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VwGH 08.09.2022, Ra 2022/15/0028

VwGH 08.09.2022, Ra 2022/15/0028

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
EStG 1988 §4 Abs1
RS 1
Wirtschaftsgüter, die zum notwendigen Betriebsvermögen gehören, sind zwingend in die Steuerbilanz aufzunehmen, wobei die bilanzmäßige Behandlung durch den Steuerpflichtigen nicht entscheidend ist. Notwendiges Betriebsvermögen verliert diese Eigenschaft auch dann nicht, wenn es entgegen den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen nicht in die Bilanz aufgenommen wird (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 4 Abs. 1 Tz 39).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2012/15/0005 E RS 2
Norm
EStG 1988 §4 Abs1
RS 2
Nach der Verkehrsauffassung und der Zweckbestimmung dient eine Homepage, auf der das Unternehmen sich selbst und seine Leistungen darstellt, eindeutig dem Betrieb.
Norm
EStG 1988 §4 Abs1
RS 3
Für die Qualifikation als notwendiges Betriebsvermögen ist nicht entscheidend, ob aus dem Wirtschaftsgut selbst gesondert Erträge erzielt werden.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der A X GmbH in Y, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100363/2017, betreffend Kapitalertragsteuer 2011, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 T ist Rechtsanwalt und 100%iger Eigentümer der Revisionswerberin. Er brachte sein Einzelunternehmen - eine Rechtsanwaltskanzlei - zum Stichtag in die revisionswerbende GmbH ein. Mit Kaufvertrag vom wurde - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts - die Internetdomain, unter der von der Revisionswerberin ihre Homepage betrieben wurde, von T an die Revisionswerberin um 150.000 € verkauft. Strittig ist, ob die Internetdomain bereits im Zuge der Einbringung auf die Revisionswerberin übertragen wurde bzw. die Revisionswerberin einen Anspruch gegenüber T auf Übertragung der Domain durch den Einbringungsvertrag hatte.

2 Im Rahmen einer Betriebsprüfung ging der Prüfer davon aus, dass die Internetdomain „schon immer zur Anwaltskanzlei gehört“ habe und von T bei der Einbringung nicht zurückbehalten worden sei. Er stufte den Verkauf der Domain als verdeckte Ausschüttung ein. Das Finanzamt folgte dem Prüfer und schrieb Kapitalertragsteuer vor.

3 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin fristgerecht Beschwerde, in der sie vorbrachte, die Absicht der Vertragsparteien sei es nie gewesen, das Eigentumsrecht an der Domain auf die Revisionswerberin zu übertragen. Sowohl vor als auch nach der Einbringung des Einzelunternehmens seien sämtliche aus der Registrierung, dem Betrieb und dem Erhalt der Domain resultierenden Kosten nicht von der Revisionswerberin, sondern von T bezahlt worden. Weiters sei keine Änderung der Eintragung des Eigentumsrechts im Register erfolgt. Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung stellte die Revisionswerberin einen Vorlageantrag.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies des Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und Auszügen aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung, bei welcher der Vertreter der Revisionswerberin ua erklärte, die Domain sei im Betrieb des T nicht aktivierungsfähig gewesen, weil es keine Anschaffungskosten gegeben habe, führte es aus, Internetdomains seien bei entgeltlichem Erwerb mit den Anschaffungskosten zu aktivieren, während bei selbst erstellten Domains lediglich die Registrierungs- und Eintragungskosten als Betriebsausgaben absetzbar seien. Das Einzelunternehmen von T habe seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG ermittelt, bei dieser Gewinnermittlungsart könne bzw. müsse nur notwendiges Betriebsvermögen in dem Betrieb einbezogen werden. Die Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts Domain sei nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts jedenfalls im betrieblichen Bereich zu finden und die Domain sei im Zeitpunkt der Einbringung notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens gewesen. Die Domain, die im wirtschaftlichen Eigentum des T gestanden sei, habe dem Einzelunternehmen als (Adresse der) Homepage seines Einzelunternehmens gedient.

5 Im Einbringungsvertrag sei unter anderem ausgeführt worden, dass der in dem Vertrag beschriebene Betrieb mit allen Rechten und Pflichten als Gesamtsache unter Verzicht auf die Liquidation auf Grundlage der Einbringungsbilanz mit allen Aktiva und Passiva unter Fortführung der steuerlichen Werte eingebracht werde. Weiters sei angeführt worden, dass alle in der Einbringungsbilanz erfassten Vermögenswerte, Rechte und Verbindlichkeiten, insbesondere jene Fahrnisse, die im Anlageverzeichnis dargestellt würden, einschließlich bestimmter Fahrzeuge sowie alle in der Einbringungsbilanz mangels Anschaffungswerts nicht aufscheinenden Rechte und Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens, alle dienstrechtlichen Verpflichtungen einschließlich aller Anwartschaften und alle bestehenden Ziel- und Dauerschuldverhältnisse eingebracht würden.

