VwGH 16.11.2022, Ra 2022/20/0298
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist die Verfügung, ein bereits abgeschlossenes Verfahren neuerlich durchzuführen, weil - aus den im Gesetz genannten besonderen Gründen - die Richtigkeit der Sachentscheidung im ersten Verfahren in Frage gestellt erscheint (). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2022/02/0084 B RS 1 |
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RS 2 | Ein "Erschleichen", das zur Wiederaufnahme eines Verfahrens führen kann, liegt dann vor, wenn die betreffende Entscheidung in einer Art zustande gekommen ist, dass die Partei gegenüber der Behörde oder dem Gericht objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat und die Angaben dann der Entscheidung zugrunde gelegt wurden, wobei die Verschweigung maßgeblicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Nach der Rechtsprechung des VwGH erfordert ein "Erschleichen" zudem, dass die Behörde oder das Gericht auf die Angaben der Partei angewiesen ist und es ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere Ermittlungen durchzuführen (vgl. etwa , mwN). |
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RS 3 | Von einem "Erschleichen", das zur Wiederaufnahme eines Verfahrens führen kann, kann nicht gesprochen werden, wenn die Behörde es verabsäumt hat, von den ihr ohne besondere Schwierigkeiten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung Gebrauch zu machen. Dem betreffenden Verfahren darf also kein ein "Erschleichen" ausschließender relevanter Ermittlungsmangel in Bezug auf das maßgebliche Sachverhaltselement anhaften (vgl. auch dazu VwGH Ra 2018/22/0227, dort betreffend das Vorliegen einer Aufenthaltsehe). Indessen steht der Umstand bereits zuvor vorhandener, jedoch trotz durchgeführter Ermittlungen vorläufig nicht bestätigter Verdachtsmomente der späteren Wiederaufnahme wegen "Erschleichens" gestützt auf neu hervorgekommene Tatsachen nicht entgegen (vgl. nochmals VwGH Ra 2018/22/0227). |
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RS 4 | Die für die Erschleichung eines Bescheides notwendige Irreführungsabsicht setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass die Partei wider besseren Wissens gehandelt hat, um einen vielleicht sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Ob Irreführungsabsicht vorliegt, kann nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden, die von der Behörde in freier Beweiswürdigung festzustellen sind (vgl. , mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/01/0169 B RS 4 |
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RS 5 | Der Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat absoluten Charakter; es kommt nicht darauf an, ob ohne das verpönte Verhalten voraussichtlich eine anders lautende Entscheidung ergangen wäre bzw. ob die Behörde oder das VwG im neuen Verfahren voraussichtlich zu einer anders lautenden Entscheidung gelangen wird (vgl. ; , 2005/01/0129). Ermittlungen zur Frage der Relevanz des als Wiederaufnahmegrund herangezogenen Verhaltens sind daher grundsätzlich entbehrlich. Richtig ist lediglich, dass den zu beurteilenden unrichtigen Angaben wesentliche Bedeutung zukommen muss (vgl. ). Das die Wiederaufnahme auslösende Verhalten der Partei muss auf die Erlassung eines konkreten Bescheides bzw. Erkenntnisses zielgerichtet sein bzw. das Verhalten denknotwendig der Erlassung des Bescheides bzw. Erkenntnisses vorangehen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/22/0076 E RS 2 |
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RS 6 | Der Kausalzusammenhang zwischen den unrichtigen Angaben des Fremden bezüglich seiner Identität und der Erteilung des Aufenthaltstitels kann nicht in Zweifel gezogen werden, geht es doch in diesem Verfahren darum, einer ganz bestimmten, durch ihren Namen, ihr Geburtsdatum und ihre Nationalität identifizierbaren Person einen Aufenthaltstitel zu erteilen und dadurch ihren rechtlichen Status zu gestalten. Insofern kann nicht gesagt werden, es sei belanglos, für welche Identität ein Aufenthaltstitel erteilt wird (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/22/0076 E RS 3 (hier: ohne den letzten Satz) |
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RS 7 | Es muss ein Kausalitätszusammenhang zwischen der unrichtigen Angabe der Partei und dem Entscheidungswillen der Behörde bestehen, damit das verpönte Handeln als ein die Wiederaufnahme rechtfertigendes "Erschleichen" qualifiziert werden kann (vgl. etwa , mwN). |
Normen | AsylG 2005 §34 AsylG 2005 §8 Abs1 AsylG 2005 §8 Abs6 AVG §58 Abs2 AVG §59 Abs1 AVG §60 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §29 Abs1 |
RS 8 | Durch die im Asylverfahren vom Fremden vorgenommene Benennung oder die von der Behörde erfolgte Feststellung eines Herkunftsstaats erfolgt keine Eingrenzung des Prozessgegenstandes. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 sieht die Zuerkennung des "Status des subsidiär Schutzberechtigten" an einen Fremden vor, wenn die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen vorliegen. Dass bei der diesbezüglichen Prüfung - in erster Linie, abgesehen von besonderen Konstellationen, wie etwa der in § 8 Abs. 6 AsylG 2005 oder der Zuerkennung dieses Status im Rahmen des Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 - der Herkunftsstaat in den Blick zu nehmen ist, ergibt sich aus den Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Status. Insoweit hat sich aus der Begründung einer Entscheidung zu ergeben, weshalb diese Voraussetzungen in Bezug auf den Herkunftsstaat vorliegen oder nicht gegeben sind. Dass es aber geboten wäre, den Prozessgegenstand über den Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch Anführung des Herkunftsstaates im Spruch einer Entscheidung einzugrenzen, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Vielmehr sprechen gerade die erwähnten Bestimmungen des § 8 Abs. 6 AsylG 2005 und § 34 AsylG 2005 gegen das Verständnis eines solcherart eingeengten Verfahrensgegenstandes. |
Normen | AsylG 1997 §8 Abs1 AsylG 2005 §8 Abs1 AsylG 2005 §8 Abs3a AsylG 2005 §9 Abs2 FrPolG 2005 §51 Abs1 FrPolG 2005 §52 Abs9 |
