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VwGH 23.01.2023, Ra 2022/15/0059

VwGH 23.01.2023, Ra 2022/15/0059

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Die Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG 2003 bewirkt nicht die Befugnis zur gesetzlichen Vertretung des Nachlasses und berechtigt daher nicht zur Antragstellung nach § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2022/15/0026 E RS 5

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Spittal Villach in 9500 Villach, Meister-Friedrich-Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100128/2022, betreffend Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2019 und 2020 (mitbeteiligte Partei: Sozialhilfeverband G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass die Beschwerde der mitbeteiligten Partei als unbegründet abgewiesen wird.

Begründung

1 Am ist - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - Frau B verstorben. In der Zeit von bis zu ihrem Ableben befand sie sich auf Teilkosten des mitbeteiligten Sozialhilfeverbandes in Heimpflege.

2 Mit Beschluss des Bezirksgerichts vom wurde dem mitbeteiligten Sozialhilfeverband auf der Grundlage des § 153 AußStrG die Ermächtigung erteilt, beim zuständigen Finanzamt namens und gegen Verrechnung mit der Verlassenschaft allfällige „Anträge auf Berechnung von Lohn- beziehungsweise Einkommensteuer zu stellen bzw. damit in Verbindung stehende Erklärungen abzugeben“.

3 Daraufhin brachte der mitbeteiligte Sozialhilfeverband für die Verlassenschaft nach B am den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2019 und am den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 ein.

4 Mit Bescheiden vom und vom wies das Finanzamt die Eingaben jeweils zurück und führte begründend aus, dass Sozialhilfeträger nicht berechtigt seien, Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zu stellen, weil sie weder Abgabenschuldner (§ 77 BAO) noch Partei des Abgabenverfahrens (§ 78 BAO) seien. Diese Bescheide wurden an den mitbeteiligten Sozialhilfeverband gerichtet.

5 Gegen diese Bescheide brachte der mitbeteiligte Sozialhilfeverband Beschwerde ein.

6 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Beschwerden gegen die Zurückweisungsbescheide vom und vom als unbegründet ab. Die Entscheidungen waren jeweils an den mitbeteiligten Sozialhilfeverband adressiert, der dagegen Vorlageanträge stellte.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für unzulässig erklärt wurde, hob das BFG die „angefochtenen Bescheide ... gemäß § 279 BAO - ersatzlos - auf“. Begründend führte es aus, im Revisionsfall seien die Erklärungen zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2019 und 2020 jeweils für die Verlassenschaft nach B (vgl. Formular L1 Angaben zur Person) eingereicht worden. Unterschrieben seien die Formulare von einer Mitarbeiterin des mitbeteiligten Sozialhilfeverbandes. Berücksichtige man die Angaben auf dem Formular L1, den Inhalt des Beschlusses des Bezirksgerichts vom und den Umstand, dass bestimmte Teile eines Renten- oder Pensionsanspruches im Weg der Legalzession (§ 324 Abs. 3 ASVG iVm § 4 Abs. 1 Z 1 OÖ Sozialhilfeverordnung 1998) auf den Träger der Kosten für die Heimunterbringung des Renten- oder Pensionsberechtigten übergingen, ergebe sich unzweifelhaft, dass die Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2019 und 2020 von der Verlassenschaft nach B, vertreten durch den mitbeteiligten Sozialhilfeverband, eingebracht worden seien.

8 Bescheidadressat sei die natürliche oder juristische Person, für die ein Bescheid seinem Inhalt nach bestimmt sei. Die Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen seien von der Verlassenschaft nach B, vertreten durch den mitbeteiligten Sozialhilfeverband, eingebracht worden. Daraus ergebe sich in der Folge, dass nur dieses Rechtssubjekt Bescheidadressat sein könne. Tatsächlich seien die angefochtenen Zurückweisungsbescheide des Finanzamts jedoch an den mitbeteiligten Sozialhilfeverband (im eigenen Namen) gerichtet gewesen.

9 Eine ersatzlose Aufhebung iSd § 279 Abs. 1 BAO habe zu erfolgen, wenn antragsgebundene Verwaltungsakten ohne diesbezüglichen Antrag getätigt würden. Gegenständlich seien an den mitbeteiligten Sozialhilfeverband (Zurückweisungs)Bescheide in Zusammenhang mit einer Arbeitnehmerveranlagung erlassen worden, obwohl dieser keine diesbezüglichen Anträge im eigenen Namen gestellt habe. Die angefochtenen Zurückweisungbescheide würden daher ersatzlos aufgehoben. Gemäß § 279 Abs. 2 BAO trete dadurch das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung der aufgehobenen Bescheide befunden habe. Das heiße, die Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2019 und 2020 der Verlassenschaft nach B seien (wieder) unerledigt.

10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision des Finanzamts. Zu deren Zulässigkeit bringt das Finanzamt u.a. vor, das BFG habe sich nicht mit der Frage der Wirkung einer Ermächtigung nach § 153 AußStrG im Abgabenverfahren befasst, wozu - entgegen des Ausspruchs des BFG - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehle. Das BFG sei zu Unrecht von einer wirksamen Ermächtigung des mitbeteiligten Sozialhilfeverbandes ausgegangen und habe als Konsequenz dieser unrichtigen rechtlichen Beurteilung das vorliegende Anbringen fälschlich der Verlassenschaft nach B zugerechnet.

11 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

13 Die Revision ist zulässig und begründet.

14 Der Revisionsfall gleicht hinsichtlich des rechtserheblichen Sachverhalts und der zu beantwortenden Rechtsfrage jenem, den der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom , Ro 2022/15/0026, entschieden hat. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen.

15 Aus den dort angeführten Erwägungen bewirkte daher - entgegen der offenbaren Annahme des BFG - auch im gegenständlichen Fall die Ermächtigung des einschreitenden Sozialhilfeverbandes nach § 153 Abs. 2 AußStrG durch das Verlassenschaftsgericht nicht die Befugnis zur gesetzlichen Vertretung der Verlassenschaft nach B und berechtigte diesen daher nicht zur Antragstellung nach § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 für die Verlassenschaft.

16 Da das Finanzamt im Revisionsfall somit zu Recht von einer fehlenden Berechtigung des mitbeteiligten Sozialhilfeverbandes, für die Verlassenschaft nach B aufzutreten, ausgegangen ist, verblieb für die vom BFG vorgenommene (Um-)Deutung der antragstellenden Partei und damit des Bescheidadressaten kein Raum.

17 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig (§ 42 Abs. 2 Z 1 VwGG).

18 Der Verwaltungsgerichtshof kann gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

19 Das angefochtene Erkenntnis war daher dahin abzuändern, dass die Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen die Zurückweisungsbescheide des Finanzamts als unbegründet abgewiesen wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022150059.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-46090