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VwGH 05.09.2024, Ra 2022/16/0017

VwGH 05.09.2024, Ra 2022/16/0017

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BAO §116
EStG 1988 §33 Abs3 Z1
EStG 1988 §33 Abs3a
FamLAG 1967 §26 Abs1
VwRallg
RS 1
Ist - ausschließlich - die Gewährung der Familienbeihilfe Anspruchsvoraussetzung für den Kinderabsetzbetrag, wird dieser schon dann (jedenfalls) zu Unrecht bezogen, wenn auch die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen worden ist. Ob Familienbeihilfe iSd § 33 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 "gewährt" wird, somit ob die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe vorliegen, stellt demnach eine Vorfrage iSd § 116 BAO dar, über die - wenn auch von derselben Behörde (vgl. dazu etwa , mwN) - grundsätzlich (vgl. , zur "subsidiären" Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen für die Familienbeihilfe im Einkommensteuerverfahren für Zwecke der Gewährung des Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988) im (gesonderten) Verfahren über die Gewährung von bzw. Rückforderung bereits gewährter Familienbeihilfe (als Hauptfrage) bindend entschieden wird (vgl. zur Bindungswirkung etwa , mwN). Die Bindung an eine solche Entscheidung besteht im Übrigen unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit (vgl. , mwN).
Normen
BAO §207
EStG 1988 §33 Abs3
FamLAG 1967 §10 Abs3
FamLAG 1967 §26 Abs1
RS 2
Die Koppelung des Kinderabsetzbetrages an die Familienbeihilfe - abgesehen von der im Gesetz explizit vorgesehenen Notwendigkeit der Gewährung von Familienbeihilfe, somit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe (vgl. in diesem Zusammenhang , mwN; siehe ebenso ; vgl. dazu auch , wonach Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe nicht nur hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, sondern auch hinsichtlich der Auszahlungstechnik gleichgeschaltet sind) - kommt nach der Rechtsprechung auch darin zum Ausdruck, dass der Kinderabsetzbetrag - obwohl er im EStG 1988 geregelt ist - ausschließlich nach den Vorschriften des FLAG geltend zu machen ist und nicht etwa im Wege einer Einkommensteuerveranlagung (vgl. ). Auch die zeitliche Begrenzung der Geltendmachung des Anspruchs auf den Kinderabsetzbetrag ergibt sich aus § 10 Abs. 3 FLAG und nicht etwa aufgrund der Verjährungsbestimmungen des § 207 BAO (vgl. ).
Normen
EStG 1988 §33 Abs3
FamLAG 1967 §26 Abs1
RS 3
Die Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe führt automatisch dazu, dass auch der - damit ebenfalls zu Unrecht bezogene - Kinderabsetzbetrag zurückzufordern ist, weil der Rückforderungstatbestand nach § 26 Abs. 1 FLAG - der nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 auch auf den Kinderabsetzbetrag anzuwenden ist - nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt (vgl. ; , 2012/16/0047; , 2007/13/0120, jeweils mwN). Eine bereits ausgezahlte Familienbeihilfe, die - mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen - nachträglich zurückgefordert wurde, wurde im entsprechenden Zeitraum demnach nicht im Sinne des § 33 Abs. 3 EStG "gewährt".
Normen
BAO §116
BAO §243
BAO §93 Abs2
EStG 1988 §33 Abs3
FamLAG 1967 §26 Abs1
VwRallg
RS 4
Wurden mit einem einzigen Bescheid die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für die verfahrensgegenständlichen Zeiträume zurückgefordert, waren (mehrere) trennbare und damit gesondert anfechtbare Bescheidsprüche - hinsichtlich der beiden Beihilfen für die jeweiligen Monate - vorhanden. Wurde lediglich gegen die Rückforderung des Kinderabsetzbetrages Beschwerde erhoben, ist die Rückforderung der Familienbeihilfe in Rechtskraft erwachsen. Durch die Rückforderung der Familienbeihilfe wurde die im Verfahren über die Rückforderung des Kinderabsetzbetrages entscheidende Vorfrage, ob in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen Familienbeihilfe "gewährt" wurde, bindend entschieden. Aufgrund dieser Bindungswirkung kann die Rückforderung des Kinderabsetzbetrages nicht mehr mit dem Einwand bekämpft werden, dass die Rückforderung der Familienbeihilfe rechtswidrig und die Anspruchsvoraussetzungen für die Familienbeihilfe - entgegen der Rückforderungsentscheidung - erfüllt gewesen seien (vgl. in diesem Zusammenhang etwa , mwN, zur Bindungswirkung eines Abgabenbescheides im Haftungsverfahren).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich (Dienststelle Wien 12/13/14 Purkersdorf) in Wien, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7100031/2022, betreffend Rückforderung von Kinderabsetzbeträgen (mitbeteiligte Partei: P G in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Mitbeteiligten die im Zeitraum Juni 2018 bis Mai 2020 für seine Tochter gewährte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen gemäß § 26 Abs. 1 FLAG iVm § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurück, weil seit Mai 2018 kein gemeinsamer Haushalt mit der Tochter mehr bestanden habe.

