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VwGH 03.04.2023, Ra 2023/02/0031

VwGH 03.04.2023, Ra 2023/02/0031

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AVG §8
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 1
Da die Gesetze keineswegs immer ausdrücklich sagen, ob jemand einen "Rechtsanspruch" oder ein "rechtliches Interesse " und damit Parteistellung hat, muss dies durch Auslegung festgestellt werden. Antoniolli-Koja (Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage, 291) verweisen auf die in der Lehre und Rechtsprechung entwickelte Formel: "Parteien sind alle Personen, deren rechtliche Stellung durch das Ergebnis eines von der Verwaltungsbehörde abzuführenden Verfahrens tangiert werden kann, deren Rechtsstellung also von diesem Verfahren abhängig ist". Abzustellen ist auf die Möglichkeit der Rechtsverletzung, auf die mögliche unmittelbare Beeinträchtigung der Rechtssphäre der Person (hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/03/0259).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2004/05/0094 E VwSlg 16433 A/2004 RS 1
Normen
AVG §8
B-VG Art133 Abs4
BWG 1993 §70
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 2
§ 70 BWG 1993 enthält keine Regelungen über die Parteistellung. Es ist daher im Wege der Auslegung zu prüfen, ob durch die maßgebliche Rechtsvorschrift nur eine Rechtspflicht der Behörde oder auch ein subjektives Recht des Betroffenen begründet wird.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/02/0251 E RS 3 (hier nur der erste Satz)
Normen
AVG §8
B-VG Art133 Abs4
BWG 1993 §70 Abs1
BWG 1993 §70 Abs1 Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 3
§ 70 Abs. 1 BWG 1993 normiert lediglich Aufsichtsbefugnisse der FMA in ihrem Zuständigkeitsbereich als Bankenaufsichtsbehörde, die sie jederzeit zur Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Kreditinstitute-Verbünde und der Kreditinstitutsgruppen wahrnehmen kann (vgl. ). Normadressat in aufsichtsrechtlichen Verfahren gemäß § 70 (Abs. 1 Z 1) BWG 1993 ist das beaufsichtigte Kreditinstitut; der Gesetzgeber hat den Mitgliedern des Aufsichtsrates keine Parteistellung eingeräumt (vgl. ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter und die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Dr. L in B, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lins & Dr. Öztürk KG in 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W276 2253755-1/4E, betreffend Verweigerung der Akteneinsicht in einem Verfahren nach § 70 Abs. 1 BWG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzmarktaufsichtsbehörde; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Schreiben der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) vom  sowie vom wurde die S B Bank AG gemäß § 70 Abs. 1 Z 1 Bankwesengesetz (BWG) aufgefordert, zu dem darin umschriebenen Sachverhalt betreffend das Sanierungsverfahren der S GmbH, in welchem sowohl die S B Bank AG, deren Aufsichtsratsvorsitzender der Revisionswerber gewesen sei, als auch die Gemeinde L, die in diesem Verfahren vom Revisionswerber vertreten worden sei, Gläubigerinnen gewesen seien, sowie den hierzu formulierten Fragen binnen näher genannter Frist Stellung zu nehmen.

2 1.2. Der Revisionswerber wurde mit Schreiben der FMA vom ebenfalls gemäß § 70 Abs. 1 Z 1 BWG aufgefordert, zu diesem Sachverhalt sowie den hierzu formulierten Fragen binnen näher genannter Frist Stellung zu nehmen.

3 1.3. Mit Schriftsatz vom stellte der Revisionswerber den Antrag, ihm die „Aktenabschriften über den gesamten der FMA vorliegenden Akt zu übermitteln“.

4 1.4. Die FMA wies den Antrag des Revisionswerbers „auf Akteneinsicht in das bei der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) geführte Verfahren betreffend die S[...] B[...] Bank AG“ mit Bescheid vom  mangels Parteistellung im Verfahren gegenüber der S B Bank AG zurück.

5 2.1. Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision unzulässig sei.

