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VwGH 19.04.2023, Ra 2023/07/0007

VwGH 19.04.2023, Ra 2023/07/0007

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §17 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 1
§ 17 Abs 1 AVG gewährt nur der Partei des Verwaltungsverfahrens ein subjektives prozessuales Recht auf Akteneinsicht. Ein Recht Dritter auf Akteneinsicht gewährt das Gesetz nicht.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 90/01/0143 E VwSlg 13391 A/1991 RS 3 (hier nur der erste Satz)
Normen
AVG §8
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 2
Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht ausdrücklich die Rechtsvorschriften nennen, aus denen sich subjektive Rechte ergeben, oder gar ausdrücklich regeln, wem in einem bestimmten Verfahren kraft subjektiven Rechts Parteistellung zukommt, ist im Wege der Auslegung zu prüfen, ob durch die maßgeblichen Rechtsvorschriften nur eine Rechtspflicht der Behörde oder auch ein subjektives Recht einer bestimmten Person begründet wird (vgl. ). Entscheidend ist dabei der Schutzzweck der Norm, weil ein subjektives Recht im Zweifel dann zu vermuten ist, wenn zumindest auch das Interesse einer - im Besonderen betroffenen und damit von der Allgemeinheit abgrenzbaren - Person für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgebend war (vgl. , 2006/04/0141).
Normen
AVG §8
UIG 1993
UmweltinformationsG Stmk 2005 §6 Abs2 Z4
UmweltinformationsG Stmk 2005 §6 Abs3
UmweltinformationsG Stmk 2005 §7
UmweltinformationsG Stmk 2005 §7 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 3
§ 6 Abs. 2 Z 4 Stmk. UmweltinformationsG 2005 normiert - unter Beachtung des Abs. 3 legcit. - hinsichtlich Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen im Falle von negativen Auswirkungen auf diese einen Ablehnungsgrund bei Begehren auf Mitteilung von Umweltinformationen. Auch aus dem vor dem Hintergrund des in § 7 Abs. 1 Stmk. UmweltinformationsG 2005 festgelegten Stellungnahmerecht geht hervor, dass die Interessensposition von Inhabern und Inhaberinnen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen rechtlich geschützt werden soll. Denn erkennbarer Zweck dieser Bestimmung, die der Behörde im Falle der Berührung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen die Pflicht zur Einholung einer Stellungnahme des Inhabers oder der Inhaberin dieser Rechte auferlegt, und des Ablehnungsgrundes des § 6 Abs. 2 Z 4 Stmk. UmweltinformationsG 2005 ist der Schutz dieser Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Dass der Gesetzgeber das Interesse der Inhaber und Inhaberinnen an der Geheimhaltung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu schützen beabsichtigte, kommt auch in den Gesetzesmaterialen zum Stmk. UmweltinformationsG 2005 klar zum Ausdruck, wonach in § 7 legcit. ein "Rechtsschutzverfahren zugunsten des/der betroffenen Inhabers/Inhaberin eines Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses" aufgenommen wurde (vgl. ErläutRV XIV. GPStLT EZ 2212/1, 16, oder nahezu wortident die Regierungsvorlage zum UIG 1993 645 BlgNR 18. GP, 18). Es wird insbesondere auch ausdrücklich ausgeführt, dass durch eine Informationserteilung "in rechtlich anerkannte Rechte des/der Betroffenen auf Geheimhaltung" eingegriffen werden kann und wird in diesem Zusammenhang von einem "allgemein anzuerkennenden Rechtsschutzbedürfnis zugunsten des/der Betroffenen" gesprochen (vgl. ErläutRV XIV. GPStLT EZ 2212/1, 16). Nach dieser gesetzgeberischen Wertung ist davon auszugehen, dass den Inhabern und Inhaberinnen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ein rechtliches Interesse iSd. § 8 AVG zugestanden wird.
Normen
AVG §8
B-VG Art20 Abs3
UIG 1993
UmweltinformationsG Stmk 2005
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 4
In den Materialien zum UIG 1993 (645 BlgNR 18. GP, 15) wird auf Art. 20 Abs. 3 B-VG Bezug genommen ("Der Bestimmung liegt der weite Parteibegriff des Art. 20 Abs. 3 B-VG zugrunde"). Dieser Begriff der "Partei" ist nicht mit dem Parteibegriff des § 8 AVG gleichzusetzen, sondern im weitesten Sinn zu verstehen (vgl. ). Damit wird lediglich auf die weite Definition der "Partei" iSd. Art. 20 Abs. 3 B-VG als alle Personen, die aus irgendeinem Anlass mit Behörden in Berührung kommen (vgl. ), Bezug genommen. Für die Frage der Parteistellung nach dem Stmk. UmweltinformationsG 2005 ist daraus nichts weiter abzuleiten.
