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VwGH 23.10.2024, Ra 2022/15/0076

VwGH 23.10.2024, Ra 2022/15/0076

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
EStG 1988 §16
EStG 1988 §19
EStG 1988 §2 Abs3 Z4
EStG 1988 §25
RS 1
Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit werden die Einnahmen und Werbungskosten grundsätzlich nach dem Zufluss- und Abflussprinzip erfasst.
Norm
DBAbk Deutschland 2002 Art15 Abs1
RS 2
Der VwGH hat im Erkenntnis vom , Ro 2014/15/0050, zu Art. 15 Abs. 1 DBA-Deutschland ausgesprochen, dass die Zuordnung des Besteuerungsrechts hinsichtlich konkreter Zahlungen nach kausalen Gesichtspunkten erfolgt. Die Zahlungen müssen ihren Grund in der im Quellenstaat ausgeübten Tätigkeit haben. Es ist jedoch nicht maßgebend, zu welchem Zeitpunkt oder in welcher Form oder unter welcher Bezeichnung einzelne Zahlungen für eine im Quellenstaat ausgeübte Tätigkeit erfolgen.
Norm
DBAbk Deutschland 2002 Art15 Abs1
RS 3
Gebührt einem Arbeitnehmer als Folge einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung im Hinblick auf die langjährige Dauer des Dienstverhältnisses eine Abfindung, so hat diese Vergütung nach Auffassung des VwGH ihren Grund in der vor der Beendigung des Dienstverhältnisses ausgeübten Tätigkeit. Damit besteht ein besonderer Veranlassungszusammenhang zur bisher ausgeübten Tätigkeit. Abfindungszahlungen stellen "quasi den letzten Akt des Dienstverhältnisses" dar (vgl. ; , 2012/15/0128).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Salzburg-Land in 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/6100424/2021, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 (mitbeteiligte Partei: Dr. G S in M, vertreten durch Mag. Ursula Strobl, Steuerberaterin in 5020 Salzburg, Berchtesgadenerstraße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, der bis Jänner 2019 in Deutschland ansässig war und Anfang Februar 2019 seinen Wohnsitz von Deutschland nach Österreich verlegt hatte, war bei einem international tätigen Konzern als Dienstnehmer beschäftigt. Im Jahr 2019 bestanden parallel Dienstverhältnisse zu zwei deutschen Unternehmen des Konzerns, die von beiden Arbeitgebern im Juni 2019 aufgekündigt wurden.

2 Die Aufkündigungen wurden vom Mitbeteiligten gerichtlich bekämpft, wobei das Klagebegehren auf Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse gerichtet war. Das vor einem Arbeitsgericht in Deutschland abgeführte Verfahren wurde am durch einen gerichtlichen Vergleich beendet, der auszugsweise wie folgt lautet:

„Vergleich:

1. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 endet aufgrund ordentlicher fristgemäßer arbeitgeberseitiger Kündigung vom am aus betriebsbedingten Gründen. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 endet aufgrund ordentlicher fristgemäßer arbeitgeberseitiger Kündigung vom am aus betriebsbedingten Gründen. [...]

2. Die Beklagte zu 1 verpflichtet sich, das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis auf Grundlage einer jeweiligen Bruttomonatsvergütung in Höhe von 13.874,25 EUR [...] bis zum abzurechnen und die Nettobeträge an den Kläger auszuzahlen. Mit Ablauf des verpflichtet sich die Beklagte zu 1 an den Kläger zur Abgeltung seiner variablen Vergütung für 2019/2020 einen Betrag in Höhe von 52.028,25 EUR [...] brutto zu zahlen.

3.Die Beklagte zu 2 verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auf Grundlage einer jeweiligen Bruttomonatsvergütung in Höhe von 13.874,25 EUR [...] für den Zeitraum bis abzurechnen und die Nettobeträge an den Kläger auszuzahlen. [...]

4. Die Beklagten verpflichten sich, gesamtschuldnerisch, an den Kläger eine Abfindung für den Verlust der Arbeitsplätze in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 500.000,00 EUR [...] brutto zu zahlen, [...]

5. Der Kläger ist berechtigt, die Arbeitsverhältnisse mit den Beklagten einheitlich mit einer Aufkündigungsfrist von einem Monat durch schriftliche Anzeige an die Beklagten vorzeitig zu beenden. Im Falle der demgemäßen vorzeitigen Beendigung der Arbeitsverhältnisse durch den Kläger erhöht sich die nach diesem Vergleich geschuldete Abfindung um die Beträge, die als Vergütung nach Ziffern 2. und 3. dieses Vergleichs zwischen dem tatsächlichen Beendigungsdatum und dem in Bezug auf die Beklagte zu 1 sowie dem in Bezug auf die Beklagte zu 2 geschuldet gewesen wären. [...]

