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VwGH 16.04.2024, Ra 2022/16/0090

VwGH 16.04.2024, Ra 2022/16/0090

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Ob die Vertragsdauer bestimmt oder unbestimmt ist, wird nicht nach der Form, sondern nach dem Inhalt des Vertrages beurteilt und hängt einerseits davon ab, wie umfassend die Kündigungsrechte sind, andererseits aber auch davon, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kündigungsrecht ausgeübt werden kann (vgl. auch Twardosz, GebG6 (2015) § 33 TP 5 Rz 37).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/16/0040 B RS 2
Normen
RS 2
In jenen Fällen, in denen sich nur ein Vertragsteil für eine

bestimmte Zeit (durch Kündigungsverzicht) bindet, der andere

hingegen in der Ausübung des Kündigungsrechtes nicht beschränkt

ist, ist trotzdem eine bestimmte Vertragsdauer anzunehmen,

sofern eine auf die bestimmte Vertragsdauer geleistete

Mietzinsvorauszahlung nicht zurückgefordert werden kann bzw

wenn die Kündigung des nichtgebundenen Vermieters eine

Zahlungspflicht des Mieters für die gesamte vertraglich

fixierte Dauer auslöst, während der er an den Vertrag gebunden

ist. Nur dann rechtfertigt die bloß einseitige

Beendigungsmöglichkeit die Annahme eines Vertrages auf

unbestimmte Dauer, wenn die nur einem Vertragsteil zustehende

Möglichkeit, den Vertrag aufzulösen, die Befreiung beider

Vertragsteile von ihren Verpflichtungen für die Zeit nach der

Vertragsauflösung nach sich zieht (Hinweis E ,

91/15/0040; E , 93/16/0133).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 97/16/0001 E RS 1
Normen
RS 3
Ob ein konkreter Bestandvertrag vom Verwaltungsgericht, das sich auf dem Boden der im vorliegenden Erkenntnis des VwGH erwähnten Rechtsprechung bewegt, im Einzelfall in seiner Gesamtgestaltung als Vertrag auf bestimmte Dauer oder auf unbestimmte Dauer gedeutet wird, ist von krassen Fehlentscheidungen abgesehen keine Frage, die über den Einzelfall hinausgeht und daher nicht grundsätzlich im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. auch , , ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/16/0040 B RS 4

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der A GmbH in W, vertreten durch die Ernst & Young Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom RV/7102153/2020, betreffend Rechtsgeschäftsgebühr (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheiden jeweils vom setzte das damalige Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr: Finanzamt Österreich, im Folgenden: Finanzamt) die Rechtsgeschäftsgebühr für die Errichtung näher genannter Leasingverträge im Zeitraum 2010 bis 2012 gegenüber der Revisionswerberin als Leasinggeberin gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 Gebührengesetz 1957 (GebG) in näher genannter Höhe und unter Berücksichtigung der von der Revisionswerberin selbst berechneten Gebühr fest.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Bundesfinanzgericht - infolge eines Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes - mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

3 Das Bundesfinanzgericht stellte - soweit für das Revisionsverfahren relevant - fest, die Revisionswerberin sei im Bereich Leasing und Fuhrparkservice tätig und habe im beschwerdegegenständlichen Zeitraum (2010 bis 2012) zahlreiche KFZ-Leasingverträge als Leasinggeberin abgeschlossen. Strittig sei die gebührenrechtliche Vertragsdauer (ob Verträge von bestimmter oder unbestimmter Dauer vorlägen).

4 Bei der vereinbarten „Kalkulationsbasisdauer“ handle es sich um die grundsätzliche Annahme der Revisionswerberin, wie lange der Leasingnehmer das Fahrzeug in Anspruch nehmen werde; sie diene der Revisionswerberin, genauso wie die „Maximalkalkulationsdauer“, als Rechengröße zur Berechnung der Leasingrate.

5 Zur Vertragsdauer führten die - im Revisionsfall maßgeblichen - Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Revisionswerberin der Jahre 2006 und 2011 aus, dass die im Einzelleasingvertrag festgelegte Kalkulationsbasisdauer, sofern diese unter 36 Monaten liege, die Vertragsdauer sei. Andernfalls sei der Vertrag laut AGB auf unbestimmte Dauer abgeschlossen und der Leasingnehmer könne den Vertrag diesfalls (grundsätzlich) schriftlich zum Monatsende mit einer Frist von 30 Tagen kündigen. Abgesehen von der Kalkulationsbasisdauer (bzw. in den späteren Verträgen auch Maximalkalkulationsbasisdauer) fänden sich weder im Rahmenvertrag noch im jeweiligen Einzelleasingvertrag konkrete Ausführungen zur Vertragsdauer bzw. zu den Kündigungskonditionen.

