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VwGH 23.03.2023, Ra 2023/07/0038

VwGH 23.03.2023, Ra 2023/07/0038

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §32
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z1
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z2
RS 1
Nach Ablauf der zweiwöchigen Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeantrags dürfen weder die Wiederaufnahmegründe ausgetauscht noch neue Wiederaufnahmegründe geltend gemacht werden; insofern ist die Behörde bzw. das VwG bei der Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme an die von der Partei fristgerecht vorgebrachten Gründe gebunden. § 32 VwGVG 2014 entspricht inhaltlich weitgehend § 69 AVG, demnach kann auf das bisherige Verständnis des § 69 AVG zurückgegriffen werden (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/10/0061 B RS 1 (hier ohne den letzten Satz)
Normen
B-VG Art133 Abs4
MRK Art6
MRK Art6 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §32
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
RS 2
Ein Verfahren über die Wiederaufnahme eines Verfahrens fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts oder von Art. 6 MRK (vgl. ), sodass einem Entfall der Verhandlung schon deshalb weder Art. 6 Abs. 1 MRK noch Art. 47 GRC entgegengestanden sind.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des Ing. S N in D, vertreten durch Mag. Gerd Egner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Joanneumring 11/IV, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 40.28-891/2019-14, betreffend Wiederaufnahme in einem Regulierungsverfahren nach dem Steiermärkischen Agrargemeinschaftengesetz 1985, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Mitglied der Agrargemeinschaft F. Die Agrarbezirksbehörde für Steiermark erließ im Regulierungsverfahren betreffend diese Agrargemeinschaft mit Kundmachung vom einen Regulierungsplan gemäß § 37 Steiermärkisches Agrargemeinschaftengesetz 1985 (StAgrGG 1985). In der darin enthaltenen Almkarte vom sind Windkraftanlagen mit der Bezeichnung „WEA 1, WEA 2 und WEA 3“ samt Stellflächen und Stichwegen eingezeichnet.

2 Mit Erkenntnis vom wies das Verwaltungsgericht eine dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers, in der er u.a. argumentiert hatte, dass die Errichtung der Windkraftanlagen nicht von Beschlüssen der Agrargemeinschaft gedeckt und damit rechtswidrig genehmigt worden sei, als unbegründet ab.

3 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision des Revisionswerbers wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2017/07/0082, auf Grund des Fehlens einer gesonderten Darstellung der Gründe, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, zurückgewiesen.

4 Der Revisionswerber stellte mit Schreiben vom beim Verwaltungsgericht den Antrag, unter anderem jenes Verfahren wiederaufzunehmen, in dem das Verwaltungsgericht mit dem genannten Erkenntnis vom im Beschwerdeverfahren den Regulierungsplan erlassen hatte.

5 In diesem Antrag brachte er als Sachverhalt unter Punkt I. vor, dass ihm erstmals am durch den Obmann der Agrargemeinschaft mitgeteilt worden sei, dass kein Beschluss der Vollversammlung betreffend den Optionsvertrag vom  /  existiere. Da nach den Verwaltungssatzungen der Agrargemeinschaft die Veräußerung, Belastung und Verpachtung des Gemeinschaftsgutes der Beschlussfassung durch die Vollversammlung unterliege, sei der Optionsvertrag nicht entstanden und es seien keine Rechtsfolgen (insbesondere auch nicht der entsprechende Nutzungsvertrag) eingetreten. Das Vereinbarte zu den Windenergieanlagen gelte von Anfang an nicht und sei absolut nichtig. Somit fehle es auch an einer rechtswirksamen Zustimmungserklärung des Grundeigentümers (also der Vollversammlung) zu einem Baubescheid vom , sodass dieser durch ein falsches Zeugnis der Vertreter der Agrargemeinschaft erschlichen und herbeigeführt worden sei.

6 Unter Punkt II. brachte er weiters vor, dass das Protokoll der außerordentlichen Vollversammlung der Agrargemeinschaft vom nachträglich verfälscht worden sei, um die Zustimmung zum Nutzungsvertrag vom zu beurkunden, welche in Wahrheit verweigert worden sei. Das betreffende originale Protokoll sei ihm erstmals im Rahmen der am abgehaltenen Vollversammlung unterbreitet worden. Dass dem Nutzungsvertrag vom nicht zugestimmt worden sei, ergebe sich aus Ausführungen der Staatsanwaltschaft Graz und des Landesgerichts für Strafsachen Graz aus dem Jahr 2014 im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sowie aus der vorgelegten Tonbandaufzeichnung eines Info-Abends am .

