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VwGH 23.10.2023, Ra 2023/05/0253

VwGH 23.10.2023, Ra 2023/05/0253

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
BauO Wr §134a
BauRallg
RS 1
Die Wr BauO räumt in Bezug auf die Frage der Statik und der Tragfähigkeit des Untergrundes bzw. der Standfestigkeit der Nachbargebäude grundsätzlich kein Nachbarrecht ein.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2012/05/0058 E RS 10
Normen
AVG §8
BauO Wr §134a
BauO Wr §134a Abs1 lite
BauRallg
RS 2
In § 134a Wr BauO sind die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte taxativ aufgezählt. Zutreffend hat die Behörde ausgeführt, dass der Nachbar mit seinem Vorbringen zu Fragen der Statik und Tragfähigkeit des Untergrundes sowie zur Bauausführung keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte nach dieser Gesetzesstelle geltend gemacht hat. Damit in Zusammenhang stehende Beeinträchtigungen können auch nicht als Immissionen iSd § 134a Abs. 1 lit. e Wr BauO verstanden werden, weil sich dieses Nachbarrecht ausdrücklich nur auf Immissionen bezieht, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ergeben. Durch die Errichtung eines Baues drohende Beeinträchtigungen der Standfestigkeit des benachbarten Gebäudes fallen nicht darunter (Hinweis Erkenntnisse vom , 2004/05/0237, vom , 2002/05/1016, und vom , 2005/05/0272).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2010/05/0113 E RS 2

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

Ra 2023/05/0254

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tichy, über die Revision von 1. H N und 2. H D, beide vertreten durch Mag. Armin Windhager, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/9, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , 1. VGW-111/055/9436/2022-65 und 2. VGW-111/V/055/9439/2022, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: M GmbH, vertreten durch die Onz & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem der mitbeteiligten Partei die Bewilligung zur Errichtung einer Wohnhausanlage auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in W., KG K., erteilt worden war, nach Durchführung einer Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass das Bauvorhaben entsprechend den als Bestandteil dieses Erkenntnisses anzusehenden, mit dem Sichtvermerk des Verwaltungsgerichts versehenen, modifizierten Einreichplänen mit näher genannten Plannummern datiert mit „Mai 2023“ bewilligt werde (Spruchpunkt I.) und erklärte die Revision gemäß § 25a VwGG als unzulässig (Spruchpunkt II.).

2 Seinen Erwägungen legte das Verwaltungsgericht Feststellungen zur Widmung der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei sowie zu jener der östlich davon gelegenen Liegenschaft der revisionswerbenden Parteien zugrunde; eine Schutzzone sei nicht verordnet. Ebenso traf es nähere Feststellungen zum Bauvorhaben nach dem dem Bescheid der belangten Behörde zugrundeliegenden Einreichplan und legte die im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgenommenen Projektänderungen sowie die sich daraus ergebenden Ausmaße des gegenständlichen Bauvorhabens dar. Bei den Änderungen habe es sich um Reduktionen des Projekts gehandelt.

3 Im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen hielt das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren wesentlich - hinsichtlich der von den revisionswerbenden Parteien im Verfahren behaupteten Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe gemäß § 81 Bauordnung für Wien (BO für Wien) unter Wiedergabe näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fest, dass bei der Berechnung von der Höhe des anschließenden Geländes auszugehen sei, wie es in den Bauplänen als herzustellendes Gelände dargestellt sei. Nur dann, wenn ein Bebauungsplan besondere Bestimmungen über die Gebäudehöhe enthalte, die unter Berücksichtigung der bestehenden Geländeformation erstellt worden seien - wie etwa in einer Schutzzone und den dort verordneten Bestimmungen über die Gebäudehöhe - seien Abweichungen vom gewachsenen Gelände für die Beurteilung der geplanten Bebauung insoweit heranzuziehen, als dies den Intentionen des Bebauungsplanes nicht zuwiderlaufe. Eine derartige Festlegung sei im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, weshalb die Beurteilung des vorliegenden Projektes anhand der Einreichpläne und der darauf vermerkten Höhenkoten zu erfolgen habe.

