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VwGH 24.10.2024, Ra 2022/16/0038

VwGH 24.10.2024, Ra 2022/16/0038

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision des Ing. H K in P, vertreten durch Dr. Martin Leitner, Dr. Ralph Trischler, Dr. Peter Kraus und Dr. Bernhard Hofmann, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lindengasse 38/3, gegen die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts 1. vom , RV/7200039/2019 und 2. vom , RV/7200048/2019, betreffend Mineralölsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Österreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheiden vom , sowie setzte das (damalige) Zollamt Wien (nunmehr Zollamt Österreich) die Mineralölsteuer (samt Säumniszuschlägen) für die Zeiträume Jänner bis Dezember 2010, Jänner bis Dezember 2011 sowie Jänner bis April 2012 gegenüber dem Revisionswerber fest. Der Revisionswerber habe näher angeführte Mengen Grundöl mit Mineralöl (Diesel) vermischt (im Verhältnis 25 % zu 75 %) und dieses Gemisch an verschiedene Kunden als Diesel weiterverkauft. Die Vermischung sei eine Herstellung eines neuen Mineralölproduktes, weshalb die neu hergestellte Menge zu versteuern sei.

2 Der Revisionswerber erhob Beschwerden gegen diese Bescheide.

3 Das Zollamt gab den Beschwerden - abgesehen von zugunsten des Revisionswerbers erfolgten geringfügigen Korrekturen der hergestellten Mengen an Mineralöl - in seinen Beschwerdevorentscheidungen keine Folge, woraufhin der Revisionswerber Vorlageanträge stellte.

4 Mit den angefochtenen Erkenntnissen gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden insoweit Folge, als es die Mineralölsteuer entsprechend den ergangenen Beschwerdevorentscheidungen festsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerden ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof jeweils für unzulässig.

5 Das Bundesfinanzgericht führte aus, auf Grund der in Rechtskraft erwachsenen Verurteilung des Revisionswerbers im Finanzstrafverfahren stehe fest, dass dieser in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen (Jänner 2010 bis April 2012), ohne über die Bewilligung als Herstellungsbetrieb zu verfügen, unversteuertes Grundöl mit Dieselkraftstoff vermischt und entgegen § 23 Abs. 6 MinStG die hergestellte Menge Mineralöl nicht jeweils binnen einer Woche bei den zuständigen Zollämtern angemeldet und die darauf entfallende Mineralölsteuer entrichtet habe.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht - nach Wiedergabe der gesetzlichen Grundlagen und Anführung der relevanten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - im Wesentlichen aus, die (korrekte) Menge des vom Revisionswerber hergestellten Mineralöls ergebe sich aus dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen, das aufgrund der eingetretenen Rechtskraft Bindungswirkung entfalte. Die Anwendung des begünstigten Steuersatzes für Dieselkraftstoff gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a MinStG komme für das hergestellte Mineralöl nicht zur Anwendung, weil das verwendete Grundöl keine biogenen Stoffe enthalten habe, womit durch die Vermischung mit Diesel der vorgesehene Mindestgehalt an biogenen Stoffen von 6,6 % im Gesamtprodukt unterschritten worden sei.

7 Die begehrte Steuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z 12 MinStG komme nicht zur Anwendung, weil es sich beim hergestellten Mineralöl nicht um ein gebrauchtes Mineralöl handle und dieses Produkt unstrittig zur Verwendung als Treibstoff bzw. zum Verheizen und nicht für mineralogische Verfahren oder für einen nach § 4 Abs. 1 Z 9 lit. a MinStG begünstigten Zweck bestimmt gewesen sei.

8 Die Festsetzung (bloß) eines Unterschiedsbetrages gemäß § 24 Abs. 2 MinStG komme nicht in Betracht, weil im vorliegenden Fall keine Versteuerung des hergestellten Mineralöls mit einem niedrigeren Steuersatz, sowie anschließend eine Verwendung, für die ein höherer Steuersatz vorgesehen sei, erfolgt sei.

9 Die Mineralölsteuer sei somit dem Revisionswerber als Hersteller des Mineralöls - entsprechend den Feststellungen im genannten Strafurteil - vorzuschreiben gewesen.

10 Gegen diese Erkenntnisse erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , E 4105-4106/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerden ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Begründung führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, die in der Beschwerde gerügten Rechtsverletzungen wären nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes in jeder Hinsicht dem Gesetz entsprechen würden, nicht anzustellen. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers sei der vorliegenden Sachverhalt nicht mit jenem vergleichbar, in dem für ein Produkt zunächst für einen bestimmten Zweck Mineralölsteuer zu einem Steuersatz entrichtet worden sei und sodann das Produkt für einen anderen, einem höheren Steuersatz unterliegenden Zweck verwendet werde.

