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VwGH 07.03.2023, Ra 2023/03/0019

VwGH 07.03.2023, Ra 2023/03/0019

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Norm
AVG §35
RS 1
Mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen ist mit äußerster Vorsicht umzugehen. Ein derartiger Vorwurf ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt demnach lediglich im "Ausnahmefall" in Betracht (vgl. und VwSlg. 18.337 A/2012).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/19/0466 E RS 6

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Burgenländische Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom , Zl. E 103/07/2021.007/013, betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen in Auskunftsangelegenheiten (mitbeteiligte Partei: Dr. W H, in E), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom verhängte die Burgenländische Landesregierung (Amtsrevisionswerberin) über den Mitbeteiligten (u.a.) in vier gesonderten Spruchpunkten (1. bis 4.) Strafen gemäß § 35 AVG in der Höhe von jeweils EUR 200,-- wegen mutwilliger Inanspruchnahme der Behörde in näher bezeichneten Angelegenheiten nach dem Burgenländischen Auskunftspflicht-, Informationsweiterverwendungs- und Statistikgesetz (Bgld. AISG).

2 Über Beschwerde des Mitbeteiligten hob das Landesverwaltungsgericht Burgenland mit dem angefochtenen Erkenntnis die in den Spruchpunkten 1. und 2. des Bescheides verhängten Mutwillensstrafen auf und stellte die Verfahren ein; die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen die in den Spruchpunkten 3. und 4. des Bescheides verhängten Mutwillensstrafen wies es hingegen ab. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht zu den beiden als rechtswidrig erkannten Mutwillensstrafen im Wesentlichen aus, der offenbaren Mutwilligkeit im Sinne des § 35 AVG müsse ein subjektives Moment innewohnen, das beim Mitbeteiligten in Bezug auf die in Rede stehenden Auskunftsersuchen nicht erblickt werden könne. Auch könne nicht ersehen werden, dass diese Auskunftsersuchen eine Sinnlosigkeit aufgewiesen hätten, die dem Mitbeteiligten erkennbar gewesen sei.

4 Im Einzelnen legte das Verwaltungsgericht dar, dass sich eines der beiden Auskunftsersuchen auf die Säumigkeit einer Behörde in der Erledigung eines Antrags des Mitbeteiligten auf Berichtigung eines näher bezeichneten Bescheides bezog und der Mitbeteiligte die Auskunft erbeten habe, welche Möglichkeiten ihm abseits bereits ergriffener noch verblieben, um die versäumte Entscheidung zu erreichen. Das weitere Auskunftsersuchen habe die Frage nach der Strafbarkeit einer Ehrenkränkung im Landesrecht betroffen, wobei das Verwaltungsgericht auch insoweit von einem „konkreten Informationsbedürfnis“ des Mitbeteiligten ausging, dessen Fehlen eine unabdingbare Voraussetzung für die Verhängung der Mutwillensstrafe sei.

5 Gegen die Aufhebung der in den Spruchpunkten 1. und 2. des Bescheides verhängten Mutwillensstrafen richtet sich die vorliegende Amtsrevision. Sie macht zur Zulässigkeit geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche zumindest in zwei Punkten von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Das Verwaltungsgericht zitiere zwar die Entscheidung VwGH 2010/04/0019, weiche aber im Ergebnis erheblich davon ab. Der Verwaltungsgerichtshof habe in diesem Erkenntnis ausgeführt, dass das Auskunftspflichtgesetz der Partei nur Informationen über bereits vorhandenes Wissen der Behörde, nicht aber eine vorzunehmende Bewertung, zugänglich machen solle. Im Gegensatz dazu führe das Verwaltungsgericht aus, dass dem Mitbeteiligten die von ihm begehrte Auskunft sehr wohl zu erteilen gewesen wäre. Dies, obwohl ein sehr ähnlich gelagerter Fall wie in der oben erwähnten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Der Mitbeteiligte habe ohne Angabe eines ersichtlichen Grundes wissen wollen, ob es ein Landesgesetz gebe, in dem die Ehrenkränkung zu einem strafbaren Privatanklagedelikt erklärt worden sei. Der Mitbeteiligte habe sohin auch eine Rechtsmeinung der belangten Behörde erwartet, die einer genaueren und umfangreicheren Ausarbeitung bedurft hätte, und nicht etwa die Mitteilung des Inhalts einer bestimmten Vorschrift. Weiters weiche das angefochtene Erkenntnis von der Entscheidung VwGH 90/12/0214 ab, weil der Mitbeteiligte die belangte Behörde - wie im dort entschiedenen Fall - mit einer Flut gleichartiger Anbringen und Eingaben behellige.

