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VwGH 17.05.2023, Ra 2022/13/0120

VwGH 17.05.2023, Ra 2022/13/0120

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
BAO §243
BAO §307
VwRallg
RS 1
Der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid sind zwei Bescheide, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (vgl. Ritz, BAO5, § 307 Tz 7, mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/15/0108 E RS 1
Normen
BAO §243
BAO §307
VwGG §42 Abs2 Z1
RS 2
Bei Vorliegen einer Beschwerde gegen einen Wiederaufnahmebescheid und gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheid widerspricht es dem Gesetz, die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme unerledigt zu lassen und vorerst über die Beschwerde gegen den neuen Sachbescheid abzusprechen (vgl. , mwN). Eine derartige Vorgangsweise würde die Entscheidung über die Beschwerde gegen den Sachbescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten (vgl. ).
Normen
BAO §83
BAO §85
VwRallg
RS 3
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein beruflicher Parteienvertreter, der einen Antrag im Namen eines Mandanten stellen möchte, dies auch klar zum Ausdruck bringt ().
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/13/0046 B RS 4

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der W in B, vertreten durch die Eckhardt Wirtschaftsprüfung und Steuerberatungs GmbH in 7033 Pöttsching, Hauptstraße 58, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100923/2013, betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Zum bisherigen Verfahrensgang ist eingangs auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/15/0188, (betreffend Zeitraum 1997 bis 2001) zu verweisen.

2 Für das nunmehrigen Revisionsverfahren ist hervorzuheben, dass im Bericht über das Ergebnis einer Buch- und Betriebsprüfung vom u.a. festgehalten wurde, in den Jahren 1997 bis 2001 habe die Revisionswerberin Zahlungen an eine bulgarische Gesellschaft (Data-Sofia) als Betriebsausgaben geltend gemacht. Im Zuge der Betriebsprüfung seien diese als Betriebsausgaben geltend gemachten Fremdleistungen nicht anerkannt worden (Tz 19). Dazu wurde ergänzend festgehalten, betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 seien Feststellungen getroffen worden (Hinweis u.a. auf Tz 19), die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO erforderlich machten. Dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit sei der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen (Tz 24).

3 Mit Bescheiden vom wurden die Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1997 bis 2001 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommen und neue Sachbescheide erlassen. In der Begründung wurde jeweils auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung verwiesen. Die Wiederaufnahmebescheide tragen jeweils die Überschrift „Einkommensteuerbescheid [Jahr]“ mit dem Hinweis „Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303(4) BAO zu Bescheid [...]“. In der Rechtsmittelbelehrung dieser Wiederaufnahmebescheide wurde ausgeführt, in der Berufung sei der Bescheid zu bezeichnen „(Einkommensteuerbescheid für [Jahr] vom )“. Auch in den neuen Sachbescheiden wurde in der Rechtsmittelbelehrung jeweils ausgeführt, in der Berufung sei der Bescheid zu bezeichnen „(Einkommensteuerbescheid für [...] vom )“.

4 Die Revisionswerberin erhob (durch einen steuerlichen Vertreter) mit Eingabe vom Berufung „gegen den Einkommensteuerbescheid 2001, den Einkommensteuerbescheid 2000, den Einkommensteuerbescheid 1999, den Einkommensteuerbescheid 1998 und den Einkommensteuerbescheid 1997, den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchzinsen 2000, den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchzinsen 2001 und den Einkommensteuervorauszahlungs-Bescheid 2004 und Folgejahre alle vom “. Darin führte sie aus, die Fremdleistungen der Data-Sofia seien auf Grund der Dokumentation der erbrachten Leistungen und erstellter Rechnungen bezahlt worden. Die Leistungen hätten Programmtestungen für einen Großauftrag der I betroffen. Die erbrachten Leistungen seien ausreichend dokumentiert worden, dies sei auch anlässlich der Vorbesprechungen bzw. Schlussbesprechungen von der Betriebsprüfung nicht angezweifelt worden. Der Geschäftsführer der Data-Sofia werde den Erhalt der angezweifelten Beträge notariell beglaubigt bestätigen, diese Unterlagen würden nachgereicht, da er sich für einige Zeit im Ausland befunden habe. Zusätzlich werde auch noch eine persönliche Einvernahme angeboten. Außerdem sei auszuführen, dass der Gesamtbetrag der Fremdleistungen für die Jahre 1997 bis 2001 nicht S 4,6 Mio., sondern nur S 3,8 Mio. betragen habe; Gutschriften, die über Erlöse gebucht worden seien, seien offenbar nicht berücksichtigt worden. Es werde daher ersucht, die Bescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 „aufzuheben und erklärungsgemäß zu veranlagen“. Weiters wurde die Aussetzung der Einhebung der näher genannten Beträge für Einkommensteuer 1997 bis 2001 begehrt. Sollte das Finanzamt nicht mittels Berufungsvorentscheidung vorgehen, werde schon jetzt der Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

