VwGH 20.06.2024, Ra 2022/16/0085
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Der VwGH hat vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH und den darin festgelegten Anforderungen an eine Kohärenzprüfung - im Einklang mit der Rechtsprechung des VfGH (E945/2016 ua vom ) und des OGH (vgl. etwa RIS-Justiz RS0130636 [T7] sowie 60b50/22d vom ) - eine Gesamtwürdigung vorgenommen und die Bestimmungen des GSpG für unionsrechtskonform erachtet. Dabei kam der VwGH zu dem Ergebnis, dass mit den Bestimmungen des GSpG die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität, der Verhinderung von kriminellen Handlungen sowie der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden (vgl. , Rn. 115, und , Rn. 91). Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung hat der VwGH - unter Einbeziehung auch der Regelungen über Landesausspielungen ("kleines Glücksspiel") und Sportwetten - die Unionsrechtswidrigkeit der Regelungen des GSpG verneint (vgl. ). Diese Ausführungen gelten auch für die Besteuerung von Glücksspielen, handelt es sich dabei doch um eine der im GSpG angeführten Maßnahmen u. a. zur Verfolgung der Ziele der Politik zum Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung (vgl. , mwN). |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2022/16/0109 B
Ra 2022/16/0110 B
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der C GmbH in M, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Schuster, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Liechtensteinstr. 22A/1/12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7102415/2021, betreffend Sicherstellung gemäß § 232 BAO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , mit dem die Sicherstellung gemäß § 232 BAO der Glücksspielabgabe für Mai 2021 - in näher angeführter Höhe - angeordnet wurde, als unbegründet ab. Es sprach weiters aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Das Bundesfinanzgericht führte nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei eine im Jahr 2007 gegründete GmbH und Teil einer in der Glücksspielbranche (insbesondere Poker) tätigen Unternehmensgruppe, deren „Global Ultimate Owner“ eine österreichische Privatstiftung sei. Sie habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über eine Gewerbeberechtigung für das „Halten von erlaubten Kartenspielen ohne Bankhalter“ - jedoch über keine Konzession nach dem Glücksspielgesetz - verfügt, am Standort X ein „Pokercasino“ betrieben und dort Poker in Form von „Cash Games“ angeboten. Im „Pokercasino“ seien im verfahrensgegenständlichen Zeitraum 22 Pokertische aufgestellt gewesen, von denen (zumindest) einige bespielt worden seien.
3 Die Revisionswerberin habe interessierten Personen die - von ihr auch aktiv beworbene - Möglichkeit angeboten, zusammen mit anderen Besuchern Poker mit Geldeinsätzen zu spielen. Sie habe den Spielern den Spielort, Spieltische, Spielutensilien und Spielpersonal bereitgestellt, bestimmt welche Spiele gespielt worden seien und die Spielregeln festgelegt. Mitarbeiter der Revisionswerberin („Dealer“) hätten das Mischen und Teilen der Karten übernommen, das Spiel geleitet und in Zweifelsfällen die Entscheidung über das Spielergebnis getroffen. Pokerturniere seien im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht durchgeführt worden.
4 Im Zeitpunkt der Spielteilnahme hätten sich die Spieler somit körperlich im Inland - in den Betriebsräumlichkeiten der Revisionswerberin - aufgehalten.
5 Ein Teil der Spieler seien Staatsangehörige anderer EU-Mitgliedstaaten gewesen. Nach den Angaben der Revisionswerberin seien - ausgehend von ihren Erfahrungswerten aus vergangenen Zeiträumen und unter der Annahme, dass die Spielerstruktur in etwa gleichgeblieben sei - im verfahrensgegenständlichen Zeitraum etwa 35 % der Spieler aus Österreich, 37 % aus anderen EU-Mitgliedstaaten und 28 % aus Drittstaaten (insbesondere der Schweiz) gewesen.
6 Die Spieler hätten ausschließlich untereinander und miteinander gespielt und die Revisionswerberin sei weder Spielteilnehmerin noch Bankhalterin gewesen. Sie sei in die Spielverträge der Spieler nicht als Vertragspartner eingebunden gewesen und habe nicht gewusst, wie viel die Spieler tatsächlich an Einsatz geleistet, wie viel sie gewonnen oder verloren hätten.
