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VwGH 27.10.2023, Ra 2023/05/0039

VwGH 27.10.2023, Ra 2023/05/0039

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
BauO NÖ 2014 §70 Abs6
RS 1
Ein vermuteter Konsens für Baumaßnahmen ist nur anzunehmen, wenn keine Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme, wie etwa Radierungen in vorhandenen Plänen, vorliegen. Gleiches muss für Schwärzungen gelten.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2013/05/0191 E RS 1 (hier: nur der erste Satz)
Normen
BauO NÖ 2014 §70 Abs6
BauRallg
RS 2
Die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit einer alten Baulichkeit kommt nur dann in Betracht, wenn der Zeitpunkt der Erbauung des Altbestandes so weit zurückliegt, dass die Erteilung der Baubewilligung fraglich scheint, oder bestimmte Indizien dafür sprechen, dass trotz des Fehlens behördlicher Unterlagen von der Erteilung einer Baubewilligung auszugehen ist. Die Rechtmäßigkeit des Bestandes ist nur dann zu vermuten, wenn der Zeitpunkt der Herstellung desselben so weit zurückliegt, dass, von besonders gelagerten Einzelfällen abgesehen, auch bei ordnungsgemäß geführten Archiven die Wahrscheinlichkeit, noch entsprechende Unterlagen auffinden zu können, erfahrungsgemäß nicht mehr besteht (Hinweis E vom , 2009/05/0252 und 0276, mwN). Ein Anfang der 1960er Jahre errichtetes Gebäude ist nicht als alter Bestand im Sinn dieser Rechtsprechung anzusehen (vgl. dazu das oben zitierte E vom sowie die Erkenntnisse vom , 86/05/0062, und vom , 87/05/0199, betreffend Baulichkeiten, die um 1940 errichtet wurden).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2013/05/0058 E RS 1 (hier: ohne den letzten Satz)
Normen
BauO NÖ 2014 §14
BauO NÖ 2014 §70 Abs6
RS 3
Bei § 70 Abs. 6 NÖ BauO 2014 handelt es sich um eine Regelung, mit der für Gebäude, welche die darin genannten Tatbestandsmerkmale erfüllen, eine rechtliche Sanierung ermöglicht werden soll. Diese setzt voraus, dass zu einem mehr als 30 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt eine Baubewilligung bestanden haben muss, von der vor mehr als 30 Jahren abgewichen wurde (wobei der Grund für diese Abweichung - mangels einer diesbezüglichen Normierung - unmaßgeblich ist) und dafür eine Baubewilligung nach § 14 NÖ BauO 2014 nicht (mehr) erlangt werden kann.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/05/0226 E RS 2
Normen
BauO NÖ 2014 §70 Abs6
BauRallg
VwRallg
RS 4
Die Art der Abweichung ist für die Frage, ob sie von § 70 Abs. 6 NÖ BauO 2014 erfasst ist, nicht relevant. Der Wortlaut des § 70 Abs. 6 NÖ BauO 2014 legt nicht fest, in welchem Ausmaß von der ursprünglichen Baubewilligung abgewichen worden sein muss. Insbesondere wird nicht normiert, dass nur eine Abweichung von der ursprünglichen Baubewilligung, welche ein rechtliches aliud bewirkt hat und damit eine gänzliche neuerliche Baubewilligung notwendig macht, von § 70 Abs. 6 NÖ BauO 2014 erfasst sein soll. § 70 Abs. 6 NÖ BauO 2014 gilt somit auch für solche Abänderungen vom Baukonsens, welche als "bloße" Konsenswidrigkeiten bewilligungspflichtig beziehungsweise anzeigepflichtig waren und es weiterhin sind, jedoch ohne zum Erlöschen des Baukonsenses des Altbestandes geführt zu haben (vgl. ).
Normen
BauO NÖ 2014 §70 Abs6
VwRallg
RS 6
Dem Motivenbericht zu § 70 Abs. 6 NÖ BauO 2014 ist zu entnehmen, dass mit dieser Bestimmung Bauten mit langjähriger Bestandsdauer rechtlich abgesichert werden sollen, welche bereits eine Baubewilligung erlangt hatten, von der jedoch entweder abgewichen wurde (ohne dadurch Nachbarrechte zu verletzen beziehungsweise von der Baubehörde beanstandet worden zu sein) oder deren Baubewilligung aufgrund der Änderung der Rechtslage (ehemalige Wiener Randbezirke) erloschen ist. Grund für diese Regelung ist nach dem Motivenbericht weiters, dass sich in vielen Fällen diese Objekte mittlerweile im Eigentum von Rechtsnachfolgern befinden, denen das Fehlen einer Baubewilligung gar nicht bewusst ist beziehungsweise nicht angelastet werden kann, sodass die Erteilung eines Abbruchauftrages als unbillige Härte erscheint. Die Befristung dieser Ausnahmebestimmung wird damit begründet, dass nur solche Gebäude, welche bereits jetzt eine lange Bestandsdauer aufweisen, von der Regelung profitieren sollen (vgl. den Motivenbericht zu LGBl. Nr. 1/2015, Ltg.-477/B-23/2-2014, 42f).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/05/0226 E RS 1 (hier: nur der erste Satz)

