VwGH 12.09.2023, Ra 2022/13/0115
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der Mag. R in W, vertreten durch Mag. Franz Eschlböck, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Pfarrgasse 15, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100897/2021, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Finanzamts vom wurde die Revisionswerberin als Haftungspflichtige gemäß § 9 iVm §§ 80 ff BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten (Körperschaftsteuer 04-06/17 und 10-12/17, Umsatz- und Körperschaftsteuer 2016, Körperschaftsteuer 01-03/18, 01-03/19, 01-06/20) der A GmbH (Primärschuldnerin) iHv insgesamt 5.032,22 € in Anspruch genommen. In der Begründung wurde ausgeführt, die A GmbH sei gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht worden. Als Geschäftsführerin der A GmbH habe die Revisionswerberin dafür zu sorgen gehabt, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalte, entrichtet würden. Da die Revisionswerberin dem Ersuchen des Finanzamts, die zur Verfügung gestandenen Zahlungsmittel und das Ausmaß der Befriedigung der anderen Gläubiger nachzuweisen, nicht nachgekommen sei, sei von einer schuldhaften Verletzung der Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, auszugehen und sei diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall. Da die Revisionswerberin nicht dargelegt habe, in welchem Ausmaß die Abgabenschuldigkeiten bei Einhaltung des Gleichbehandlungsgebots entrichtet worden wären, bestehe die Haftung zur Gänze.
2 In der dagegen eingebrachten Beschwerde brachte die Revisionswerberin vor, die A GmbH übe seit Jahren keinerlei geschäftliche Aktivitäten aus. Dies sei einem Mitarbeiter des Finanzamts bei seinem letzten Besuch mitgeteilt worden, der sich darum habe kümmern wollen, dass keinerlei Vorschreibungen des Finanzamts mehr ausgestellt würden. Diese Zusage sei nicht eingehalten worden. Im Jahr 2020 sei die A GmbH von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht worden. Das Finanzamt habe trotz des öffentlichen Aufrufs des Landesgerichts mit keiner Forderungsmeldung reagiert. Dadurch habe es rechtsverbindlich bestätigt, dass es keinerlei Forderungen gebe, die der Löschung entgegenstehen würden. Dem „Ersuchen um Ergänzung“ vom sei nicht nachgekommen worden, weil das Finanzamt im Rahmen der Löschungsankündigung keinerlei Forderungen erhoben habe und daher auch keine Berechtigung mehr habe, um Ergänzungen zu ersuchen.
3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Die Ansicht der Revisionswerberin, wonach eine Löschung im Firmenbuch nur erfolgen könne, wenn dem Gericht keine Forderungen mitgeteilt würden, sei nicht nachvollziehbar. Die Abgabenbehörde hätte Einwendungen gegen die Löschung im Firmenbuch erheben können, wenn sie der Ansicht gewesen wäre, dass die Gesellschaft nicht vermögenslos sei und noch über (bilanzierungsmäßiges) Vermögen verfüge. Die Löschung der A GmbH wegen Vermögenslosigkeit hindere die Haftungsinanspruchnahme der Revisionswerberin für die nach wie vor unberichtigt aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin nicht. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin sei Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme der Revisionswerberin. Aufgrund der Löschung im Firmenbuch seien die offenen Forderungen gegenüber der A GmbH als uneinbringlich anzusehen. Da dem Finanzamt keine Betriebsaufgabe gemeldet worden sei, seien automatisch (Mindest)Körperschaftsteuervorschreibungen erfolgt. Weitere Zusagen seien von der Abgabenbehörde nicht gemacht worden.
4 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht aus, die A GmbH sei mit Erklärung vom gegründet worden. Für die Veranlagungsjahre 2015 und 2016 seien Abgabenerklärungen eingereicht worden. Für die Folgejahre 2017 bis 2020 sei eine Schätzung der Bemessungsgrundlagen mangels Einreichung von Abgabenerklärungen erfolgt. Am habe das Landesgericht die A GmbH wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht. Die Revisionswerberin sei vom bis zur Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch Geschäftsführerin der A GmbH gewesen. Die gegenständlichen Abgaben seien in der Zeit zwischen und fällig geworden. Jedenfalls seit seien gegenüber dem Finanzamt keine Zahlungen geleistet worden. Die Abgaben seien wegen Vermögenslosigkeit bei der Primärschuldnerin uneinbringlich. Die Revisionswerberin sei der Aufforderung vom , die Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen, nicht nachgekommen. Auch in welchem prozentuellen Ausmaß die Verbindlichkeiten des Finanzamts bei gleichmäßiger Befriedigung aller Verbindlichkeiten bedient worden wären, sei nicht dargelegt worden. Seitens der Revisionswerberin sei weder behauptet worden, dass die Primärschuldnerin über keine finanziellen Mittel verfügt habe oder dass sie alle Gläubiger im gleichen Ausmaß befriedigt hätte, noch seien diesbezügliche Beweise angeboten worden.
