VwGH 16.11.2023, Ra 2022/15/0017
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision der C GmbH in H, vertreten durch Dr. Bertram Schneider, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 6845 Hohenems, Nibelungengasse 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/1100148/2021, betreffend Umsatzsteuer für Juni 2020, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine im Bereich der Immobilienerrichtung tätige GmbH, deren Geschäftsführerin und Hauptgesellschafterin seit 2016 die Ehegattin von JE ist. Weitere Gesellschafterin ist die Schwester der Ehegattin. JE ist Eigentümer einer Liegenschaft in L.
2 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts wurde mit Wohnungseigentumsvertrag vom auf dieser Liegenschaft Wohnungseigentum begründet. Am schlossen JE und die Revisionswerberin eine Vereinbarung ab, nach der sich unter anderem die Revisionswerberin mit JE zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die eine reine Innengesellschaft darstelle, zusammenschlossen. Auf den Grundstücken des JE sollten vier selbständige Wohnhäuser samt jeweiligem Zubehör errichtet werden. An den Wohnhäusern samt jeweiligem Zubehör sollte Wohnungseigentum begründet und diese bestmöglich verkauft werden. JE brachte zu diesem Zweck seine Liegenschaft in die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein. Die Revisionswerberin trug ihren Beitrag zum gemeinsamen Projekt durch die schlüsselfertige Errichtung des Neubaus der geplanten Wohnanlage bei. Die Vereinbarung sah zudem vor, dass JE für die Beistellung des Grundstückes aus den jeweiligen Verkaufserlösen jedenfalls einen Betrag in Höhe von 6.650 € pro Quadratmeter erhalten sollte. Dieser Grundanteil sollte bereits in den Kaufverträgen entsprechend gesondert ausgewiesen werden. Der Rest des jeweils vereinbarten Kaufpreises sollte vorerst zur Abdeckung der Baukosten dienen und der Revisionswerberin zur Verfügung gestellt werden.
3 Im Jahr 2014 wurde eines der Wohnhäuser von JE veräußert und der Kaufpreis nach einem von der Vereinbarung abweichenden Schlüssel aufgeteilt. Als weitere Partei des Kaufvertrages auf Verkäuferseite wurde die Revisionswerberin angeführt, die im Kaufvertrag als hauptverantwortliche Wohnungseigentumsorganisatorin und Bauträgerin genannt wurde.
4 Im Rahmen einer Zwangsversteigerung wurden die restlichen, nicht fertig gestellten Wohnhäuser um das Meistbot von 12,300.000 € versteigert. Ausweislich des Versteigerungsediktes teilte der Verpflichtete JE dem Exekutionsgericht binnen der gesetzten Frist nicht mit, dass auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 verzichtet werde. Die Revisionswerberin hatte insgesamt 6,566.800,97 € für die Errichtung der Baulichkeiten auf den im Eigentum des JE verbliebenen Anteilen an der Liegenschaft aufgewendet und insgesamt 1,313.360,19 € an Vorsteuern abgezogen. Die Revisionswerberin hatte die Baulichkeiten in den Bilanzen der Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 jeweils als Vorräte (Umlaufvermögen) ausgewiesen.
5 Das Finanzamt erließ einen Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 06/2020 gegenüber der Revisionswerberin und setzte die Umsatzsteuer für den Zeitraum 06/2020 mit 1,312.974,60 € fest. Begründend führte das Finanzamt aus, dass der Kaufpreis im selben Verhältnis wie beim Verkauf 2014 auf die Revisionswerberin und JE aufzuteilen gewesen wäre. Mangels Option zur Steuerpflicht sei die Veräußerung steuerfrei erfolgt, weshalb es zu einer Änderung der Verhältnisse gekommen sie. Es sei eine Vorsteuerberichtigung durchzuführen.
6 In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, aufgrund der Vereinbarung zwischen JE und der Revisionswerberin sei JE aus dem Versteigerungserlös zunächst ein Betrag von 6.650 € je m² Grundanteil der versteigerten Wohngebäude, sohin ein Vorabanspruch von 14,402.165 € zugestanden. Da der Versteigerungserlös lediglich 12,300.000 € betragen habe, verbleibe kein Entgeltanspruch und damit keine Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer für die Revisionswerberin. Eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse sei nicht eingetreten, da die Übertragung des Grundanteils durch JE gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 umsatzsteuerfrei bzw. mangels Unternehmereigenschaft nicht umsatzsteuerbar gewesen sei. Die Werkleistung der Revisionswerberin sei allerdings umsatzsteuerbar und grundsätzlich auch umsatzsteuerpflichtig gewesen, aber es ergäbe sich mangels Entgeltsanspruches keine Umsatzsteuerbemessungsgrundlage. Der bloße Umstand, dass die Bemühungen eines Unternehmers zu keinem Erfolg geführt hätten, begründe keine Änderung der Verhältnisse.
7 Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung stellte die Revisionswerberin einen Vorlageantrag.