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

Ra 2023/05/0040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tichy, über die Revision von 1. DI K B und 2. DI A M, beide in P und beide vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-AV-1909/001-2021, betreffend Feststellung gemäß § 70 Abs. 6 NÖ Bauordnung 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde P; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind jeweils zur Hälfte Eigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft in der W-Gasse 62 in der KG P. und des darauf befindlichen Gebäudekomplexes. Zur Vorgeschichte ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/05/0147 und 0148, zu verweisen.

2 Mit Eingabe vom beantragten die revisionswerbenden Parteien die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 70 Abs. 6 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) für das Wohn- und Wirtschaftsgebäude auf der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft mit der wörtlichen Begründung „Gebäude in heutigen Umrissen seit 1977 als bestehend dokumentiert Zl. 031-250/77 sowie AZ 301/57 & 418/60 - Bestandsplan 1980/18. Wurde nachträgl. genehmigt Südwestl. Zubau, seit 1938 Kleintierstall für Hühner, ehem. auch f. Kaninchen genutzt“.

3 Die zuständige Baubehörde wies diesen Antrag nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom ab.

4 Die dagegen erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand der Marktgemeinde P. mit Bescheid vom mit näherer Begründung ab.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) die sodann erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.) und sprach aus, dass eine Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt 2.).

6 Seiner Begründung legte das LVwG die Feststellungen zugrunde, dass die Liegenschaft der revisionswerbenden Parteien seit 1978 die Widmung Bauland-Wohngebiet aufweise und zuvor seit 1964 als Bauland-Industriegebiet ausgewiesen gewesen sei. Der sich darauf befindende Gebäudekomplex bestehe sei den 1930er Jahren, die ursprünglichen Pläne seien nicht mehr vorhanden. Mit Bescheiden vom sei den Eltern der erstrevisionswerbenden Partei die Benutzungsbewilligung für einen Stockwerksaufbau und eine Veranda auf der Liegenschaft erteilt worden. Im Bestandsplan der Behörde vom Juni 1980 seien an der südwestlichen Front des Gebäudes drei Räume mit der Abkürzung „ABST.R.“ eingezeichnet, wobei bei einem der drei Räume offenkundig eine Radierung vorgenommen sei, der Schriftzug „ABST.R.“ sei jedoch trotzdem deutlich lesbar. Sonstige Nutzungen seien für diesen Raum nicht eingetragen. Die Bestandspläne der revisionswerbenden Parteien vom Juni 1980 wiesen bei zwei dieser Räume die Bezeichnung „ABST.R.“ auf, der dritte Raum enthalte keine Angaben zu seiner Verwendung. Der Originalplan sei beim Baumeister verblieben, diesen gebe es jedoch nicht mehr. In diesem, in ihrem Plan hinsichtlich der Nutzung unbezeichneten Raum hielten die revisionswerbenden Parteien Hühner zum Eigenbedarf. Diese Haltung bestehe aber nicht seit 30 Jahren durchgehend, die Haltung sei in den 2000er Jahren infolge einer der Vogelgrippewellen für ca. 1,5 Jahre unterbrochen gewesen. Ab 2013 sei es infolge der Haltung von Hähnen immer wieder zu Beschwerden von Nachbarn beim Bürgermeister gekommen.

7 Rechtlich begründete das LVwG seine Entscheidung damit, dass der ursprüngliche Antrag kein ausdrückliches Feststellungsbegehren enthalten habe, dieses sich aber aus einer näher genannten Stellungnahme der revisionswerbenden Parteien sowie aus ihrer Beschwerde ergebe. Im Zeitpunkt der Erteilung der Benützungsbewilligung für den Stockwerksaufbau und die Veranda sei § 92 Abs. 1 Z 5 NÖ Bauordnung 1976 (NÖ BauO 1976) in Geltung gestanden, der eine Bewilligungspflicht für die Änderung des Verwendungszwecks von Bauwerken oder deren Teilen für den Fall vorgesehen habe, in welchem durch die Änderung unter anderem Nachbarrechte verletzt hätten werden können. Im Jahr 1980 sei von einer Bewilligungspflicht auszugehen, weil die Haltung von Nutztieren im Wohngebiet zu dieser Zeit nicht mehr selbstverständlich gewesen sei.