RS 9 | Den auf die Rechtsstellung des Fremden nach erfolgter Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Bezug nehmenden Bestimmungen ist nicht zu entnehmen, dass es nach dem Gesetz geboten wäre, im Verfahren über die Zuerkennung dieses Status den Verfahrensgegenstand im Hinblick auf ein bestimmtes Land zu begrenzen (vgl. demgegenüber die anders gelagerte frühere - bis zum - geltende Rechtslage nach dem § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, wonach, wenn der Asylantrag abzuweisen war, von der Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen war, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist; vgl. dazu, dass aus dem Spruch der Entscheidung zu § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 der [allenfalls: behauptete] Herkunftsstaat in eindeutiger Weise hervorzugehen hatte, etwa , 0014; hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang zudem darauf, dass auch die aktuelle Rechtslage - allerdings gerade nicht in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - weiterhin ähnliche [Feststellungs-]Aussprüche kennt, sh. etwa § 8 Abs. 3a AsylG 2005, § 9 Abs. 2 AsylG 2005, § 51 Abs. 1 FrPolG 2005, § 52 Abs. 9 FrPolG 2005). |
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RS 10 | Der Ansicht des Revisionswerbers, die wahre Identität eines Fremden sei bei einer Entscheidung nach § 55 AsylG 2005 "grundsätzlich nicht von wesentlicher Bedeutung", ist nicht beizupflichten. Ebenso wie im Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG 2005 ist auch in Bezug auf nach dem AsylG 2005 zu erteilende Aufenthaltstitel festzuhalten, dass der Kausalzusammenhang zwischen den unrichtigen Angaben eines Fremden bezüglich seiner Identität und der Erteilung des Aufenthaltstitels nicht in Zweifel gezogen werden kann. |
Normen | AsylG 2005 §55 AsylG 2005 §55 Abs1 Z1 AsylG 2005 §58 Abs11 AVG §69 Abs1 Z1 MRK Art8 VwGVG 2014 §32 Abs1 Z1 |
RS 11 | Auch der Umstand, dass es nach der Rechtsprechung des VwGH unzulässig ist, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 trotz Vorliegens der Voraussetzung nach Abs. 1 Z 1 dieser Bestimmung allein bloß wegen Nichtvorlage von Identitätsdokumenten zurückzuweisen und bei Anträgen nach § 55 AsylG 2005 auch einer Zurückweisung nach § 58 Abs. 11 AsylG 2005 eine Interessenabwägung voranzugehen hat, vermag die Maßgeblichkeit der Bedeutung der korrekten Identifizierung eines Fremden nicht zu schmälern (vgl. ferner zur Wesentlichkeit der Kenntnis der wahren Identität eines Asylwerbers ; weiters darauf Bezug nehmend und betreffend die Wiederaufnahme wegen falscher Identitätsangaben ). Die Auffassung, dass falsche Angaben zur Identität samt Staatsangehörigkeit sogar die Beendigung eines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts und die Trennung von Familienangehörigen (auch von minderjährigen Kindern eines Fremden) rechtfertigen können, wurde im Übrigen auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geteilt (vgl. EGMR , Alleleh u.a./Norwegen, 569/20, auszugsweise in deutscher Sprache wiedergegeben in NLMR 3/2022, 253 ff) und unterstreicht ebenfalls die große Bedeutung der Kenntnis von der wahren Identität eines Fremden. |
Normen | |
RS 12 | Es steht der Annahme einer Irreführungsabsicht nicht entgegen, wenn ein Fremder seine bewusst wahrheitswidrigen Angaben (zur Identität und Staatsangehörigkeit) infolge des Einflusses eines Dritten - etwa eines Schleppers oder (wie hier) der Eltern - macht. |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2023/20/0579 B
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel, den Hofrat Dr. Horvath und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann-Preschnofsky, über die Revision des S K in H, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Dr. Thomas Lechner und Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , L515 2218104-1/26Z, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird, soweit damit von Amts wegen die Wiederaufnahme des mit Spruchpunkt 4) A) I) des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom abgeschlossenen Verfahrens verfügt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Im Übrigen wird die Revision abgewiesen.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der im Oktober 1997 geborene Revisionswerber reiste mit seinen - „traditionell“ verheirateten - Eltern und seiner Großmutter (väterlicherseits) unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein. Alle stellten am einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Sie gaben bei der Erstbefragung an, russische Staatsangehörige zu sein, behaupteten aber im weiteren Asylerfahren, staatenlos zu sein.
2 Sämtliche Anträge blieben im Instanzenzug erfolglos. Gegen die Eltern und die Großmutter des Revisionswerbers wurden zudem Rückkehrentscheidungen erlassen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging in seinen Entscheidungen davon aus, dass alle Familienmitglieder armenische Staatsangehörige seien.
3 Soweit es den Revisionswerber betrifft, wurde sein Antrag auf internationalen Schutz - sowohl in Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten - letztlich vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom abgewiesen sowie die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochene Verweigerung der amtswegigen Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 bestätigt [Spruchpunkt 4.) A) I)]. Allerdings gab das Verwaltungsgericht seiner Beschwerde gegen die übrigen von der Behörde getroffenen Entscheidungen (Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes, Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung) statt und stellte - unter Behebung der infolgedessen nicht zu treffenden Aussprüche [Spruchpunkt 4.) A) III)] - fest, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 AsylG 2005 und § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) auf Dauer unzulässig sei, und erteilte ihm unter den Identitätsdaten „X Y, StA. ungeklärt“ nach §§ 54, 55 AsylG 2005 den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ mit einer Gültigkeit für die Dauer von 12 Monaten „beginnend mit dem Ausstellungsdatum“ [Spruchpunkt 4.) A) II)].