11 Gegen die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts wendet sich nunmehr die vorliegende außerordentliche Revision, zu deren Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, es sei die Rechtsfrage zu klären, wie die Herstellung eines Mineralölgemisches steuerrechtlich zu beurteilen sei, wenn diese außerhalb eines Herstellungsbetriebes bzw. Mineralölsteuerlagers erfolge und von einer Mischungskomponente bereits Mineralölsteuer entrichtet worden sei, während die andere Mischungskomponente steuerfrei sei. Es sei also zu klären, ob vom Vorliegen einer planwidrigen Lücke auszugehen sei und eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 10 MinStG 1995 in Betracht komme.

12 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung (mit Kostenantrag) eingebracht; der Revisionswerber erstattete hiezu eine Replik.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

15 Die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Mineralölsteuergesetz 1995 (MinStG 1995), BGBl. Nr. 630/1994, idF vor dem BGBl. I Nr. 22/2012, sieht vor, dass bei einer verbotswidrigen Verwendung (§ 9 Abs. 6 leg.cit.) oder Behandlung (§ 9 Abs. 9 leg.cit.) von gekennzeichnetem Gasöl für die verbotswidrig verwendeten oder behandelten Mengen der Unterschiedsbetrag zwischen der nicht ermäßigten und der nach § 3 Abs. 1 Z 5 leg.cit. ermäßigten Mineralölsteuer zu entrichten ist (Nachversteuerung). Gemäß § 10 Abs. 2 leg.cit. ist - in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 10 Abs. 1 leg.cit. - auch bei einer verbotswidrigen Verwendung von Mineralöl gemäß § 9 Abs. 10 leg.cit. die Mineralölsteuer für die verbotswidrig verwendeten Mengen zu entrichten.

16 Gemäß § 9 Abs. 6 MinStG 1995 ist die Verwendung von gekennzeichnetem Gasöl zu anderen als den dort näher genannten Zwecken verboten. Gemäß § 9 Abs. 9 leg.cit. ist jede Veränderung, Beeinträchtigung oder Beseitigung der Kennzeichnung (gemäß § 9 Abs. 1 leg.cit.), die außerhalb eines im § 9 Abs. 3 leg.cit. bezeichneten Steuerlagers vorgenommen wird, verboten.

17 Die genannten Bestimmungen der §§ 9 und 10 MinStG 1995 gehen auf das Gasöl-Steuerbegünstigungsgesetz (GasölStBG), BGBl. Nr. 259/1966, zurück. Bereits nach § 2 GasölStBG war eine Verwendung von steuerbegünstigtem Gasöl zu einem anderen Zweck als zum Verheizen (siehe dazu ausführlich ) verboten und nach § 3 Abs. 4 leg.cit. war jede Veränderung, Beeinträchtigung oder Beseitigung der Kennzeichnung von steuerbegünstigtem Gasöl - außerhalb eines Erzeugungsbetriebes - verboten. Bei einer verbotswidrigen Verwendung oder Behandlung nach den genannten Bestimmungen war gemäß § 5 Abs. 1 leg.cit. eine Nachversteuerung - in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der nicht ermäßigten und der nach § 1 leg.cit. ermäßigten (damaligen) Bundesmineralölsteuer - der betreffenden Menge des Gasöls vorzunehmen. Flankierend dazu sah § 6 leg.cit. eine Strafbarkeit der genannten verbotenen Handlungen vor. Diese Bestimmungen wurden im Wesentlichen unverändert - unter gleichzeitiger Aufhebung des GasölStBG - in das MinStG 1995, BGBl. Nr. 630/1994, übernommen. Hintergrund und Zweck der nunmehr in den § 9 Abs. 6 und 9 sowie § 10 Abs. 1 MinStG 1995 geregelten Bestimmungen war demnach die Sicherstellung der bestimmungsgemäßen Verwendung des steuerbegünstigten Gasöls (vgl. dazu die Gesetzesmaterialien zum GasölStBG, ErlRV 235 BlgNR 11. GP 3).