8 Der in Frage stehende Raum weise den Verwendungszweck „Abstellraum“ auf, daran ändere auch die vorgenommene Radierung nichts. Abstellräume würden der Aufbewahrung von Gegenständen dienen und nicht der Haltung von Nutztieren. Selbst wenn keine Nutzung festgelegt worden sei, wäre die Haltung von Hühnern dort nicht zulässig. Zum einen seien Räume ohne Festlegung des Verwendungszwecks nicht automatisch zur Tierhaltung vorgesehen, zum anderen ergebe sich die Zulässigkeit weder aus der Widmung „Bauland-Wohngebiet“ noch aus der Widmung „Bauland-Industriegebiet“ und schließlich widerspreche die Tierhaltung auch dem NÖ Raumordnungsgesetz 2014 (NÖ ROG 2014).

9 Die ursprünglichen Baupläne seien nicht mehr vorhanden, die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit des alten Bauzustandes greife aber nicht, wenn dieser Zustand auch nach der zur Zeit seiner Herstellung geltenden Bauordnung gesetzwidrig gewesen sei, denn es könne nicht angenommen werden, dass die Baubehörde eine gesetzwidrige Herstellung bewilligt hätte. In einem solchen Fall müsse von der Partei, die einen Konsens behaupte, der Nachweis erbracht werden, dass dieser tatsächlich erteilt worden sei (Verweis auf , mwN). Dieser Nachweis sei nicht erbracht worden, auch gebe es keinen Hinweis auf eine Widmung des Grundstücks als Grünland-Agrargebiet oder eine vergleichbare Widmung in den 1930er Jahren.

10 Der verfahrensgegenständliche Antrag ziele auf die rechtliche Sanierung der konsenswidrigen Nutzung eines Raumes in einem baubewilligten Gebäude ab. Die Änderung des Verwendungszwecks von Bauwerken oder deren Teilen sei gemäß § 15 Abs. 1 Z 1 lit. a erster und zweiter Spiegelstrich NÖ BO 2014 schriftlich anzuzeigen, wenn dadurch Festlegungen im Flächenwidmungsplan oder Bestimmungen des NÖ ROG 2014 betroffen werden könnten. § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 sei auch auf solche Abänderungen des Baukonsenses eines Gebäudes anzuwenden, die als „bloße“ Konsenswidrigkeiten bewilligungspflichtig oder anzeigepflichtig seien, jedoch nicht zum Erlöschen des Baukonsenses des Altbestandes geführt hätten (Verweis auf ). Dies sei vorliegend der Fall; die konsenswidrige Nutzung des Raumes sei grundsätzlich einer Bereinigung nach § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 zugänglich. Gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 NÖ ROG 2014 seien Wohngebiete für Wohngebäude und die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung sowie für Betriebe bestimmt, die in das Ortsbild einer Wohnsiedlung eingeordnet werden könnten und keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkung auf die Umgebung verursachen würden. Hühner würden heutzutage nicht typischerweise in einem Haushalt gehalten, bauliche Anlagen zur Haltung von Hühnern würden nicht üblicherweise von der Wohnbevölkerung errichtet. Der verfahrensgegenständliche Hühnerstall diene nicht dem täglichen Bedarf der im Wohngebiet wohnenden Bevölkerung und sei aus raumordnungsrechtlicher Sicht nicht zulässig (Verweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Das Bauvorhaben wäre daher im Falle einer Anzeige gemäß § 15 Abs. 6 NÖ BO 2014 zu untersagen. Auch die weitere Voraussetzung des § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014, wonach von der Baubewilligung vor mehr als 30 Jahren abgewichen worden sei, sei aufgrund der Unterbrechung in der Hühnerhaltung nicht gegeben, zumal nicht von der Möglichkeit der Zusammenrechnung verschiedener Zeiträume auszugehen sei. Weiters sei es infolge von Nachbarbeschwerden im Jahr 2019 zu einer baubehördlichen Beanstandung in Form eines Nutzungsverbots gekommen. Die konsenswidrige Nutzung sei somit im Entscheidungs- wie im Antragszeitpunkt nicht seit mehr als 30 Jahren frei von baubehördlichen Beanstandungen erfolgt, weshalb auch diese Voraussetzung nicht vorliege. Die beantragte Benutzung könne damit nicht bewilligt werden, weshalb der Antrag gemäß § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 zu Recht abgewiesen worden sei.