2 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom wendete sich der Mitbeteiligte ausschließlich gegen die Rückforderung der Kinderabsetzbeträge und brachte vor, die Regelung des § 33 Abs. 3 EStG 1988 würde vorsehen, dass Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt werde, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zustehe. Dem Mitbeteiligten sei Familienbeihilfe gewährt worden, womit ihm folglich auch der Kinderabsetzbetrag zustehe. Dem Gesetzeswortlaut sei nichts über zu Recht oder zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe zu entnehmen. Die rückgeforderte Familienbeihilfe habe der Mitbeteiligte bereits an das Finanzamt überwiesen.

3 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab, woraufhin der Mitbeteiligte mit - über FinanzOnline eingebrachten - Schriftsatz vom einen Vorlageantrag stellte.

4 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Bundesfinanzgericht den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Rückforderung der Kinderabsetzbeträge gemäß § 278 BAO unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt auf und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte wohne und arbeite in Österreich. Er sei seit Mai 2018 von der Kindesmutter geschieden und lebe seit nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit ihr und mit der gemeinsamen Tochter. Die Kindesmutter und die Tochter hätten seit keinen Hauptwohnsitz in Österreich.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht - nach Wiedergabe der relevanten Rechtsvorschriften und unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - im Wesentlichen aus, nach den Angaben des Mitbeteiligten habe er laufende monatliche Unterhaltsleistungen in näher angeführter Höhe erbracht. Aus seinen Angaben gehe nicht hervor, ob diese Unterhaltsleistungen zur Gänze oder nur teilweise für die im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bei der Mutter in Ungarn lebenden Tochter aufgewendet worden seien. Diesbezügliche Feststellungen habe das Finanzamt nicht getroffen.

7 Nach den Beschwerdeausführungen des steuerlich vertretenen Mitbeteiligten sei nur hinsichtlich der rückgeforderten Kinderabsetzbeträge, nicht jedoch hinsichtlich der gleichzeitig rückgeforderten Familienbeihilfe Beschwerde erhoben worden. Ob mit der bereits erfolgten Rückzahlung des gesamten auf die Familienbeihilfe entfallenden Rückforderungsbetrages gleichzeitig der Verzicht auf eine dem Mitbeteiligten allenfalls aufgrund einer überwiegenden Kostentragung zustehenden (angepassten) Differenzzahlung (zugunsten der geschiedenen Ehegattin oder einer anderen Person) verbunden gewesen sei, sei nicht geklärt.

8 Eindeutige Feststellungen zur Frage der überwiegenden Unterhaltstragung durch den Mitbeteiligten seien deshalb erforderlich, weil bejahendenfalls nach innerstaatlichem Recht ein Anspruch auf Familienbeihilfe des leiblichen Vaters gem. Art. 60 Abs. 1 DurchführungsVO Nr. 987/2009 und damit auch ein Anspruch auf die Kinderabsetzbeträge gegeben wäre. Mit der Vorfrage der überwiegenden Kostentragung und einem sich daraus allenfalls ergebenden Anspruch auf (angepasste) Differenzzahlungen sei die strittige Hauptfrage der Rechtmäßigkeit des Anspruchs auf die Kinderabsetzbeträge verbunden gewesen.