Normen
AVG §56
AVG §8
UmweltinformationsG Stmk 2005 §8 Abs1
UmweltinformationsG Stmk 2005 §8 Abs5
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 5
Werden die verlangten Umweltinformationen nicht oder nicht im begehrten Umfang mitgeteilt, so ist hierüber gemäß § 8 Abs. 1 Stmk. UmweltinformationsG 2005 ein Bescheid zu erlassen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass in einem gegen einen solchen Bescheid vom Auskunftswerber angestrengten Beschwerdeverfahren dem Betroffenen iSd. § 8 Abs. 5 Stmk. UmweltinformationsG 2005 (also dem Inhaber und der Inhaberin von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen) Parteistellung zukommen muss (vgl. bis 0037). Ob einer Person Parteistellung zukommt, darf jedoch nicht vom Verfahrensausgang bzw dem Ergebnis dieses Verfahrens abhängig gemacht werden (; , 94/10/0137); es ist daher ohne Belang, ob das Verfahren mit Bescheid beendet oder die begehrte Information tatsächlich mitgeteilt wird. Entscheidend ist dabei, ob "möglicherweise" eine Beeinträchtigung der Rechtssphäre vorliegt ().
Normen
AVG §17 Abs1
AVG §56
AVG §8
UmweltinformationsG Stmk 2005 §8 Abs1
UmweltinformationsG Stmk 2005 §8 Abs5
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 6
In § 8 Abs. 5 Stmk. UmweltinformationsG 2005 wird die Wahrung eines Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses als Recht des Betroffenen qualifiziert (arg.: "in seinen/ihren Rechten"). Kommt nun einem Inhaber oder einer Inhaberin von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen im "Auskunftsverweigerungsverfahren" (nach § 8 Abs. 1 Stmk. UmweltinformationsG 2005) Parteistellung zur Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu, muss dies auch dann gelten, wenn es zu keinem solchen Verfahren kommt, weil am Ende des Verfahrens die Mitteilung der Information an den Informationssuchenden (und kein Bescheid) steht. Dementsprechend kommt einem Inhaber oder einer Inhaberin von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen auch das Recht auf Akteneinsicht in einem Verfahrensstadium zu, in dem sich das Schicksal des Verfahrens (Mitteilung oder Verweigerung der Information) noch nicht entschieden hat.
Normen
AVG §56
UmweltinformationsG Stmk 2005 §8 Abs1
UmweltinformationsG Stmk 2005 §8 Abs5
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 7
Nach dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 1 Stmk. UmweltinformationsG 2005 ist Voraussetzung für die Erlassung eines Bescheides, dass die verlangten Umweltinformationen nicht oder nicht im begehrten Umfang mitgeteilt werden. Soweit allerdings ein Informationssuchender - auch ungeachtet des Entfalls des Antragserfordernisses - ausdrücklich einen bescheidmäßigen Abspruch über sein Begehren beantragt, ist dieser Antrag auch in Bescheidform zu erledigen (). Im Gegensatz dazu steht der Anwendungsbereich des § 8 Abs. 5 Stmk. UmweltinformationsG 2005, setzt die dort normierte Bescheiderlassung ja voraus, dass ihr eine - nicht in Bescheidform ergangene - tatsächliche Mitteilung der begehrten Umweltinformation vorausgegangen ist. Korrespondierend dem Recht der Informationssuchenden nach § 8 Abs. 1 Stmk. UmweltinformationsG 2005 muss aber ein Antragsrecht auf Bescheiderlassung im Falle der Mitteilung der Auskunft auch dem Inhaber und der Inhaberin von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zukommen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold. Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Murtal in Judenburg, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 41.24-6618/2022-4, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einer Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Umweltinformationsgesetz (mitbeteiligte Partei: P GmbH & Co KG in S, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 In einem näher bezeichneten Verfahren betreffend ein auf § 5 Steiermärkisches Umweltinformationsgesetz (StUIG) gestütztes Begehren auf Mitteilung von Umweltinformationen wurde die mitbeteiligte Partei als Inhaberin von berührten Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen - in Folge der Erlassung eines Erkenntnisses nach erfolgreicher Säumnisbeschwerde - mit Schreiben der revisionswerbenden Partei vom darüber verständigt, dass beabsichtigt sei, dem Auskunftwerber die begehrten Umweltinformationen zu übermitteln. Sie wurde gemäß § 7 Abs. 1 StUIG um Stellungnahme bis längstens ersucht.