11 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Wenn die Revision zunächst zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorbringt, es fehle Rechtsprechung, ob in einem Verfahren nach § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 die Rechtsvermutung der Rechtmäßigkeit eines Gebäudes zu prüfen sei, wobei dies relevant sei, weil bei Vorliegen eines vermuteten Konsenses für den Hühnerstall eine Feststellung gemäß § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 nicht notwendig sei und „dies für eine Vielzahl künftiger Konstellationen, in denen Verfahren betreffend Nutzungsänderungen gemäß § 70 Abs. 6 NÖ BauO“ geführt würden von Bedeutung sei, so fehlt es diesem Vorbringen an jeglicher Verknüpfung zwischen der individualisierten Rechtsfrage, dem von den revisionswerbenden Parteien konkret zu Grunde gelegten Sachverhalt und der darauf basierenden rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, die den Verwaltungsgerichtshof erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage überhaupt vorliegt (vgl. dazu für viele etwa , mwN). Weder wird in der Zulässigkeitsbegründung ein Bezug zum konkreten Sachverhalt hergestellt (vgl. etwa , mwN), noch wird dargelegt, aus welchem Grund das Schicksal der Revision von den dort zudem völlig pauschal angeschnittenen Themen abhängen sollte (vgl. nochmals , Ra 2021/05/0117; oder auch , Ra 2019/06/0075, mwN).

16 Auch ist nicht ersichtlich, dass das LVwG, wie von der Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit weiter vorgebracht, bei der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erfolgten Prüfung eben dieser Vorfrage von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen eines vermuteten Konsenses abgewichen wäre:

17 Zum einen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass ein vermuteter Konsens für Baumaßnahmen nur anzunehmen ist, wenn keine Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme, wie etwa Radierungen in vorhandenen Plänen, vorliegen (vgl. dort zur Bauordnung für Wien ).

18 Zum anderen kommt die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit einer alten Baulichkeit nur dann in Betracht, wenn der Zeitpunkt der Erbauung des Altbestandes so weit zurückliegt, dass die Erteilung der Baubewilligung fraglich scheint, oder bestimmte Indizien dafür sprechen, dass trotz des Fehlens behördlicher Unterlagen von der Erteilung einer Baubewilligung auszugehen ist. Die Rechtmäßigkeit des Bestandes ist nur dann zu vermuten, wenn der Zeitpunkt der Herstellung desselben so weit zurückliegt, dass, von besonders gelagerten Einzelfällen abgesehen, auch bei ordnungsgemäß geführten Archiven die Wahrscheinlichkeit, noch entsprechende Unterlagen auffinden zu können, erfahrungsgemäß nicht mehr besteht (vgl. , mwN).

19 Die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit der sogenannten „alten“ Bestände kommt schließlich einem Bauzustand, der auch nach der zur Zeit seiner Herstellung geltenden Bauordnung gesetzwidrig war, nicht zustatten, weil nicht angenommen werden kann, dass die Baubehörde die gesetzwidrige Herstellung bewilligt hätte. In einem solchen Fall müsste vielmehr von der Partei, die den Konsens behauptet, der Nachweis erbracht werden, dass dieser tatsächlich erteilt worden ist (vgl. , mwN).

20 Die Frage, inwieweit ein baurechtlicher Konsens besteht oder nicht, unterliegt weiters grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. , mwN).

21 Die Revision zeigt weder mit ihrer - pauschal gehaltenen - Behauptung, die Hühnerhaltung habe immer schon bestanden, noch mit ihrer - ebenso allgemein aufgestellten - Behauptung eines vermuteten Konsenses eine derartige Unvertretbarkeit auf (vgl. zu den Voraussetzungen eines vermuteten Konsenses grundsätzlich etwa , mwN).