7 Unstrittig sei, dass die Revisionswerberin vom bis zur Löschung der Primärschuldnerin im Firmenbuch deren Geschäftsführerin und daher deren abgabenrechtliche Vertreterin gewesen sei. Die haftungsgegenständlichen Abgaben würden unstrittig am Abgabenkonto der Primärschuldnerin unberichtigt aushaften. Die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin stehe unbestritten fest, da diese am vom Landesgericht im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden sei. Die haftungsgegenständlichen Abgaben seien vor der Löschung der Primärschuldnerin im Firmenbuch rechtskräftig festgesetzt worden. Die Revisionswerberin habe keine Angaben über die finanziellen Mittel der Primärschuldnerin während des haftungsgegenständlichen Zeitraums gemacht. Es sei keine Aufstellung bzw. Berechnung vorgelegt worden, aus der ersichtlich wäre, in welchem Ausmaß das Finanzamt bei gleichmäßiger Behandlung aller Gläubiger befriedigt worden wäre. Diesbezüglich seien nicht einmal bloße Behauptungen aufgestellt worden. Es sei daher zu Recht die Haftung für die aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten in voller Höhe ausgesprochen worden. Da die Revisionswerberin nicht dargelegt habe, aus welchen Gründen ihr die Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten, nämlich die pünktliche und vollständige Entrichtung bzw. Abfuhr der Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin aus deren vorhandenen Mitteln unmöglich gewesen sei, sei von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen. Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch die Revisionswerberin habe die Abgabenbehörde davon ausgehen dürfen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit gewesen sei. Abschließend begründete das Bundesfinanzgericht die Ermessensentscheidung.
8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das Bundesfinanzgericht habe die für das Verfahren wesentliche Rechtsfrage entgegen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unrichtig gelöst. Die Revisionswerberin habe die Abgabenschulden nicht schlechter gestellt als andere Schulden. Einziger Gläubiger der A GmbH sei das Finanzamt gewesen. Die A GmbH habe jedoch kein Vermögen gehabt, um die Abgabenverbindlichkeiten zu bezahlen. Es sei zu keiner Benachteiligung des Finanzamts und zu keiner Ungleichbehandlung der Abgabenschulden gegenüber anderen Schulden gekommen. Die Voraussetzungen für die Haftung der Revisionswerberin seien daher nicht gegeben. Das Bundesfinanzgericht habe entgegen der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf Haftung der Revisionswerberin entschieden. Der Rechtsfrage, ob eine Haftung des Vertreters bestehe, wenn nur ein Gläubiger vorhanden und die Gesellschaft vermögenslos sei, komme erhebliche Bedeutung zu.
13 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.
14 In den „gesonderten“ Gründen zur Zulässigkeit der Revision (§ 28 Abs. 3 VwGG) ist bezogen auf den vorliegenden Fall konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. , mwN).
15 Ein Revisionswerber, der - entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts - eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, hat konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten Entscheidung gleicht, das Verwaltungsgericht im revisionsgegenständlichen Fall jedoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. , mwN).
16 Dieser Anforderung entspricht das Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision nicht, wird dort doch keine konkrete Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes mit Datum und Geschäftszahl angeführt, obwohl vorgebracht wird, das Bundesfinanzgericht habe entgegen der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf Haftung der Revisionswerberin entschieden.
Auch mit dem übrigen Vorbringen ist für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen.
17 Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. , mwN).
19 Der Vertreter haftet für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat, als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrags, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (vgl. , mwN).
20 Einen solchen Nachweis hat die Revisionswerberin im Haftungsverfahren nicht erbracht, ist sie doch der Aufforderung des Finanzamts vom , die zur Verfügung gestandenen Zahlungsmittel und das Ausmaß der Befriedigung der anderen Gläubiger nachzuweisen, nicht nachgekommen.
21 Soweit in der Revision erstmals vorgebracht wird, das Finanzamt sei der einzige Gläubiger, sodass es nicht zu einer Ungleichbehandlung der Abgabenschulden gegenüber anderen Schulden gekommen sein könne, ist auf das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) zu verweisen.
22 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022130115.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAF-46043