9 Die Frage der überwiegenden Kostentragung wäre auch im Hinblick auf allenfalls zustehende Folgeansprüche betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag und einer möglichen Anrechnung auf solche von Bedeutung, wobei zwischenzeitige Auszahlungen an die Mutter und allfällige gegenseitige Verzichtserklärungen zu berücksichtigen wären.

10 Zur Beurteilung des Rückforderungsanspruchs hinsichtlich der ausbezahlten Kinderabsetzbeträge würden für den verfahrensgegenständlichen Streitzeitraum die tatsächlichen Unterhaltskosten für das Kind (Kosten der Verpflegung, Wohnung, des persönlichen Bedarfs wie Kleidung, Taschengeld etc.) zu ermitteln und den vom Mitbeteiligten belegmäßig nachzuweisenden, tatsachlich von ihm für sein Kind getragenen Unterhaltsbeträgen gegenüber zu stellen sein.

11 Der Aufhebung des angefochtenen Bescheides betreffend die Rückforderung des Kinderabsetzbetrages sei aus diesen Gründen der Vorzug vor einer Sachentscheidung mit jeweils vorheriger Einholung von Stellungnahmen der Parteien zu geben gewesen, weil auch die Ab- und Verrechnung bestehender Ansprüche der Abgabenbehörde obliege.

12 Hinsichtlich der Rückforderung der Kinderabsetzbeträge führte das Bundesfinanzgericht weiters aus, dass, wenn die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen worden sei, auch die Kinderabsetzbeträge zurückzufordern seien. Ausschlaggebend dafür, ob die Rückforderung der ausbezahlten Familienbeihilfe zu Recht erfolgt sei, sei ausschließlich, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe im Rückforderungszeitraum erfüllt gewesen seien oder nicht.

13 Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, zu deren Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, der angefochtene Beschluss weiche von der - näher angeführten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Aufhebung und Zurückverweisung einer Sache an die Abgabenbehörde gemäß § 278 Abs. 1 BAO ab. Weiters würde Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlen, ob bei einer rechtskräftigen Rückforderung vormals gewährter Familienbeihilfe davon auszugehen sei, dass die Voraussetzung des § 33 Abs. 3 EStG 1988, wonach Familienbeihilfe gewährt werden müsse, dennoch erfüllt sei.

14 In dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren (§ 36 VwGG) wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Die Revision ist zulässig und begründet.

17 Im vorliegenden Fall fehlt es - entgegen der Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes - schon an der zweiten in § 278 Abs. 1 BAO genannten Voraussetzung für die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde, weil die Durchführung der vom Bundesfinanzgericht genannten Ermittlungsschritte zu keinem anders lautenden Bescheid geführt hätte.

18 Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG Familienbeihilfe gewährt wird, steht gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag in näher angeführter Höhe für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG anzuwenden.

19 Der Kinderabsetzbetrag wurde im Zuge der Neuordnung der Familienbesteuerung mit dem Familienbesteuerungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 312, im EStG 1988 - nach dessen Streichung aus dem EStG 1972 mit dem 2. Abgabenänderungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 645 (vgl. dazu den Bericht und Antrag des Finanz- und Budgetausschusses, 661 BlgNR 14. GP) - wiedereingeführt (zur historischen Entwicklung des Kinderabsetzbetrages vgl. Lachmayer, SWK 2013, 1449).

20 In den Gesetzesmaterialien zum Familienbesteuerungsgesetz 1992 wurde diesbezüglich u.a. ausgeführt, der Kinderabsetzbetrag werde „ausschließlich im Wege der Auszahlung mit der Familienbeihilfe berücksichtigt“, womit der „Jahresausgleich oder die Veranlagung [...] dadurch also nicht berührt“ werden würden. Weiters wurde festgehalten: „Wird die Familienbeihilfe für mehrere haushaltszugehörige Kinder nicht vom selben Elternteil bezogen, so ist eine „Nachholung“ der Kinderstaffel im Jahresausgleich (bei der Veranlagung) nicht möglich. In diesem Fall müßte für die Anwendung der Kinderstaffel eine Zusammenlegung der Familienbeihilfe nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes erfolgen.“ (vgl. ErlRV 463 BlgNR 18. GP 9).