4 Zur Zulässigkeit der projektierten Geländeveränderungen führte das Verwaltungsgericht auf den vorliegenden Fall bezogen aus, dass an der östlichen Front des Gebäudes sowohl Abgrabungen als auch Aufschüttungen vorgesehen seien, wobei das Geländeniveau an der Grenze zur Liegenschaft der revisionswerbenden Parteien lediglich abgetragen werden solle. Dabei komme es im Bereich des Vordertraktes des geplanten Gebäudes auf einer Länge von ca. 22 Metern zu Abgrabungen zwischen 62 cm und 2 Metern. Im Bereich des Hintertraktes (der Garage) würde das Geländeniveau an der Grundgrenze dem bisherigen Geländeverlauf folgen, danach seien im hinteren Liegenschaftsbereich wieder Abgrabungen bis zu 1 m projektiert. Lediglich im Bereich der Garage würden Anschüttungen im Anschluss an eine Böschung in einem von der Grundgrenze abgerückten Bereich erfolgen. Unter Berücksichtigung aller Vorgaben und der Situierung der Bauliegenschaft sei nicht ersichtlich, dass die geplanten Geländeveränderungen die bisher mögliche Bebau- und Ausnützbarkeit der Liegenschaft der revisionswerbenden Parteien maßgeblich vermindere oder einschränke und es zu Beeinträchtigungen von Nachbarrechten komme. Derartiges hätten auch die revisionswerbenden Parteien im Verfahren selbst zu keiner Zeit behauptet. Soweit diese die Berechnung an der Ostfassade in zwei Abschnitten und darauf aufbauend eine separate Überprüfung der Geländeveränderungen urgiert hätten, übersähen sie, dass es sich im vorliegenden Fall um ein einheitliches Gebäude gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO für Wien handle, das lediglich auf unterschiedlich gewidmeten Bereichen zu liegen komme.

5 Weiters erwog das Verwaltungsgericht zum Vorbringen der revisionswerbenden Parteien unter anderem hinsichtlich der Tragfähigkeit des Untergrundes bzw. der Standfestigkeit der Nachbargebäude, der Gefahr einer Hangrutschung und zur Gefährdung der Bäume (hier: auf dem Grundstück der revisionswerbenden Parteien) unter Berufung auf näher genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass dieses mit keinem ihnen gemäß § 134a BO für Wien zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht korrespondiere, weshalb auch den diesbezüglichen Beweisanträgen nicht zu folgen gewesen wäre. Insbesondere die zur Hangrutschung zitierte Rechtsprechung beziehe sich auf eine frühere Rechtslage und sei nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Soweit sich die revisionswerbenden Parteien auf § 134 Abs. 1 lit. e BO für Wien bezögen, gewähre dieser nur Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung des Bauwerkes ergeben würden, nicht jedoch vor allfälligen Schädigungen im Zusammenhang mit der Bauführung.

6 Das Verwaltungsgericht hielt abschließend fest, dass die Einreichpläne im Verlauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens modifiziert worden seien und deshalb nur mehr die geänderten Pläne der gegenständlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, die an die Stelle des bekämpften Bescheides trete, zugrunde liegen würden. Dies sei im Spruch der Entscheidung klar zum Ausdruck zu bringen gewesen.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Zunächst bringt die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei im Zusammenhang mit der Vegetationsschicht über der Tiefgarage von näher genannter Rechtsprechung zur Ermittlung der zulässigen „Bauhöhe nach § 82“ BO für Wien (gemeint wohl: § 81 BO für Wien) abgewichen, indem es hinsichtlich des Ausgangsniveaus für die Berechnung zu Unrecht auf den Zeitpunkt nach der Bauführung abgestellt habe:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Berechnung der Gebäudehöhe nach § 81 Abs. 2 BO für Wien von einer Höhe des anschließenden Geländes auszugehen, wie es nach dem Bauvorhaben zum Zeitpunkt der Bauführung vorhanden sein wird, also wie es sich nach dem Projekt darstellt. Nur dann, wenn der Bebauungsplan besondere Bestimmungen über die Gebäudehöhe enthält, die unter Berücksichtigung der bestehenden Geländeformation erstellt wurden (wie z.B. bei Schutzzonen und näheren Bestimmungen über die Gebäudehöhe ebendort) sind Abweichungen vom gewachsenen Gelände für die Beurteilung der geplanten Bebauung insoweit heranzuziehen, als dies den Intentionen des Bebauungsplans nicht zuwiderläuft (vgl. , jeweils mwN). Die Revision zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht von dieser Judikatur abgewichen wäre.