4 Soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren maßgeblich, führte das Bundesverwaltungsgericht in diesem Erkenntnis aus, die Familienmitglieder hätten vorgebracht, staatenlos zu sein, bis zum Jahr 1990 in Lacin/Bergkarabach und danach in Russland gewohnt, aber nie die russische Staatsangehörigkeit erworben zu haben. Weiters sei ausgeführt worden, dass der Revisionswerber in Russland geboren sei und nur dort gelebt habe.
5 Mangels eindeutiger Angaben aller Familienmitglieder zu ihrer Herkunft habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein in Schweden ansässiges Sprachinstitut mit einer Sprach- und Herkunftsanalyse - auch in Bezug auf den Revisionswerber - beauftragt. Dem von diesem Institut erstatteten Bericht zufolge liege „der sprachliche Hintergrund“ des Revisionswerbers und seiner Eltern in Armenien und mit nur geringer Wahrscheinlichkeit in Aserbaidschan. Diese hätten aber im Rahmen einer Stellungnahme weiterhin betont, „nichts mit Armenien zu tun zu haben“. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe (gemeint: im Spruch seiner Entscheidungen) bei der auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gestützten Abweisung der von sämtlichen Familienmitgliedern gestellten Anträge in Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz angeführt, dass der subsidiäre Schutz betreffend die Mutter und die Großmutter des Revisionswerbers in Bezug auf Armenien und betreffend den Revisionswerber und seinen Vater „in Bezug auf den Herkunftsstaat“, wobei Armenien gemeint gewesen sei, nicht gewährt werde.
6 Das Bundesverwaltungsgericht tätigte im Beschwerdeverfahren ergänzende Erhebungen, um (insbesondere) die Staatsangehörigkeit sämtlicher Familienmitglieder feststellen zu können. Es wurden im Rahmen dieser Ermittlungen (unter anderem) auch weitere - auch in Bezug auf die Großmutter des Revisionswerbers (diese sei allerdings „nicht gewillt gewesen[,] überhaupt zu sprechen“) - Sprachanalysen durchgeführt. Weiters zog das Bundesverwaltungsgericht zur mit den Familienmitgliedern abgehaltenen Verhandlung Dolmetscher für die Sprachen „Kurdisch Kurmandschi“ sowie Armenisch und Russisch bei. In der Verhandlung erfolgte eine ausführliche Befragung der Familienmitglieder, bei der das Verwaltungsgericht (auch) zahlreiche Fragen stellte, die darauf abzielten, deren Identität und Staatsangehörigkeit zu eruieren.
7 Letztlich kam das Bundesverwaltungsgericht in den über die Beschwerden der Familienmitglieder absprechenden Erkenntnissen je vom zum Ergebnis, dass die Familienmitglieder Angehörige der kurdischen Volksgruppe seien und dem jezidischen Glauben angehörten. Ihre Identität und Staatsangehörigkeit habe aber nicht geklärt werden können. Dabei berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht auch die von ihm getroffenen Feststellungen zu Armenien und Russland (im Besonderen zu den dort gegebenen Umständen und den dortigen Rechtsvorschriften, wann jemand deren Staatsangehörigkeit erlange und innehabe). Ausdrücklich hielt das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der ausführlichen beweiswürdigenden Erwägungen auch fest, es sei auf die mangelnde Mitwirkung des Revisionswerbers und seiner Angehörigen an der Identitätsfeststellung zurückzuführen gewesen, dass es nicht möglich gewesen sei, ihre Identität festzustellen. Aufgrund der Ergebnisse der bisherigen Recherchen, in deren Rahmen das Bundesverwaltungsgericht alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft habe, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf eine bestimmte Staatsangehörigkeit der Familienmitglieder geschlossen werden. Für weitere Ermittlungen sei das Verwaltungsgericht auf deren Mitwirkung und verlässliche Angaben von ihnen angewiesen. Sie hätten aber „zumindest Teile ihrer wahren Identität und Lebensumstände“ gegenüber der Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht verschleiert. Das Bundesverwaltungsgericht hielt allerdings an diversen Stellen seiner Begründung auch fest, dass die Richtigkeit mancher Angaben anhand der Ermittlungsergebnisse nicht habe gänzlich ausgeschlossen werden können. Auch werde „die behauptete Staatenlosigkeit im Lichte der oa. Ausführungen“ nicht „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen“.
8 Aufgrund dieses von ihm erzielten Beweisergebnisses änderte das Bundesverwaltungsgericht die behördlichen Aussprüche in Bezug auf die Verweigerung von subsidiärem Schutz an sämtliche Familienmitglieder dahingehend ab, dass - unter Entfall des Hinweises auf einen Herkunftsstaat - die Abweisung des jeweiligen Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf § 8 Abs. 6 erster Satz AsylG 2005 gestützt wurde.
9 In Bezug auf die Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber führte das Bundesverwaltungsgericht aus, „aufgrund der Existenz der rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Lebensgefährtin, des gemeinsamen legal aufhältigen dreijährigen Sohnes, derselben Wohnadresse und der gemeinsamen Obsorge“ sei „im konkreten, nicht verallgemeinerungsfähigen Einzelfall in dubio[.] von einem Überwiegen der privaten Interessen gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung auszugehen“. Im Rahmen der Interessenabwägung hielt das Bundesverwaltungsgericht allerdings auch ausdrücklich fest, dass bei einer solchen grundsätzlich die Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen seien. Da ein solcher nicht habe festgestellt werden können, hätten dazu aber keine „detaillierten Ausführungen getroffen werden“ können.
