VwGH 07.08.2024, Ra 2022/16/0108
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Der VwGH hat vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH und den darin festgelegten Anforderungen an eine Kohärenzprüfung - im Einklang mit der Rechtsprechung des VfGH (E945/2016 ua vom ) und des OGH (vgl. etwa RIS-Justiz RS0130636 [T7] sowie 60b50/22d vom ) - eine Gesamtwürdigung vorgenommen und die Bestimmungen des GSpG für unionsrechtskonform erachtet. Dabei kam der VwGH zu dem Ergebnis, dass mit den Bestimmungen des GSpG die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität, der Verhinderung von kriminellen Handlungen sowie der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden (vgl. , Rn. 115, und , Rn. 91). Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung hat der VwGH - unter Einbeziehung auch der Regelungen über Landesausspielungen ("kleines Glücksspiel") und Sportwetten - die Unionsrechtswidrigkeit der Regelungen des GSpG verneint (vgl. ). Diese Ausführungen gelten auch für die Besteuerung von Glücksspielen, handelt es sich dabei doch um eine der im GSpG angeführten Maßnahmen u. a. zur Verfolgung der Ziele der Politik zum Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung (vgl. , mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2022/16/0085 B RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der M T KG in S, vertreten durch Mag. Marcus Marakovics, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Liechtensteinstraße 25/21, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7102927/2020, betreffend Glücksspielabgabe für die Monate Jänner 2013 bis Juli 2015 und September 2015 bis Februar 2016 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheiden gemäß § 201 BAO vom setzte das Finanzamt die Glücksspielabgabe gemäß § 57 Abs. 3 GSpG für die verfahrensgegenständlichen Zeiträume (Jänner 2013 bis Juli 2015 sowie September 2015 bis Februar 2016) gegenüber der Revisionswerberin fest. Bei einer Nachschau sei festgestellt worden, dass die Revisionswerberin im von ihr betriebenen Gasthaus illegale Ausspielungen gemäß § 2 GSpG mit Glücksspielgeräten (Walzenspiele) ohne Bewilligung nach § 5 GSpG durchgeführt habe.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen, woraufhin die Revisionswerberin einen Vorlageantrag stellte.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das Bundesfinanzgericht führte - nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, die Revisionswerberin habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum im von ihr betriebenen Gasthaus Glücksspielgeräte (Video Lotterie Terminals in Form von Walzenspielen), mit denen illegale Ausspielungen gemäß § 2 GSpG durchgeführt worden seien, aufgestellt. Die Revisionswerberin habe weder eine Konzession gemäß § 14 GSpG, noch eine landesrechtliche Bewilligung gemäß § 4 Abs. 2 GSpG gehabt. Die Glücksspielgeräte seien durch die P GmbH aufgestellt worden, an die von der Revisionswerberin eine Miete für die Banknotenlesegeräte gezahlt worden sei. Von den eingenommenen Beträgen habe die Revisionswerberin - nach Abzug der Gewinnauszahlungen - 50 % zzgl. Umsatzsteuer in der Form eines monatlich abgerechneten „Auftragsabwicklungsentgeltes“ erhalten. Sie habe demnach Spieleinsätze entgegengenommen und diese an die P GmbH weitergeleitet, womit sie als Vermittlerin aufgetreten sei. Die von der Revisionswerberin erzielten Einnahmen seien anhand der vorhandenen Buchhaltungsunterlagen ermittelt worden. Die Höhe der daraus - durch Hochrechnung - ermittelten Bemessungsgrundlage der Glücksspielabgabe für die jeweiligen Monate sei unbestritten geblieben.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , E 2077/2022-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wendet sich nunmehr die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit wird ausschließlich die mangelnde Vereinbarkeit des im GSpG vorgesehenen „Monopolsystems“ mit dem Unionsrecht geltend gemacht.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zur Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielgesetzes wird auf die ständige Rechtsprechung des EuGH hingewiesen, wonach es den Mitgliedstaaten in Ermangelung einer Harmonisierung auf Unionsebene grundsätzlich freisteht, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen. Die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die mit Glücksspielen (und Wetten) einhergehenden sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft rechtfertigen es, den staatlichen Stellen ein ausreichendes Ermessen zuzuerkennen, um im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (vgl. z.B. , Recreatieprojecten Zeeland BV u.a., Rn. 14, mwN). Mit seinen Erkenntnissen vom , Ro 2015/17/0022, und vom , Ra 2018/17/0048, hat der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH und den darin festgelegten Anforderungen an eine Kohärenzprüfung - im Einklang mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (E 945/2016 ua vom ; vgl. auch ) und des Obersten Gerichtshofes (vgl. etwa RIS-Justiz RS0130636 [T7] sowie 6Ob50/22d vom ) - eine entsprechende Gesamtwürdigung vorgenommen und die Bestimmungen des GSpG für unionsrechtskonform erachtet. Dabei kam der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis, dass mit den Bestimmungen des Glücksspielgesetzes die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität, der Verhinderung von kriminellen Handlungen sowie der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden (vgl. , Rz 115, und , Rz 91). Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung hat der Verwaltungsgerichtshof - unter Einbeziehung auch der Regelungen über Landesausspielungen („kleines Glücksspiel“) und Sportwetten - die Unionsrechtswidrigkeit der Regelungen des GSpG verneint (vgl. auch ; , Ra 2022/12/0128, jeweils mwN).
11 Diese Ausführungen gelten auch für die Besteuerung von Glücksspielen, handelt es sich dabei doch um eine der im GSpG angeführten Maßnahmen u. a. zur Verfolgung der Ziele der Politik zum Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung (vgl. ; , Ra 2020/17/0009, jeweils mwN).
12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022160108.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-46154