21 Der Verweis auf die Bestimmung des § 26 FLAG über die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beträge war in der Regierungsvorlage zum Familienbesteuerungsgesetz 1992 zunächst nicht vorgesehen und wurde erst aufgrund eines im Plenum des Nationalrates eingebrachten Abänderungsantrags eingefügt. Dazu wurde begründend ausgeführt, dadurch werde sichergestellt, dass es „in den Fällen der Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe auch zu einer Rückforderung der damit gleichzeitig zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbeträge“ komme (vgl. StenProt , 71. Sitzung des Nationalrats 18. GP 69 [S. 7568]).

22 Ist somit - ausschließlich - die Gewährung der Familienbeihilfe Anspruchsvoraussetzung für den Kinderabsetzbetrag, wird dieser schon dann (jedenfalls) zu Unrecht bezogen, wenn auch die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen worden ist (vgl. dazu Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 33 Tz 52: „Der Kinderabsetzbetrag ist an die Familienbeihilfe gekoppelt. Allgemeine Voraussetzung für den Kinderabsetzbetrag ist einzig und allein das Vorliegen eines Anspruchs auf Familienbeihilfe.“). Ob Familienbeihilfe iSd § 33 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 „gewährt“ wird, somit ob die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe vorliegen, stellt demnach eine Vorfrage iSd § 116 BAO dar, über die - wenn auch von derselben Behörde (vgl. dazu etwa , mwN; vgl. dazu auch Ritz/KoranBAO7, § 116 Tz 1, mwN) - grundsätzlich (vgl. , zur „subsidiären“ Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen für die Familienbeihilfe im Einkommensteuerverfahren für Zwecke der Gewährung des Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988) im (gesonderten) Verfahren über die Gewährung von bzw. Rückforderung bereits gewährter Familienbeihilfe (als Hauptfrage) bindend entschieden wird (vgl. zur Bindungswirkung etwa , mwN). Die Bindung an eine solche Entscheidung besteht im Übrigen unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit (vgl. , mwN).

23 In den Gesetzesmaterialien zum Bundesgesetz vom , BGBl. I Nr. 83/2018, mit dem die Indexierung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages eingeführt wurde, finden sich folgende Ausführungen zum Charakter des Kinderabsetzbetrages (vgl. ErlRV 111 BlgNR 26. GP 5):

„Der Kinderabsetzbetrag ist grundsätzlich eine Leistung nach dem Einkommensteuergesetz. Er wird für jedes Kind gewährt, für das Familienbeihilfe zusteht und gelangt auch gemeinsam mit der Familienbeihilfe zur Auszahlung.

Zwischen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag besteht Funktionsgleichheit, weil der Kinderabsetzbetrag funktional nicht als Steuerentlastung, sondern als Beihilfe in Form einer Direktzahlung an den gleichen Empfängerkreis unter den gleichen Voraussetzungen gezahlt wird. Die Regelung in § 33 Abs. 3 EStG ist daher als lex fugitiva zu den Regelungen des FLAG 1967 über die Höhe der Familienbeihilfe zu qualifizieren.“

24 Im Schrifttum wird dazu vertreten, beim im EStG 1988 geregelten Kinderabsetzbetrag handle es sich „de facto [...] nicht wie bei anderen Absetzbeträgen um eine Verminderung der Einkommensteuerschuld, sondern um eine Erhöhung der Familienbeihilfe“ (vgl. Lachmayer, SWK 2013, 1449). Er habe „wirtschaftlich den Charakter eines Zuschlags zur Familienbeihilfe“ und sei von der Einkommenshöhe unabhängig, womit die Bezeichnung als „Absetzbetrag“ somit irreführend sei, weil er kein Absetzbetrag im steuerlichen Sinn, der die nach Tarif errechnete Steuer kürzen würde, sei (vgl. Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 33 Tz 51; vgl. auch Lenneis/Wanke, FLAG², § 1 Rz 23).

