VwGH 04.05.2023, Ra 2022/16/0025
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | FamLAG 1967 §10 Abs1 FamLAG 1967 §10 Abs2 FamLAG 1967 §13 VwRallg |
RS 1 | Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. ausdrücklich , und ). Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/16/0003 E RS 2 |
Normen | FamLAG 1967 §5 Abs2 FamLAG 1967 §5 Abs3 idF 1967/376 FamLAG 1967 §5 Abs3 idF 1980/269 FamLAG 1967 §6 Abs1 litb FamLAG 1967 §6 Abs1 litb idF 1980/269 |
RS 2 | Der Gesetzgeber hatte für die Stammfassung des FLAG die klare Absicht, verheiratete Kinder von der Familienbeihilfe gänzlich auszuschließen. Demnach endete die finanzielle Belastung der Eltern für das Kind mit dessen Vermählung. Durch die Heirat ging die Unterhaltsverpflichtung des Kindes auf den Ehegatten über und konnte daher einen Anspruch der Eltern auf Familienbeihilfe nicht mehr begründen. Nach der Novellierung infolge Aufhebung des § 5 Abs. 3 FLAG durch das Erkenntnis VfSlg. 8.793/1980 räumte das Gesetz für verheiratete oder geschiedene Kinder oder Vollwaisen einen Anspruch auf Familienbeihilfe ein, sofern nicht deren Ehegatte oder der frühere Ehegatte Unterhalt zu leisten haben. In diesem Zusammenhang kommt es - anders als bei der Leistung des Unterhalts durch die Eltern - auf die Pflicht verheirateter und geschiedener Ehegatten zur Unterhaltsleistung an (vgl. , und ). Daraus folgt, dass dem Unterhaltsbegriff nach §§ 5 Abs. 2 und 6 Abs. 1 lit. b FLAG die Eigenschaft als eine Leistung zu Lebzeiten des Verpflichteten an den Unterhaltsberechtigten beizumessen ist. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2019/16/0015 E RS 1 (hier ohne den letzten Satz) |
Normen | FamLAG 1967 §6 Abs1 litb FamLAG 1967 §6 Abs5 VwRallg |
RS 3 | Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach es auf eine Pflicht zur Unterhaltsleistung nicht ankommt, betrifft die Unterhaltsleistungen von Eltern nach § 6 Abs. 5 FLAG. Bei dieser Bestimmung kommt es auf die tatsächliche Unterhaltsleistung und nicht auf eine Unterhaltspflicht an (Hinweis E vom , 2012/16/0052, sowie E vom , 2009/16/0087, VwSlg 8509 F/2010), sie weist allerdings einen anderen Wortlaut auf ("Unterhalt leisten") als die Bestimmung des § 6 Abs. 1 lit. b FLAG ("Unterhalt zu leisten ist"). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2014/16/0077 E VwSlg 8964 F/2014 RS 1 |
Norm | FamLAG 1967 §6 Abs1 litb |
RS 4 | Da es nach der Rechtsprechung des VwGH auf die Unterhaltspflicht des früheren Ehegatten, und gerade nicht auf die tatsächliche Unterhaltsleistung ankommt, ist die Tatsache, dass die Antragstellerin ihren Unterhaltsanspruch im Exekutionsweg (im Entscheidungszeitpunkt) nicht durchsetzen konnte, für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung, dass ihr "nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist" gemäß § 6 Abs. 1 lit. b FamLAG 1967 nicht ausschlaggebend. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie den Hofrat Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des Finanzamtes Österreich (Dienststelle Wien 2/20/21/22) in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7102201/2020, betreffend erhöhte Familienbeihilfe (mitbeteiligte Partei: I P in W, vertreten durch Dr. Christian Burghardt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Am Hof 13/18), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben und das Erkenntnis im Umfang seiner Anfechtung dahingehend abgeändert, dass die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrages der Mitbeteiligten auf Familienbeihilfe ab Mai 2019 richtet, abgewiesen wird.