6 Der Vermögensübergang erfordere einen Titel als schuldrechtliche Vereinbarung zwischen dem einbringenden und dem übernehmenden Rechtsträger über den Eigentumsübergang, sowie einen Modus als sachenrechtliches Verfügungsgeschäft. Bei der Einbringung von ganzen Betrieben könne die Übertragung nicht bilanzierter Wirtschaftsgüter durch eine pauschale Zweifelsregelung im Einbringungsvertrag sichergestellt werden. Eine solche pauschale Zweifelsregelung finde sich im Einbringungsvertrag. Aufgrund der klaren Regelung im Einbringungsvertrag komme es entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin auf einen abweichenden Willen der Partei nicht an. Es wäre Sache der Vertragsparteien gewesen, durch klare Regelungen den Parteiwillen auszudrücken und die Domain ausdrücklich im Einbringungsvertrag zurückzubehalten. Internetdomains seien nach einhelliger steuerrechtlicher Auffassung immaterielle Wirtschaftsgüter, die bei der Nutzung zur Einkünfteerzielung zum Anlagevermögen zählten. Die Domain sei im gegenständlichen Fall, mangels ausdrücklichem Zurückbehalten, vom Einbringungsvertrag erfasst gewesen. Der Vertrag sei das Titelgeschäft für die Übertragung der Domain. Das Verfügungsgeschäft liege bei der Übertragung von Domains in der Umregistrierung des Domaininhabers in den Registern der jeweiligen Domainvergabestelle. Eine derartige Umregistrierung des Domaininhabers im Register sei 2005 nicht erfolgt. Dies bedeute, dass zwar bei der Einbringung ein gültiges Titelgeschäft für die Übertragung der Domain vorgelegen sei, es aber mangels Umregistrierung des Domaininhabers an einem Verfügungsgeschäft gefehlt habe. Die Domain sei daher 2005 im Zuge der Einbringung des Einzelunternehmens nicht auf die GmbH übergegangen. Die Revisionswerberin habe jedoch einen zivilrechtlichen Anspruch auf Übertragung der Domain durch den Einbringungsvertrag gehabt. Der Anspruch auf Übertragung der Domain für die Revisionswerberin habe daher bereits aufgrund des Einbringungsvertrages bestanden, weshalb es des Kaufvertrages nicht bedurft hätte. Die Zahlung von 150.000 € könne demnach nicht mit dem Kaufvertrag gerechtfertigt werden. Es liege eine verdeckte Ausschüttung vor.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht habe die Beweiswürdigung zum Umfang des übertragenen Vermögens in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen. Die vom Gericht herangezogenen maßgeblichen Kriterien zur Beurteilung von Betriebsvermögen seien die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes, die Besonderheit des Betriebes und des Berufszweiges, sowie die Verkehrsauffassung. Es müsse ein Ertrag aus dem betreffenden Vermögensbestandteil erzielt werden. Die Domain sei weder betrieblich geltend gemacht worden, noch seien daraus ertragsteuerliche Nutzen erzielt worden. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Betriebsvermögensbegriff finde auf den gegenständlichen Sachverhalt keine Anwendung. Das Bundesfinanzgericht habe den Parteiwillen entgegen dem Sinne der § 914 ff ABGB vollkommen ignoriert und das Vorbringen der Revisionswerberin keiner Würdigung unterzogen. Eine Übertragungsurkunde für die Domain, die gegenüber dem Registrar einen Herausgabe- bzw. Übertragungsanspruch begründen würde, sei mit dem Einbringungsvertrag nicht unterfertigt worden. Im Rahmen der Einbringung sei tatsächlich hinsichtlich der Domain weder eine Übertragung vereinbart noch durchgeführt worden. Die Domain hätte explizit im Einbringungsvertrag genannt werden müssen. Der Verkauf der Domain im Jahr 2011 sei unter fremdüblichen Bedingungen erfolgt. Die Erstregistrierung der Domain sei nicht von T, sondern von seinem Bruder in seinem eigenen Namen vorgenommen worden. Das Bundesfinanzgericht habe keine entsprechenden Erhebungen über die erstmalige Registrierung der Domain vorgenommen. Es hätte eine Auskunftsabfrage erfolgen können. Hätte das Bundesfinanzgericht eine entsprechende Anfrage gestellt, wäre es zum Ergebnis gelangt, dass T nicht Erstregistrierer der Domain gewesen sei, sondern dass er diese vor knapp 20 Jahren erworben habe und sie somit als aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut anzusehen gewesen wäre.