2 Mit Schreiben vom gleichen Tag begehrte die mitbeteiligte Partei Akteneinsicht nach § 17 AVG. Insbesondere begehrte sie die Übermittlung der dem Begehren auf Mitteilung von Umweltinformationen zugrundeliegenden Eingabe des Auskunftwerbers.

3 Mit Schreiben am Folgetag teilte die revisionswerbende Partei mit, dass es sich beim Verfahren im StUIG um ein Einparteienverfahren handle und aus der Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 7 StUIG keine umfassende Parteistellung sowie kein damit einhergehendes Recht auf Akteneinsicht ableitbar sei.

4 In der Stellungnahme vom beantragte die mitbeteiligte Partei, die revisionswerbende Partei wolle sich mangels Zuständigkeit weiterer Handlungen im gegenständlichen Verfahren enthalten und in eventu den Akt dem Landesverwaltungsgericht Steiermark vorlegen. Weiters wurde der Antrag gestellt, über die Verweigerung der Akteneinsicht bescheidmäßig abzusprechen.

5 Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag, die revisionswerbende Partei wolle sich mangels Zuständigkeit weiterer Handlungen im gegenständlichen Verfahren nach dem StUIG enthalten, in eventu den Akt dem Landesverwaltungsgericht Steiermark vorlegen, wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen. Unter Spruchpunkt II. wurde auch der Antrag auf Akteneinsicht, insbesondere hinsichtlich der näher bezeichneten Eingabe, mangels Parteistellung zurückgewiesen.

6 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark mit Erkenntnis vom insoweit Folge, als Spruchpunkt II. des Bescheides ersatzlos behoben wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde (gegen Spruchpunkt I.) des Bescheides abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision unzulässig sei.

7 Soweit für die Beurteilung der gegenständlichen außerordentlichen Revision wesentlich, führte das Verwaltungsgericht in seiner Begründung aus, der mitbeteiligten Partei komme zur Wahrung ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse bzw. zur Wahrung der Vertraulichkeit personenbezogener Daten ein rechtliches Interesse im Sinne des § 8 AVG (abgeleitet aus § 6 Abs. 2 Z 3 und 4 StUIG) zu und sei sie daher mit ihren rechtlichen Interessen am Verfahren als Partei zu beteiligen. Als Partei stehe der mitbeteiligten Partei auch Akteneinsicht nach § 17 AVG zu.