10 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Beschluss vom sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass das den Revisionswerber betreffende, mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom rechtskräftig abgeschlossene Verfahren über seine Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 VwGVG von Amts wegen wiederaufgenommen werde. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
11 Auf das Wesentliche zusammengefasst führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es sei - in einem anderen vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren wegen Verhängung einer Mutwillensstrafe - am eine Mitteilung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl eingelangt, der zufolge gegen den Revisionswerber aufgrund des ihm erteilten Aufenthaltsrechts keine fremdenrechtlichen Maßnahmen ergriffen werden könnten. In Bezug auf seine Großmutter und seine Eltern werde „die Erlassung eines Mitwirkungsbescheides gemäß [§] 46 Abs. 2b FPG und alternativ die sofortige Einleitung eines ‚HRZ-Verfahrens‘ (Verfahren zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments für die Abschiebung) geprüft“. Mit der weiteren Eingabe vom habe die Behörde dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt, dass die Großmutter und Eltern des Revisionswerbers von der zuständigen armenischen Migrationsbehörde als armenische Staatsangehörige identifiziert worden seien. Es sei auch die Ausstellung eines Ersatzreisedokuments zugesagt worden. Dieser Stellungnahme sei das entsprechende Antwortschreiben des armenischen Migrationsdienstes und der dort zuständigen Pass- und Visabehörde beigefügt worden. „Nach der entsprechenden Auskunftslage und dem vorgenommenen Abgleich der Personendaten“ handle es sich bei den Verwandten des Revisionswerbers um armenische Staatsangehörige, die im armenischen Staatsbürgerschaftsregister unter näher angeführten Namen aufschienen. In Bezug auf den Revisionswerber gehe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon aus, dass seine bisherigen Angaben zur Identität ebenfalls falsch gewesen seien und er aufgrund der Staatsangehörigkeit der Eltern gleichermaßen armenischer Staatsangehöriger sei.
12 Das Bundesverwaltungsgericht habe den Revisionswerber aufgefordert, sich zu den Ausführungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl zu äußern. Am habe er eine Stellungnahme eingebracht. Diese wurde vom Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss auszugweise wörtlich wiedergegeben.
13 Der Revisionswerber - so das Bundesverwaltungsgericht in seiner Begründung für die Wiederaufnahme weiter - habe im Asylverfahren in Abrede gestellt, armenischer oder russischer Staatsangehöriger zu sein. Er sei aber armenischer, möglicherweise auch russischer Staatsangehöriger. Er habe im Asylverfahren zu seiner Identität durchgehend zu seinem Namen angegeben, „X Y“ zu heißen. In Wahrheit heiße er „S K“. Er habe sich den ihm erteilten Aufenthaltstitel durch die Vortäuschung einer falschen Identität erschlichen. Hätte er von Beginn an richtige Angaben zu seiner Identität und seiner Herkunft gemacht, hätte das Asylverfahren bereits früher abgeschlossen und nach Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes eine Abschiebung durchgeführt werden können. Es sei dem Revisionswerber auch darauf angekommen, durch sein Verhalten die Erledigung seines Asylverfahrens zu verzögern und zu einem Ausgang in seinem Sinn hinzuführen, was ihm auch gelungen sei. Es stehe außer Zweifel, dass der Revisionswerber objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gemacht habe. Er habe falsche Angaben zu seinem Namen, seiner Herkunft und Staatsangehörigkeit sowie zum Besitz von Identitätsdokumenten gemacht. Damit sei auch davon auszugehen, dass die bisherigen Angaben zu seinem Aufenthalt sowie die privaten und familiären Verhältnisse in Russland und Aserbaidschan nicht der Wahrheit entsprochen hätten. Es sei aus den hervorgekommenen Beweisergebnissen zudem mit erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf zu schließen, dass auch die Behauptungen zu den Fluchtgründen nicht der Wahrheit entsprochen hätten „bzw. wurde dies mit oa. Erkenntnis vom bereits rechtskräftig festgestellt“. Es bestehe sohin ein Kausalzusammenhang zwischen den unrichtigen Angaben des Revisionswerbers und dem Spruch des Erkenntnisses vom , „zumal bei einem rechtskonformen Verhalten in Bezug auf ein wahrheitsgemäßes Vorbringen[...] zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt Entscheidungsreife vorgelegen wäre und sich zu diesem Zeitpunkt die privaten und familiären Anknüpfungspunkte mit hoher Wahrscheinlichkeit anders dargestellt hätten“. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und das Bundesverwaltungsgericht hätten ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt. Die Unrichtigkeit der Angaben sei „zwar in gewisser Weise indiziert[,] aber nicht konkret erkennbar und nachweisbar“ gewesen. Es stehe für das Verwaltungsgericht auch fest, dass der Revisionswerber in Irreführungsabsicht gehandelt habe, weil er seine echte Identität, Staatsangehörigkeit und Herkunft kenne, diese verschwiegen und dazu falsche Angaben gemacht habe, um daraus einen Vorteil, „nämlich die faktische Verunmöglichung der Umsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und somit die Gewährung des Verbleibes“ im Bundesgebiet, zu erzielen. Da der Inhalt des Erkenntnisses vom „bzw. die darin ergangene Feststellung der Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung und in weiterer Folge die Erteilung des Aufenthaltstitels in einem Kausalzusammenhang mit den bereits beschriebenen Täuschungshandlungen“ stünden, sei das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 VwGVG von Amts wegen wiederaufzunehmen.
14 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des in § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG enthaltenen Wiederaufnahmegrundes des Erschleichens eines Erkenntnisses vorhanden sei. Davon sei das Verwaltungsgericht nicht abgewichen. Sonstige Hinweise, dass im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorgelegen wäre, seien nicht hervorgekommen.