18 Nach § 24 Abs. 1 MinStG 1995 dürfen Mineralöl, Kraftstoffe und Heizstoffe, für die die Mineralölsteuer zu einem niedrigeren Steuersatz entrichtet wurde, weil sie für einen bestimmten Zweck vorgesehen waren, zu keinem Zweck verwendet werden, für welchen die Anwendung eines höheren Steuersatzes vorgesehen ist. Wer Mineralöl, Kraftstoffe oder Heizstoffe entgegen dieser Bestimmung verbotswidrig verwendet oder abgibt, hat die verbotswidrige Verwendung oder Abgabe gemäß § 24 Abs. 2 leg.cit. dem Zollamt anzuzeigen und für die verbotswidrig verwendeten oder abgegebenen Mengen den Unterschiedsbetrag zwischen der entrichteten und der auf Grund der Verwendung zur Anwendung kommenden Mineralölsteuer zu entrichten (Nachversteuerung).

19 Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass der Revisionswerber - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts - unversteuertes Grundöl mit Dieselkraftstoff vermischt hat. Der Revisionswerber stellt dabei angesichts der Bestimmung des § 26 Abs. 3 Z 1 MinStG 1995 (bzw. des Art. 21 Abs. 6 lit. c der Richtlinie 2003/96/EG) auch nicht in Abrede, dass es sich dabei um einen Herstellungsvorgang gemäß § 1 Abs. 1 leg.cit. handelt, bei dem die Steuerschuld gemäß § 21 Abs. 3 leg.cit. mit der Herstellung entstanden ist.

20 Die vom Revisionswerber begehrte analoge Anwendung der Bestimmungen des § 10 Abs. 1 bzw. § 24 Abs. 2 MinStG 1995 - mit dem Ergebnis, dass für das hergestellte Gemisch die Mineralölsteuer nur unter Anrechnung der bereits für den beigemengten Dieselkraftstoff entrichteten Mineralölsteuer festzusetzen wäre - kommt allerdings mangels Vorhandensein einer gesetzlichen Lücke nicht in Betracht.

21 Voraussetzung für eine analoge Anwendung einer Bestimmung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Bestehen einer echten (also planwidrigen) Rechtslücke, dass also das Gesetz - gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie - unvollständig (ergänzungsbedürftig) ist und seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt etwa dann in Betracht, wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (vgl. ; , Ra 2021/13/0155; , Ro 2019/13/0014, jeweils mwN).

22 Die Bestimmungen des § 10 Abs. 1 und 2 MinStG 1995 sehen - wie bereits ausgeführt - eine Nachversteuerung bei einer verbotswidrigen Verwendung oder Behandlung (hinsichtlich der Kennzeichnung) von gekennzeichnetem Gasöl vor. In § 10 Abs. 3 leg.cit. ist zudem vorgesehen, dass im Fall einer versehentlichen Vermischung von Gasöl mit gekennzeichnetem Gasöl, das Zollamt mit Bescheid die Verwendung des Gemisches als gekennzeichnetes Gasöl - bei Vorliegen näher geregelter Voraussetzungen - zulassen kann. Nach § 24 Abs. 1 und 2 leg.cit. ist eine Nachversteuerung für den Fall einer (verbotswidrigen) Verwendung oder Abgabe von Mineralöl, Kraftstoffen oder Heizstoffen, für die die Mineralölsteuer zu einem niedrigeren Steuersatz entrichtet wurde, zu einem Zweck, für welchen die Anwendung eines höheren Steuersatzes vorgesehen ist, vorgesehen.

23 Im vorliegenden Revisionsfall wurde Grundöl mit Diesel vermischt und dadurch ein neues Mineralöl hergestellt. Somit wurde weder Mineralöl (lediglich) verbotswidrig verwendet oder behandelt, noch versehentlich vermischt. Damit ist der dem Revisionsfall zugrundeliegende Sachverhalt - wie auch der Verfassungsgerichtshof im Ablehnungsbeschluss vom ausgeführt hat - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht mit jenen in den §§ 10 und 24 MinStG 1995 geregelten vergleichbar. Dass auf diese unterschiedlichen Sachverhalte - verbotswidrige Verwendung von Mineralöl auf der einen Seite, unrechtmäßige Herstellung von Mineralöl auf der anderen Seite - dieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen würden, ist nicht erkennbar.

24 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

25 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

26 Von der in der Revision beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
MinStG 1995 §10 Abs1
MinStG 1995 §10 Abs2
MinStG 1995 §10 Abs3
MinStG 1995 §21 Abs3
MinStG 1995 §24 Abs1
MinStG 1995 §24 Abs2
MinStG 1995 §9 Abs6
MinStG 1995 §9 Abs9
VwGG §42 Abs1
VwRallg
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022160038.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-46134