VwGH 26.05.2023, Ra 2023/04/0039
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Im Fall eines Rechtsirrtums beginnt die Wiedereinsetzungsfrist mit dem Wegfall dieses Irrtums oder jener Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar ist (zur vergleichbaren Bestimmung des § 71 Abs. 2 AVG vgl. ). Musste die Partei ihren Irrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit schon früher erkennen, kommt es daher nicht auf den darauffolgenden Zeitpunkt an, zu dem die Entscheidung über die Zurückweisung des Rechtsmittels wegen Verspätung zugestellt wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG (2020) §§ 71, 72 Rz 101, 102 und die dort zitierte hg. Rechtsprechung, etwa , und , Ra 2019/08/0030; ebenso , 2004/01/0214). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/11/0098 B RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des M Z, vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das am mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich, Zl. LVwG-800483/9/HW, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Linz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte
1 Mit Strafverfügung vom , GZ: 0038388/2019, verhängte die belangte Behörde gegen den Revisionswerber als Gewerbeinhaber wegen näher ausgeführter - im gegenständlichen Revisionsverfahren nicht relevanter - Verwaltungsübertretungen gemäß GewO 1994 eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 400 EUR samt Ersatzfreiheitsstrafe. Diese Strafverfügung wurde mittels Hinterlegung (§ 17 ZustG) zugestellt; die Abholfrist begann mit zu laufen.
2 Mit - via E-Mail übermitteltem - Schreiben vom erstattete der Revisionswerber eine Stellungnahme zu in Rn. 1 wiedergegebener Strafverfügung. Darin gab er zunächst an, (bereits) telefonisch mit einer Mitarbeiterin des Magistrats der Landeshauptstadt Linz gesprochen zu haben und äußerte sich sodann zu den ihm vorgeworfenen Taten.
3 Mit Schreiben vom , GZ: 0038388/2019, teilte die belangte Behörde dem Revisionswerber mit, dass sein Schreiben vom als Einspruch gegen die Strafverfügung vom gewertet werde. Unter Hinweis darauf, dass die Strafverfügung vom mit ordnungsgemäß zugestellt worden sei (siehe Rn. 1), hätte - bei Wahrung der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist (§ 49 Abs. 1 VStG) - der Einspruch jedoch spätestens mit erhoben werden müssen. Da gegenständlicher Einspruch jedoch erst am versendet worden sei, sei dieser als verspätet anzusehen. Es sei folglich beabsichtigt, den Einspruch gegen die Strafverfügung vom als verspätet zurückzuweisen. Dieses Schreiben wurde am vom Revisionswerber übernommen.
4 Mit - via E-Mail übermitteltem - Schreiben vom erstattete der Revisionswerber erneut eine Stellungnahme. Die Mitarbeiterin des Magistrats der Landeshauptstadt Linz habe ihm im damaligen Telefonat (siehe Rn. 2) eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist (für die Erhebung des Einspruchs) bis erteilt; dies aufgrund einer urlaubsbedingten Abwesenheit des Revisionswerbers.
5 Mit Bescheid vom , GZ: 0038388/2019 AS/VS, wies die belangte Behörde den Einspruch des Revisionswerbers vom als verspätet eingebracht zurück.
6 In der Begründung dieses Bescheids stütze sich die belangte Behörde - im Wesentlichen - auf den Inhalt ihres Schreibens vom (siehe Rn. 3). Bei der Rechtsmittelfrist des § 49 Abs. 1 VStG handle es sich um eine gesetzliche Frist, die nicht verlängert werden könne (§ 33 Abs. 4 AVG).
Zum gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag
7 Mit Schriftsatz vom stellte der Revisionswerber bei der belangten Behörde einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt Einspruch gegen die Strafverfügung vom .
8 Der Revisionswerber begründete seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand damit, dass er auf die Auskunft der Mitarbeiterin des Magistrats der Landeshauptstadt Linz (siehe Rn. 4) vertraut habe. Diese falsche Rechtsauskunft eines behördlichen Organs habe ein für ihn unvorhersehbares Ereignis dargestellt. Erst mit - in Rn. 5 wiedergegebenem - Bescheid (und insbesondere der darin enthaltenen Begründung; siehe Rn. 6) habe der Revisionswerber davon Kenntnis erlangt, dass sein Einspruch vom verspätet gewesen sei.
9 Mit Bescheid vom , GZ: 0038388/2019 AS/VS, wies die belangte Behörde den - in Rn. 7 wiedergegebenen - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als verspätet zurück.
10 Die belangte Behörde begründete diesen Bescheid damit, dass der Revisionswerber bereits mit Schreiben vom darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, dass sein Einspruch vom als verspätet angesehen werde. Die zweiwöchige Frist für die Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 71 Abs. 2 AVG) habe sohin mit Zustellung dieses Schreibens am zu laufen begonnen. Der am übermittelte Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einbringung eines Einspruchs erweise sich im Ergebnis als verspätet.