8 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Notwendiges Betriebsvermögen umfasst jene Wirtschaftsgüter, die objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind und ihm tatsächlich dienen. Dabei sind die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes, die Beschaffenheit des Betriebes und des Berufszweiges des Abgabepflichtigen sowie die Verkehrsauffassung maßgebend (vgl. , mwN). Wirtschaftsgüter, die zum notwendigen Betriebsvermögen gehören, sind zwingend in die Steuerbilanz aufzunehmen, wobei die bilanzmäßige Behandlung durch den Steuerpflichtigen nicht entscheidend ist. Notwendiges Betriebsvermögen verliert diese Eigenschaft auch dann nicht, wenn es entgegen den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen nicht in die Bilanz aufgenommen wird (vgl. ).

13 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes ist die Domain (bis 2005) für das Einzelunternehmen des T als (Adresse der) Homepage genutzt worden. Das Bundesfinanzgericht hat die Domain als notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens von T angesehen. Diese Beurteilung kann nicht als rechtwidrig erkannt werden. Die Domain diente tatsächlich dem Betrieb des Einzelunternehmens und war unmittelbar im Betrieb im Einsatz. Auch nach der Verkehrsauffassung und der Zweckbestimmung dient eine Homepage, auf der das Unternehmen sich selbst und seine Leistungen darstellt, eindeutig dem Betrieb. Dass T über eine „Vielzahl von Domains“ verfüge, wie in der Revision vorgebracht, ändert nichts daran, dass die unter einer Domain abrufbare Homepage des Einzelunternehmens dessen notwendiges Betriebsvermögen darstellt. Für die Qualifikation als notwendiges Betriebsvermögen ist im Gegensatz zur Ansicht der Revision auch nicht entscheidend, ob aus dem Wirtschaftsgut selbst gesondert Erträge erzielt werden.

14 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit dem Einbringungsvertrag wendet, ist darauf zu verweisen, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes nur insoweit unterliegt als das Ausreichen der Sachverhaltsermittlungen und die Übereinstimmung der Überlegungen zur Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu prüfen ist (vgl. z.B. ).

15 Es begegnet keinen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, wenn das Bundesfinanzgericht aufgrund der Formulierungen im Einbringungsvertrag, der den Übergang des gesamten Betriebs mit allen Rechten und Pflichten und sämtlicher Aktiven und Passiven auf Grundlage der Einbringungsbilanz sowie aller in der Einbringungsbilanz (einer Steuerbilanz) mangels Anschaffungswerts nicht aufscheinenden Rechte und Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens vorsah, davon ausgegangen ist, dass auch die Internetdomain vom Einbringungsvertrag erfasst war. Das BFG hat sich bei der Vertragsauslegung auf den klaren Wortlaut gestützt und ist nicht der Behauptung eines vom Text abweichenden Parteiwillens gefolgt. Die Revisionswerberin hat nicht behauptet, die Domain sei im Zuge der Einbringung der Kanzlei in die GmbH im Jahr 2005 gewinnerhöhend aus dem Einzelunternehmen entnommen worden.

Im Übrigen geht die vertretbare Auslegung einer Vertragsurkunde in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und wirft in der Regel keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. ; ; sowie ).

16 Wenn erstmals in der Revision ausgeführt wird, die Erstregistrierung der Internetdomain sei nicht von T, sondern von seinem Bruder erfolgt, der diese im Jahr 2003 an T verkauft habe, weshalb es einen Anschaffungswert gegeben habe, stellt dies eine unbeachtliche Neuerung gemäß § 41 VwGG dar, die zudem im Gegensatz zu den Ausführungen des Vertreters der Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung steht, wonach die Domain im Betrieb des T nicht aktivierungsfähig gewesen sei, weil es keine Anschaffungskosten gegeben habe.

17 Wenn die Revision moniert, dass der Einbringungsvertrag keine Übertragungsurkunde darstelle und keine tatsächliche Vermögensübergabe erfolgt sei, übersieht sie, dass das Bundesfinanzgericht ohnedies davon ausgegangen ist, dass die Domain im Zuge der Einbringung mangels eines Verfügungsgeschäfts nicht übertragen wurde, allerdings ein zivilrechtlicher Anspruch der Revisionswerberin gegenüber dem Einbringenden auf Übertragung der Domain entstanden ist.

18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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Norm
EStG 1988 §4 Abs1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022150028.L00
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FAAAF-46066