5 Mit Vorlagebericht vom  legte das Finanzamt die Berufung (ohne eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen) dem (damaligen) unabhängigen Finanzsenat vor. In einer Beilage zum Vorlagebericht führte das Finanzamt aus, die Fremdleistungen seien aufgrund einer dem Finanzamt nicht nachvollziehbaren Dokumentation bar an den Geschäftsführer der Data-Sofia bezahlt worden; die Revisionswerberin sei zu 60 % an der Data-Sofia beteiligt. Es habe nicht verifiziert werden können, welchen Wert die erbrachten Leistungen hätten. Gegen die Anerkennung der Fremdleistungen spreche auch die im allgemeinen Wirtschaftsleben nicht übliche Vorgangsweise, die hohen Beträge in bar zu zahlen. Bei einer Auslandsbeziehung treffe den Abgabepflichtigen eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Diese Verpflichtung sei von der Revisionswerberin nicht erfüllt worden.

6 Mit Eingabe vom nahm die Revisionswerberin zu den Ausführungen des Finanzamts in der Beilage zum Vorlagebericht Stellung. Darin wurde u.a. beantragt, S als Zeugen zu vernehmen.

7 In der Verhandlung vom wurde u.a. der von der Revisionswerberin stellig gemachte Zeuge S vernommen. Im Zuge der Verhandlung wurde auch ein von der Revisionswerberin vorgelegtes „Konvolut betreffend Arbeitsvorgabenprojekt [I]“ zum Akt genommen.

8 Mit Berufungsentscheidung vom wies der unabhängige Finanzsenat (u.a.) die Berufung gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer 1997, 1998, 2000 und 2001 als unbegründet ab und gab der Berufung gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 1999 teilweise statt; betreffend Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgabe verwies der unabhängige Finanzsenat auf die als Beilage angeschlossenen Berechnungsblätter.

9 In der Begründung setzte sich der unabhängige Finanzsenat u.a. mit den Aussagen des Zeugen S und den von der Revisionswerberin vorgelegten Unterlagen auseinander und kam zum Ergebnis, dass die von der Data-Sofia erbrachten Fremdleistungen weder nachweisbar noch glaubhaft gemacht worden seien. Das Berufungsbegehren, die Ausgaben für Fremdleistungen der Data-Sofia als Betriebsausgaben abzuziehen, sei daher abzuweisen gewesen. Dem Begehren, Ausgaben für eine Auslandsreise im Jahr 1999 als Betriebsausgaben abzuziehen, sei aber stattzugeben gewesen.

10 Mit Eingabe vom teilte die Revisionswerberin mit, nach Durchsicht der Unterlagen betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 sei aufgefallen, dass die Berufungen gegen die Wiederaufnahmebescheide noch unerledigt seien. Die Berufungsentscheidung vom sei sohin rechtswidrig ergangen; es werde gebeten, die Berufungsentscheidung gemäß § 300 Abs. 1 lit. a BAO aufzuheben.

11 Mit Bescheid vom wies der unabhängige Finanzsenat diesen Antrag als unbegründet ab. In der Begründung führte der unabhängige Finanzsenat näher aus, die Berufung vom enthalte nichts, das sich auf eine Wiederaufnahme von Verfahren beziehe. Mit dieser Berufung seien daher keine Wiederaufnahmen angefochten worden. Die Entscheidung des unabhängigen Finanzsenats vom erweise sich damit als rechtsrichtig, sodass der Aufhebungsantrag abzuweisen gewesen sei.