15 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, die vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Vom Verwaltungsgerichtshof wurde das Vorverfahren eingeleitet. Es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
17 Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der von ihm erhobenen Revision geltend, für die Wiederaufnahme aus dem Grund des Erschleichens einer Entscheidung brauche es die Irreführungsabsicht. Damit müsse das Ziel verfolgt werden, einen sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Es sei dem Revisionswerber aber ohnedies weder Asyl noch subsidiärer Schutz zuerkannt worden, sondern lediglich ein Aufenthaltstitel nach §§ 54, 55 AsylG 2005. Eine solche Aufenthaltsberechtigung sei nur dann zu erteilen, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten sei. Die wahre Identität eines Fremden sei bei einer Entscheidung nach § 55 AsylG 2005, anders als bei einer Frage nach der Asylgewährung oder der Erteilung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten, grundsätzlich nicht von wesentlicher Bedeutung, vielmehr sei dafür das Leben und die Integration des Fremden in Österreich relevant. Dem Revisionswerber sei mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom ein Aufenthaltstitel erteilt worden, weil er familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich habe. Er sei mit einer aufenthaltsberechtigten, armenischen Staatsangehörigen „traditionell“ verheiratet. Beide seien an derselben Unterkunft gemeldet und sie hätten einen gemeinsamen dreijährigen Sohn, dem - abgeleitet von der Mutter - ein Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zukomme. Es lägen daher beim Revisionswerber aufgrund der Familiengründung und des bestehenden Familienlebens in Österreich außergewöhnliche besonders berücksichtigungswürdige Gründe vor, denen zufolge dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen sei. Zu keinem dieser Punkte habe der Revisionswerber unwahre Angaben getätigt oder Umstände verschwiegen. Es habe sich „daran“ nichts geändert, weshalb von einer Erschleichung des Aufenthaltstitels nicht die Rede sein könne. Weiters sei das Bundesverwaltungsgericht in seiner damaligen Entscheidung ohnedies von einer mangelnden Mitwirkung des Revisionswerbers und der Nichtpreisgabe seiner wahren Identität ausgegangen. Dies sei bei der Entscheidung, ob dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 erteilt werde, bereits berücksichtigt worden. Es bleibe zudem unklar, weshalb die Angabe einer unwahren Identität die Abschiebung faktisch verunmöglicht hätte. Eine solche Verunmöglichung resultiere vielmehr aus dem Erkenntnis vom , mit dem dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei; und zwar „im vollen Bewusstsein des Gerichtes“, dass der Revisionswerber zu seiner Identität keine richtigen Angaben gemacht habe. Weiters wendet sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorliegen einer Irreführungsabsicht sowie gegen den Entfall einer Verhandlung vor Verfügung der Wiederaufnahme.
18 Die Revision ist zulässig. Sie ist teilweise auch begründet.
19 § 32 VwGVG lautet (auszugsweise und samt Überschrift):
„Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. ...
...
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) ...
...“
20 Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Wiederaufnahmegrund des „Erschleichens“
21 Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist die Verfügung, ein bereits abgeschlossenes Verfahren neuerlich durchzuführen, weil - aus den im Gesetz genannten besonderen Gründen - die Richtigkeit der Sachentscheidung im ersten Verfahren in Frage gestellt erscheint (vgl. , mwN).
22 Den folgenden Ausführungen ist voranzustellen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten hat, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet sind und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden kann (vgl. , mwN).
23 Ein „Erschleichen“, das zur Wiederaufnahme eines Verfahrens führen kann, liegt dann vor, wenn die betreffende Entscheidung in einer Art zustande gekommen ist, dass die Partei gegenüber der Behörde oder dem Gericht objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat und die Angaben dann der Entscheidung zugrunde gelegt wurden, wobei die Verschweigung maßgeblicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs erfordert ein „Erschleichen“ zudem, dass die Behörde oder das Gericht auf die Angaben der Partei angewiesen ist und es ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere Ermittlungen durchzuführen (vgl. etwa , mwN).
24 Von einem „Erschleichen“ kann daher nicht gesprochen werden, wenn die Behörde es verabsäumt hat, von den ihr ohne besondere Schwierigkeiten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung Gebrauch zu machen. Dem betreffenden Verfahren darf also kein ein „Erschleichen“ ausschließender relevanter Ermittlungsmangel in Bezug auf das maßgebliche Sachverhaltselement anhaften (vgl. auch dazu VwGH Ra 2018/22/0227, dort betreffend das Vorliegen einer Aufenthaltsehe). Indessen steht der Umstand bereits zuvor vorhandener, jedoch trotz durchgeführter Ermittlungen vorläufig nicht bestätigter Verdachtsmomente der späteren Wiederaufnahme wegen „Erschleichens“ gestützt auf neu hervorgekommene Tatsachen nicht entgegen (vgl. nochmals VwGH Ra 2018/22/0227).
25 Die für die „Erschleichung“ einer Entscheidung notwendige Irreführungsabsicht setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ferner voraus, dass die Partei wider besseres Wissen gehandelt hat, um einen vielleicht sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Ob Irreführungsabsicht vorliegt, kann nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden, die von der Behörde oder vom Verwaltungsgericht in freier Beweiswürdigung festzustellen sind (vgl. , mwN).
26 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Wiederaufnahmegrund des „Erschleichens“ absoluten Charakter; es kommt nicht darauf an, ob ohne das verpönte Verhalten voraussichtlich eine anderslautende Entscheidung ergangen wäre oder ob die Behörde oder das Verwaltungsgericht im neuen Verfahren voraussichtlich zu einer anderslautenden Entscheidung gelangen wird. Ermittlungen zur Frage der Relevanz des als Wiederaufnahmegrund herangezogenen Verhaltens sind daher grundsätzlich entbehrlich. Den zu beurteilenden unrichtigen Angaben muss allerdings wesentliche Bedeutung zukommen. Das die Wiederaufnahme auslösende Verhalten der Partei muss auf die Erlassung eines konkreten Bescheides oder Erkenntnisses zielgerichtet sein und das Verhalten denknotwendig der Erlassung des Bescheides oder Erkenntnisses vorangehen (vgl. , mwN).
27 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner zu Aufenthaltstiteln nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ergangenen Rechtsprechung festgehalten, dass der Kausalzusammenhang zwischen den unrichtigen Angaben eines Fremden bezüglich seiner Identität und der Erteilung des Aufenthaltstitels nicht in Zweifel gezogen werden könne, gehe es doch in diesem Verfahren darum, einer ganz bestimmten, durch ihren Namen, ihr Geburtsdatum und ihre Nationalität identifizierbaren Person einen Aufenthaltstitel zu erteilen und dadurch ihren rechtlichen Status zu gestalten (vgl. auch dazu VwGH Ra 2021/22/0158, mwN).