6 Gemäß Punkt  der AGB 2006 sei während der Kalkulationsbasisdauer die (ordentliche) Kündigung des Einzelleasingvertrags durch den Leasingnehmer nur nach schriftlicher Zustimmung der Revisionswerberin möglich. Bei erklärter Zustimmung habe der Revisionswerberin nach Punkt 2.5.2 der AGB 2006 der Anspruch auf die abgezinsten Leasingraten, die bis zum Ende der Kalkulationsbasisdauer angefallen wären, sowie des erzielten tatsächlichen abgezinsten Restwerts abzüglich des erzielten Verwertungserlöses und der Verwertungsspesen zugestanden.

7 Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes sei es der Revisionswerberin nach Punkt .1 der AGB 2006 möglich gewesen, den jeweiligen Einzelleasingvertrag fristlos (außerordentlich) zu kündigen. Die Gründe würden ein grobes Fehlverhalten des Leasingnehmers voraussetzen und hätten von der Revisionswerberin nicht nach freiem Belieben ausgeübt werden können. Daraus ergebe sich, dass nach den AGB 2006 eine Kündigung des Vertrages während der Kalkulationsbasisdauer in dem Sinn, dass beide Teile von ihren Leistungsverpflichtungen befreit seien, weder durch den Leasingnehmer noch durch die Revisionswerberin möglich sei. Beide Vertragsteile seien faktisch auf diese bestimmte Dauer an den Vertrag gebunden. Für die Zeit danach komme dem Leasingnehmer das Recht zu, den Vertrag ohne weiteres zu beenden.

8 Auch im Rahmen der AGB 2011 sei eine Kündigung des Vertrags innerhalb der Kalkulationsbasisdauer in dem Sinn, dass beide Teile von ihren Leistungsverpflichtungen befreit seien, weder durch den Leasingnehmer noch durch die Revisionswerberin möglich. Beide Vertragsteile seien somit nach dem erklärten Vertragswillen faktisch auf diese bestimmte Dauer an den Vertrag gebunden. Erst nach der Kalkulationsbasisdauer könne der Vertrag ohne weitere Leistungsverpflichtung aufgekündigt werden.

9 In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht - soweit hier relevant - aus, dem Leasingnehmer sei grundsätzlich nicht das Recht zugekommen, den Vertrag innerhalb der Kalkulationsbasisdauer nach eigener freier Willensentscheidung aufzulösen. Vielmehr habe die Auflösung die ausdrückliche Zustimmung der Revisionswerberin erfordert, womit innerhalb der Kalkulationsbasisdauer faktisch nur die Möglichkeit der einvernehmlichen Vertragsauflösung offen gestanden sei.

10 Schließlich habe der Leasingnehmer (bei Zustimmung der Revisionswerberin zu einer Kündigung innerhalb der Kalkulationsbasisdauer) eine „Abschlusszahlung“ leisten müssen, die sich aus den abgezinsten Leasingraten, die bis zum Ende der Kalkulationsbasisdauer anfielen, sowie des erzielten tatsächlichen abgezinsten Restwerts abzüglich des erzielten Verwertungserlöses und der Verwertungsspesen errechnet habe. Selbst bei einer durch die Revisionswerberin „erlaubten“ vorzeitigen Vertragsauflösung wäre der Leasingnehmer somit nicht von seinen Leistungsverpflichtungen befreit gewesen. Eine derartige finanzielle Belastung des Leasingnehmers sei der Fortzahlung der Leasingrate gleichzusetzen. Die Revisionswerberin könne über das zurückgegebene Fahrzeug frei verfügen und erhalte weiterhin bis zum Ende der Kalkulationsbasisdauer einen beträchtlichen Teil des Leasingentgelts. Der Leasingnehmer hingegen verliere die Vorteile der Nutzung des Fahrzeugs, während er weiter einen wesentlichen Teil des Entgelts begleichen müsse. Im Endeffekt werde der Revisionswerberin somit ein Entgelt bis zum Ende der Kalkulationsbasisdauer gesichert.

11 Die Kündigungsmöglichkeiten der Revisionswerberin stünden im Zusammenhang mit einem erheblichen Fehlverhalten des Leasingnehmers. Handle der Leasingnehmer vertragskonform, komme der Revisionswerberin nicht die Möglichkeit zu, eigenständig den Vertrag zu beenden.

