ein Unternehmerwagnis getragen habe sowie über nennenswerte Betriebsmittel verfügt habe, insbesondere über den zunächst geleasten LKW stets verfügen habe können. Mit diesem Vorbringen kann die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aber nicht aufgezeigt werden: So ist es rechtlich unerheblich, wie der Erstmitbeteiligte von den (weiteren) Arbeitnehmern in seinem Verhalten ihnen gegenüber und gegenüber der revisionswerbenden Partei wahrgenommen wurde. Auch eine Weisungserteilung durch den Erstmitbeteiligten spräche nicht dagegen, dass er selbst dabei den Weisungen der revisionswerbenden Partei unterlegen ist und die durch die Weisungserteilung indizierte persönliche Abhängigkeit der (weiteren) Arbeitnehmer nicht gegenüber dem Erstmitbeteiligten, sondern gegenüber der revisionswerbenden Partei als Dienstgeberin bestand. Was die Bejahung oder Verneinung eines Unternehmerwagnisses und der Verfügung über nennenswerte Betriebsmittel betrifft, so handelt es sich dabei - ausgehend von den als solche unbestrittenen Feststellungen betreffend die Eigentumsverhältnisse und Abrechnungsmodalitäten - um eine (Zeugenbeweisen nicht zugängliche) rechtliche Beurteilung.
30 Schließlich behauptet die Revision noch das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, „ob, jeweils für sich genommen, die Vereinbarung eines pauschalen Fuhrlohns für eine Fuhre und das Eigentum an einem eigenen LKW die Dienstnehmereigenschaft eines Auftragnehmers ausschließt bzw. ausschließen, auch wenn dieser nur für einen Auftraggeber tätig ist“. Dabei handelt es sich aber um eine bloß einzelfallbezogene Beurteilung, die das Bundesverwaltungsgericht hier in jedenfalls nicht unvertretbarer Weise vorgenommen hat.
31 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
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Schlagworte | Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023080054.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-46235