11 Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Zusammenhang mit diesen Anschüttungen auch eine Abweichung von näher genannter Rechtsprechung zu § 60 BO für Wien geltend macht, da eine Beeinträchtigung der Nachbarliegenschaft „offensichtlich“ sei und das Verwaltungsgericht dies „praktisch ungeprüft“ gelassen habe, ist darauf hinzuweisen, dass ein Revisionswerber im Fall einer behaupteten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung konkret darzulegen hat, inwiefern der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem in der von ihm ins Treffen geführten höchstgerichtlichen Entscheidung gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. etwa , oder auch , Ra 2021/11/0043, jeweils mwN). Diesem Erfordernis genügt die Zulässigkeitsbegründung der Revision, die zudem auf die Begründung des Verwaltungsgerichts zur Zulässigkeit der Geländeveränderungen nicht eingeht, nicht.

12 Soweit die Revision vermeint, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht ein Nachbarrecht hinsichtlich der Stabilität des Untergrundes verneint und sei von näher genannter Rechtsprechung abgewichen (Hinweis auf ), so übersieht sie, dass diese Rechtsprechung zu einer alten Rechtslage ergangen ist (vgl. dazu etwa mit Verweis auf ). Die BO für Wien in der vorliegend anzuwendenden Fassung räumt in Bezug auf die Frage der Statik und der Tragfähigkeit des Untergrundes bzw. der Standfestigkeit der Nachbargebäude grundsätzlich kein Nachbarrecht ein (vgl. , mwN). Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt, weshalb es sich erübrigt, auf das weitere in der Revision erstattete Vorbringen hinsichtlich der mangelhaften Begutachtung des Hanges durch den Amtssachverständigen der belangten Behörde näher einzugehen.

13 Wenn die Revision weiters zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, dass durch die Bauführung eine Gefährdung eines näher genannten Gebäudes auf dem Grundstück der revisionswerbenden Parteien sowie der auf diesem Grundstück stehenden Bäume zu gewärtigen sei, so macht sie damit eine Gefährdung durch die Bauausführung geltend:

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu - entgegen den Ausführungen in der Revision - bereits wiederholt ausgesprochen, dass in § 134a BO für Wien die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte taxativ aufgezählt sind. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass mit dem Vorbringen zur Bauausführung keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte nach dieser Gesetzesstelle geltend gemacht werden. Damit in Zusammenhang stehende Beeinträchtigungen können auch nicht als Immissionen iSd § 134a Abs. 1 lit. e BO für Wien verstanden werden, weil sich dieses Nachbarrecht ausdrücklich nur auf Immissionen bezieht, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ergeben. Durch die Errichtung eines Baues drohende Beeinträchtigungen der Standfestigkeit des benachbarten Gebäudes fallen nicht darunter (vgl. , mwN).

14 Soweit die Revision ihre behauptete Zulässigkeit schließlich auf einen Begründungsmangel stützt und dazu ausführt, das Verwaltungsgericht habe die Frage, ob eine nicht nur geringfügige Projektänderung oder bloß eine Projektverkleinerung vorgelegen sei, nicht beantwortet, macht sie damit ihrem Vorbringen nach einen Verfahrensmangel geltend. Dazu ist zu bemerken, dass Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommen kann, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen oder die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargelegt werden muss (vgl. , mwN). Eine derartige Relevanzdarstellung lässt die Revision jedoch vermissen. Zudem übersieht die Revision, dass sich das Verwaltungsgericht mit den im Verfahren vorgenommenen Projektänderungen nachvollziehbar auseinandergesetzt hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass es sich (bloß) um eine Reduktion des ursprünglichen Bauvorhabens handelt. Den diesbezüglichen Erwägungen hält die Revision nichts entgegen.

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §8
BauO Wr §134a
BauO Wr §134a Abs1 lite
BauRallg
Schlagworte
Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023050253.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAF-46212