Begründung
1 Mit Beschluss des Bezirksgerichts F vom wurde für die 1979 geborene Mitbeteiligte gemäß § 268 ABGB ein Erwachsenenvertreter bestellt.
2 Mit Vergleich vom verpflichtete sich der geschiedene Ehemann der Mitbeteiligten dieser ab einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 255 € zu bezahlen.
3 Mit Bescheid vom wies das damalige Finanzamt Wien 2/20/21/22 (nunmehr Finanzamt Österreich, im Folgenden: Finanzamt) den Antrag der Mitbeteiligten auf erhöhte Familienbeihilfe ab Juni 2016 mit der Begründung ab, dass die Mitbeteiligte nicht zur Untersuchung beim Sozialministeriumservice erschienen und ihr Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung abzuweisen sei.
4 In der aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten ergangenen Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt aus, da der geschiedene Ehegatte der Mitbeteiligten dieser gegenüber zur Leistung von Unterhalt verpflichtet sei, seien die Eltern der Mitbeteiligten ihr gegenüber nicht unterhaltspflichtig. Demzufolge bestehe ab dem Monat der Antragstellung (Juni 2016) kein Anspruch auf (erhöhte Familienbeihilfe) „gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967“.
5 Mit Antrag vom beantragte die Mitbeteiligte die erhöhte Familienbeihilfe ab Jänner 2017.
6 Mit Zurückweisungsbescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Mitbeteiligten „vom “ (gemeint wohl: vom ) auf erhöhte Familienbeihilfe ab Jänner 2017 zurück. Begründend führte das Finanzamt aus, dass bereits mit Erlassung des Bescheides vom über den mit neuerlichem Antrag beantragten Zeitraum vom Jänner 2017 rechtskräftig entschieden worden sei. Eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder der Rechtslage sei hinsichtlich des genannten Zeitraumes seitdem nicht eingetreten.
7 Mit Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom wurde der Mitbeteiligten rückwirkend ab ein Grad der Behinderung von 50% als Dauerzustand attestiert und festgehalten, dass die Mitbeteiligte dauerhaft außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
8 In der gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes vom erhobenen Beschwerde vom brachte die Mitbeteiligte vor, dass ihr früherer Ehemann verzogen sei und seit Jänner 2017 keine Zahlungen aufgrund des Unterhaltsvergleiches mehr erfolgt seien. Mehrere Exekutionsversuche seien erfolglos geblieben und der Aufenthaltsort des früheren Ehemannes sei unbekannt.
9 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde der Mitbeteiligten ab.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht (BFG) die Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Finanzamtes vom , soweit sie sich gegen den Zeitraum von Jänner 2017 bis April 2019 richtete, ab. Soweit sich die Beschwerde gegen den Zeitraum ab Mai 2019 richtete, gab das BFG der Beschwerde statt und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
11 Über den unstrittigen Sachverhalt hinaus stellte das BFG fest, das Amtsgericht D habe mit Schreiben vom mitgeteilt, dass der geschiedene Ehegatte der Mitbeteiligten trotz mehrfacher Vollstreckungsankündigungen nicht habe angetroffen werden können. In rechtlicher Hinsicht führte das BFG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, schon der Wortlaut des § 6 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) spreche eindeutig dafür, dass jeder Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehegatten die Gewährung von Familienbeihilfe ausschließe. Wenn allerdings kein Unterhalt des früheren Ehegatten geleistet werde und auch nicht mit Zahlungen gerechnet werden könne, könne das BFG nicht erkennen, was dem Eigenanspruch der Mitbeteiligten auf Familienbeihilfe entgegenstehe.
12 Eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder der Rechtslage hinsichtlich des genannten Zeitraumes sei seit dem Ergehen des abweisenden Bescheides bis zur Feststellung durch das deutsche Gericht, dass der geschiedene Gatte nicht auffindbar sei, somit sämtliche weiteren Versuche, den Unterhaltsanspruch der Mitbeteiligten im Ausland geltend zu machen, aussichtslos seien, nicht eingetreten. Damit dürfe im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung erst ab diesem Zeitpunkt neuerlich über dieselbe Sache abgesprochen werden.