12 Mit Erkenntnis vom , 2012/15/0193, wies der Verwaltungsgerichtshof die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Der Verwaltungsgerichtshof führte dazu aus, ein Antragsrecht der Partei auf eine Aufhebung nach § 300 BAO sei nicht vorgesehen. Dadurch, dass der unabhängige Finanzsenat dennoch materiell über den Antrag der Revisionswerberin entschieden habe, sei diese in ihrem geltend gemachten Recht nicht verletzt. Mit dem Spruch dieses Bescheides werde eine Aufhebung der Entscheidung vom verweigert, nicht aber darüber abgesprochen, ob „die Berufungen vom nicht auch als Berufung gegen die Wiederaufnahme angesehen werden“. Falls der Berufungsschriftsatz vom in der Tat auch eine Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide beinhalten sollte, müsste die Behörde über eine solche Berufung absprechen; für den Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht stünden der Revisionswerberin entsprechende Rechtsbehelfe offen. Dazu komme, dass bei Vorliegen einer Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid und gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheid es dem Gesetz widerspreche, eine Berufung gegen die Wiederaufnahme unerledigt zu lassen und vorerst über die Berufung gegen den neuen Sachbescheid abzusprechen. Eine derartige Vorgangsweise würde die Entscheidung über die Berufung gegen den Sachbescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten, was mit einem Rechtsbehelf gegen die Berufungsentscheidung geltend gemacht werden könne.

13 Die Revisionswerberin beantragte daraufhin mit Eingabe vom , das Finanzamt möge über die bis jetzt unerledigten Berufungen gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 absprechen.

14 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag ab. Das Schreiben vom beinhalte keine Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide.

15 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde.

16 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt diese Beschwerde als unbegründet ab. Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Mit Vorlagebericht vom  legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor. Eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichts dazu liegt - nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Parteien im Revisionsverfahren - bisher nicht vor.

17 Mit dem bereits eingangs erwähnten Erkenntnis vom hatte der Verwaltungsgerichtshof die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenats vom betreffend (u.a.) Einkommensteuer 1997 bis 2001 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

18 Der Verwaltungsgerichtshof führte dazu im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung Unterlagen über die konkrete Höhe der Gutschriften, die ihrem Vorbringen zufolge die Höhe der aus dem Titel Zahlungen an die Data-Sofia geltend gemachten Betriebsausgaben bereits gemindert haben, vorgelegt. Der unabhängige Finanzsenat habe sich aber mit diesem Einwand in keiner Weise auseinandergesetzt. Der unabhängige Finanzsenat habe auch nicht festgestellt, ob bzw. in welchen konkreten Jahren die Gutschriften gewinnerhöhend erfasst worden seien. Dabei sei zu beachten, dass der unabhängige Finanzsenat, falls sich der Einwand der Revisionswerberin als zutreffend erweise, den von der Revisionswerberin erklärten Betriebsergebnissen in der Tat höhere Beträge zugerechnet habe als unter dem Titel Zahlungen an die Data-Sofia im Ergebnis vorher in Abzug gebracht worden seien. Der unabhängige Finanzsenat habe demnach seiner Begründungspflicht nicht entsprochen.

19 Mit Vorhalt vom wandte sich daraufhin der unabhängige Finanzsenat an die Revisionswerberin und ersuchte um Bekanntgabe der Fremdleistungen der Data-Sofia für das Jahr 2001. Weiters wurde um Vorlage aller Abrechnungsdokumente ersucht, die sich auf die in der Berufung angesprochenen Gutschriften in den Jahren 1997 bis 2001 beziehen.

20 Die Revisionswerberin antwortete darauf, sie habe mittlerweile das Finanzamt aufgefordert, über die Berufungen gegen die Wiederaufnahmebescheide abzusprechen. Es sei somit vorweg über die Wiederaufnahme abzusprechen. Im Übrigen sei auszuführen, dass der unabhängige Finanzsenat hinsichtlich der angesprochenen Gutschriften 6 Jahre Zeit gehabt hätte, den Sachverhalt zu prüfen, da ja die Unterlagen auch vorgelegt worden seien.

21 Der unabhängige Finanzsenat teilte daraufhin mit, es sei beabsichtigt, die Entscheidung über die Bescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die anhängige Berufung vom betreffend Wiederaufnahmebescheide (Einkommensteuer 1997 bis 2001) auszusetzen, da der Ausgang dieses Berufungsverfahrens von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die vorliegende Berufung sei.