8 Gegen diese Entscheidung (im Umfang der ersatzlosen Behebung des Spruchpunktes II. des Bescheides der revisionswerbenden Partei) richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision ist zulässig, weil sie zutreffend aufzeigt, dass es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, ob betroffene Inhaber oder Inhaberinnen von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen Parteistellung (und damit das Recht auf Akteneinsicht nach § 17 AVG) im Mitteilungsverfahren nach § 5 StUIG haben. Sie ist aber nicht begründet.

11 §§ 8 und 17 AVG lauten in der geltenden Fassung lauten (auszugsweise):

Beteiligte; Parteien

§ 8. Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, sind Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

(...)

Akteneinsicht

§ 17. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.

(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muß auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.

(...)“

12 Die gegenständlich für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Bestimmungen des StUIG in der geltenden Fassung lauten wie folgt:

§ 6 Mitteilungsschranken und Ablehnungsgründe

(...)

(2) Andere als in § 4 Abs. 4 genannte Umweltinformationen sind unbeschadet der Mitteilungsschranken des Abs. 1 mitzuteilen, sofern ihre Bekanntgabe keine negativen Auswirkungen hätte auf

(...)

4. Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, sofern diese durch innerstaatliches oder gemeinschaftliches Recht geschützt sind, um berechtigte wirtschaftliche Interessen, einschließlich des öffentlichen Interesses an der Wahrung der Geheimhaltung von statistischen Daten und des Steuergeheimnisses, zu schützen,

(...)

(3) Das Interesse einer Partei an der Geheimhaltung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen ist nur dann schutzwürdig, wenn durch die Veröffentlichung von Umweltinformationen ein Geschäfts- und Betriebsgeheimnis unmittelbar oder mittelbar durch die Möglichkeit von Rückschlüssen offengelegt werden kann und dadurch ein nicht nur geringfügiger wirtschaftlicher Nachteil des Inhabers/der Inhaberin des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses eintreten kann. Besteht dieser wirtschaftliche Nachteil bloß auf Grund einer Minderung des Ansehens der Partei in der Öffentlichkeit infolge des Bekanntwerdens umweltbelastender Tätigkeiten, so besteht kein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung.

(...)

§ 7 Behandlung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen

(1) Besteht Grund zu der Annahme, dass durch die Mitteilung der begehrten Information ein schutzwürdiges Geschäfts- und Betriebsgeheimnis im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 4 berührt sein könnte, haben die informationspflichtigen Stellen den Inhaber/die Inhaberin des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses vom Informationsbegehren zu verständigen und aufzufordern, innerhalb von zwei Wochen bekannt zu geben, ob Tatsachen, die der begehrten Mitteilung unterliegen können, geheim gehalten werden sollen. In diesem Fall hat der Inhaber/die Inhaberin des möglichen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses das Interesse an der Geheimhaltung zu begründen.

(2) Hat sich der/die Betroffene gegen eine Mitteilung ausgesprochen und werden die begehrten Informationen nach Prüfung der Begründung des Geheimhaltungsinteresses und Vornahme der Interessenabwägung gemäß § 6 Abs. 2 bis 4 mitgeteilt, so ist der/die Betroffene von der Mitteilung an den Informationssuchenden/die Informationssuchende schriftlich zu verständigen.

§ 8 Rechtsschutz

(1) Werden die verlangten Umweltinformationen nicht oder nicht im begehrten Umfang mitgeteilt, so ist hierüber ein Bescheid zu erlassen, innerhalb von zwei Monaten. Zuständig zur Erlassung des Bescheides ist die informationspflichtige Stelle, soweit sie behördliche Aufgaben besorgt. Über gleich gerichtete Anträge kann unter einem entschieden werden.

(...)