28 Zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
29 Nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung muss ein Kausalitätszusammenhang zwischen der unrichtigen Angabe der Partei und dem Entscheidungswillen der Behörde bestehen, damit das verpönte Handeln als ein die Wiederaufnahme rechtfertigendes „Erschleichen“ qualifiziert werden kann (vgl. etwa , mwN).
30 Zu Recht verweist der Revisionswerber darauf, dass ihm im wiederaufgenommenen Verfahren weder der Status des Asylberechtigten noch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden war.
31 In Bezug auf den Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten hat sich die Rechtsposition des Revisionswerbers durch die mit Erkenntnis vom getroffenen Entscheidungen infolgedessen, dass ihm die Zuerkennung derselben selbst unter Einbeziehung seiner falschen Angaben versagt blieb, in keiner Weise, sohin auch nicht zu seinem Vorteil, geändert.
32 Dass das Verhalten des Revisionswerbers in Bezug auf die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz gerade nicht zur Erlangung eines vielleicht sonst nicht erreichbaren Vorteils geführt hatte, hat im Übrigen das Bundesverwaltungsgericht der Sache nach selbst angesprochen, indem es darauf hingewiesen hat, dass bereits im Erkenntnis vom „rechtskräftig festgestellt“ worden sei, dass die Behauptungen des Revisionswerbers zu den Fluchtgründen nicht der Wahrheit entsprochen hätten.
33 Insofern könnte dem Revisionswerber zwar der Vorwurf gemacht werden, er habe versucht, durch bewusst unrichtige und unvollständige Angaben zu seiner Identität einen vielleicht sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Haben diese unrichtigen und unvollständigen Angaben aber gar nicht zu einer für ihn vorteilhaften Entscheidung geführt, so mangelt es an einem Kausalzusammenhang zwischen dem verpönten Verhalten und dem für das Ergebnis des wiederaufzunehmenden Verfahrens maßgeblichen Entscheidungswillen (hier) des Bundesverwaltungsgerichts.
34 Diese Ausführungen gelten sinngemäß auch für jene Entscheidung, mit der dem Revisionswerber die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 versagt wurde. Auch insoweit ist nicht zu sehen, dass aufgrund seines Verhaltens eine für ihn (vielleicht sonst nicht erreichbare) vorteilhafte Entscheidung getroffen worden wäre. Dass eine Bestätigung dieser behördlichen Entscheidung angesichts der weiteren Aussprüche des Bundesverwaltungsgerichts im Erkenntnis vom nach dem Gesetz eigentlich nicht hätte erfolgen dürfen (vgl. dazu, dass dann, wenn ein feststellender Ausspruch nach § 9 Abs. 3 BFA-VG über die auf Dauer bestehende Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu treffen ist, nicht zuvor auch über die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 negativ abzusprechen ist, ausführlich ), ist für die Frage des Vorliegens des hier herangezogenen Wiederaufnahmegrundes nicht weiter von Belang.
35 Sollte - was aber aus dem angefochtenen Beschluss nicht zweifelsfrei hervorgeht, aber angedeutet wird - das Bundesverwaltungsgericht als maßgeblich vor Augen gehabt haben, dass es seine Entscheidung über die Versagung von subsidiärem Schutz auf § 8 Abs. 6 erster Satz AsylG 2005 gestützt und infolgedessen im Spruch seiner Entscheidung der Herkunftsstaat keine Erwähnung gefunden hat, ist darauf hinzuweisen, dass durch die im Asylverfahren vom Fremden vorgenommene Benennung oder die von der Behörde erfolgte Feststellung eines Herkunftsstaats keine Eingrenzung des Prozessgegenstandes erfolgt. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 sieht die Zuerkennung des „Status des subsidiär Schutzberechtigten“ an einen Fremden vor, wenn die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen vorliegen. Dass bei der diesbezüglichen Prüfung - in erster Linie, abgesehen von besonderen Konstellationen, wie etwa der in § 8 Abs. 6 AsylG 2005 oder der Zuerkennung dieses Status im Rahmen des Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 - der Herkunftsstaat in den Blick zu nehmen ist, ergibt sich aus den Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Status. Insoweit hat sich aus der Begründung einer Entscheidung zu ergeben, weshalb diese Voraussetzungen in Bezug auf den Herkunftsstaat vorliegen oder nicht gegeben sind. Dass es aber geboten wäre, den Prozessgegenstand über den Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch Anführung des Herkunftsstaates im Spruch einer Entscheidung einzugrenzen, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Vielmehr sprechen gerade die erwähnten Bestimmungen des § 8 Abs. 6 AsylG 2005 und § 34 AsylG 2005 gegen das Verständnis eines solcherart eingeengten Verfahrensgegenstandes. Auch den auf die Rechtsstellung des Fremden nach erfolgter Zuerkennung dieses Status Bezug nehmenden Bestimmungen ist nicht zu entnehmen, dass es nach dem Gesetz geboten wäre, im Verfahren über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten den Verfahrensgegenstand im Hinblick auf ein bestimmtes Land zu begrenzen (vgl. demgegenüber die anders gelagerte frühere - bis zum - geltende Rechtslage nach dem § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, wonach, wenn der Asylantrag abzuweisen war, von der Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen war, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist; vgl. dazu, dass aus dem Spruch der Entscheidung zu § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 der [allenfalls: behauptete] Herkunftsstaat in eindeutiger Weise hervorzugehen hatte, etwa , 0014; hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang zudem darauf, dass auch die aktuelle Rechtslage - allerdings gerade nicht in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - weiterhin ähnliche [Feststellungs-]Aussprüche kennt, sh. etwa § 8 Abs. 3a AsylG 2005, § 9 Abs. 2 AsylG 2005, § 51 Abs. 1 FPG, § 52 Abs. 9 FPG).