25 Die Koppelung des Kinderabsetzbetrages an die Familienbeihilfe - abgesehen von der im Gesetz explizit vorgesehenen Notwendigkeit der Gewährung von Familienbeihilfe, somit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe (vgl. in diesem Zusammenhang erneut , mwN; siehe ebenso ; vgl. dazu auch , wonach Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe nicht nur hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, sondern auch hinsichtlich der Auszahlungstechnik gleichgeschaltet sind) - kommt nach der Rechtsprechung auch darin zum Ausdruck, dass der Kinderabsetzbetrag - obwohl er im EStG 1988 geregelt ist - ausschließlich nach den Vorschriften des FLAG geltend zu machen ist und nicht etwa im Wege einer Einkommensteuerveranlagung (vgl. ). Auch die zeitliche Begrenzung der Geltendmachung des Anspruchs auf den Kinderabsetzbetrag ergibt sich aus § 10 Abs. 3 FLAG und nicht etwa aufgrund der Verjährungsbestimmungen des § 207 BAO (vgl. ).

26 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt zudem die Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe automatisch dazu, dass auch der - damit ebenfalls zu Unrecht bezogene (siehe dazu Rz 27) - Kinderabsetzbetrag zurückzufordern ist, weil der Rückforderungstatbestand nach § 26 Abs. 1 FLAG - der nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 auch auf den Kinderabsetzbetrag anzuwenden ist - nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt (vgl. ; , 2012/16/0047; , 2007/13/0120, jeweils mwN). Eine bereits ausgezahlte Familienbeihilfe, die - mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen - nachträglich zurückgefordert wurde, wurde im entsprechenden Zeitraum demnach nicht im Sinne des § 33 Abs. 3 EStG „gewährt“.

27 Im vorliegenden Revisionsfall wurden mit einem einzigen Bescheid die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für die verfahrensgegenständlichen Zeiträume zurückgefordert, womit (mehrere) trennbare und damit gesondert anfechtbare Bescheidsprüche - hinsichtlich der beiden Beihilfen für die jeweiligen Monate - vorhanden waren (vgl. dazu Lenneis/Wanke, FLAG², § 1 Rz 23, die derartige Rückforderungsbescheide als „Sammelbescheide“ bezeichnen). Der Mitbeteiligte hat (unstrittig) lediglich gegen die Rückforderung des Kinderabsetzbetrages Beschwerde erhoben, womit die Rückforderung der Familienbeihilfe in Rechtskraft erwachsen ist.

28 Nach dem zuvor Gesagten wurde somit durch die Rückforderung der Familienbeihilfe die im Verfahren über die Rückforderung des Kinderabsetzbetrages entscheidende Vorfrage, ob in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen Familienbeihilfe „gewährt“ wurde, bindend entschieden. Aufgrund dieser Bindungswirkung kann die Rückforderung des Kinderabsetzbetrages nicht mehr mit dem Einwand bekämpft werden, dass die Rückforderung der Familienbeihilfe rechtswidrig und die Anspruchsvoraussetzungen für die Familienbeihilfe - entgegen der Rückforderungsentscheidung - erfüllt gewesen seien (vgl. in diesem Zusammenhang etwa , mwN, zur Bindungswirkung eines Abgabenbescheides im Haftungsverfahren).

29 Ob der Mitbeteiligte entgegen der Rückforderungsentscheidung des Finanzamtes im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf Familienbeihilfe oder allenfalls auf eine (Differenz-)Zahlung nach der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom gehabt hätte, wäre somit im Verfahren über die Rückforderung der Familienbeihilfe zu klären gewesen. Ob eine andere Person - insbesondere die Kindesmutter - hinsichtlich der Tochter des Mitbeteiligten einen Anspruch auf die genannten Leistungen gehabt hätte, war hingegen nicht Sache des Verfahrens.

30 Damit war die vom Bundesfinanzgericht als maßgeblich erachtete Frage der Unterhaltstragung durch den Mitbeteiligten - zu deren Beantwortung das Finanzamt ergänzende Ermittlungen hätte durchführen sollen - für das vorliegende Verfahren irrelevant. Der angefochtene Beschluss war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

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BAO §116
BAO §207
BAO §243
BAO §93 Abs2
EStG 1988 §33 Abs3
EStG 1988 §33 Abs3 Z1
EStG 1988 §33 Abs3a
FamLAG 1967 §10 Abs3
FamLAG 1967 §26 Abs1
VwRallg
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022160017.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-46126