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VwGH 22.03.2023, Ra 2023/03/0020

VwGH 22.03.2023, Ra 2023/03/0020

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
AVG §6 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwRallg
RS 1
Auf die Verweisung des Einschreiters an die zuständige Behörde besteht kein subjektives Recht (vgl. in diesem Sinne ).

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2023/03/0072 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der R GmbH in W, vertreten durch die Schmidt Pirker Podoschek Rechtsanwälte OG in 1100 Wien, Gertrude-Fröhlich-Sandner-Straße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-1634/001-2022, betreffend Vergütung für den Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mödling), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) - in Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der Bezirkshauptmannschaft Mödling (belangte Behörde) - den Antrag der Revisionswerberin auf Vergütung für den Verdienstentgang gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG), der ihr durch die bescheidmäßige Absonderung einer bei ihr beschäftigten, näher bezeichneten Dienstnehmerin im Zeitraum von 8. April bis entstanden sei, ab. Unter einem sprach es aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

2 Dem legte das Verwaltungsgericht zusammengefasst Folgendes zu Grunde: Mit Bescheid vom habe die belangte Behörde die behördliche Absonderung der S, einer Dienstnehmerin der Revisionswerberin, für den Zeitraum von 8. April bis verfügt. Die Revisionswerberin habe daraufhin am beim Magistrat der Stadt Wien den gegenständlichen Antrag gemäß § 32 EpiG gestellt. Dieser sei am vom Magistrat der Stadt Wien an die belangte Behörde weitergeleitet worden.

Gemäß § 49 Abs. 1 EpiG sei der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen Maßnahme bestehe, binnen drei Monaten vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen worden seien, geltend zu machen. Die zuständige Behörde sei also jene, in deren Bereich die Absonderungsmaßnahmen getroffen worden seien, „damit die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen“. Da der Absonderungsbescheid mit Ablauf des außer Kraft getreten sei, wäre der Antrag gemäß § 32 EpiG bis spätestens bei der belangten Behörde einzubringen gewesen. Wenn auch der unzuständigen Behörde die Pflicht zur Weiterleitung des Anbringens an die zuständige Stelle auferlegt sei, habe derjenige, der sich mit seinem Anbringen an die unzuständige Behörde wende, die damit verbundenen rechtlichen Nachteile unter allen Umständen zu tragen.

Die Bestimmung des § 49 Abs. 4 EpiG, wonach ein bei der örtlich unzuständigen Behörde fristgerecht eingebrachter Antrag auf Vergütung des Verdienstentganges, der aus einem in der Sphäre der Behörde liegenden Umstand nicht innerhalb der Frist gemäß § 49 Abs. 1 und 2 EpiG bei der örtlich zuständigen Behörde eingelangt sei, als rechtzeitig gelte, sei gemäß § 50 Abs. 29 EpiG nur auf jene Fälle anzuwenden, in denen die Antragstellung vor Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 21/2022, sohin vor dem , erfolgt sei. Der gegenständliche Antrag sei aber am beim Magistrat der Stadt Wien eingebracht worden. Vor diesem Hintergrund sei der nicht innerhalb der dreimonatigen Frist an die zuständige Behörde gestellte Antrag verspätet und deshalb abzuweisen.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung wird zusammengefasst Folgendes geltend gemacht:

Das Verwaltungsgericht sei mit der angefochtenen Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (wiedergegeben werden , und , Ra 2020/02/0044) abgewichen, die den Standpunkt der Revisionswerberin verdeutliche, dass die unzuständige Behörde den Antrag gemäß § 32 EpiG ohne unnötigen Aufschub an die zuständige Behörde weiterzuleiten hätte. Es sei von einem krassen Fehlverhalten und einer extremen Verzögerung der unzuständigen Behörde auszugehen, was nach der zitierten Rechtsprechung ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis darstelle.

Weiters habe das Verwaltungsgericht, indem es in seiner Begründung ausgeführt habe, dass „die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen“ zuständig gewesen sei, selbst die zuständige Behörde verkannt und daher das Erkenntnis mit groben Mängeln belastet.

Zudem hätte der Magistrat der Stadt Wien neben der Weiterleitung nach § 6 Abs. 1 AVG auch die Möglichkeit gehabt, das Anbringen zurück an die Einschreiterin zu weisen, um der Revisionswerberin die Möglichkeit zu geben, den Antrag fristgerecht bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Mödling einzubringen. Indem die unzuständige Behörde dies nicht getan habe, habe sie ein krasses Fehlverhalten gesetzt.