11 Dagegen erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom Beschwerde.
12 Der Revisionswerber begründete diese Beschwerde damit, dass ihm - ungeachtet des behördlichen Schreibens vom - erst mit Bescheid vom (inkl. dessen Begründung) bewusstgeworden sei, dass es sich bei der Rechtsmittelfrist gemäß § 49 Abs. 1 VStG um eine absolute, nicht erstreckbare Frist handle. Da ihm der Bescheid vom am zugestellt worden sei, habe die Frist zur Erhebung eines Einspruchs mit geendet, weswegen der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig erhoben worden sei.
13 Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wies die Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am - als unbegründet ab (Spruchpunkt I.) und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig (Spruchpunkt II.).
14 Das Verwaltungsgericht stellte - in Ergänzung zu hier wiedergegebenem Verfahrensverlauf - folgenden Sachverhalt fest:
15 Der Revisionswerber sei von bis im Ausland auf Urlaub gewesen. Kurz vor diesem Urlaub habe die Frau des Revisionswerbers mit einer Mitarbeiterin des Magistrats der Landeshauptstadt Linz telefoniert. Die Frau des Revisionswerbers habe in diesem Gespräch - unter Angabe des Geschäftszeichens (siehe Rn. 1) - „um eine Fristverlängerung zwecks Einbringung eines Einspruchs und Darlegung des Sachverhalts“ ersucht. Sie habe die (nicht näher festgestellte) Auskunft der Mitarbeiterin letztlich so verstanden, dass die Frist zur Einbringung des Einspruchs bis zum verlängert worden sei.
16 Das Verwaltungsgericht würdige den festgestellten Sachverhalt rechtlich wie folgt:
17 Mit Schreiben vom habe die belangte Behörde dem Revisionswerber in einer auch für nicht rechtskundige Personen ausreichend verständlichen Weise ausdrücklich mitgeteilt, dass die Frist für die Einbringung gegenständlichen Einspruchs bereits vor dem abgelaufen gewesen sei. Der Revisionswerber hätte aufgrund dieses Schreibens sohin erkennen müssen, dass der von ihm erhobene Einspruch verspätet gewesen sei.
Zur gegenständlichen Revision
18 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
21 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision (abermals) vor, ihm sei erst mit Zustellung des Bescheids vom am bewusst geworden, dass sein Einspruch vom verspätet erfolgt sei. Bis zu diesem Zeitpunkt sei er davon ausgegangen, dass die - seiner Frau telefonisch zugesicherte - Fristverlängerung, von der belangten Behörde versehentlich nicht berücksichtigt worden und gültig gewesen sei (unter Hinweis auf , wonach § 71 Abs. 2 AVG einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann nicht entgegenstehe, wenn der Wiedereinsetzungswerber geltend mache, dass ihm erst mit Zustellung des die verspätete Berufung zurückweisenden Bescheids die Versäumung der Berufungsfrist bekannt geworden sei).
22 Dem ist folgende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten: Im Fall eines Rechtsirrtums beginnt die Wiedereinsetzungsfrist mit dem Wegfall dieses Irrtums oder jener Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar ist. Musste die Partei ihren Irrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit schon früher erkennen, kommt es daher nicht auf den darauffolgenden Zeitpunkt an, zu dem die Entscheidung über die Zurückweisung des Rechtsmittels wegen Verspätung zugestellt wurde (vgl. , mwN).
23 Ungeachtet dessen, dass das Verwaltungsgericht nicht - wie vom Revisionswerber in seiner Revision behauptet - feststellte, dass der Frau des Revisionswerbers von einer Mitarbeiterin des Magistrats der Landeshauptstadt Linz tatsächlich eine Verlängerung der Frist zur Einbringung eines Einspruchs gegen in Rn. 1 wiedergegebenen Bescheid in Aussicht gestellt worden sei (es stellte vielmehr (bloß) fest, dass die Frau des Revisionswerbers den Inhalt dieses Telefonats dementsprechend verstanden habe), geht das Vorbringen des Revisionswerbers, dass Verwaltungsgericht sei von der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, schon deshalb ins Leere, weil das Verwaltungsgericht feststellte, dass der Revisionswerber bereits mit Schreiben der belangten Behörde vom in Kenntnis gesetzt worden sei, dass die Behörde davon ausgehe, dass die Berufung vom verspätet erhoben worden sei. Der Revisionswerber hat somit nicht erst mit Zustellung des die Berufung zurückweisenden Bescheids die Versäumung der Berufungsfrist von der Verspätung Kenntnis erlangen können, sondern hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit vielmehr bereits aufgrund des am an ihn gerichteten Verspätungsvorhalts durch die Behörde die Versäumung der Rechtsmittelfrist erkennen müssen.
24 Mit seinem Vorbringen, der Revisionswerber sei - bis zum Erhalt des Bescheids vom - davon ausgegangen, die ihm allfällig erteilte Fristverlängerung sei von der Behörde (bloß) versehentlich nicht berücksichtigt worden, lässt er - angesichts des ihm zugestellten behördlichen Schreibens vom - kein gehörig aufmerksames Verhalten im Sinne oben angeführter Rechtsprechung erkennen.
25 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023040039.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-46202