VwGH 19.04.2023, Ra 2022/14/0322
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BVwG-EVV 2014 §1 Abs1 VwGG §42 Abs2 Z1 |
RS 1 | Nach § 1 Abs. 1 letzter Satz BVwG-EVV 2014 ist E-Mail keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen im Sinn dieser Verordnung; ein mittels E-Mail eingebrachter Schriftsatz vermag keine Rechtswirkungen zu entfalten (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/21/0155 B RS 1 |
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RS 2 | Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gilt ein Antrag auf internationalen Schutz primär als solcher auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und nur im Fall der Nichtzuerkennung dieses Status als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (vgl. , mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel, Dr.in Sembacher, Mag. I. Zehetner und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W228 2163118-2/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Partei: H M, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 6/6), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte erstmals am einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), der im Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom abgewiesen wurde. Die Behandlung der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom , E 1886/2021-7, abgelehnt.
2 Am stellte der Mitbeteiligte den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass sich die Lage in Afghanistan verschlechtert habe und er sich der Katholischen Kirche zugewandt habe.
3 Am erhob der Mitbeteiligte eine Säumnisbeschwerde, weil das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (die amtsrevisionswerbende Partei) über seinen Folgeantrag nicht entschieden hatte.
4 Mit E-Mail vom - adressiert an „einlaufstelle@bvwg.gv.at“ - teilte die Rechtsvertretung des Mitbeteiligten dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass sich ihr Mandant (der Mitbeteiligte) nicht taufen lassen werde, weil dies weitere familiäre Probleme nach sich ziehen würde. Die Säumnisbeschwerde werde hinsichtlich der Erteilung der subsidiären Schutzberechtigung „dahingehend“ aufrechterhalten und die Erteilung dieses Schutzstatus beantragt. Im Übrigen wurde mitgeteilt, dass eine weitere Verhandlung nicht notwendig sei, weil die Frage betreffend subsidiären Schutzes hinreichend geklärt sei.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren wegen Zurückziehung der Beschwerde betreffend § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ein (Spruchpunkt I.), gab dem Antrag des Mitbeteiligten im Übrigen statt und erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.), erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.) und sprach zudem aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren wesentlich - aus, dass der Rechtsvertreter des Mitbeteiligten die Zurückziehung der „Beschwerde“ hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, weswegen das Verfahren diesbezüglich einzustellen gewesen sei. Hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte das Verwaltungsgericht aus, dass unter Berücksichtigung der ins Verfahren eingeführten Länderberichte sowie der aktuellen Berichterstattung und der persönlichen Situation des Mitbeteiligten in einer Gesamtbetrachtung zu erkennen sei, dass er im Fall einer Abschiebung nach Afghanistan real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte zu erleiden.
7 Dagegen richtet sich die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl. Sie bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, dass gemäß § 1 Abs. 1 letzter Satz BVwG-elektronischer-Verkehr-Verordnung (BVwG-EVV) E-Mail keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen an das Bundesverwaltungsgericht sei, wodurch Anbringen per E-Mail somit keine Rechtswirkungen entfalten würden. Die Zurückziehung der Säumnisbeschwerde hinsichtlich Asyl sei daher unwirksam erfolgt. Zudem dürfe im Fall eines Hauptantrages und eines Eventualantrages die Entscheidung über den Eventualantrag nur dann erfolgen, wenn der Eventualfall eintrete. Dementsprechend dürfe über einen Eventualantrag nicht vor dem Hauptantrag entschieden werden. Wenn doch über einen Eventualantrag vor dem Hauptantrag entschieden werde, so sei die Entscheidung rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht habe dem Mitbeteiligten den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, obwohl noch kein Abspruch über den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten vorgelegen sei, zumal aufgrund der „Einbringung“ des Schreibens per E-Mail keine wirksame Zurückziehung der Säumnisbeschwerde erfolgt sei. Selbst im Falle einer wirksamen Säumnisbeschwerdezurückziehung sei die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Devolutionsanträgen auf die Säumnisbeschwerde zu übertragen, wonach durch die Zurückziehung die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts erlöschen und jene des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl wiederaufleben würde.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Revision sowie der Verfahrensakten das Vorverfahren eingeleitet. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher er sich den Anträgen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vollinhaltlich anschloss.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Die Amtsrevision erweist sich als zulässig und auch begründet.
11 Basierend auf der Verordnungsermächtigung des § 21 Abs. 3 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) wird die nähere Vorgangsweise bei der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen in der BVwG-EVV, BGBl. II Nr. 515/2013, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. II Nr. 11/2015, geregelt.
12 Gemäß § 1 Abs. 1 letzter Satz BVwG-EVV ist E-Mail keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen im Sinne dieser Verordnung. Ein mittels E-Mail eingebrachter Schriftsatz vermag keine Rechtswirkungen zu entfalten (vgl. bis 0487; , Ra 2015/01/0061, mwN).
13 Fallbezogen konnte das E-Mail des Rechtsvertreters des Mitbeteiligten vom aufgrund der unzulässigen Einbringungsart somit keine Rechtswirkungen entfalten.
14 Eine auf den Inhalt dieser E-Mail gestützte Prozesshandlung, nämlich die Einstellung des Verfahrens über das Begehren auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten, ist daher schon allein aus diesem Grund rechtwidrig. Infolgedessen hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren hinsichtlich Asyl zu Unrecht eingestellt und das angefochtene Erkenntnis schon deshalb im Umfang des Spruchpunktes I. mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
15 Dies hat zur Folge, dass auch der vom Verwaltungsgericht getätigte Ausspruch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten seine Rechtsgrundlage verliert.
16 Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gilt ein Antrag auf internationalen Schutz primär als solcher auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und nur im Fall der Nichtzuerkennung dieses Status als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (vgl. , mwN).
17 Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei den im vorliegenden Fall in Rede stehenden Entscheidungen um rechtlich trennbare Aussprüche handelt, diese unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen können und zwischen diesen lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang besteht, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind. Das kann dazu führen, dass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (vgl. , mwN).
18 Der Ausspruch über § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) ist gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 Mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.
19 Das Bundesverwaltungsgericht hat aus diesem Grund durch seine Entscheidung über den Antrag gemäß § 8 AsylG 2005 ohne zuvor über den - wie dargelegt - noch bestehenden Antrag gemäß § 3 AsylG 2005 abgesprochen zu haben, das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
20 Dieses war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit zur Gänze aufzuheben, weil mit der Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses in seinem Spruchpunkt I. auch die rechtlich davon abhängenden Aussprüche in den Spruchpunkten II. und III. ihre Grundlage verlieren. Aus diesem Grund war hier auch ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen nicht mehr notwendig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022140322.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-46050