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VwGH 21.12.2022, Ra 2022/22/0173

VwGH 21.12.2022, Ra 2022/22/0173

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Bereits das Fehlen der erforderlichen Fertigung im Sinne von § 18 Abs. 4 AVG steht dem Vorliegen eines rechtswirksam erlassenen Bescheids entgegen (vgl. ; ).
Normen
RS 2
Die Erteilung eines Aufenthaltstitels im NAG 2005 ist im Grundsatz dahin geregelt, dass der Bundesminister für Inneres gemäß § 8 Abs. 2 NAG 2005 das Aussehen und den Inhalt der Aufenthaltstitel nach Abs. 1 durch Verordnung festlegt. Gemäß § 1 der NAGDV 2005 werden Aufenthaltstitel als Karte erteilt und sind nach einem festgelegten Muster auszustellen. Demnach bewirkt die Ausfolgung (tatsächliche Übergabe und Entgegennahme) des Aufenthaltstitels - im Erteilungsfall - in der Regel gleichzeitig den Akt der Zustellung und es entsteht die rechtliche Wirkung des Bescheides erst durch diesen Akt (Hinweis E , 2008/22/0882).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2012/22/0206 E RS 3
Normen
RS 3
Auch in Form von Vignetten oder Karten ausgefolgte Aufenthaltstitel sind Bescheide iSd AVG (Hinweis E , 2009/22/0239, E , 2008/22/0681).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2009/22/0081 E RS 1
Normen
RS 4
Die in § 23 Abs. 2 und 3 NAG 2005 normierte Vorgangsweise ist gerade für jene Fälle vorgesehen, in denen dem Fremden, der sich im Ausland befindet, ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre und der Fremde ein Visum zur Einreise benötigt (zur in der Regel persönlichen Ausfolgung von Aufenthaltstiteln durch die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde siehe § 19 Abs. 7 NAG 2005).
Normen
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §15 Abs2
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z14
VwGG §34 Abs1
RS 5
Im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels bedarf es zu einer rechtmäßigen Einreise eines Fremden in das Bundesgebiet nicht mehr der Erteilung eines Visums (vgl. § 15 Abs. 2 zweiter Satz iVm. § 2 Abs. 4 Z 14 FrPolG 2005).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie Hofrat Dr. Schwarz und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Thaler, in der Revisionssache des A A, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Senefeldergasse 11/1E, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW-151/049/6538/2022-16, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde des Revisionswerbers, eines türkischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom , mit dem dessen Antrag vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Student“ gemäß § 64 iVm. § 21 Abs. 1 und 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen worden war, gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Wie bereits die belangte Behörde ging auch das Verwaltungsgericht davon aus, dass gegenständlich nicht (wie im Antragsformular angeführt) ein Verlängerungs-, sondern ein Erstantrag vorliege und dass es sich bei dem an den Revisionswerber ergangenen E-Mail der belangten Behörde vom nicht um einen Bescheid gehandelt habe, mit dem dem Revisionswerber in Erledigung seines bei der Österreichischen Botschaft in Ankara am eingebrachten (und bei der belangten Behörde am eingelangten) Antrags ein Aufenthaltstitel „Student“ erteilt worden sei.

Das in Rede stehende E-Mail vom habe wie folgt gelautet (Unterstreichungen im Original):

„Sehr geehrte Damen und Herren!

Ihr Antrag wurde bewilligt - die zuständige österreichische Botschaft wurde verständigt und wird sich mit Ihnen zwecks Ausstellung eines VISA D in Verbindung setzen. Nach Ihrer Einreise nach Österreich melden Sie sich bitte unverzüglich per Mail bei uns - Sie erhalten dann schnellstmöglich eine Ladung zwecks persönlicher Vorsprache.

Vielen Dank!“

Im Hinblick auf seinen Antrag vom sei dem Revisionswerber ein Visum D mit Gültigkeit bis zum erteilt worden. Das Verfahren betreffend diesen Antrag sei am gemäß § 23 Abs. 3 NAG eingestellt worden, weil der Aufenthaltstitel infolge einer verzögerten Vorlage von Unterlagen durch den Revisionswerber nicht mehr innerhalb der Gültigkeitsdauer des Visums D habe ausgefolgt werden können.

Da der Revisionswerber in weiterer Folge nach Ablauf des Visums D und ohne einen gültigen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet verblieben sei, liege hinsichtlich des gegenständlichen Antrags vom , der unzulässiger Weise im Inland gestellt worden sei, der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 iVm. § 21 Abs. 6 NAG vor. Eine Interessenabwägung im Sinn von § 11 Abs. 3 NAG iVm. Art. 8 EMRK falle zu Ungunsten des Revisionswerbers aus.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Begründung der Zulässigkeit geltend gemacht wird, das angefochtene Erkenntnis weiche von der hg. Rechtsprechung ab, weil das Verwaltungsgericht die in Rede stehende Mitteilung vom zu Unrecht nicht als Bescheid gewertet habe. Rechtens wäre der gegenständliche Antrag vom als Verlängerungs- und nicht als Erstantrag zu qualifizieren gewesen.