13 Da die Mitbeteiligte ab Oktober 1996, somit bereits vor ihrem 21. Lebensjahr, voraussichtlich dauernd außerstande gewesen sei, sich ihren Unterhalt zu verschaffen, der frühere Ehegatte der Mitbeteiligten seit Jänner 2017 keine Unterhaltszahlungen mehr geleistet habe und laut Schreiben des Amtsgerichtes D mehrfach trotz Vollstreckungsankündigungen nicht angetroffen habe werden können, stehe dem Eigenanspruch der Mitbeteiligten auf erhöhte Familienbeihilfe ab Mai 2019 nichts entgegen.
14 Gegen dieses Erkenntnis, soweit damit der Beschwerde der Mitbeteiligten für den Zeitraum ab Mai 2019 stattgegeben wurde, richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des Finanzamtes, die das BFG dem Verwaltungsgerichtshof unter Anschluss der verwaltungsgerichtlichen Akten vorlegte.
15 Die Amtsrevisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es gehe um die grundlegende Frage, ob § 6 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 einen Familienbeihilfenanspruch schon bei Vorliegen eines Unterhaltsanspruches gegen einen ehemaligen Ehegatten ausschließe, oder ob es - im Hinblick auf näher genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - darauf ankomme, dass der Unterhalt auch tatsächlich geleistet werde.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen:
17 Die Revision ist zulässig. Sie ist aus den nachstehenden Erwägungen auch begründet.
Zur maßgeblichen Rechtsvorschrift
18 § 6 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967), BGBl. 376/1967 idF BGBl. Nr. 269/1980, lautet:
„§ 6. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
[...]“
Zum Beurteilungsgegenstand des BFG
19 Vorauszuschicken ist, dass die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ein zeitraumbezogener Abspruch ist. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides
(vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa , , , ).
20 Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe „ab“ einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung somit jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. , , und ).
21 Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird (vgl. ).
22 Das Finanzamt hat den Antrag der Mitbeteiligten auf (erhöhte) Familienbeihilfe ab Juni 2016 mit Bescheid vom abgewiesen. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom wurde der Antrag der Mitbeteiligten auf (erhöhte) Familienbeihilfe ab Jänner 2017 zurückgewiesen. Das BFG hatte daher im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu prüfen, ob sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den Antrag der Mitbeteiligten auf (erhöhte) Familienbeihilfe ab Juni 2016 mit Bescheid vom - unter Berücksichtigung des Vorbringens der Mitbeteiligten in ihrem Antrag auf (erhöhte) Familienbeihilfe ab Jänner 2017 - geändert hatte (vgl. erneut ).
Zur Unterhaltspflicht des früheren Ehegatten
23 Unbestritten ist, dass die Mitbeteiligte aufgrund der vor dem 21. Lebensjahr eingetretenen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Parteien gehen aus diesem Grund übereinstimmend davon aus, dass ein Eigenanspruch der Mitbeteiligten auf Familienbeihilfe in Betracht kommt (vgl. § 6 Abs. 2 lit. d und § 6 Abs. 5 FLAG 1967).
24 Der Gesetzgeber hatte für die Stammfassung des FLAG die klare Absicht, verheiratete Kinder von der Familienbeihilfe gänzlich auszuschließen. Demnach endete die finanzielle Belastung der Eltern für das Kind mit dessen Vermählung. Durch die Heirat ging die Unterhaltsverpflichtung des Kindes auf den Ehegatten über und konnte daher einen Anspruch der Eltern auf Familienbeihilfe nicht mehr begründen. Nach der Novellierung infolge Aufhebung des § 5 Abs. 3 FLAG durch das Erkenntnis VfSlg. 8.793/1980 räumte das Gesetz für verheiratete oder geschiedene Kinder oder Vollwaisen einen Anspruch auf Familienbeihilfe ein, sofern nicht deren Ehegatte oder der frühere Ehegatte Unterhalt zu leisten haben. In diesem Zusammenhang kommt es - anders als bei der Leistung des Unterhalts durch die Eltern - auf die Pflicht verheirateter und geschiedener Ehegatten zur Unterhaltsleistung an (vgl. , und , jeweils mwN).
