VwGH 17.03.2023, Ra 2023/08/0033
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Der einschreitende Rechtsanwalt beruft sich hinsichtlich seines Einschreitens nach den nicht zweifelhaften Angaben in der Revision auf die mit Beschluss des BVwG nach § 8a Abs. 1 VwGVG 2014 erfolgte Bewilligung der Verfahrenshilfe und seine darauf gegründete Bestellung als Verfahrenshelfer. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe nach § 8a VwGVG 2014 erstreckt sich jedoch nur auf das Verfahren des VwG (vgl. insoweit zu den Voraussetzungen ). Über die Gewährung von Verfahrenshilfe im Verfahren des VwGH zur Erhebung einer Revision gegen eine Entscheidung eines VwG ist dagegen nach § 61 VwGG nach Abschluss des Verfahrens vor dem VwG zu entscheiden; und zwar, wenn das VwG in seinem Erkenntnis oder Beschluss ausgesprochen hat, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, durch das VwG (§ 61 Abs. 2 VwGG) sowie bei außerordentlichen Revisionen durch den VwGH selbst (§ 61 Abs. 3 VwGG). Der einschreitende Rechtsanwalt kann sich somit hinsichtlich der Erhebung der Revision nicht auf eine ihm als bestellter Verfahrenshelfer zukommende Vertretungsmacht berufen. Damit erweist sich die Revision aber mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung als nicht zulässig (vgl. zur Überschreitung der Vertretungsmacht eines im Verfahren des VwGH bestellten Verfahrenshelfers ; , Ra 2018/19/0293; jeweils mwN). |
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RS 2 | Mangels bestehender Vollmacht im Zeitpunkt der Revisionserhebung ist die Revision dem einschreitenden Rechtsanwalt selbst zuzurechnen (vgl. , mwN). Für die Wirksamkeit einer durch einen Vertreter vorgenommenen fristgebundenen Verfahrenshandlung wäre dagegen das Vorliegen einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den Vertretenen zum Zeitpunkt der Verfahrenshandlung erforderlich. Erfolgt die Begründung des Vollmachtsverhältnisses zur Vertretung bei einer fristgebundenen Verfahrenshandlung erst nach Fristablauf, so bewirkt dies nicht die Rechtswirksamkeit der von dem noch nicht Bevollmächtigten seinerzeit gesetzten Verfahrenshandlungen. |
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RS 3 | Eine ursprünglich vollmachtslos vorgenommene fristgebundene Verfahrenshandlung kann durch eine nach Fristablauf erfolgte Vollmachtserteilung nicht saniert werden (Hinweis B , 2003/17/0096; E ). Anders liegt der Fall, wenn die nachträgliche Vollmachtserteilung noch innerhalb der ursprünglich offen stehenden Frist stattfindet. Dann steht einer Berücksichtigung der Verfahrenshandlung nichts im Weg (Hinweis B , 577/80, VwSlg 10641 A/1982). (Hier war die Frist zur Erhebung der Schubhaftbeschwerde noch offen.) |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2009/21/0072 E RS 1 (hier nur der erste Satz) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die von Dr. Rudolf Fries, Rechtsanwalt in Baden, vertreten durch die Eckert Fries Carter Rechtsanwälte GmbH in 2500 Baden, Erzherzog Rainer Ring 23, als Verfahrenshelfer des Dipl.-HTL-Ing. H S in L erhobene Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W228 2254465-1/37E, betreffend Rückforderung von Beiträgen zur Pflichtversicherung nach § 41 GSVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom wies die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen einen Antrag des HS auf Rückerstattung von Beiträgen nach dem GSVG ab.
2 Gegen diesen Bescheid erhob HS eine Beschwerde und beantragte, ihm für das Beschwerdeverfahren Verfahrenshilfe zu gewähren. Mit Beschluss vom gab das Bundesverwaltungsgericht diesem Antrag Folge und bewilligte gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG die Verfahrenshilfe im vollen Umfang. Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich bestellte für dieses Verfahren mit Bescheid vom Rechtsanwalt Dr. Rudolf Fries zum Verfahrenshelfer.