6 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Revisionswerber sei bis zum Vorsitzender des Aufsichtsrates der S B Bank AG gewesen. Er sei zudem seit 1994 eingetragener Rechtsanwalt. Die FMA führe zu einer näher genannten Geschäftszahl ein Verfahren betreffend die S B Bank AG, in dem die Frage der Unvoreingenommenheit des Aufsichtsratsvorsitzenden zu prüfen sei. Im Verfahren habe die belangte Behörde dem Vorwurf eines anonymen Meldungslegers, der Revisionswerber hätte im Sanierungsverfahren der S GmbH als Vertreter der Gemeinde L gehandelt und einer Sanierungsquote von 50% zugestimmt, nachzugehen gehabt. Darüber hinaus hätte er auch andere Gläubiger davon überzeugt, dieser Quote zuzustimmen. Eine Annahme dieser Quote sei nicht notwendig gewesen, weil die Sicherheiten bei Verwertung die Forderungen voll erfüllt hätten. Zudem sei der Vorwurf im Raum gestanden, der Revisionswerber hätte einen möglichen Interessenskonflikt zwischen seiner Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrates der S B Bank AG und seiner Funktion als anwaltlicher Vertreter der im erwähnten Sanierungsverfahren beteiligten Gemeinde L nicht berücksichtigt bzw. nicht offengelegt. Zur Aufklärung des von der FMA zu beurteilenden Sachverhaltes seien die S B Bank AG und der Revisionswerber gemäß § 70 Abs. 1 Z 1 BWG aufgefordert worden, zu näher formulierten Fragen Stellung zu nehmen.

7 Der Revisionswerber könne in diesem gegen die S B Bank AG geführten Verfahren weder Rechtsansprüche geltend machen noch besitze er ein rechtliches Interesse am Ausgang des Verfahrens. Er sei daher Beteiligter, nicht aber Partei, zumal eine Beeinflussung seiner Rechtsstellung durch einen im Verfahren allenfalls erlassenen Bescheid nicht erkennbar sei. Ein Recht auf Akteneinsicht käme dem Revisionswerber jedoch nur dann zu, wenn er Partei in diesem Verfahren wäre. Zudem hätten Aufsichtsräte in Verfahren gegenüber Kreditinstituten, in denen sie eine Aufsichtsratsfunktion wahrnähmen und die auf ihre mögliche Absetzung hinauslaufen könnten, auch keine Parteistellung, weil die Reaktion des mit dem Bescheid adressierten Kreditinstituts als handelnde juristische Person zwischen eine allfällige Maßnahme der Behörde und deren Wirkung beim einzelnen Aufsichtsratsmitglied trete. Eine indirekte bzw. reflexartige Wirkung könne jedoch nach Maßgabe des § 8 AVG keine Parteistellung vermitteln. Allfällige wirtschaftliche Auswirkungen seien ebenfalls keine relevanten Interessen, um ein rechtliches Interesse und damit eine Parteistellung des Antragstellers zu begründen. Dementsprechend bestünden keine Parteirechte des Revisionswerbers in dem von der FMA gegenüber der S B Bank AG geführten Verfahren. Mangels Parteistellung komme dem Revisionswerber kein Recht auf Akteneinsicht zu.

8 2.2. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom , E 2635/2022-13, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom , E 2635/2022-15, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

9 3. In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision erhoben, die sich als unzulässig erweist:

10 4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 4.2. Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend, das Recht des Revisionswerbers auf Akteneinsicht sei unrichtig beurteilt worden. Hintergrund des Verfahrens der FMA sei es, die Frage der angeblichen Unvoreingenommenheit des Revisionswerbers als ehemaligem Aufsichtsratsvorsitzenden zu beurteilen, wobei der Revisionswerber im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen mit Schreiben der FMA vom eingeladen worden sei, seine Wahrnehmung zu den zu Unrecht gegen ihn erhobenen Vorwürfen, wonach er in einem Sanierungsverfahren auf diverse Gläubiger eingewirkt habe, was für die S B Bank AG zu einer näher genannten Erhöhung der Risikoaufwendungen für dieses notleidende Engagement geführt habe, mitzuteilen. Hieraus ergebe sich, dass das Verfahren gegen den Revisionswerber selbst gerichtet sei und seine Interessensphäre massiv berührt werde. Er sei durch das Verfahren der FMA direkt und unmittelbar betroffen, weshalb der Revisionswerber in diesem Verfahren Partei sei bzw. ihm parteiähnliche Stellung zukomme.