9. Mit diesem Vergleich sind alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus den Arbeitsverhältnissen und ihrer Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, abgegolten und erledigt.“

3 Der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 legte der Mitbeteiligte u.a. eine Lohnbescheinigung bei, laut welcher er von den deutschen Arbeitgebern im Zeitraum bis November 2019 laufende Monatslöhne in Höhe von insgesamt 138.742,60 €, eine Kündigungsentschädigung in Höhe von 69.371,25 €, eine Abfindung nach den Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzgesetzes in Höhe von 500.000 € und Mitarbeiterboni in Höhe von 3.812,02 € erhalten habe. In einer weiteren Beilage zur Erklärung legte der Mitbeteiligte u.a. dar, er habe die Dienstverhältnisse in Deutschland mit gekündigt und sei seit für ein österreichisches Unternehmen tätig. Der in der deutschen Lohnbescheinigung ausgewiesene Abfindungsbetrag in Höhe von 500.000 € resultiere teilweise aus einer gesetzlichen Verpflichtung und gehe teilweise über diese hinaus. Der Mitbeteiligte sei 22 Jahre für deutsche Unternehmen tätig gewesen und habe bei Beendigung des Dienstverhältnisses mit diesen Unternehmen das 50. Lebensjahr vollendet, weshalb ihm gemäß § 10 des deutschen Kündigungsschutzgesetzes (im Folgenden: dKSchG) eine Abfindung in Höhe von 208.113,75 € (15 X 13.874,25) zustehe. Für diesen Teil der Abfindung werde in Analogie zum Abfertigungsanspruch nach dem österreichischen Angestelltengesetz eine Versteuerung mit dem festen Steuersatz von 6 % beantragt (§ 67 Abs. 3 EStG 1988). Für die verbleibende Abfindung in Höhe von 291.886,25 € (500.000 - 208.113,75) werde beantragt, ein Fünftel des Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG in Höhe von 5.220 €, somit 9.396 € (5.220 X 9 : 5) steuerfrei zu belassen. Ein steuerfreier Betrag in Höhe von 9.396 € stehe dem Mitbeteiligten auch für die Kündigungsentschädigung in Höhe von 69.371,25 € zu.

4 Vom Mitbeteiligten wurden zudem Werbungskosten in Höhe von 19.666,65 € geltend gemacht.

5 Das Finanzamt erließ einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019, in dem es die Abfindung in Höhe von 208.113,75 € nicht erfasste.

6 Der Mitbeteiligte erhob Beschwerde und beantragte - unter Verweis auf die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung samt Beilagen - die antragsgemäße Besteuerung der Abfindung und die Berücksichtigung der Werbungskosten.

7 Mit Beschwerdevorentscheidung änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2019 dahingehend ab, dass es die im Erstbescheid ausgewiesenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um den Abfindungsbetrag von 208.113,75 € erhöhte.

8 Der Mitbeteiligte beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG).

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das BFG der Beschwerde hinsichtlich der begünstigten Besteuerung der Abfindung und der Kündigungsentschädigung zur Gänze und in Bezug auf die geltend gemachten Werbungskosten teilweise statt. Es stellte fest, dass der 1967 geborene und bis Jänner 2019 in Deutschland ansässige Mitbeteiligte seit Mai 1997 in einem internationalen Konzern tätig gewesen sei. Anfang Februar 2019 habe er seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt und im Juni 2019 seien die Dienstverhältnisse zu zwei deutschen Unternehmen des Konzerns aufgekündigt worden. Eine dagegen erhobene Klage sei durch einen gerichtlichen Vergleich vom beendet worden, mit welchem dem Mitbeteiligen eine Abfindung gemäß §§ 9 bzw. 10 dKSchG in Höhe von 500.000 € und eine Kündigungsentschädigung in Höhe von 69.371,25 € zugesprochen worden sei. Die zitierten Bestimmungen des dKSchG lauteten:

„§ 9 Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts, Abfindung des Arbeitnehmers:

(1) Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

§ 10 Höhe der Abfindung

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.“

10 Das BFG stellte weiters fest, dass die Höchstbeitragsgrundlage zum ASVG im Jahr 2019 5.220 € betragen habe und dem Mitbeteiligten 2019 Werbungskosten erwachsen seien.

