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VwGH 01.06.2022, Ra 2022/15/0038

VwGH 01.06.2022, Ra 2022/15/0038

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
BAO §246 Abs1
BAO §83
RS 1
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Parteienvertreter, der ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid einbringt, dies im Namen jener Person tut, die zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert ist (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/15/0104 E RS 3

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der F GmbH in E, vertreten durch Dr. Michael M. Ginhart, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Rahlgasse 1, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100690/2019, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde und eines Vorlageantrages, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Bei der Revisionswerberin, einer GmbH, wurde eine Außenprüfung durchgeführt, in deren Gefolge das Finanzamt den Feststellungen des Prüfers entsprechende Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheid für die Jahre 2014 bis 2016 erließ.

2 Einer gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerde gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, woraufhin deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragt wurde.

3 Beschwerde und Vorlageantrag weisen im Kopf den im Abgabenverfahren ausgewiesenen steuerlichen Vertreters der Revisionswerberin (Anm: im angefochtenen Beschluss als „Einschreiter“ bezeichnet) auf und wurden von diesem auch unterzeichnet. Der Betreff lautet jeweils wie folgt:


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„Betrifft:
[Revisionswerberin, St. Nr. der Revisionswerberin]
 
[Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide 2014, 2015, 2016]“

4 Mit dem angefochtenen Beschluss, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde und den Vorlageantrag gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO „mangels Aktivlegitimation des Einschreiters“ als unzulässig zurück und führte zur Begründung aus, gemäß § 77 Abs. 11 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz idF BGBl. I Nr. 137/2017 ersetze die Berufung eines Berufsberechtigten auf die ihm erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

5 Die in FinanzOnline von einem Parteienvertreter gesetzte Berechtigung - wie sie der Einschreiter im Vorlageantrag anführe - sei einer derartigen Erklärung nach § 77 Abs. 11 WTBG 2017 gleichzusetzen. Allerdings habe der Einschreiter die Beschwerde nicht über FinanzOnline eingebracht, sondern in Papierform vorgelegt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hätte die Bevollmächtigung im laufenden Verfahren geltend gemacht werden müssen, weil sich eine Bevollmächtigung nur auf das jeweilige Verfahren beziehe, in dem sich der Bevollmächtigte durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen oder auf eine erteilte Zustellvollmacht wirksam berufen habe, nicht jedoch auf andere bei der Behörde bereits anhängige oder anfallende Verfahren.

6 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs habe sich die Prüfung, ob eine Beschwerde oder ein Vorlageantrag von einem hiezu Berechtigten erhoben worden sei, am äußeren Tatbestand zu orientieren. Maßgeblich sei, wer nach dem objektiven Erklärungswert der Eingabe unter Berücksichtigung aller Umstände als derjenige anzusehen sei, der mit dieser Eingabe die Tätigkeit der Behörde (des Verwaltungsgerichts) für sich in Anspruch nehme.

7 Derjenige, der nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter eines Anderen oder als Organ einer juristischen Person rechtsgeschäftlich handeln wolle, müsse dies laut höchstgerichtlicher Rechtsprechung auf unzweifelhafte Weise zum Ausdruck bringen (Hinweis auf ).

8 Sowohl der Beschwerde als auch dem Vorlageantrag fehle die Berufung des Einschreiters auf eine erteilte Vollmacht, erkenntlich durch einen Vermerk wie „Vollmacht erteilt“ oder „Vollmacht ausgewiesen“, der ausreichend wäre, um den urkundlichen Nachweis der Bevollmächtigung zu ersetzen. Die Worte „Namens und Auftrags meiner Mandantschaft“, die als wirksame Berufung auf die Bevollmächtigung genügen würden, fehlten ebenfalls. Auch eine Wendung wie „vertreten durch“, die laut höchstgerichtlicher Judikatur ohnedies nicht zwingend auf eine erteilte Bevollmächtigung schließen lasse, sei in den Eingaben nicht enthalten. Der Einschreiter habe die Beschwerde objektiv betrachtet im eigenen Namen und nicht namens der Revisionswerberin eingebracht, weshalb diese mangels Aktivlegitimation zurückzuweise sei. Ein Mängelbehebungsverfahren nach § 85 Abs. 2 BAO sei nicht erforderlich, weil sich der Anwendungsbereich dieser Bestimmung nur auf „zulässige“ Anbringen beschränke. Unzulässige, von nicht legitimierten Personen oder nicht fristgerecht eingebrachte Anbringen, seien ohne Auftrag zur Mängelbehebung zurückzuweisen.

9 Gegen diesen Beschluss, der laut Zustellverfügung an den Einschreiter als „beschwerdeführende Partei“ gerichtet ist, wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit auf das Wesentliche zusammengefasst vorbringt, der Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach dem Anbringen einer Partei, dass sie zur Wahrung ihrer Rechte stelle, nicht ein solcher Inhalt beizumessen sei, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nehme. Das Bundesfinanzgericht wäre verpflichtet gewesen, den Sinn eines mehrdeutigen Parteiantrages durch Herbeiführung einer entsprechenden Parteienerklärung festzustellen und gemäß §§ 85 iVm 83 BAO ein Mängelbehebungsverfahren einzuleiten.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Parteienerklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt somit darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl. ; , Ra 2014/13/0003; , Ra 2015/15/0041).

14 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Parteienvertreter, der ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid einbringt, dies im Namen jener Person tut, die zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert ist (vgl. ).

15 Im gegenständlichen Fall wurde Beschwerde gegen einen an die Revisionswerberin ergangenen Bescheid erhoben und nach Abweisung der Beschwerde durch eine an die Revisionswerberin ergangene Beschwerdevorentscheidung ein Vorlageantrag gestellt.

16 Das Bundesfinanzgericht ging ohne weitere Erhebungen davon aus, dass Beschwerde und Vorlageantrag nicht der Revisionswerberin zuzurechnen seien, und wies den Vorlageantrag und die Beschwerde mit dem gegenständlichen Beschluss, der - wie sich dies eindeutig aus dem Spruch des Beschlusses und der im Beschluss enthaltenen Zustellverfügung ergibt, die den Einschreiter als beschwerdeführende Partei nennen (vgl. dazu ) - ausschließlich an den steuerlichen Vertreter gerichtet ist, „mangels Aktivlegitimation des Einschreiters zurück.

17 Da mit dem angefochtenen Beschluss, der nur an den steuerlichen Vertreter („Einschreiter“) und an das Finanzamt gerichtet ist, über eine Beschwerde sowie einen Vorlageantrag des „Einschreiters“ abgesprochen wurde, können allfällige Rechtswidrigkeiten des Beschlusses nur diesen in seinen Rechten verletzen.

18 Somit ist es ausgeschlossen, dass die Revisionswerberin durch den angefochtenen Beschluss in subjektiven Rechten verletzt ist. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

19 Da sich der angefochtene Beschluss nicht an die Revisionswerberin richtet, der gegenüber das Finanzamt auch mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat, erweist sich deren Beschwerde aufgrund des Vorlageantrages wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §246 Abs1
BAO §83
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022150038.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAF-46075