(5) Behauptet ein/eine Betroffene/r, durch die Mitteilung in seinen/ihren Rechten verletzt worden zu sein, so ist auf dessen/deren Antrag von der informationspflichtigen Stelle, soweit sie behördliche Aufgaben besorgt, hierüber ein Bescheid zu erlassen. Abs. 2 und 3 sind sinngemäß anzuwenden.“

13 § 17 Abs. 1 AVG gewährt nur der Partei des Verwaltungsverfahrens ein subjektives prozessuales Recht auf Akteneinsicht (vgl. , mwN).

14 Nach § 8 AVG sind Parteien eines Verwaltungsverfahrens Personen, die an der Sache vermöge eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind. Darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, dass von einem Rechtsanspruch oder rechtlichen Interesse die Rede sein kann, enthält § 8 AVG keine Bestimmung. Demnach kann die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren Parteistellung besitzt, anhand des AVG alleine nicht gelöst werden. Die Parteistellung muss vielmehr aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden. Auf dem Boden des materiellen Verwaltungsrechts muss sie nach dem Gegenstand des betreffenden Verwaltungsverfahrens und nach dem Inhalt der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften beurteilt werden. Das Tatbestandsmerkmal der Parteistellung in Verwaltungsangelegenheiten bestimmt sich demnach nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften. Die Begriffe „Rechtsanspruch“ und „rechtliches Interesse“ gewinnen erst durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift einen konkreten Inhalt, nach dem allein die Frage der Parteistellung beantwortet werden kann (vgl. , mwN).

15 Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht ausdrücklich die Rechtsvorschriften nennen, aus denen sich subjektive Rechte ergeben, oder gar ausdrücklich regeln, wem in einem bestimmten Verfahren kraft subjektiven Rechts Parteistellung zukommt, ist im Wege der Auslegung zu prüfen, ob durch die maßgeblichen Rechtsvorschriften nur eine Rechtspflicht der Behörde oder auch ein subjektives Recht einer bestimmten Person begründet wird (vgl. , mwN).

16 Entscheidend ist dabei der Schutzzweck der Norm, weil ein subjektives Recht im Zweifel dann zu vermuten ist, wenn zumindest auch das Interesse einer - im Besonderen betroffenen und damit von der Allgemeinheit abgrenzbaren - Person für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgebend war (vgl. , 2006/04/0141, mwN).

17 § 6 Abs. 2 Z 4 StUIG normiert - unter Beachtung des Abs. 3 leg. cit. - hinsichtlich Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen im Falle von negativen Auswirkungen auf diese einen Ablehnungsgrund bei Begehren auf Mitteilung von Umweltinformationen.

18 Auch aus dem in § 7 Abs. 1 StUIG festgelegten Stellungnahmerecht (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998], § 8 AVG Rz 7, wonach die Einräumung von Rechten, die grundsätzlich charakteristisch für die Parteistellung sind und regelmäßig Parteien vorbehalten sind, für eine konkludente Einräumung der Parteistellung sprechen können) geht hervor, dass die Interessensposition von Inhabern und Inhaberinnen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen rechtlich geschützt werden soll. Denn erkennbarer Zweck dieser Bestimmung, die der Behörde im Falle der Berührung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen die Pflicht zur Einholung einer Stellungnahme des Inhabers oder der Inhaberin dieser Rechte auferlegt, und des Ablehnungsgrundes des § 6 Abs. 2 Z 4 StUIG ist der Schutz dieser Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse.

Dass der Gesetzgeber das Interesse der Inhaber und Inhaberinnen an der Geheimhaltung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu schützen beabsichtigte, kommt auch in den Gesetzesmaterialen zum StUIG klar zum Ausdruck, wonach in § 7 leg. cit. ein „Rechtsschutzverfahren zugunsten des/der betroffenen Inhabers/Inhaberin eines Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses“ aufgenommen wurde (vgl. ErläutRV XIV. GPStLT EZ 2212/1, 16, oder nahezu wortident die Regierungsvorlage zum UIG 645 BlgNR 18. GP, 18). Es wird insbesondere auch ausdrücklich ausgeführt, dass durch eine Informationserteilung „in rechtlich anerkannte Rechte des/der Betroffenen auf Geheimhaltung“ eingegriffen werden kann und wird in diesem Zusammenhang von einem „allgemein anzuerkennenden Rechtsschutzbedürfnis zugunsten des/der Betroffenen“ gesprochen (vgl. ErläutRV XIV. GPStLT EZ 2212/1, 16).