11 Nach Wiedergabe bezughabender Gesetzesstellen führte das BFG aus, auch im Ausland tätige Arbeitnehmer hätten Anspruch auf die Begünstigungen des § 67 EStG 1988, wenn Österreich das Besteuerungsrecht zustehe. Dies gelte auch für Sonderzahlungen eines in Österreich ansässigen Arbeitnehmers einer ausländischen Gesellschaft, unabhängig von der Bezeichnung nach ausländischem Recht (Hinweis auf Kirchmayer/Schaunig in Doralt/Kirchmayer/Mayr/Zorn, EStG19, § 67 Tz 5, mwN).

12 Aus dem vom Mitbeteiligten vorgelegten Vergleich sei ersichtlich, dass die dort angesprochenen „Abfindungszahlungen“ die Voraussetzungen für eine begünstigte Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 3 bzw. Abs. 8 lit. a EStG 1988 erfüllten. Dies ergebe sich bereits aus dem Verweis auf die Bestimmungen der §§ 9 und 10 dKSchG, die u.a. festlegten, dass das Gericht nach der Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung nicht aufgelöst, sowohl auf Antrag des Arbeitnehmers als auch auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen habe, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten sei bzw. Gründe vorlägen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten ließen. Da der Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses offenkundig angestrebt habe, sei mit dem Vergleich nur der Weg zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der damit einhergehenden Bemessung einer „Abfertigung“ durch das Gericht verkürzt worden.

13 Aus Sicht des BFG sei auch nicht schädlich, dass die „Abfertigung“ nach den deutschen Bestimmungen 15 Monatsgehälter umfasst habe. In § 67 Abs. 3 EStG 1988 sei nicht von einem bestimmten Höchstbetrag an begünstigten Monatsgehältern die Rede, sondern von begünstigten Abfertigungen, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimme. Dies sei im Revisionsfall für fünfzehn Monatsbezüge gegeben.

14 Gleiches gelte für die im Vergleichsweg vereinbarte freiwillige „Abfertigung“ und für die Kündigungsentschädigung, die aus Sicht des BFG nach den Bestimmungen des § 67 Abs. 8 lit. a und lit. b EStG 1988 zu erfassen seien.

15 Diese gesetzlich zustehenden und freiwilligen Zahlungen des Arbeitgebers seien bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann nach den Bestimmungen des § 67 EStG 1988 zu besteuern, wenn der in Österreich ansässige Arbeitnehmer für einen deutschen Arbeitgeber tätig sei.

16 Die Rechtsfrage sei damit dem Grunde nach entschieden und hinsichtlich der Berechnung der Bemessungsgrundlagen und Steuern sei den Berechnungen des Mitbeteiligten zu folgen, weshalb der Beschwerde in diesem Punkt stattzugeben sei.

17 Dem Mitbeteiligten stünden auch Werbungskosten zu. Der von ihm geltend gemachte Betrag in Höhe von 19.666,65 € sei lediglich um die Aufwendungen für eine Rechtschutzversicherung des Mitbeteiligten und seiner Ehefrau, die keinen Konnex zur beruflichen Tätigkeit des Mitbeteiligten aufweise, und um Privatanteile zu kürzen, wodurch sich ein zu berücksichtigender Betrag von 18.814,01 € ergebe.

18 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Amtsrevision macht zu ihrer Zulässigkeit u.a. geltend, das BFG habe die aufgrund der §§ 9 und 10 dKSchG ausbezahlte Abfindung in Höhe von fünfzehn Monatsgehältern zu Unrecht einer gesetzlichen Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 3 EStG 1988 gleichgestellt. Es sei nicht auf die Festlegung der (maximalen) Höhe der Abfertigung in der hier einschlägigen gesetzlichen Grundlage des § 23 Angestelltengesetz (AngG), den Status der deutschen Abfindung als gerichtliche Vergleichssumme und das Erfordernis einer Klage auf Wiedereinstellung zur Erlangung dieser Abfindung eingegangen. Zur Entsprechung der Bestimmungen des § 67 Abs. 3 EStG 1988 mit jenen der §§ 9 und 10 dKSchG liege auch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

19 Das BFG habe zudem gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen, indem es die während der Kündigungsfrist gewährten laufenden Bezüge als Kündigungsentschädigung beurteilt habe, zumal es sich hierbei um keine Entschädigung wegen einer fristwidrigen Kündigung handeln könne.