14 4.3. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Revision bereits deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlich Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG darzulegen, weil sie es unterlässt, konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Bundesverwaltungsgericht ihrer Ansicht nach in welchen Punkten abgewichen sein soll bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. , mwN).

15 4.4. Darüber hinaus vermag die Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen auch nicht aufzuzeigen, dass dem Revisionswerber die Akteneinsicht in dem nach § 70 Abs. 1 BWG geführten aufsichtsrechtlichen Verfahren zu Unrecht verwehrt wurde:

16 Voraussetzung für das Recht auf Akteneinsicht nach § 17 AVG ist, dass der die Akteneinsicht begehrenden Person in jenem Verwaltungsverfahren, in dessen Akten Einsicht genommen werden soll, Parteistellung zukommt (vgl. , mwN).

17 Nach § 8 AVG sind Parteien eines Verwaltungsverfahrens Personen, die an der Sache vermöge eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind. Wer Partei in einem Verwaltungsverfahren ist, kann aber nicht allein anhand des § 8 AVG geklärt werden, sondern es muss die Parteistellung aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden. Sagt das Gesetz nicht ausdrücklich, ob jemand einen Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse und damit Parteistellung hat, muss dies durch Auslegung festgestellt werden, wobei Parteien alle jene Personen sind, deren rechtliche Stellung durch das Ergebnis eines von der Verwaltungsbehörde abzuführenden Verfahrens tangiert werden kann, deren Rechtsstellung also von diesem Verfahren abhängig ist. Abzustellen ist auf die Möglichkeit der Rechtsverletzung, auf die mögliche unmittelbare Beeinträchtigung der Rechtssphäre der Person (vgl. , mwN).

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 70 BWG bereits festgehalten, dass diese Bestimmung keine Regelungen über die Parteistellung enthält. Zudem normiert § 70 Abs. 1 BWG lediglich Aufsichtsbefugnisse der FMA in ihrem Zuständigkeitsbereich als Bankenaufsichtsbehörde, die sie jederzeit zur Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Kreditinstitute-Verbünde und der Kreditinstitutsgruppen wahrnehmen kann (vgl. zur Parteistellung in Verfahren gemäß § 70 Abs. 2 BWG: , mwN).

19 Dass die Ausübung der der Beaufsichtigung von Kreditinstituten, Kreditinstitute-Verbünden und Kreditinstitutsgruppen dienenden Befugnisse gemäß § 70 Abs. 1 Z 1 BWG gegenüber der S B Bank AG durch die FMA unmittelbar die Rechtssphäre des Revisionswerbers zu beeinträchtigen vermag, wird mit dem bloßen Verweis darauf, dass das Verhalten des Revisionswerbers Gegenstand der nach § 70 Abs. 1 Z 1 BWG von der S B Bank AG geforderten Auskunft gewesen sei und der Revisionswerber selbst aufgefordert worden sei, hierzu Auskunft zu geben, nicht dargetan. Aus dem Umstand, dass die Einsicht in Akten für den Revisionswerber im Hinblick auf die Durchsetzung seiner Interessen in einem allfällig anderen (auf denselben Sachverhalt bezugnehmenden) Verfahren von Bedeutung sein könnte, lässt sich hingegen kein Recht auf Akteneinsicht gemäß § 17 AVG ableiten (vgl. , mwN).

20 Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom , E 2635/2022-13, mit welchem die Beschwerde des Revisionswerbers gegen das angefochtene Erkenntnis abgelehnt wurde, bereits darauf hingewiesen, dass in „aufsichtsrechtlichen Verfahren gemäß „§ 70 (Abs. 1 Z 1) BWG“ Normadressat das beaufsichtigte Kreditinstitut ist und der Gesetzgeber den Mitgliedern des Aufsichtsrates keine Parteistellung eingeräumt hat.

21 5.1. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

22 5.2. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

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Normen
AVG §8
B-VG Art133 Abs4
BWG 1993 §70
BWG 1993 §70 Abs1
BWG 1993 §70 Abs1 Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023020031.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAF-46179