22 Soweit die Revision sodann zu ihrer Zulässigkeit behauptet, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob eine von der Baubewilligung abweichende Nutzung eines Gebäudeteils oder die Änderung des Verwendungszwecks eines Gebäudeteils eine taugliche Abweichung von der Baubewilligung nach § 70 Abs. 6 erster Satz NÖ BO 2014 darstelle, übersieht sie die zu § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 ergangene Rechtsprechung, wonach es sich bei dieser Norm um eine Regelung handelt, mit der für Gebäude, welche die darin genannten Tatbestandsmerkmale erfüllen, eine rechtliche Sanierung ermöglicht werden soll. Diese setzt voraus, dass zu einem mehr als 30 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt eine Baubewilligung bestanden haben muss, von der vor mehr als 30 Jahren abgewichen wurde (wobei der Grund für diese Abweichung - mangels einer diesbezüglichen Normierung - unmaßgeblich ist) und dafür eine Baubewilligung nach § 14 NÖ BO 2014 nicht (mehr) erlangt werden kann. Die Art der Abweichung ist für die Frage, ob sie von § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 erfasst ist, nicht relevant. Der Wortlaut des § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 legt nicht fest, in welchem Ausmaß von der ursprünglichen Baubewilligung abgewichen worden sein muss. Insbesondere wird nicht normiert, dass nur eine Abweichung von der ursprünglichen Baubewilligung, welche ein rechtliches aliud bewirkt hat und damit eine gänzliche neuerliche Baubewilligung notwendig macht, von § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 erfasst sein soll. § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 gilt somit auch für solche Abänderungen vom Baukonsens, welche als „bloße“ Konsenswidrigkeiten bewilligungspflichtig beziehungsweise anzeigepflichtig waren und es weiterhin sind, jedoch ohne zum Erlöschen des Baukonsenses des Altbestandes geführt zu haben (vgl. , mwN). Dies hat das LVwG zutreffend ausgeführt.

23 Im selben Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem auch festgehalten, es sei dem Motivenbericht zu § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 zu entnehmen, dass mit dieser Bestimmung Bauten mit langjähriger Bestandsdauer rechtlich abgesichert werden sollten, welche bereits eine Baubewilligung erlangt hätten, von der jedoch entweder abgewichen worden sei (ohne dadurch Nachbarrechte zu verletzen beziehungsweise von der Baubehörde beanstandet worden zu sein) oder deren Baubewilligung aufgrund der Änderung der Rechtslage (ehemalige Wiener Randbezirke) erloschen sei (vgl. erneut , mwN). Wenn die Revision vermeint, das LVwG sei zur Frage, unter welcher Voraussetzung eine mehr als 30-jährige Abweichung von der baurechtlichen Bewilligung nach § 70 Abs. 6 erster Satz NÖ BO 2014 vorliege, von eben dieser Rechtsprechung abgewichen, so zeigt sie dies mit ihrem Vorbringen zur Berechnung der Frist von dreißig Jahren vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung aber ein Abweichen von der Rechtsprechung nicht auf, übersieht sie doch, dass neben der Voraussetzung des Abweichens von der Baubewilligung vor mehr als 30 Jahren nach der oben zitierten Rechtsprechung - sowie dem eindeutigen Gesetzestext - die Voraussetzung „ohne baubehördliche Beanstandung“ hinzukommt. Das LVwG hat hierzu festgestellt, dass im Jahr 2019 - somit vor Stellen des verfahrensgegenständlichen Antrags - von der zuständigen Baubehörde ein Nutzungsverbot erlassen worden sei, weshalb schon diese Voraussetzung nicht gegeben sei. Dem hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen, weshalb auch eine Auseinandersetzung mit der weiteren Frage, ob § 70 Abs. 6 erster Satz NÖ BO 2014 nur Anwendung finde, wenn eine im Vergleich zur ursprünglichen Bauordnung abweichende Nutzung durchgehend erfolgt sei, vor dem Hintergrund dieser unbestrittenen Feststellung unterbleiben kann (vgl. dazu VwGH vom heutigen Tage, Ra 2023/05/0231, zu eben diesem Nutzungsverbot).

24 Soweit sich die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit darüber hinaus gegen die vom LVwG angestellte Beweiswürdigung wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung läge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. , mwN). Das LVwG hat sich nach einem Ermittlungsverfahren und der Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit den vorliegenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt und eine Würdigung derselben vorgenommen. Eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung zeigt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht auf.

25 Schließlich macht die Revision zur Begründung der Zulässigkeit Verfahrensmängel - hier Ermittlungs- und Begründungsmängel - in Bezug auf das Vorliegen einer Baubewilligung und die Bedeutung der Kollaudierung geltend. Dazu ist zu bemerken, dass Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen oder die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargelegt werden muss (vgl. , mwN).

26 Weder legt die Revision dar, dass tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stünden, noch, dass die durch das LVwG getroffene Beurteilung grob fehlerhaft wäre. Die Revision zeigt nicht ansatzweise auf, welche Ergebnisse bei der Durchführung welcher Ermittlungen zu erwarten gewesen wären und inwieweit diese das Ergebnis des angefochtenen Erkenntnisses beeinflusst hätten.

27 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BauO NÖ 2014 §14
BauO NÖ 2014 §70 Abs6
BauRallg
VwRallg
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023050039.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-46210