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VwGH 20.01.2023, Ra 2022/15/0060

VwGH 20.01.2023, Ra 2022/15/0060

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 hat eine Arbeitnehmerveranlagung zu erfolgen, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren einen diesbezüglichen Antrag stellt. Einen solchen Antrag kann somit nur der Steuerpflichtige selbst, ein in der BAO vorgesehener Vertreter oder der Gesamtrechtsnachfolger stellen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2022/15/0026 E RS 1
Normen
RS 2
Kommt es nicht zur Einantwortung eines Erben liegt keine Gesamtrechtsnachfolge des Erben, sondern nur Einzelrechtsnachfolge vor (vgl. ). Auch die Ermächtigung gemäß § 153 Abs. 2 AußStrG 2003 führt zu keiner Gesamtrechtsnachfolge.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2022/15/0026 E RS 2 (hier nur der erste Satz)
Normen
RS 3
Die Verlassenschaft setzt vor der Einantwortung des Erben die Rechte und Pflichten des verstorbenen Steuerpflichtigen fort (§ 531 ABGB). Der ruhende Nachlass bzw. die Verlassenschaft ist eine juristische Person (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2022/15/0026 E RS 4
Normen
RS 4
Die Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG 2003 bewirkt nicht die Befugnis zur gesetzlichen Vertretung des Nachlasses und berechtigt daher nicht zur Antragstellung nach § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2022/15/0026 E RS 5

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2022/15/0063 E

Ra 2022/15/0064 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Niederösterreich Mitte in 3100 St. Pölten, Daniel Gran-Straße 8, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100202/2022, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung (mitbeteiligte Partei: Sozialhilfeverband G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass die Beschwerde der mitbeteiligten Partei als unbegründet abgewiesen wird.

Begründung

1 Das Verlassenschaftsgericht hat in der Verlassenschaftssache nach TW einen Beschluss gemäß § 153 Abs. 2 AußStrG erlassen, der auszugsweise wie folgt lautete: „Im Sinne des Antrags vom [...] wird dem [Sozialhilfeverband G] die Ermächtigung erteilt, für die Verstorbene die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 beim Finanzamt [...] durchzuführen und das sich daraus ergebende Guthaben in Empfang zu nehmen. Der [Sozialhilfeverband G] ist verpflichtet, von sich aus 20 % des sich aus der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 ergebenden Guthabens in voraussichtlicher Höhe von [...] an den erbl. Sohn [...] auszuzahlen, sobald er das Guthaben in Empfang genommen hat.“ In der Folge brachte der Sozialhilfeverband einen mit datierten Antrag zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Verlassenschaft nach TW für das Jahr 2020 ein.

2 Das Finanzamt wies den Antrag mit einem an den Sozialhilfeverband gerichteten Bescheid vom zurück und führte zur Begründung aus, erfolge die Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens außerhalb der Abhandlung und werde dieses daher nach den §§ 153 oder 154 AußStrG beendet, träten jene Personen, denen Vermögenswerte aus der Verlassenschaft überlassen würden, in Einzelrechtsnachfolge des Verstorbenen. In diesen Fällen gebe es keinen Gesamtrechtsnachfolger. Die Verlassenschaft bleibe handlungsunfähig. Werde die Durchführung einer Veranlagung von einem Einzelrechtsnachfolger beantragt, der über keine Vollmacht des Verstorbenen über den Tod hinaus verfüge bzw. der vom Gericht nicht zum Verlassenschaftskurator bestellt worden sei, sei der Antrag mangels Legitimation iSd § 19 Abs. 1 BAO zurückzuweisen.

3 Einer gegen den Zurückweisungsbescheid erhobenen Beschwerde des Sozialhilfeverbands G gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, woraufhin der Sozialhilfeverband die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde statt und hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf.

