VwGH 30.01.2023, Ra 2023/06/0012
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Nachbarn im Bundesland Tirol kommt ein Mitspracherecht hinsichtlich einer allfälligen Überschreitung der Baumassendichte nicht zu (vgl. etwa ). |
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RS 2 | Aus § 45 Abs. 3 AVG - der gemäß § 17 VwGVG 2014 in Verfahren vor Verwaltungsgerichten anzuwenden ist - ergibt sich nicht, dass ein Gutachten den Parteien schon vor der mündlichen Verhandlung zuzustellen wäre. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/06/0009 E RS 1 |
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RS 3 | Der Umstand allein, dass sich ein VwG bei seiner Entscheidung auf die gutachterlichen Ausführungen eines im verwaltungsbehördlichen Verfahren beigezogenen (Amts-)Sachverständigen gestützt hat, vermag noch keine Bedenken gegen dessen volle Unbefangenheit zu begründen (vgl. etwa , mwN). Dasselbe gilt in einem Fall, in dem im Beschwerdeverfahren vor dem VwG erstmals ein Amtssachverständiger tätig wird, der organisatorisch der belangten Behörde vor dem VwG zugeordnet ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der W I Limited in N, vertreten durch die Dr. Dr. Josef Wieser Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , LVwG-2022/31/1515-7, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadtgemeinde Kitzbühel; mitbeteiligte Partei: Agesellschaft m.b.H, vertreten durch Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerden der revisionswerbenden Partei 1. gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K. vom , mit welchem der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung für den Abbruch des Bestandes und den Neubau eines Wohnhauses mit Garage auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG K. erteilt worden war, und 2. gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K. vom , mit welchem der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen die genannte Baubewilligung als unbegründet abgewiesen worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 In der - inhaltlich ausschließlich auf die baubehördliche Bewilligung bezugnehmende - Zulässigkeitsbegründung der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision wird mit näherer Begründung zusammengefasst vorgebracht, das Bauvorhaben überschreite die gegenständlich zulässige Baumassendichte und das LVwG habe sich nicht mit dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei „zum Brandschutz und den dazu erstatteten Beweisanboten“ auseinandergesetzt; die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses, wonach davon auszugehen sei, dass eine Beeinträchtigung von Nachbarrechten auszuschließen sei, sei nicht nachvollziehbar, die revisionswerbende Partei sei in ihrem Recht auf Begründung der Entscheidung verletzt. Das LVwG gehe unrichtigerweise davon aus, dass das Parteiengehör durch Übermittlung des eingeholten Gutachtens des hochbautechnischen Amtssachverständigen mittels E-Mail gewahrt sei, eine Überschreitung der Baumassendichte kein subjektiv-öffentliches Recht der revisionswerbenden Partei verletze und ein Amtssachverständiger, der bei der belangten Behörde beschäftigt sei, nicht befangen sei.
3 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinne des Art.133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen hätten können, aufzugreifen (vgl. für viele etwa bis 0188, oder auch , Ra 2021/06/0223, jeweils mwN).
8 In den demnach zur Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Revisionszulässigkeitsgründen ist dabei konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa nochmals bis 0188, mwN). Schon diesem Erfordernis entspricht die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision, die ihrem gesamten Vorbringen nach (bloß) Revisionsgründe (vgl. § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) beinhaltet, nicht. Welche über den Revisionsfall hinausgehende konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, von der die Entscheidung über die vorliegende Revision abhängt, vom Verwaltungsgerichtshof beantwortet werden sollte, wird darin nicht formuliert (vgl. zu diesem Erfordernis für viele etwa , , Ra 2021/06/0060, oder auch , Ra 2021/10/0194, jeweils mwN).
9 Im Übrigen hat das LVwG im angefochtenen Erkenntnis zutreffend darauf verwiesen, dass Nachbarn im Bundesland Tirol ein Mitspracherecht hinsichtlich einer allfälligen Überschreitung der Baumassendichte nicht zukommt (vgl. etwa ; vgl. weiters dazu, dass eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegt, wenn diese durch zu früheren Rechtslagen ergangene und - wie hier - auf die aktuelle Rechtslage übertragbare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt wurde etwa , mwN).