19 Nach dieser gesetzgeberischen Wertung ist davon auszugehen, dass den Inhabern und Inhaberinnen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ein rechtliches Interesse im Sinne des § 8 AVG zugestanden wird.

20 Die revisionswerbende Partei bringt in diesem Zusammenhang vor, dass der Begriff „Partei“ in § 6 Abs. 3 StUIG eine Stellung im Sinne des § 8 AVG vermuten lasse. Es sei aber mit diesem Begriff nicht eine Verfahrenspartei gemeint, sondern knüpfe diese Wortfolge an den weiten Parteienbegriff des Art. 20 Abs. 3 B-VG (Amtsverschwiegenheit) an, wo auch vom Interesse der „Partei“ gesprochen werde. Die revisionswerbende Partei verweist in diesem Zusammenhang auf die Materialien zum UIG betreffend die inhaltsgleiche Bestimmung im UIG.

21 Der revisionswerbenden Partei ist zuzugestehen, dass in den Materialien zum UIG (645 BlgNR 18. GP, 15) auf Art. 20 Abs. 3 B-VG Bezug genommen wird („Der Bestimmung liegt der weite Parteibegriff des Art. 20 Abs. 3 B-VG zugrunde“). Dieser Begriff der „Partei“ ist nicht mit dem Parteibegriff des § 8 AVG gleichzusetzen, sondern im weitesten Sinn zu verstehen (vgl. Wieser, Art. 20 Abs. 3 B-VG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht Rz. 35 mwN [2001]; , mwN).

22 Damit wird lediglich auf die weite Definition der „Partei“ im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG als alle Personen, die aus irgendeinem Anlass mit Behörden in Berührung kommen (vgl. , mwN), Bezug genommen. Für die Frage der Parteistellung der mitbeteiligten Partei nach dem StUIG ist daraus nichts weiter abzuleiten.

23 Die revisionswerbende Partei bringt schließlich vor, es ergebe sich auch aus § 8 Abs. 5 StUIG, dass den Inhabern und Inhaberinnen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen keine Parteistellung zukommen könne. Bei dem Verfahren nach § 8 Abs. 5 StUIG handle es sich um ein solches, das „der bereits mitgeteilten Information“ nachfolge. Damit habe der Gesetzgeber auch zu dieser Bestimmung sprachlich klargestellt (arg.: „verletzt worden zu sein“), dass es sich um ein eigenständiges Verfahren handle, welches nicht mit dem Verfahren zur Mitteilung der Umweltinformation zu verwechseln sei. Stünde dem betroffenen Geheimnisträger bereits im Auskunftsverfahren Parteistellung zu, wäre § 8 Abs. 5 StUIG hinfällig.

24 Mit diesen Ausführungen verkennt die revisionswerbende Partei die Systematik des Rechtsschutzes, wie er in § 8 StUIG normiert ist und das Verhältnis von § 8 Abs. 1 zu § 8 Abs. 5 StUIG. Werden die verlangten Umweltinformationen nicht oder nicht im begehrten Umfang mitgeteilt, so ist hierüber gemäß § 8 Abs. 1 StUIG ein Bescheid zu erlassen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass in einem gegen einen solchen Bescheid vom Auskunftswerber angestrengten Beschwerdeverfahren dem Betroffenen im Sinne des § 8 Abs. 5 StUIG (also dem Inhaber und der Inhaberin von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen) Parteistellung zukommen muss (vgl. dazu zum Umweltinformationsgesetz des Bundes  bis 0037).