36 Es ist somit für die hier vorzunehmende Beurteilung betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Wiederaufnahme nicht weiter relevant, dass nach dem Spruch des Erkenntnisses vom in den (den diesbezüglichen behördlichen Spruchpunkt neu formulierenden) Ausspruch über die Abweisung des (mit dem Antrag auf internationalen Schutz gestellten) Begehrens des Revisionswerbers auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kein Herkunftsstaat aufgenommen wurde. Sache dieses Verfahrens(teiles) war nämlich angesichts der gesetzlichen Vorgaben allein die Frage, ob dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war. Ob im Spruch die Benennung eines Herkunftsstaates erfolgt, ist für die Bestimmung der Sache dieses Verfahrens jedoch nicht weiter von Bedeutung.
37 Sohin liegt die in der Revision geltend gemachte Rechtsverletzung in Bezug auf die amtswegige Verfügung der Wiederaufnahme betreffend die angeführten - mit Spruchpunkt 4.) A) I) des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom rechtskräftig erledigten - Aussprüche vor (vgl. dazu, dass es sich bei den im vorliegenden Fall in Rede stehenden Entscheidungen um rechtlich trennbare Aussprüche handelt, diese unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen können und zwischen diesen lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang besteht, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, ; vgl. weiters zu den unterschiedlichen „Sachen“, die im Rahmen eines Asylverfahrens aufgrund der gesetzlichen Anordnungen zu behandeln sind, etwa , mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). In diesem Umfang war daher der angefochtene Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
38 Zur teilweisen Abweisung der Revision
39 Anders stellt sich die Lage in Bezug auf jene Aussprüche dar, mit denen das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt hat, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber auf Dauer unzulässig sei, ihm einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 erteilt und die infolge des Unterbleibens der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zu treffenden behördlichen Aussprüche ersatzlos behoben hat.
40 Der Ansicht des Revisionswerbers, die wahre Identität eines Fremden sei bei einer Entscheidung nach § 55 AsylG 2005 „grundsätzlich nicht von wesentlicher Bedeutung“, ist nicht beizupflichten. Ebenso wie im Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG ist auch in Bezug auf nach dem AsylG 2005 zu erteilende Aufenthaltstitel festzuhalten, dass der Kausalzusammenhang zwischen den unrichtigen Angaben eines Fremden bezüglich seiner Identität und der Erteilung des Aufenthaltstitels nicht in Zweifel gezogen werden kann [diese Aufenthaltstitel sind im Übrigen ebenfalls dem „Ein- und Auswanderungswesen“ zuzuordnen; vgl. den Kompetenztatbestand „Ein- und Auswanderungswesen einschließlich des Aufenthaltsrechtes aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ in Art. 10 Abs. 1 Z 3 B-VG sowie Art. 102 Abs. 2 B-VG, womit die Ermächtigung besteht, das „Aufenthaltsrecht aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ unmittelbar von Bundesbehörden zu besorgen; vgl. dazu weiters die diesbezüglichen Erläuterungen zur mit BGBl. I Nr. 51/2012 erfolgten Novellierung des B-VG in RV 1618 BlgNR 24. GP, 6 f: „Im Hinblick auf die geplante Einführung eines Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, soll die Erteilung bestimmter Aufenthaltstitel in unmittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden können. Dazu zählen etwa Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK (wie derzeit die ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus‘ gemäß § 41a Abs. 9 des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005) und die Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 NAG), aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen (wie derzeit die ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus‘ gemäß § 41a Abs. 10 NAG und die ‚Niederlassungsbewilligung‘ gemäß § 43 Abs. 4 NAG) zum besonderen Schutz von Fremden (wie derzeit die Aufenthaltsbewilligung gemäß § 69a NAG) und für Vertriebene (wie derzeit § 76 NAG).“]. Auch in diesen Verfahren geht es darum, einer ganz bestimmten, durch ihren Namen, ihr Geburtsdatum und ihre Nationalität identifizierbaren Person einen Aufenthaltstitel zu erteilen und dadurch ihren rechtlichen Status zu gestalten. So legt § 54 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 fest, dass die Aufenthaltstitel insbesondere den Namen, Vornamen, das Geburtsdatum, das Lichtbild, die ausstellende Behörde und die Gültigkeitsdauer zu enthalten haben und als Identitätsdokumente gelten. § 8 Abs. 1 Asylgesetz-Durchführungsverordnung (AsylG-DV) sieht vor, dass auch im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (unter anderem) ein gültiges Reisedokument (im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG) sowie eine Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument beizubringen ist. Daran ändert auch nichts, dass gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK die Heilung eines Mangels (u.a.) nach § 8 AsylG-DV zugelassen werden kann. Auch der Umstand, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unzulässig ist, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 trotz Vorliegens der Voraussetzung nach Abs. 1 Z 1 dieser Bestimmung - dass nämlich die Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist - allein bloß wegen Nichtvorlage von Identitätsdokumenten zurückzuweisen und bei Anträgen nach § 55 AsylG 2005 auch einer Zurückweisung nach § 58 Abs. 11 AsylG 2005 eine Interessenabwägung voranzugehen hat, vermag die angesprochene Maßgeblichkeit der Bedeutung der korrekten Identifizierung eines Fremden nicht zu schmälern (vgl. ferner zur Wesentlichkeit der Kenntnis der wahren Identität eines Asylwerbers ; weiters darauf Bezug nehmend und betreffend die Wiederaufnahme wegen falscher Identitätsangaben ). Die Auffassung, dass falsche Angaben zur Identität samt Staatsangehörigkeit sogar die Beendigung eines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts und die Trennung von Familienangehörigen (auch von minderjährigen Kindern eines Fremden) rechtfertigen können, wurde im Übrigen auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geteilt (vgl. EGMR , Alleleh u.a./Norwegen, 569/20, auszugsweise in deutscher Sprache wiedergegeben in NLMR 3/2022, 253 ff) und unterstreicht ebenfalls die große Bedeutung der Kenntnis von der wahren Identität eines Fremden.