Schließlich sei keine inhaltliche Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit der Anwendung der Bestimmung des § 49 Abs. 4 iVm § 50 Abs. 29 EpiG erfolgt.

8 Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargelegt:

9 Nach § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

10 Die in § 6 Abs. 1 AVG enthaltene Wendung „auf Gefahr des Einschreiters“ bedeutet, dass derjenige, der sich mit seinem Anbringen an eine unzuständige Behörde wendet, die damit verbundenen rechtlichen Nachteile unter allen Umständen zu tragen hat, wenn auch der unzuständigen Behörde die Pflicht zur Weiterleitung des Anbringens auferlegt ist. Daran vermag auch der Umstand, dass die unzuständige Behörde die Weiterleitung nicht beliebig lange hinauszögern darf, nichts zu ändern (vgl. etwa , mwN).

11 Dem stehen auch die in der Revision zitierten Entscheidungen nicht entgegen. Diese Entscheidungen betrafen nämlich vielmehr die Frage, ob das Unterlassen bzw. die extreme Verzögerung der Weiterleitung einer Eingabe durch eine unzuständige Behörde an die zuständige Behörde ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 AVG darstellen und damit zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen kann. Dies ändert jedoch für sich nichts daran, dass die Gefahr einer verspäteten Weiterleitung stets vom Einschreiter zu tragen ist. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verzögerung der Weiterleitung durch die unzuständige Behörde ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens und ginge im Übrigen schon deshalb ins Leere, weil es sich bei den in §§ 33 und 49 Abs. 1 EpiG geregelten Fristen um materiell-rechtliche (Fall-)Fristen handelt, gegen deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässig ist (vgl. etwa , mwN).

12 Die Revision legt daher nicht dar, dass das Verwaltungsgericht von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen wäre.

13 Das weitere, oben wiedergegebene Vorbringen der Revision, enthält Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses, ohne aber konkret darzutun, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht abgewichen sei, dass solche Rechtsprechung fehle oder dass diese nicht einheitlich sei. Insofern erweist sich die Revision als nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Eine Zulässigkeitsbegründung, die - wie hier - bloß allgemeine Behauptungen oder Ausführungen enthält, die der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen, entspricht dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG nämlich nicht (vgl. für viele etwa ; , Ra 2021/05/0208, mwN).

14 Im Übrigen:

Die Wendung in der Begründung der angefochtenen Entscheidung, „die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen“ sei zur Entscheidung über den Antrag gemäß § 32 EpiG zuständig gewesen, beruht - auf Basis der gesamten Entscheidungsbegründung erkennbar - auf einem (zu berichtigenden) Versehen. Auch die Revision stellt weder in Frage, dass es sich beim Magistrat der Stadt Wien, bei dem die Revisionswerberin den Antrag eingebracht hatte, um die unzuständige Behörde gehandelt hat, noch dass die belangte Behörde, die Bezirkshauptmannschaft Mödling, die den Antrag abgewiesen hat, die zuständige Behörde war.

15 Soweit die Revision weiters moniert, dass die unzuständige Behörde gemäß § 6 Abs. 1 AVG auch die Möglichkeit gehabt hätte, die Revisionswerberin an die zuständige Behörde zu weisen, ist ihr bloß zu entgegnen, dass auf die Verweisung des Einschreiters an die zuständige Behörde kein subjektives Recht besteht (vgl. in diesem Sinne ).

16 Der Revision zuwider hat schließlich das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung auch begründet, warum die mit BGBl. I Nr. 21/2022 eingeführte Regelung, wonach ein bei der örtlich unzuständigen Behörde fristgerecht eingebrachter Antrag auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 EpiG, der aus einem in der Sphäre der Behörde liegenden Umstand nicht innerhalb der Frist gemäß § 49 Abs. 1 und 2 EpiG bei der örtlich zuständigen Behörde eingelangt ist, als rechtzeitig eingebracht gilt, im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelangt: Gemäß § 50 Abs. 29 EpiG ist die Neuregelung des § 49 Abs. 4 idF BGBl. I Nr. 21/2022 nämlich nur auf jene Fälle anzuwenden, in denen die Antragstellung vor dem Inkrafttreten von BGBl. I Nr. 21/2022, also vor dem , erfolgte. Ausgehend davon, dass der gegenständliche Antrag am beim Magistrat der Stadt Wien eingebracht worden ist, hält die Revision der Nichtanwendung des § 49 Abs. 4 EpiG durch das Verwaltungsgericht nichts Stichhaltiges entgegen.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §6 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwRallg
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023030020.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAF-46195