12 Das Bundesfinanzgericht gehe nicht davon aus, dass die nach Auffassung der Revisionswerberin zu leistende „Abschlusszahlung“ wirtschaftlich als Pönale zu qualifizieren sei. Der Revisionswerberin würden aufgrund der Rückgabe des Fahrzeuges sämtliche nutzungsabhängige Kosten, wie Verschleiß, Wertverlust, etc, nicht mehr weiter anfallen. Durch die Rückstellung des Fahrzeugs könne die Revisionswerberin über das Fahrzeug wieder frei verfügen und erhalte dennoch weiterhin einen beträchtlichen Teil der Gesamtrate, der Leasingnehmer verliere hingegen die Vorteile der Fahrzeugnutzung bei gleichzeitiger Pflicht zur Teilentgeltfortzahlung. Letztendlich sehe sich der Leasingnehmer somit mit einem Vertragsgeflecht konfrontiert, welches im Ergebnis der Beschwerdeführerin ein Entgelt bis zum Ende der Kalkulationsbasisdauer sichere. Die vereinbarte Regelung stelle somit für den Leasingnehmer keinen Vorteil dar. Der durch den Abrechnungstarif zu ermittelnde Betrag könne daher nicht als Reuegeld angesehen werden. Vielmehr handelt es sich um eine Entgeltfortzahlung abzüglich gewisser, der Revisionswerberin nicht mehr weiter anfallender Kosten.

13 Die Vereinbarung darüber, dass der Leasingnehmer jedenfalls den Bestandzins bzw. beträchtliche Teile davon für eine gewisse Bestanddauer zu leisten habe, sei somit der Erklärung eines Kündigungsverzichtes für diese bestimmte Zeit gleichzuhalten. Gebührenrechtlich sei zunächst von auf bestimmte Dauer abgeschlossenen Vertragsverhältnissen auszugehen. Da die Verträge mit Ablauf der Kalkulationsbasisdauer in auf unbestimmte Dauer abgeschlossene Verträge übergingen, sei für die Zeit danach von auf unbestimmte Dauer abgeschlossenen Verträgen auszugehen.

14 Auch nach den AGB 2011 solle die im Einzelleasingvertrag festgelegte Kalkulationsbasisdauer als Vertragsdauer gelten, sofern diese unter 36 Monaten liege und anderenfalls solle ein auf unbestimmte Dauer abgeschlossener Vertrag vorliegen. Allerdings sei auch nach den AGB 2011 im Fall einer Vertragsbeendigung vor Erreichen der Kalkulationsbasisdauer (sowohl bei der ordentlichen als auch bei der außerordentlichen Kündigung) eine Zahlungsverpflichtung (Endabrechnung) des Leasingnehmers vorgesehen. Wie bereits zur Kündigungsmöglichkeit nach den AGB 2006 ausgeführt, gehe das Bundesfinanzgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der belangten Behörde davon aus, dass eine derartige finanzielle Belastung des Leasingnehmers der Fortzahlung der Leasingrate gleichzusetzen sei; dies insbesondere wiederum deshalb, weil die Revisionswerberin über das zurückgegebene Fahrzeug frei verfügen könne und sie bis zum Ende der Kalkulationsbasisdauer einen beträchtlichen Teil des Leasingentgelts weiter erhalte. Der Leasingnehmer hingegen verliere die Vorteile der Nutzung des Fahrzeugs, während er weiter einen Teil des Entgelts zahlen müsse. Im Endeffekt werde der Revisionswerberin ein Entgelt bis zum Ende der Kalkulationsbasisdauer gesichert.

15 Die Kündigungsmöglichkeiten der AGB 2011 führten somit, trotz vorliegender Abweichungen, zum gleichen Ergebnis wie bei den AGB 2006. Es lägen somit zunächst gebührenrechtlich auf bestimmte Dauer abgeschlossene Verträge vor, die nach Ablauf der Kalkulationsbasisdauer in auf unbestimmte Dauer abgeschlossene Verträge übergehen würden.

16 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurück-, in eventu die Abweisung der Revision sowie die Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes.

17 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

18 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

19 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

20 Die Revisionswerberin bringt zur Begründung der Zulässigkeit der Revision vor, der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner bisherigen, näher zitierten Rechtsprechung in Bezug auf § 33 TP 5 GebG nur jene Fälle der einseitigen Vertragsauflösung behandelt, bei denen trotz der vorzeitigen Kündigung das gesamte für die Vertragslaufzeit bedungene Entgelt oder ein nicht signifikant geringerer Betrag vom Bestandnehmer zu leisten gewesen sei und somit ein Vertrag auf bestimmte Dauer habe angenommen werden können. Über die Frage, ab welchem Ausmaß der vertraglich bedungenen Leistungen (Zahlungsverpflichtungen) des Bestandnehmers für den Fall seiner vorzeitigen Vertragskündigung davon auszugehen sei, dass eine gänzliche oder ausreichende Leistungsbefreiung beider Vertragsparteien nach einer Aufkündigung vorliege, die die Annahme eines Vertrages mit unbestimmter Vertragslaufzeit rechtfertige, habe der Verwaltungsgerichtshof noch nicht abgesprochen. Eine Gewichtung und Wahrscheinlichkeit der Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe scheine auch im gegenständlichen Fall geboten. Es komme im Revisionsfall gerade aufgrund der vorzeitigen Vertragsauflösung zu einer wesentlichen Kürzung der bedungenen Leistungspflichten. Das Bundesfinanzgericht weiche in diesem Sinne auch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewichtung und Wahrscheinlichkeit der Realisierung einer Ausübung des zustehenden Kündigungsrechtes einer Vertragspartei ab.