25 Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach es auf eine Pflicht zur Unterhaltsleistung nicht ankommt, betrifft die Unterhaltsleistungen von Eltern nach § 6 Abs. 5 FLAG. Bei dieser Bestimmung kommt es auf die tatsächliche Unterhaltsleistung und nicht auf eine Unterhaltspflicht an (, sowie vom , 2009/16/0087), sie weist allerdings einen anderen Wortlaut auf („Unterhalt leisten“) als die Bestimmung des § 6 Abs. 1 lit. b FLAG („Unterhalt zu leisten ist“) (vgl. erneut ).
26 Bei der Stattgabe der Beschwerde der Mitbeteiligten hinsichtlich des Zeitraumes ab Mai 2019 ging das BFG davon aus, dass die fehlende Vollstreckbarkeit des Anspruches der Mitbeteiligten auf Unterhalt gegenüber ihrem früheren Ehemann eine Änderung der Sachlage darstellte, die dazu führte, dass der Mitbeteiligten nicht mehr Unterhalt von ihrem früheren Ehemann zu leisten sei und die Mitbeteiligte daher einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 in der im Revisionsfall maßgeblich Fassung habe.
27 Da es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die Unterhaltspflicht des früheren Ehegatten, und gerade nicht auf die tatsächliche Unterhaltsleistung ankommt, ist jedoch die Tatsache, dass die Mitbeteiligte ihren Unterhaltsanspruch im Exekutionsweg (im Entscheidungszeitpunkt) nicht durchsetzen konnte, für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung, dass ihr „nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist“ gemäß § 6 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht ausschlaggebend.
28 Einen Entfall der Unterhaltspflicht des früheren Ehegatten der Mitbeteiligten (etwa durch Vergleich, Verzicht oder Anspruchsübergang), der eine Änderung der Sachlage begründen könnte, stellte das BFG nicht fest. Der Anspruch der Mitbeteiligten auf Unterhalt gegen ihren früheren Ehemann bestand nach den Feststellungen des BFG daher im Entscheidungszeitpunkt noch. Da der frühere Ehegatte der Mitbeteiligten nach wie vor Unterhalt zu leisten hatte, traf auf die Mitbeteiligte die Voraussetzung des § 6 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht zu. Nach dem Gesagten lag damit auch keine (behauptete) Änderung der Sach- oder Rechtslage vor, die zu einer Rechtskraftdurchbrechung des Bescheides vom für den Zeitraum ab Mai 2019 geführt hätte.
Ergebnis
29 Die Revision weist somit zutreffend darauf hin, dass das BFG mit der Beurteilung, dass der Mitbeteiligten ab dem Zeitpunkt, ab dem ihr früherer Ehegatte nicht mehr angetroffen worden sei und Exekutionsversuche im Hinblick auf den Unterhaltsanspruch in Deutschland erfolglos geblieben seien, somit ab Mai 2019, ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe zustehe, weil die Voraussetzung des § 6 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 erfüllt sei, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.
30 Nach dem Gesagten erweist sich der Revisionsfall als entscheidungsreif, weshalb gemäß § 42 Abs. 4 VwGG im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Ersparnis weiteren Verfahrensaufwands in der Sache selbst zu entscheiden und das angefochtene Erkenntnis spruchgemäß abzuändern ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | FamLAG 1967 §10 Abs1 FamLAG 1967 §10 Abs2 FamLAG 1967 §13 FamLAG 1967 §5 Abs2 FamLAG 1967 §5 Abs3 idF 1967/376 FamLAG 1967 §5 Abs3 idF 1980/269 FamLAG 1967 §6 Abs1 litb FamLAG 1967 §6 Abs1 litb idF 1980/269 FamLAG 1967 §6 Abs5 VwRallg |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022160025.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-46127