3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis vom wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des HS als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 In der vorliegenden Revision wird bei Bezeichnung der Parteien im Rubrum angeführt „[HS] vertreten durch Dr. Rudolf Fries, Rechtsanwalt [Anschrift] als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Eckert Fries Carter Rechtsanwälte GmbH [...]“. In der Revision wird einleitend ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis sei dem Verfahrenshelfer am zugestellt worden. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom sei dem Revisionswerber Verfahrenshilfe im vollen Umfang bewilligt worden. Die bewilligte Verfahrenshilfe sei „nach wie vor aufrecht“.
5 Dr. Rudolf Fries beruft sich hinsichtlich seines Einschreitens für HS somit nach den nicht zweifelhaften Angaben in der Revision auf die mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom nach § 8a Abs. 1 VwGVG erfolgte Bewilligung der Verfahrenshilfe und seine darauf gegründete Bestellung als Verfahrenshelfer. Dass ihm von HS Vollmacht erteilt worden wäre, wird vom einschreitenden Rechtsanwalt dagegen nicht behauptet.
6 Die Bewilligung der Verfahrenshilfe nach § 8a VwGVG erstreckt sich jedoch nur auf das Verfahren des Verwaltungsgerichts (vgl. insoweit zu den Voraussetzungen ). Über die Gewährung von Verfahrenshilfe im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofs zur Erhebung einer Revision gegen eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts ist dagegen nach § 61 VwGG nach Abschluss des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht zu entscheiden; und zwar, wenn das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis oder Beschluss ausgesprochen hat, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, durch das Verwaltungsgericht (§ 61 Abs. 2 VwGG) sowie bei außerordentlichen Revisionen durch den Verwaltungsgerichtshof selbst (§ 61 Abs. 3 VwGG).
7 Der einschreitende Rechtsanwalt Dr. Rudolf Fries kann sich somit hinsichtlich der Erhebung der Revision nicht auf eine ihm als bestellter Verfahrenshelfer zukommende Vertretungsmacht berufen. Damit erweist sich die Revision aber mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung als nicht zulässig (vgl. zur Überschreitung der Vertretungsmacht eines im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofs bestellten Verfahrenshelfers ; , Ra 2018/19/0293; jeweils mwN).
8 Dabei ist zu beachten, dass mangels bestehender Vollmacht im Zeitpunkt der Revisionserhebung die Revision dem einschreitenden Rechtsanwalt selbst zuzurechnen ist (vgl. , mwN). Für die Wirksamkeit einer durch einen Vertreter vorgenommenen fristgebundenen Verfahrenshandlung wäre dagegen das Vorliegen einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den Vertretenen zum Zeitpunkt der Verfahrenshandlung erforderlich. Erfolgt die Begründung des Vollmachtsverhältnisses zur Vertretung bei einer fristgebundenen Verfahrenshandlung erst nach Fristablauf, so bewirkt dies nicht die Rechtswirksamkeit der von dem noch nicht Bevollmächtigten seinerzeit gesetzten Verfahrenshandlungen. Eine ursprünglich vollmachtslos vorgenommene fristgebundene Verfahrenshandlung kann daher auch nicht durch eine nach Fristablauf erfolgte Vollmachtserteilung saniert werden (vgl. , mwN). Da eine Sanierung des Fehlens der Vollmacht somit nicht mehr möglich ist, war auch kein Mängelbehebungsauftrag zu erteilen.
9 Die Revision war somit ohne weiteres Verfahren mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §10 Abs1 VwGG §34 Abs1 VwGG §34 Abs2 VwGG §61 VwGG §61 Abs2 VwGG §61 Abs3 VwGVG 2014 §8a VwGVG 2014 §8a Abs1 VwRallg |
Schlagworte | nachträgliche Vollmachtserteilung Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Verfahrenshilfe |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023080033.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAF-46233