21 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Unterscheidungsmerkmal zwischen „auf bestimmte Zeit“ und „auf unbestimmte Zeit“ abgeschlossenen Bestandverträgen iSd § 33 TP 5 Abs. 3 GebG darin, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen nicht entgegensteht. Ein nach seinem Wortlaut auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag ist als ein Vertrag auf vorerst bestimmte Dauer anzusehen, wenn nach seinem Inhalt das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden kann oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist (vgl. , , und ).

22 Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muss (vgl. , mwN).

23 Ob die Vertragsdauer bestimmt oder unbestimmt ist, wird somit nicht nach der Form, sondern nach dem Inhalt des Vertrages beurteilt und hängt einerseits davon ab, wie umfassend die Kündigungsrechte sind, andererseits aber auch davon, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kündigungsrecht ausgeübt werden kann (vgl. erneut , , mwN).

24 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in jenen Fällen, in denen sich nur ein Vertragsteil für eine bestimmte Zeit (durch Kündigungsverzicht) bindet, der andere hingegen in der Ausübung des Kündigungsrechtes nicht beschränkt ist, trotzdem eine bestimmte Vertragsdauer anzunehmen, sofern eine auf die bestimmte Vertragsdauer geleistete Mietzinsvorauszahlung nicht zurückgefordert werden kann bzw. wenn die Kündigung des nichtgebundenen Vermieters eine Zahlungspflicht des Mieters für die gesamte vertraglich fixierte Dauer auslöst, während der er an den Vertrag gebunden ist. Eine bloß einseitige Beendigungsmöglichkeit rechtfertigt die Annahme eines Vertrages auf unbestimmte Dauer nur dann, wenn die nur einem Vertragsteil zustehende Möglichkeit, den Vertrag aufzulösen, die Befreiung beider Vertragsteile von ihren Verpflichtungen für die Zeit nach der Vertragsauflösung nach sich zieht (vgl. , , sowie , mwN, dem ebenfalls eine Vereinbarung zugrunde lag, wonach nur die Leasingnehmerin auf die Kündigungsmöglichkeit verzichtet hat und im Falle der Beendigung des Bestandsverhältnisses verpflichtet war, sämtliche Leasingraten bis zum Ablauf einer „Grundmietzeit“ zu entrichten).

25 Das von der Revision angesprochene Ausmaß der Befreiung des Bestandnehmers von seiner Leistungsverpflichtung für den Fall der vorzeitigen Vertragskündigung ist nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Verwaltungsgericht im Rahmen der Beurteilung von Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall zu berücksichtigen. Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung daher nicht aufgezeigt.

26 Ob ein konkreter Bestandvertrag vom Verwaltungsgericht, das sich auf dem Boden der erwähnten Rechtsprechung bewegt, im Einzelfall in seiner Gesamtgestaltung als Vertrag auf bestimmte Dauer oder auf unbestimmte Dauer gedeutet wird, ist von krassen Fehlentscheidungen abgesehen keine Frage, die über den Einzelfall hinausgeht und daher nicht grundsätzlich im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. nochmals und , vgl. auch etwa ).

27 Das Bundesfinanzgericht stützte sein Erkenntnis auf die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Realisierung der vereinbarten Kündigungsgründe nach den in den relevanten Zeiträumen geltenden AGB und kam zum Ergebnis, dass Leasingnehmer und Leasinggeber innerhalb der (vertraglich definierten) Kalkulationsbasisdauer die Vereinbarungen nicht unter Entfall ihrer Leistungsverpflichtungen kündigen hätten können und daher zunächst von auf bestimmte Zeit geschlossenen Vereinbarungen auszugehen gewesen sei. Dass das Bundesfinanzgericht mit dieser Beurteilung eine krasse Fehlentscheidung getroffen hätte, legt die Revision mit ihrem Vorbringen nicht dar.

28 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

29 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

30 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022160090.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAF-46149