22 Die Revisionswerberin antwortete, im vorliegenden Verfahren seien seit dem Jahr 1997 bereits 16 Jahre vergangen. Es sei schon in der Berufung dezidiert auf Gutschriften hingewiesen worden. Es werde beantragt, die Entscheidung betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 nicht auszusetzen.

23 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das zwischenzeitig zuständig gewordene Bundesfinanzgericht die Berufung gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer 1997, 1998, 2000 und 2001 als unbegründet ab; die angefochtenen Bescheide blieben unverändert. Der Berufung gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 1999 wurde teilweise stattgegeben. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe seien den der Berufungsentscheidung vom als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen. Die ordentliche Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

24 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Verwaltungsgerichtshof habe für das fortgesetzte Verfahren bindend ausgesprochen, dass ein Begründungsmangel vorliege, wenn sich das Bundesfinanzgericht nicht mit den in der Berufungsverhandlung vor dem unabhängigen Finanzsenat vorgelegten Gutschriften und Abrechnungsbelegen auseinandersetze. Die Revisionswerberin habe jedoch in der Berufungsverhandlung keine Gutschriften und Abrechnungsbelege vorgelegt, sondern habe sich damals geweigert, die Gutschriften und Abrechnungsbelege der Leiterin der Verhandlung auszuhändigen. Deshalb habe der unabhängige Finanzsenat die Revisionswerberin mit Schreiben vom ersucht, die Gutschriften und Abrechnungsbelege im fortgesetzten Verfahren vorzulegen. Die Revisionswerberin habe sich jedoch geweigert, die angeforderten Unterlagen vorzulegen und habe zur Begründung vorgebracht, der unabhängige Finanzsenat habe sechs Jahre Zeit gehabt, diesen Sachverhalt zu prüfen. Ohne die Gutschriften und Abrechnungsbelege einsehen zu können, könne nicht überprüft werden, ob (und, wenn dies zu bejahen wäre, in welcher Höhe) die behaupteten Gegenverrechnungen stattgefunden hätten. Das Bundesfinanzgericht habe daher seiner im fortgesetzten Verfahren zu treffenden Entscheidung eine Sach- und Beweislage zugrunde zu legen, die mit der Sach- und Beweislage identisch sei, die der (aufgehobenen) Berufungsentscheidung vom zugrunde liege. Von dieser nicht geänderten Sach- und Beweislage ausgehend sei der Bescheidspruch aus der Berufungsentscheidung vom zu bestätigen.

25 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.

26 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattet.

27 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

28 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

29 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

30 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis sei nicht an den zustellbevollmächtigten Vertreter, sondern an die Revisionswerberin persönlich ergangen. Das Erkenntnis sei daher nicht ordnungsgemäß zugestellt worden; es liege ein „Nichterkenntnis“ vor.

31 Es kann hier offen bleiben, ob die Zustellung der angefochtenen Entscheidung unmittelbar an die Revisionswerberin (und nicht an ihren Vertreter) unwirksam war und auch in der Folge nicht heilte (etwa gemäß § 9 Abs. 3 Zustellgesetz durch Übermittlung der Erledigung im Original an den Vertreter). Die hier angefochtene Erledigung wurde aber auch an das Finanzamt zugestellt. Damit wurde diese Entscheidung jedenfalls wirksam und auch durch Revision bekämpfbar (vgl. § 26 Abs. 2 VwGG).

32 Die Revisionswerberin macht sodann geltend, es sei nach wie vor ein Verfahren anhängig zur Frage, ob sich die Berufung auch gegen die Wiederaufnahmebescheide richte. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse zuerst über die Berufung betreffend Wiederaufnahme entschieden werden.

33 Zu diesem Vorbringen ist zu bemerken, dass der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid zwei Bescheide sind, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (vgl. , mwN).

34 Bei Vorliegen einer Beschwerde gegen einen Wiederaufnahmebescheid und gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheid widerspricht es dem Gesetz, die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme unerledigt zu lassen und vorerst über die Beschwerde gegen den neuen Sachbescheid abzusprechen (vgl. , mwN). Eine derartige Vorgangsweise würde die Entscheidung über die Berufung gegen den Sachbescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten (vgl. ). Für den Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht stehen überdies entsprechende Rechtsbehelfe (vgl. neuerlich ) zur Verfügung.