7 Die Revisionswerberin habe sogenannte „Tischgelder“ („Rake“) für die Zurverfügungstellung der Tische und des Personals vereinnahmt und dazu täglich Aufzeichnungen betreffend die einzelnen Tische geführt. Die Tischgelder seien nicht von den Einsätzen der Spieler - die von diesen an die Spielgemeinschaft und nicht an das Casino geleistet worden wären - bemessen worden, weshalb über die Einsätze keine Aufzeichnungen geführt worden seien. Das für jede Spielrunde von den Spielern zu entrichtende Tischgeld sei von der Summe der geleisteten Einsätze („Pot“) abhängig und der Höhe nach gestaffelt gewesen. Ausgehend von dieser - im angefochtenen Erkenntnis dargestellten - Staffelung variiere das Verhältnis zwischen Rake und Tischgeld zwischen (mindestens) 2,78 % und (maximal) 10 %, womit der - vom Finanzamt errechnete - Mittelwert des Tischgeldes 4,48 % des Pots betrage.
8 Aufgrund der von der Revisionswerberin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum vereinnahmten Tischgelder ergebe sich durch eine Rückrechnung - unter Anwendung des genannten prozentuellen Mittelwertes - eine Gesamtsumme an geleisteten Einsätzen von rund € 1,676.600,-.
9 Die Revisionswerberin habe für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine elektronische Selbstberechnungserklärung der Glücksspielabgabe eingereicht und es sei auch keine bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe gemäß § 201 BAO erfolgt. Auch die früheren Betreiberinnen des Pokercasinos am selben Standort - die allesamt Gesellschaften derselben Unternehmensgruppe gewesen seien - hätten ihre Abgabenschuldigkeiten aus der Glücksspielabgabe nicht vollständig entrichtet.
10 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht nach Wiedergabe der gesetzlichen Grundlagen und unter Anführung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, die Revisionswerberin habe als Veranstalterin der Pokerspiele - bei denen es sich um Ausspielungen im Sinne der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 GSpG handeln würde - den Tatbestand des § 57 Abs. 1 GSpG verwirklicht und sei daher Schuldnerin der Glücksspielabgabe. Der Sicherstellungsauftrag - als eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende „Sofortmaßnahme“, mit der keine endgültige Entscheidung über den Abgabenanspruch getroffen werde - habe daher erlassen werden können. Die Voraussetzung des Vorliegens einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe sei aufgrund der - näher dargestellten - wirtschaftlichen Situation der Revisionswerberin erfüllt, womit die Ermessensentscheidung auch dahingehend zu treffen sei. Die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld sei ausgehend von den eingenommenen Tischgeldern durch Rückrechnung auf die geleisteten Einsätze - wie festgestellt - plausibel geschätzt worden. Die Schätzung sei zulässig, weil die Revisionswerberin keine Aufzeichnungen über die Höhe der Einsätze geführt habe. Die endgültige Entscheidung bleibe dem Abgabenfestsetzungsverfahren vorbehalten. Dem Einwand, wonach die Besteuerung ruinös sei, weil die Revisionswerberin die Einsätze nicht vereinnahmt habe, trat das Bundesfinanzgericht mit Verweis auf die bereits ergangene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegen.
11 Abschließend setzte sich das Bundesfinanzgericht unter Darlegung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) eingehend mit den im Beschwerdeverfahren erhobenen unionsrechtlichen Einwänden - insbesondere mit dem Einwand, das österreichische Glücksspielmonopol verstoße gegen Unionsrecht - auseinander.
12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Zur Zulässigkeit der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, der Abgabenanspruch nach § 57 GSpG sei gar nicht entstanden, weil das GSpG mangels öffentlicher Ausschreibung von Konzessionen zum Betrieb eines Pokersalons aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar sei. Die Revisionswerberin stützt sich dabei insbesondere auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W131 2247950-1/19E, und macht dazu geltend, aus dieser Entscheidung ergebe sich, dass die Bestimmungen des GSpG aus unionsrechtlichen Gründen auf Pokerbetriebe nicht anzuwenden seien.