4 Die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG liegen nicht vor:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Frage, ob eine nicht als Bescheid bezeichnete Erledigung auf Grund ihres konkreten Erscheinungsbildes, insbesondere ihres konkreten Aufbaues und ihrer konkreten sprachlichen Fassung als Bescheid zu beurteilen ist, eine einzelfallbezogene Auslegungsfrage dar und ist daher im Regelfall nicht revisibel. Anderes gilt, wenn das vom Verwaltungsgericht erzielte Auslegungsergebnis vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unvertretbar ist (vgl. etwa , Rn. 18, mwN; , Rn. 11). Derartiges zeigt die Revision nicht auf.

9 Zum einen ist ausgehend von den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verfahrensakten sowie den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - die Revision enthält diesbezüglich kein konkretes Vorbringen - nicht ersichtlich, dass die an den Revisionswerber per E-Mail ergangene Erledigung vom  mit einer Fertigung im Sinn von § 18 Abs. 4 AVG versehen gewesen wäre, wobei bereits das Fehlen der erforderlichen Fertigung dem Vorliegen eines rechtswirksam erlassenen Bescheids entgegensteht (zu den sich aus § 18 Abs. 4 AVG ergebenden Anforderungen an die Fertigung eines Bescheides vgl. etwa , Rn. 11 ff., mwN; siehe ferner , Rn. 15, mwN).

10 Zum anderen hat - worauf im angefochtenen Erkenntnis zutreffend hingewiesen wurde - der Verwaltungsgerichtshof mehrfach festgehalten, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels im NAG im Grunde dahin geregelt ist, dass der Bundesminister für Inneres gemäß § 8 Abs. 2 NAG das Aussehen und den Inhalt der Aufenthaltstitel durch Verordnung festlegt. Gemäß § 1 NAG-Durchführungsverordnung werden Aufenthaltstitel als Karte erteilt und sind nach einem festgelegten Muster auszustellen; im Fall der Erteilung bewirkt die Ausfolgung (tatsächliche Übergabe und Entgegennahme) des Aufenthaltstitels in der Regel gleichzeitig den Akt der Zustellung, und es entsteht in der Regel die rechtliche Wirkung des Bescheids erst durch diesen Akt. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon wiederholt ausgesprochen, dass in Form von Vignetten oder Karten ausgefolgte Aufenthaltstitel Bescheide im Sinn des AVG sind (vgl. etwa , Pkt. 6.2. der Entscheidungsgründe, mwN; siehe auch , Pkt. 6.3. der Entscheidungsgründe).

11 Wenn der Revisionswerber geltend macht, der „Mitteilung“ vom , dass sein Antrag bewilligt worden sei, habe ein normativer Inhalt „beigewohnt“, weshalb diese „Mitteilung“ als Bescheid zu qualifizieren sei, ist zudem auf die in § 23 Abs. 2 und 3 NAG normierte Vorgangsweise zu verweisen, die gerade für jene Fälle vorgesehen ist, in denen dem Fremden, der sich im Ausland befindet, ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre und der Fremde ein Visum zur Einreise benötigt (zur in der Regel persönlichen Ausfolgung von Aufenthaltstiteln durch die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde siehe § 19 Abs. 7 NAG). So wurde der Revisionswerber mit dem gegenständlichen E-Mail auch darüber informiert, dass sich die zuständige Österreichische Botschaft mit ihm zwecks Ausstellung eines Visums D in Verbindung setzen werde (vgl. § 23 Abs. 2 NAG iVm. § 21 und § 25 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 [FPG] sowie die in der zuletzt genannten Bestimmung geregelten „Visa zur Erteilung eines Aufenthaltstitels“). Wäre dem Revisionswerber indes bereits mit E-Mail vom ein Aufenthaltstitel erteilt worden, hätte es zu seiner rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr der Erteilung eines Visums bedurft (vgl. § 15 Abs. 2 zweiter Satz iVm. § 2 Abs. 4 Z 14 FPG). Auch dies spricht für das Zutreffen der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung und gegen die vom Revisionswerber vertretene Sichtweise, derzufolge das gegenständliche E-Mail als ein einen Aufenthaltstitel erteilender Bescheid zu betrachten wäre.

12 Da die Revision somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwirft, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022220173.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-46172