35 Verfahrensrechtlich verfehlt ist in diesem Zusammenhang aber ein „Antrag auf Entscheidung“ über bisher unerledigt gebliebene Berufungen gegen die Wiederaufnahmebescheide (Eingabe vom samt Entscheidungen des Finanzamts dazu vom und vom ). Die Verletzung der Entscheidungspflicht wäre vielmehr mittels Säumnisbehelfen (allenfalls Säumnisbeschwerde wegen Nichterlassung einer Beschwerdevorentscheidung; hier wurde freilich die Berufung insgesamt bereits vor dem der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgelegt, sodass gemäß § 323 Abs. 42 BAO eine Beschwerdevorentscheidung nicht nachzuholen ist), im vorliegenden Fall (nunmehr) mittels Fristsetzungsantrag geltend zu machen.

36 Da aber eine Entscheidung über eine Berufung (Beschwerde) betreffend den neuen Sachbescheid dann inhaltlich rechtswidrig ist, wenn auch eine Berufung (Beschwerde) gegen den Wiederaufnahmebescheid vorliegt und diese unbehandelt blieb, ist auch im vorliegenden Verfahren zu prüfen, ob die Berufung vom auch als Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide zu beurteilen ist.

37 Eine derartige Prüfung durch das Bundesfinanzgericht ist zwar unterblieben; im Ergebnis liegt aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses - und auch keine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage - vor.

38 Für die Beurteilung von Anbringen kommt es auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes an. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgebend. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Behörde hingegen gehalten, die Absicht der Partei zu erforschen (vgl. , mwN).

39 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein beruflicher Parteienvertreter, der einen Antrag im Namen eines Mandanten stellen möchte, dies auch klar zum Ausdruck bringt (vgl. neuerlich , mwN).

40 Im hier vorliegenden Fall ergingen gesondert sowohl Wiederaufnahmebescheide als auch neue Einkommensteuerbescheide. Es wurden aber auch die Wiederaufnahmebescheide im Kopf der Erledigung als „Einkommensteuerbescheid“ bezeichnet; in der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, in einer Berufung sei der anzufechtende Bescheid als „Einkommensteuerbescheid“ zu bezeichnen, wodurch zweifellos eine unklare Situation geschaffen wurde (vgl. zu solchen Bescheidgestaltungen ; , 2007/15/0043; , 2007/15/0041; , 2008/13/0085).

41 Die Berufung vom nannte im Betreff nur die neuen Sachbescheide; dies entsprach aber auch der Bezeichnung der Wiederaufnahmebescheide (und der darin enthaltenen Rechtsmittelbelehrung). Die Berufung enthält aber ihrem gesamten Inhalt nach keinerlei Vorbringen im Hinblick auf die vom Finanzamt verfügte Wiederaufnahme (etwa zum Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln). Wenn in der Berufung beantragt wird, die Einkommensteuerbescheide aufzuheben, ist dies in sich widersprüchlich. Bei einer Berufung nur gegen die Einkommensteuerbescheide wäre eine Abänderung dieser Bescheide (erklärungsgemäße Veranlagung) zu beantragen gewesen; richtete sich die Berufung auch gegen die Wiederaufnahmebescheide, wäre hingegen die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide zu beantragen gewesen (vgl. auch dazu ). In den Entscheidungen des unabhängigen Finanzsenats vom (über den Antrag auf Aufhebung gemäß § 300 BAO) und jenen des Finanzamts vom und (über den Antrag der Revisionswerberin auf Abspruch über die bisher unerledigten Berufungen betreffend Wiederaufnahme) wurde der Revisionswerberin gegenüber ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen die Berufung vom nur als gegen die neuen Sachbescheide gerichtet anzusehen sei. Eine Auseinandersetzung mit diesen - der Revisionswerberin somit bekannten - Argumenten erfolgt in der Revision nicht. Hingegen wird in der Revision - in der Schilderung des „Sachverhalts“ - ausdrücklich ausgeführt: „Aufgrund dieser Feststellungen wurden für die Jahre 1997-2001 Wiederaufnahmebescheide und Sachbescheide erlassen und diese Sachbescheide wurden mittels Berufung vom bekämpft [...]“. Eine Bekämpfung der Wiederaufnahmebescheide wird hier also geradezu verneint.