41 Wenn der Revisionswerber in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass das Bundesverwaltungsgericht schon bei Erlassung des Erkenntnisses vom davon ausgegangen sei, dass er unrichtige Angaben zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit gemacht habe, und dem Revisionswerber dennoch wegen seiner familiären Bindungen im Bundesgebiet einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 erteilt habe, ist dem zu entgegen, dass nach der oben dargestellten Rechtslage bei der Beurteilung, ob der Wiederaufnahmegrund des „Erschleichens“ vorliegt, nicht zu prüfen ist, ob es im neuen Verfahren voraussichtlich zu einer anderslautenden Entscheidung kommen kann.
42 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kann seinem Verhalten aber eine Kausalität auch in Bezug auf die Entscheidung, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären und ihm infolgedessen einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen, nicht abgesprochen werden. Das Bundesverwaltungsgericht, das im Erkenntnis vom die Richtigkeit der Angaben des Revisionswerbers, wonach er staatenlos sei, ausdrücklich nicht ausgeschlossen hatte, führte in seinen Erwägungen zur Interessenabwägung in diesem Erkenntnis auch aus, im vorliegenden Fall hätten die - nach § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG aber an sich zu berücksichtigenden - Bindungen des Revisionswerbers zum Herkunftsstaat nicht in die Beurteilung einfließen können, weil aufgrund seines Verhaltens ein Herkunftsstaat nicht habe festgestellt werden können. Dies gilt zudem angesichts dessen, dass die Lebensgefährtin und der gemeinsame Sohn armenische Staatsangehörige sind, sinngemäß auch für die Frage des Bestehens der Möglichkeit, das gemeinsame Familienleben in einem anderen Staat, im Besonderen dem gemeinsamen Herkunftsstaat, zu führen.
43 Des Weiteren stellten sich die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, sowohl das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch das Verwaltungsgericht hätten alle ihnen zuvor im Asylverfahren möglichen und gesetzlich zulässigen Ermittlungsschritte zur Eruierung der wahren Identität und der Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers gesetzt, am Boden der in den vorgelegten Akten dokumentierten umfangreichen Erhebungen als unbedenklich dar.
44 Es gelingt dem Revisionswerber zudem nicht aufzuzeigen, dass die Bewertung des Verwaltungsgerichts, der Revisionswerber habe stets seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit gekannt und gerade mit seinen unrichtigen und unvollständigen Angaben (auch) bezweckt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eine allfällige daran anschließende Abschiebung unterbleibe, auf eine Beweiswürdigung gegründet wäre, die mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wäre.
45 In der Revision wird dazu im Zusammenhang mit der für die Wiederaufnahme wegen „Erschleichens“ notwendigen Irreführungsabsicht in Bezug auf die Beweiswürdigung ins Treffen geführt, der Revisionswerber sei im Zeitpunkt seiner Einreise in Österreich erst 18 Jahre alt gewesen, habe die Entscheidung seiner Eltern zur „Namensführung“ zur Kenntnis nehmen müssen und keine Möglichkeit gehabt, sich anders zu verhalten. Dazu ist anzumerken, dass es der Annahme einer Irreführungsabsicht nicht entgegensteht, wenn ein Fremder seine bewusst wahrheitswidrigen Angaben infolge des Einflusses eines Dritten - etwa eines Schleppers oder (wie hier) der Eltern - macht.
46 Mit dem Vorbringen, der Revisionswerber habe - worauf das Bundesverwaltungsgericht nicht näher eingegangen sei - davon ausgehen können, er sei kein armenischer Staatsangehöriger, weil ihm ein russischer Pass ausgestellt worden sei, ist für den Revisionswerber gleichfalls nichts zu gewinnen. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich ausgeführt, dass er im wiederaufgenommenen Verfahren auch (abgesehen von seinen Angaben in der Erstbefragung, in der er angegeben hatte, über die russische Staatsangehörigkeit zu verfügen) stets abgestritten hatte, russischer Staatsangehöriger zu sein. Selbst wenn es zuträfe, dass der Revisionswerber (allenfalls: auch) russischer Staatsangehöriger wäre, änderte dies nichts an der Unrichtigkeit der früheren, damit in offenem Widerspruch stehenden Behauptung, staatenlos zu sein. Somit wird aber auch die Relevanz des in der Revision angeführten Verfahrensmangels nicht dargetan.
47 Vor diesem Hintergrund versagt aber auch die Rüge, es sei geboten gewesen, vor Verfügung der Wiederaufnahme eine Verhandlung durchzuführen (vgl. zur Notwendigkeit, in Bezug auf ein solches Verfahren die Relevanz eines diesbezüglichen Verfahrensfehlers darstellen zu müssen, etwa , mwN). Im Übrigen wird aber auch nicht hinreichend dargetan, weshalb die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Verhandlung nicht gegeben gewesen wären.
48 Da die behauptete Rechtswidrigkeit der Entscheidung, das den Revisionswerber betreffende Verfahren in Bezug auf die mit den im Erkenntnis vom enthaltenen Spruchpunkten 4.) A) II) und 4.) A) III) erledigten Gegenstände wiederaufzunehmen, nicht vorliegt, war insoweit die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
49 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und Z 6 VwGG Abstand genommen werden.
50 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | AsylG 1997 §8 Abs1 AsylG 2005 §34 AsylG 2005 §55 AsylG 2005 §55 Abs1 Z1 AsylG 2005 §58 Abs11 AsylG 2005 §8 Abs1 AsylG 2005 §8 Abs3a AsylG 2005 §8 Abs6 AsylG 2005 §9 Abs2 AVG §45 Abs2 AVG §58 Abs2 AVG §59 Abs1 AVG §60 AVG §69 AVG §69 Abs1 Z1 AVG §69 Abs1 Z1 idF 2013/I/033 FrPolG 2005 §51 Abs1 FrPolG 2005 §52 Abs9 MRK Art8 NAG 2005 §41a Abs9 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §29 Abs1 VwGVG 2014 §32 VwGVG 2014 §32 Abs1 Z1 |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete Spruch und Begründung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022200298.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-46167