20 Auch Feststellungen dazu, ob die vom Mitbeteiligten geltend gemachten privaten Krankenversicherungsbeiträge den betraglichen Beschränkungen des § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 entsprächen, habe das BFG nicht getroffen.

21 Der Mitbeteiligte hat über Aufforderung hierzu eine Revisionsbeantwortung erstattet.

22 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

23 Die Revision ist zulässig und begründet.

24 Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

25 Nach § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 zählen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) die Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.

26 Der Mitbeteiligte war im Streitjahr seit Februar auf Grund seines inländischen Wohnsitzes in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit werden die Einnahmen und Werbungskosten grundsätzlich nach dem Zufluss- und Abflussprinzip erfasst, sodass in Bezug auf die in Rede stehenden Einkünfte in Österreich die Erfüllung des Abgabentatbestandes des § 25 EStG 1988 gegeben ist (vgl. ).

27 Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird (vgl. ).

28 Nach Art. 15 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (im Folgenden: DBA-Deutschland), BGBl. III Nr. 182/2002, dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.

29 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Ro 2014/15/0050, zu Art. 15 Abs. 1 DBA-Deutschland ausgesprochen, dass die Zuordnung des Besteuerungsrechts hinsichtlich konkreter Zahlungen nach kausalen Gesichtspunkten erfolgt. Die Zahlungen müssen ihren Grund in der im Quellenstaat ausgeübten Tätigkeit haben. Es ist jedoch nicht maßgebend, zu welchem Zeitpunkt oder in welcher Form oder unter welcher Bezeichnung einzelne Zahlungen für eine im Quellenstaat ausgeübte Tätigkeit erfolgen.

30 Gebührt einem Arbeitnehmer als Folge einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung im Hinblick auf die langjährige Dauer des Dienstverhältnisses eine Abfindung, so hat diese Vergütung nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ihren Grund in der vor der Beendigung des Dienstverhältnisses ausgeübten Tätigkeit. Damit besteht ein besonderer Veranlassungszusammenhang zur bisher ausgeübten Tätigkeit. Abfindungszahlungen stellen „quasi den letzten Akt des Dienstverhältnisses“ dar (vgl. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15 MA Rz. 56e, und nochmals ; , 2012/15/0128).

31 Aufgrund des aufgezeigten Veranlassungszusammenhangs zur seinerzeit in Deutschland ausgeübten Tätigkeit besteht nach Art. 15 Abs. 1 zweiter Satz DBA-Deutschland für die gegenständliche Abfindungszahlung (zunächst) ein Besteuerungsrecht Deutschlands.

32 Allerdings normiert Art. 15 Abs. 4 DBA-Deutschland, dass für Zwecke dieses Artikels die Arbeit nur dann als im anderen Vertragsstaat ausgeübt gilt, wenn die Vergütungen in Übereinstimmung mit diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert worden sind („Rückfallklausel“).

33 Das BFG geht im angefochtenen Erkenntnis von einem Besteuerungsrecht Österreichs an den gegenständlichen Abfindungszahlungen aus. Feststellungen dahingehend, dass die Abfindungszahlungen in Deutschland erklärt und von der deutschen Abgabenbehörde dennoch nicht besteuert worden sind (siehe dazu , Rz 35), traf das BFG nicht. Es kann daher nicht abschließend beurteilt werden, ob gegenständlich überhaupt ein Anwendungsfall des Art. 15 Abs. 4 DBA-Deutschland vorliegt oder nicht.

34 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich schon aufgrund der fehlenden Feststellungen zum Besteuerungsrecht Österreichs als mit prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

35 Indem das BFG den Standpunkt vertritt, dem Revisionswerber stehe für die Abfindung nach den §§ 9 und 10 dKSchG die begünstigte Besteuerung von fünfzehn Monatsgehältern zu, hat es - worauf im Zulässigkeitsvorbringen der Revision zutreffend hingewiesen wird - das angefochtene Erkenntnis ebenfalls mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Unabhängig davon, ob die hier in Rede stehende Abfindung mit einer Abfertigung nach dem AngG vergleichbar wäre, stünde dem Revisionswerber nach 22 Dienstjahren nur das Neunfache des monatlichen Entgelts zu (§ 23 AngG).

36 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am

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Normen
DBAbk Deutschland 2002 Art15 Abs1
EStG 1988 §16
EStG 1988 §19
EStG 1988 §2 Abs3 Z4
EStG 1988 §25
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022150076.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-46099