42 Damit ist davon auszugehen, dass sich die (durch einen steuerlichen Vertreter eingebrachte) Berufung vom nur gegen die neuen Sachbescheide, nicht aber gegen die Wiederaufnahme der Verfahren gerichtet hat. Die Bescheide über die Wiederaufnahme wurden somit dadurch rechtskräftig, dass innerhalb der Berufungsfrist keine Berufung erhoben wurde. Das Bundesfinanzgericht hat demnach zu Recht (nur) betreffend die neuen Sachbescheide entschieden.

43 Die Revisionswerberin macht sodann geltend, sie habe sich - entgegen den Darlegungen im angefochtenen Erkenntnis - nicht geweigert, angeforderte Unterlagen vorzulegen. Diesem Vorbringen ist die - im angefochtenen Erkenntnis auch geschilderte - Eingabe der Revisionswerberin vom entgegenzuhalten, wo sie (anders als nun in der Revision) nicht darauf verweist, dass Unterlagen bei einem Brand verloren gegangen seien, sondern geltend macht, der unabhängige Finanzsenat hätte ohnehin 6 Jahre Zeit gehabt, den Sachverhalt betreffend die Gutschriften zu prüfen; Unterlagen seien auch vorgelegt worden. Dazu wird aber nunmehr auch in der Revision geschildert, dass Unterlagen („zwei große Plastiksäcke“) anlässlich der mündlichen Verhandlung vom unabhängigen Finanzsenat nicht übernommen worden seien. Entgegen den Revisionsbehauptungen ist daher der Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht entgegenzutreten, dass die Revisionswerberin - nach Aufhebung der Entscheidung des unabhängigen Finanzsenats durch den Verwaltungsgerichtshof - die Vorlage der vom unabhängigen Finanzsenat angeforderten Unterlagen verweigert hat.

44 Die Revisionswerberin rügt sodann die Dauer des vorliegenden Verfahrens. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht aufgezeigt werden kann. Im Übrigen wäre es der Revisionswerberin freigestanden, Säumnisbehelfe zu erheben.

45 Sodann wird geltend gemacht, das nunmehr angefochtene Erkenntnis sei ohne mündliche Verhandlung ergangen, obwohl seinerzeit bereits eine mündliche Verhandlung beantragt worden sei. Die Revision kann aber eine Relevanz dieses allfälligen Verfahrensmangels (vgl. zur Notwendigkeit einer weiteren mündlichen Verhandlung ) nicht aufzeigen. Das hier angesprochene Konvolut von Unterlagen wurde - entgegen dem Vorbringen in der Revision - schon vom unabhängigen Finanzsenat in seiner Entscheidung berücksichtigt; auf diese Entscheidung wird im angefochtenen Erkenntnis verwiesen.

46 Wenn sodann geltend gemacht wird, es sei eine Akteneinsicht abgelehnt worden, so ist aber in keiner Weise ersichtlich, dass dies zu einer Rechtswidrigkeit des hier angefochtenen Erkenntnisses führen könnte.

47 Auch ein - in der Revision geltend gemachter - Verstoß gegen das Überraschungsverbot ist nicht ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, in welcher Weise der Umstand, dass das Bundesfinanzgericht in einem anderen (in der Revision nicht näher dargelegten) Erkenntnis (das nach dem Akteninhalt vermutlich eine Gesellschaft betrifft, an der die Revisionswerberin beteiligt war) von der Festsetzung von Abgaben gemäß § 206 Abs. 1 lit. b BAO Abstand genommen hat, zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses führen könnte.

48 Schließlich wird geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht habe beantragte Beweise nicht aufgenommen. Wie sich aber schon aus den Darlegungen in der Revision ergibt, wurde der Zeuge S, der von der Revisionswerberin zur Verhandlung stellig gemacht worden war, vom unabhängigen Finanzsenat ohnehin befragt. Zu welchem Beweisthema der weiters genannte Zeuge (Y) beantragt wurde, wird in der Revision nicht dargelegt, sodass die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht erkennbar ist.

49 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am

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BAO §243
BAO §307
BAO §83
BAO §85
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022130120.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-46048