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

8 Gemäß § 35 AVG kann die Behörde gegen Personen, die (u.a.) offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen, eine Mutwillensstrafe bis EUR 726,-- verhängen.

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig in diesem Sinn, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und der Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen mit äußerster Vorsicht umzugehen und ein derartiger Vorwurf nur dann am Platz ist, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe komme demnach lediglich im „Ausnahmefall“ in Betracht (vgl. etwa , mwN).

10 Das Verwaltungsgericht sah diese Voraussetzungen in Bezug auf jene beiden Mutwillensstrafen, die es mit dem angefochtenen Erkenntnis als rechtswidrig aufhob, für nicht geben an. Dabei verneinte es im Ergebnis insbesondere, dass die Inanspruchnahme der belangten Behörde vom Mitbeteiligten fallbezogen wider besseres Wissen und unter solchen Umständen erfolgt sei, dass die Aussichtslosigkeit seines Ersuchen für ihn - wie für jedermann - erkennbar gewesen sei.

11 Diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichts hält die Amtsrevision entgegen, sie würden von zwei näher bezeichneten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes abweichen.

12 Im vorliegenden Fall ist nicht zu beurteilen, ob dem Mitbeteiligten tatsächlich ein Anspruch auf Auskunftserteilung nach dem Bgld. AISG zustand, sondern nur, ob er mit seinen Auskunftsbegehren offenbar mutwillig die Tätigkeit der belangten Behörde im Sinne des § 35 AVG und der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung in Anspruch genommen hat.

13 Die Bezugnahme der Amtsrevision auf , erweist sich schon deshalb als nicht zielführend, wurde die Auskunftspflicht in diesem Fall doch nicht wegen offenbarer Mutwilligkeit des Auskunftsersuchen abgelehnt, sondern deshalb, weil der dortige Auskunftswerber eine Rechtsmeinung der belangten Behörde zu einem näher bezeichneten fiktiven Sachverhalt erwartet hatte, worauf er auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Anspruch hatte.

14 In , hatte der Verwaltungsgerichtshof die Verweigerung einer Auskunft als rechtens erkannt, nachdem die Behörde im vorliegenden Auskunftsbegehren eine (mutwillige) Fortsetzung „der jahrelangen Flut“ gleichartiger Anbringen und Eingaben des Auskunftswerbers erblickt hatte. Im vorliegenden Revisionsfall führte das Verwaltungsgericht zwar aus, dass der Mitbeteiligte bereits diverse Auskunftsersuchen an verschiedene Behörden gestellt habe, hielt aber fest, dass ungeachtet dessen aus den beiden konkret in Rede stehenden Ersuchen kein mutwilliges Verhalten des Mitbeteiligten abzuleiten sei. Dem tritt die Amtsrevision mit einem neuerlichen bloßen Hinweis auf die Vielzahl von Auskunftsersuchen des Mitbeteiligten entgegen, ohne in der Zulassungsbegründung näher aufzuzeigen, weshalb auch die gegenständlichen Auskunftsersuchen wie in dem von der Revision allein herangezogenen Erkenntnis als eine Fortsetzung gleichartiger Anbringen und Eingaben des Auskunftswerbers anzusehen gewesen wären, deren Aussichtslosigkeit für den Mitbeteiligten - wie für jedermann - erkennbar gewesen sei.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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Norm
AVG §35
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023030019.L00
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Fundstelle(n):
UAAAF-46194