8 Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde als unbegründet ab. Nach Feststellung des oben dargestellten Sachverhaltes führte es aus, dass strittig sei, ob und in welcher Höhe die Revisionswerberin durch die Zwangsversteigerung der Liegenschaftsanteile Umsätze erzielt habe. Das Vorbringen der Revisionswerberin, ihr habe aufgrund der Vereinbarung vom und aufgrund ihres Verschuldens an der Zwangsversteigerung kein Anteil am Versteigerungserlös zugestanden, überzeuge nicht. Der Geschäftsführer der Revisionswerberin sei bis zum JE gewesen. Von bis sei neben seiner Ehegattin auch sein Sohn Geschäftsführer gewesen. Zwischen der Revisionswerberin und JE bestehe ein offensichtliches Naheverhältnis. Es sei daher die Anwendung der „Angehörigenjudikatur“ geboten. Eine Vereinbarung des Inhaltes, im Fall einer Zwangsversteigerung der (mittlerweile auf wirtschaftliches Risiko der Revisionswerberin bebauten) Liegenschaft solle JE denselben Vorabbezug aus dem Erlös erhalten wie im Fall eines Verkaufes am Immobilienmarkt, wäre unter fremden Dritten nicht getroffen worden, zumal die Revisionswerberin nur im Fall eines Verkaufes aufgrund ihrer zivilrechtlich gesicherten Stellung Einfluss auf die Preisgestaltung habe nehmen können. Dazu komme, dass aufgrund der Vereinbarung vom allein die Revisionswerberin das wirtschaftliche Risiko der Bebauung der Liegenschaft zu tragen gehabt habe. Es sei keinesfalls fremdüblich, die Revisionswerberin für den Fall der Zwangsversteigerung der Liegenschaft von der (zumindest anteiligen) Abdeckung dieses wirtschaftlichen Risikos aus dem Zwangsversteigerungserlös auszuschließen. Beim Verkauf des ersten Wohnhauses 2014 seien die Revisionswerberin und JE gemeinsam als Verkäufer aufgetreten. Ausgehend von der dem Wohnhaus laut Kaufvertrag vom zugeordneten Grundstücksfläche habe sich bezogen auf den Grundanteil von 3,000.000 € am Kaufpreis rechnerisch ein Quadratmeterpreis von 6.415,46 € ergeben. Die Revisionswerberin und JE seien augenscheinlich schon ein halbes Jahr nach Abschluss der Vereinbarung vom vom dort abgebildeten Aufteilungsverhältnis abgewichen. Der vom Finanzamt gewählte Aufteilungsschlüssel erscheine einerseits angesichts der Kaufpreisaufteilung anlässlich des Verkaufs des ersten Wohnhauses sachgerecht. Andererseits fänden die tatsächlichen Herstellungskosten für die Baulichkeiten auf der Liegenschaft darin Deckung, was einer fremdüblichen Aufteilung des wirtschaftlichen Risikos viel näherkomme als die von der Revisionswerberin angestrebte Zuweisung des gesamten Versteigerungserlöses an JE.
9 Gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 sei die Lieferung von Grundstücken steuerfrei, es sei denn, der Unternehmer würde diesen Umsatz als steuerpflichtig behandeln. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung sei im Fall der Lieferung von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren nur zulässig, wenn er spätestens bis 14 Tage nach Bekanntgabe des Schätzwerts dem Exekutionsgericht mitgeteilt werde. Eine solche Mitteilung sei unstrittig im konkreten Fall unterblieben. Daher habe die Revisionswerberin im Zeitraum Juni 2020 einen steuerfreien Grundstücksumsatz von 6,911.962,74 € erzielt. Im konkreten Fall sei nach dem Grundsatz „superficies solo cedit“ und mangels anderslautender zivilrechtlicher Dispositionen zwischen der Revisionswerberin und JE allein JE zivilrechtlicher Eigentümer der im Wege einer Zwangsversteigerung veräußerten Liegenschaftsanteile samt darauf befindlicher Baulichkeiten gewesen. Allein JE hätte kraft seiner Parteistellung als verpflichtete Partei im Zwangsversteigerungsverfahren eine Optionserklärung nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 abgeben können. Da er keine derartige Optionserklärung abgegeben habe, sei die Veräußerung der Liegenschaftsanteile samt darauf befindlicher Baulichkeiten steuerfrei nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 erfolgt. Dadurch sei eine Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 12 Abs. 11 UStG 1994 in der unternehmerischen Sphäre der Revisionswerberin eingetreten.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht übersehe bei seiner Argumentation, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Werklieferung eines Gebäudes nur dann als Grundstücksumsatz eingestuft werden könne, wenn diese Werklieferung durch den Grundeigentümer selbst erfolge. Sei dies nicht der Fall, sei die Werklieferung des Gebäudes stets umsatzsteuerpflichtig. Im vorliegenden Fall habe die Zwangsversteigerung eine diesem Versteigerungsvorgang gedanklich vorgeschaltete Werklieferung der Gebäude durch die Revisionswerberin an JE bewirkt. Das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach eine Änderung der Verhältnisse gemäß § 12 Abs. 11 UStG 1994 voraussetze, dass der Unternehmer selbst und nicht eine dritte Person unecht befreite Umsätze tätige.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, erwogen:
12 Die Revision ist zulässig und begründet.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Erkenntnisses insbesondere erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet wird (vgl. , mwN).
14 Diesem Erfordernis wird das angefochtene Erkenntnis nicht gerecht. Aus den Sachverhaltsfeststellungen - und auch aus den Erwägungen - geht nicht hervor, welchen Sachverhalt das Bundesfinanzgericht angenommen hat. Das Bundesfinanzgericht traf insbesondere keine Feststellungen, die eine Vorsteuerberichtigung tragen könnten. Zudem fehlen Feststellungen darüber, welche konkreten Lieferungen oder Leistungen die Revisionswerberin an wen erbracht hat, und eine Beurteilung, ob diese der Umsatzsteuerpflicht unterliegen.
15 Dem Verwaltungsgerichtshof ist es daher nicht möglich, das Erkenntnis auf seine inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BAO §280 Abs1 lite VwGG §42 Abs2 Z3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022150017.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAF-46057