10 Hinsichtlich des von der revisionswerbenden Partei zur Zulässigkeit weiters geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechtes auf Einhaltung der Bestimmungen über den Brandschutz führte das LVwG im angefochtenen Erkenntnis unter Verweis auf das von ihm eingeholte hochbautechnische Amtssachverständigengutachten, wonach die Brandschutzbestimmungen durch das gegenständliche Projekt eingehalten werden, aus, dass die revisionswerbende Partei diesem nicht in substantiierter Form entgegengetreten sei. Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision zeigt zum Thema Brandschutz - unabhängig davon, ob bezüglich des Materials der Bautreppe überhaupt ein Mitspracherecht besteht (vgl. die bei Weber/Rath-Kathrein, TBO (2018) E 84 ff zitierte hg. Rechtsprechung) - nicht ansatzweise auf, inwiefern der diesbezüglich behauptete Verfahrensmangel betreffend eine „fehlende Feststellung des Materials der Bautreppe“ gegenständlich von Relevanz sein sollte (vgl. zu diesem Erfordernis für viele etwa , mwN).
11 Wenn die revisionswerbende Partei in der Zulässigkeitsbegründung der Revision darüber hinaus vorbringt, das Gutachten des hochbautechnischen Amtssachverständigen sei ihr per E-Mail, und daher in einer dem Zustellgesetz nicht entsprechenden Weise, zugestellt worden und diese Rechtsverletzung sei deshalb relevant, „weil nicht nur das Gutachten nicht zugestellt“ worden sei, „sondern auch das Schreiben mit der Einräumung einer Äußerungsfrist“, ist dieses Vorbringen zum einen nicht nachvollziehbar, da es sich bei der E-Mail Adresse des Rechtsvertreters der revisionswerbenden Partei um eine elektronische Zustelladresse im Sinne des § 2 Abs. 5 Zustellgesetz (vgl. z.B. ) handelt; der Rechtsvertreter der revisionswerbenden Partei hat sich ausweislich der vorgelegten Verfahrensakten im gegenständlichen Verfahren selbst der Kommunikation mittels E-Mail bedient (unter anderem wurden die Beschwerden gegen die Bescheide der belangten Behörde vom und vom auch per E-Mail eingebracht). Zum anderen ergibt sich aus § 45 Abs. 3 AVG - der gemäß § 17 VwGVG in Verfahren vor Verwaltungsgerichten anzuwenden ist - nicht, dass ein Gutachten den Parteien schon vor der mündlichen Verhandlung zuzustellen wäre (vgl. dazu nochmals , mwN); der Revisionszulässigkeitsbegründung ist auch keine nachvollziehbare Relevanzdarstellung für die Behauptung zu entnehmen, die angemessene Vorbereitungszeit sei verletzt worden (vgl. dazu nochmals z.B. ) oder die Ablehnungen der gestellten Beweisanträge und der Vertagung der Verhandlung stellten relevante Verfahrensmängel dar. In der Revisionszulässigkeitsbegründung wird nicht dargelegt, zu welcher Frage die revisionswerbende Partei eine gegenteilige sachverständige Äußerung vorlegen hätte wollen (vgl. z.B. wiederum ).
12 Zum Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung schließlich, es liege eine Befangenheit des im Beschwerdeverfahren tätig gewordenen Amtssachverständigen der Stadtgemeinde K. vor, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die allfällige Befangenheit eines Sachverständigen nur dann mit Erfolg eingewendet werden kann, wenn sich sachliche Bedenken gegen die Erledigung dieses Verwaltungsorganes ergeben oder besondere Umstände hervorkommen, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit desselben in Zweifel zu ziehen, etwa wenn aus konkreten Umständen der Mangel einer objektiven Einstellung gefolgert werden kann. Jeder Vorwurf einer Befangenheit hat dabei konkrete Umstände aufzuzeigen, welche die Objektivität des Sachverständigen in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich sei. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen. Die Frage, ob ein Sachverständiger in einem bestimmten Verfahren als befangen anzusehen ist, vermag die Zulässigkeit einer Revision jedenfalls dann nicht zu begründen, wenn das Verwaltungsgericht diese Frage fallbezogen vertretbar gelöst hat (vgl. zum Ganzen bis 0168, mwN).
13 Fallbezogen legt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung keine inhaltlichen Bedenken gegen die Ausführungen des in Rede stehenden Sachverständigen dar und zeigt nicht auf, dass die Beurteilung des LVwG, wonach keine Befangenheit des Sachverständigen vorliege, unvertretbar sei. Außerdem hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass der Umstand allein, dass sich ein Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf die gutachterlichen Ausführungen eines im verwaltungsbehördlichen Verfahren beigezogenen (Amts-)Sachverständigen gestützt hat, noch keine Bedenken gegen dessen volle Unbefangenheit zu begründen vermag (vgl. etwa , mwN). Dasselbe gilt in einem Fall wie vorliegend, in dem im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht erstmals ein Amtssachverständiger tätig wird, der organisatorisch der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht zugeordnet ist.
14 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
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Schlagworte | Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9 Parteiengehör Sachverständigengutachten |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023060012.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-46214