25 Ob einer Person Parteistellung zukommt, darf jedoch nicht vom Verfahrensausgang bzw dem Ergebnis dieses Verfahrens abhängig gemacht werden (; , 94/10/0137; Walbert-Satek in Rosenkranz/Kahl [Hrsg.], AVG [2021], § 8 Rz 7); es ist daher ohne Belang, ob das Verfahren mit Bescheid beendet oder die begehrte Information tatsächlich mitgeteilt wird. Entscheidend ist dabei, ob „möglicherweise“ eine Beeinträchtigung der Rechtssphäre vorliegt ().

26 In § 8 Abs. 5 StUIG wird nun die Wahrung eines Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses als Recht des Betroffenen qualifiziert (arg.: „in seinen/ihren Rechten“). Kommt nun einem Inhaber oder einer Inhaberin von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen im „Auskunftsverweigerungsverfahren“ (nach § 8 Abs. 1 StUIG) Parteistellung zur Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu, muss dies auch dann gelten, wenn es zu keinem solchen Verfahren kommt, weil am Ende des Verfahrens die Mitteilung der Information an den Informationssuchenden (und kein Bescheid) steht. Dementsprechend kommt einem Inhaber oder einer Inhaberin von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen auch das Recht auf Akteneinsicht in einem Verfahrensstadium zu, in dem sich das Schicksal des Verfahrens (Mitteilung oder Verweigerung der Information) noch nicht entschieden hat.

27 Auch das Argument der revisionswerbenden Partei, wonach § 8 Abs. 5 StUIG bei einer Parteistellung des Geheimnisträgers im Auskunftserteilungsverfahren hinfällig wäre, ist in dieser Allgemeinheit unzutreffend:

28 Nach dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 1 StUIG ist Voraussetzung für die Erlassung eines Bescheides, dass die verlangten Umweltinformationen nicht oder nicht im begehrten Umfang mitgeteilt werden. Soweit allerdings ein Informationssuchender - auch ungeachtet des Entfalls des Antragserfordernisses - ausdrücklich einen bescheidmäßigen Abspruch über sein Begehren beantragt, ist dieser Antrag auch in Bescheidform zu erledigen (, mwN). Im Gegensatz dazu steht der Anwendungsbereich des § 8 Abs. 5 StUIG, setzt die dort normierte Bescheiderlassung ja voraus, dass ihr eine - nicht in Bescheidform ergangene - tatsächliche Mitteilung der begehrten Umweltinformation vorausgegangen ist. Korrespondierend dem Recht der Informationssuchenden nach § 8 Abs. 1 StUIG muss aber ein Antragsrecht auf Bescheiderlassung im Falle der Mitteilung der Auskunft auch dem Inhaber und der Inhaberin von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zukommen. § 8 Abs. 5 StUIG erscheint daher keinesfalls hinfällig.

29 Das Verwaltungsgericht ging daher zutreffend davon aus, dass die mitbeteiligte Partei als Inhaberin eines berührten schutzwürdigen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses im Verfahren betreffend eine Mitteilung von Umweltinformationen Parteistellung hat und ihr deshalb das Recht auf Akteneinsicht zukommt.

30 Nach dem Gesagten erweist sich die Revision als unbegründet. Sie war deshalb gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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AVG §17 Abs1
AVG §56
AVG §8
B-VG Art20 Abs3
UIG 1993
UmweltinformationsG Stmk 2005
UmweltinformationsG Stmk 2005 §6 Abs2 Z4
UmweltinformationsG Stmk 2005 §6 Abs3
UmweltinformationsG Stmk 2005 §7
UmweltinformationsG Stmk 2005 §7 Abs1
UmweltinformationsG Stmk 2005 §8 Abs1
UmweltinformationsG Stmk 2005 §8 Abs5
VwGVG 2014 §17
VwRallg
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023070007.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-46225