7 Das Verwaltungsgericht wies diesen Antrag mit Beschluss vom im ersten Rechtsgang als unbegründet ab. Dieser Beschluss wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2019/07/0063, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

8 Im zweiten Rechtsgang wies das Verwaltungsgericht den Wiederaufnahmeantrag mit dem angefochtenen Beschluss vom erneut als unbegründet ab und erklärte eine Revision dagegen für nicht zulässig.

9 Es begründete seinen Beschluss im Wesentlichen damit, dass die im Wiederaufnahmeantrag unter Punkt I. genannten Tatsachen (Fehlen eines gesonderten Beschlusses der Vollversammlung betreffend den Optionsvertrag vom  / ) bereits einem an den Revisionswerber ergangenen Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom zu entnehmen gewesen und ihm daher zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen seien, sodass keine „neuen“ Tatsachen im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG vorlägen. Die unter Punkt II. des Wiederaufnahmeantrags vorgebrachte Fälschung des Protokolls der Vollversammlung vom wiederum habe - aus näher dargestellten Erwägungen - keine Auswirkungen auf die Entscheidungsgrundlagen gehabt und daher das Erkenntnis im Regulierungsverfahren nicht (im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG) „herbeigeführt“.

10 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihre Zulässigkeit vorbringt, das Verwaltungsgericht sei mit der Nichtdurchführung der beantragten mündlichen Verhandlung von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen und es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, unter welchen Umständen Windkraftanlagen auf Basis erschlichener Dienstbarkeiten errichtet werden könnten und wie diese Bauwerke im Zuge des Abschlusses des Regulierungsplans bzw. Regulierungsverfahrens zu behandeln seien.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Zur unterbliebenen Durchführung einer mündlichen Verhandlung bringt der Revisionswerber vor, er habe am einen Schriftsatz beim Verwaltungsgericht eingebracht, in dem er vorgebracht habe, dass der im Grundbuch des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg unter TZ 5103/2014 verbücherten agrarbehördlichen Genehmigung vom die Rechtskraftbestätigung fehle, was nach der ständigen Judikatur ein Eintragungshindernis darstelle. Auf Grund dieses sachverhaltsbezogenen Vorbringens wäre nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf , und , Ra 2021/02/0018) eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen.

13 Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der GRC entgegenstehen.

14 Zunächst ist festzuhalten, dass der Revisionswerber im Schriftsatz vom - anders als in der Revision behauptet - keinen ausdrücklichen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat. Dessen ungeachtet war eine mündliche Erörterung des in diesem Schriftsatz vorgebrachten Sachverhaltes aber aus nachstehenden Gründen auch nicht zur Klärung der Rechtssache erforderlich:

15 Ein Bezug des Vorbringens betreffend die Grundbuchseintragung trotz fehlender Rechtskraftbestätigung zu den im Wiederaufnahmeantrag genannten Wiederaufnahmegründen (fehlender Vollversammlungsbeschluss zum Optionsvertrag vom  /  und Fälschung des Protokolls vom ) ist nämlich nicht zu erkennen. Es könnte sich bei diesem neu vorgebrachten Sachverhalt also allenfalls um einen weiteren Wiederaufnahmegrund handeln.

16 Nach Ablauf der Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeantrags nach § 32 Abs. 2 VwGVG dürfen jedoch weder die Wiederaufnahmegründe ausgetauscht noch neue Wiederaufnahmegründe geltend gemacht werden; insofern ist die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht bei der Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme an die von der Partei fristgerecht vorgebrachten Gründe gebunden (vgl. , 0076, mwN).

17 Im Hinblick darauf, dass die dreijährige objektive Frist für die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom abgeschlossenen Verfahrens längst abgelaufen war, durften daher im Schriftsatz vom allenfalls vorgebrachte neue Wiederaufnahmegründe nicht mehr berücksichtigt werden. Insofern handelte es sich nicht um ein für die Entscheidung relevantes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, welches die Verhandlungspflicht des Verwaltungsgerichts auslösen hätte können.

18 Die Angelegenheit fällt auch nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts oder von Art. 6 EMRK (vgl. zum Wiederaufnahmeverfahren: , mwN), sodass einem Entfall der Verhandlung schon deshalb weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegengestanden sind.

19 Von der in der Zulässigkeitsbegründung weiters aufgeworfenen Rechtsfrage, wie Windkraftanlagen in einem Regulierungsplan bzw. Regulierungsverfahren zu behandeln seien, wenn die ihnen zu Grunde liegende Dienstbarkeit (behaupetetermaßen) rechtswidrig im Grundbuch eingetragen wurde, hängt die Revision schon aufgrund der dargestellten Verfristung neuer Wiederaufnahmegründe nicht ab.

20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
B-VG Art133 Abs4
MRK Art6
MRK Art6 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §32
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z1
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z2
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023070038.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-46228