17 Dieses Vorbringen erweist sich allerdings schon deshalb als nicht zielführend, weil Derartiges - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat (vgl. , sowie , Ro 2023/12/0020) - aus dem genannten Erkenntnis nicht abgeleitet werden kann.
18 Entgegen dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen wurden der Casinos Austria AG auch keine gesonderten „Pokerkonzessionen“ im Rahmen einer „intransparenten Vergabe“ ohne öffentliche internationale Ausschreibung erteilt (vgl. erneut ). Vielmehr umfassen die gemäß § 21 GSpG vergebenen - im verfahrensgegenständlichen Zeitraum aufrechten - Spielbankenkonzessionen von vornherein auch das Anbieten von Pokerspielen.
19 Das Zulässigkeitsvorbringen ist insoweit auch widersprüchlich, wird doch an anderer Stelle angeführt, dass „Poker“ nie ausgeschrieben worden sei, bzw., dass „keine Interessentensuche und auch keine Ausschreibung zur Vergabe einer Konzession zum Betrieb eines Pokersalons gemäß § 22 GSpG“ stattgefunden habe, womit es „keine einzige Konzession nach dem bereits 2015 aufgehobenen § 22 GSpG“ gebe.
20 Damit gehen die Ausführungen zur Verletzung der Revisionswerberin in ihren Rechten bei der „Vergabe von Pokerkonzessionen“ - auch hinsichtlich der geltend gemachten Verfahrensfehler, wie etwa der fehlenden Feststellung, es habe keine Interessentensuche und keine Ausschreibung zur Vergabe einer Konzession zum Betrieb eines Pokersalons gemäß § 22 GSpG gegeben - ins Leere, hat doch weder eine Vergabe derartiger Konzessionen stattgefunden, noch wäre eine solche Vergabe aufgrund der Aufhebung der Bestimmung des § 22 GSpG mit dem StRefG 2015/2016 (BGBl. I Nr. 118/2015) - im Hinblick auf den verfahrensgegenständlichen Zeitraum - rechtlich möglich gewesen.
21 Im Übrigen wird auf die ständige Rechtsprechung des EuGH hingewiesen, wonach es den Mitgliedstaaten in Ermangelung einer Harmonisierung auf Unionsebene grundsätzlich freisteht, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen. Die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die mit Glücksspielen (und Wetten) einhergehenden sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft rechtfertigen es, den staatlichen Stellen ein ausreichendes Ermessen zuzuerkennen, um im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (vgl. z.B. , Recreatieprojecten Zeeland BV u.a., Rn. 14, mwN). Mit seinen Erkenntnissen vom , Ro 2015/17/0022, und vom , Ra 2018/17/0048, hat der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH und den darin festgelegten Anforderungen an eine Kohärenzprüfung - im Einklang mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (E945/2016 ua vom ) und des Obersten Gerichtshofes (vgl. etwa RIS-Justiz RS0130636 [T7] sowie 60b50/22d vom ) - eine entsprechende Gesamtwürdigung vorgenommen und die Bestimmungen des GSpG für unionsrechtskonform erachtet. Dabei kam der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis, dass mit den Bestimmungen des Glücksspielgesetzes die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität, der Verhinderung von kriminellen Handlungen sowie der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden (vgl. , Rn. 115, und , Rn. 91). Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung hat der Verwaltungsgerichtshof - unter Einbeziehung auch der Regelungen über Landesausspielungen („kleines Glücksspiel“) und Sportwetten - die Unionsrechtswidrigkeit der Regelungen des GSpG verneint (vgl. ). Diese Ausführungen gelten auch für die Besteuerung von Glücksspielen, handelt es sich dabei doch um eine der im GSpG angeführten Maßnahmen u. a. zur Verfolgung der Ziele der Politik zum Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung (vgl. , mwN).
22 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
23 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022160085.L00 |
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Fundstelle(n):
VAAAF-46146