5 Nach § 41 Abs. 2 EStG 1988 setze eine Arbeitnehmerveranlagung einen Antrag des Steuerpflichtigen voraus. Das Verlassenschaftsgericht habe den Sozialhilfeverband G ermächtigt, als Vertreter der Verlassenschaft nach TW den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zu stellen. Die Ermächtigung ersetze nicht die Einantwortung des Nachlasses und bewirke nicht den Übergang der Nachlassrechte auf den Ermächtigten, sie umfasse nur das prozessuale Recht, den Nachlass zu vertreten und für ihn Rechte geltend zu machen. Die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 sei für die Verlassenschaft nach TW eingereicht und von einer Mitarbeiterin des Sozialhilfeverbands G unterschrieben worden. Auch aus dem Beschluss des Verlassenschaftsgerichts, laut welchem bestimmte Teile eines Renten- oder Pensionsanspruchs im Wege der Legalzession auf den Träger der Kosten für die Heimunterbringung des Renten- oder Pensionsberechtigten übergingen, sei ableitbar, dass der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung von der Verlassenschaft nach TW, vertreten durch den Sozialhilfeverband G, eingebracht worden sei. Adressat eines allfälligen Zurückweisungsbescheids könne daher nur die Verlassenschaft nach TW sein.

6 Der Bescheid vom sei an den Sozialhilfeverband G gerichtet, obwohl dieser (im eigenen Namen) keinen Antrag gestellt habe. Er sei daher ersatzlos zu beheben, wodurch das Verfahren in jene Lage zurücktrete, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden habe. Der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 der Verlassenschaft nach TW, vertreten durch den Sozialhilfeverband G, sei (wieder) unerledigt.

7 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision des Finanzamts bringt zu ihrer Zulässigkeit auf das Wesentliche zusammengefasst vor, Voraussetzung für die wirksame Einbringung eines Anbringens im Namen bzw. als Vertreter eines Abgabepflichtigen sei eine entsprechende Vollmacht. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob die Ermächtigung in einem Verfahren nach § 153 AußStrG jene Qualität, die § 80 Abs. 2 BAO fordere, aufweise.

8 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10 Die Revision ist zulässig und begründet.

11 Gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 hat eine Arbeitnehmerveranlagung zu erfolgen, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren einen diesbezüglichen Antrag stellt. Einen solchen Antrag kann somit nur der Steuerpflichtige selbst, ein in der BAO vorgesehener Vertreter oder der Gesamtrechtsnachfolger stellen.

12 Gemäß § 153 Abs. 1 AußStrG unterbleibt die Abhandlung, wenn Aktiven der Verlassenschaft nicht vorhanden sind oder den Wert von 5 000 Euro nicht übersteigen, sofern kein Antrag auf Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens gestellt wird. Das Verlassenschaftsgericht kann nach Abs. 2 leg. cit. auf Antrag denjenigen, deren Anspruch nach der Aktenlage bescheinigt ist, die Ermächtigung erteilen, das Verlassenschaftsvermögen ganz oder zu bestimmten Teilen zu übernehmen, dazu gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben, über erhaltene Leistungen rechtswirksam zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen.

13 Kommt es nicht zur Einantwortung eines Erben, liegt keine Gesamtrechtsnachfolge des Erben, sondern nur Einzelrechtsnachfolge vor (vgl. , mwN).

14 Die Verlassenschaft setzt vor der Einantwortung des Erben die Rechte und Pflichten des verstorbenen Steuerpflichtigen fort (§ 531 ABGB). Der ruhende Nachlass bzw. die Verlassenschaft ist eine juristische Person (vgl. ).

15 Der Sozialhilfeverband ist - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2022/15/0026, ausgesprochen hat - nicht gesetzlicher Vertreter des ruhenden Nachlasses. Er verfügt auch nicht über eine Zustellbevollmächtigung für den ruhenden Nachlass. Auch die Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG bewirkt nicht die Befugnis zur gesetzlichen Vertretung des Nachlasses und berechtigt daher nicht zur Antragstellung nach § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988.

16 Das Bundesfinanzgericht vertrat im angefochtenen Erkenntnis den Standpunkt, der Sozialhilfeverband G sei aufgrund der Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG zur Vertretung der Verlassenschaft nach TW befugt, weshalb der dem Bescheid vom zugrundeliegende Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 als Antrag der Verlassenschaft nach TW zu werten sei. Damit hat es die Rechtslage verkannt.

17 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig (§ 42 Abs. 2 Z 1 VwGG).

18 Der Verwaltungsgerichtshof kann gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Diese Voraussetzungen liegen vor.

19 Das angefochtene Erkenntnis war daher dahin abzuändern, dass die Beschwerde der mitbeteiligten Partei als unbegründet abgewiesen wird.

Wien, am 

Zusatzinformationen


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Normen
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022150060.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-46091