VwGH 15.09.2023, Ra 2022/13/0111
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Norm | |
RS 1 | Nach § 29 Abs. 1 BAO ist eine Betriebsstätte jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes dient. Eine österreichische E-Mail-Adresse allein begründet noch keine inländische Betriebsstätte. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der L GmbH in B, vertreten durch die Eckhardt Wirtschaftsprüfung und SteuerberatungsgmbH in 7033 Pöttsching, Hauptstraße 58, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100217/2017, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 2011 bis 2013, Körperschaftsteuer 2011 bis 2013, Haftung Kapitalertragsteuer 2011 bis 2013 und Haftungsbescheid Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 2010 bis 2014, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass zwischen der Revisionswerberin und der KM d.o.o., Slowenien, schriftliche Vereinbarungen über die Bereitstellung von Leiharbeitern abgeschlossen worden seien. Die Betriebsprüfung unterzog die Differenz zwischen den geltend gemachten Aufwendungen und den gemeldeten Bruttolöhnen dieser Leiharbeitnehmer der Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988. Weiters wurden Rechnungen der ungarischen RM für Instandhaltungsarbeiten als Aufwand geltend gemacht, denen eine Entsendung von Arbeitskräften zugrunde liegen würde. Auch hinsichtlich dieser Aufwendungen sah die Außenprüfung die Voraussetzungen für die Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 als gegeben an. Weiters wurden im Rahmen der Außenprüfung Zahlungen an MB, dem Bruder der Gesellschafterin der Revisionswerberin, nicht anerkannt. Für diese Zahlungen wurde Kapitalertragsteuer (verdeckte Ausschüttung) vorgeschrieben. Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren neue Körperschaftsteuerbescheide und Haftungsbescheide gemäß § 99 EStG 1988 sowie für Kapitalertragsteuer.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 2011 bis 2013, Körperschaftsteuer 2011 bis 2013 sowie Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 für die Jahre 2010 bis 2014 als unbegründet ab. Den Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2011 bis 2013 gab es Folge und hob die Bescheide ersatzlos auf.
4 Begründend führte es - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - zur Abzugsteuer aus, dass die ausländischen Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen die bei ihnen angestellten Arbeitskräfte der Revisionswerberin auf Basis von Arbeitskräftegestellungsverträgen gegen eine entsprechende Vergütung für einen bestimmten Zeitraum überlassen hätten. Die Arbeitskräftegesteller hätten im Inland weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz noch eine Betriebsstätte gehabt. Die Revisionswerberin habe von den Gestellungsvergütungen keinen Steuerabzug gemäß § 99 EStG 1988 vorgenommen. Feststehe, dass sich der Sitz der beiden Arbeitskräftegesteller jeweils im Ausland befinde und daher die Einkünfte der Gestellung von Arbeitskräften der beschränkten Steuerpflicht in Österreich unterliegen würden. Nach § 99 Abs. 1 EStG 1988 werde die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger durch Steuerabzug erhoben. Der Gestellungsnehmer hafte für die Einbehaltung und den Steuerabzug im Sinne des § 99 EStG 1988. Die Revisionswerberin habe weder während der Betriebsprüfung noch im Zuge des Beschwerdeverfahrens eine inländische Adresse der KM bekannt gegeben. Im Zuge der Außenprüfung habe lediglich eine Adresse in Slowenien festgestellt werden können. Dem Vorbringen der Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung, dass die KM in Wien den Geschäftssitz habe, sei entgegenzuhalten, dass die genannte Gesellschaft zwar ebenfalls den Namen „M“ im Firmennamen trage, allerdings nicht nachgewiesen sei, dass es sich dabei um das streitgegenständliche Unternehmen handeln würde. Es handle sich dabei um ein anderes Unternehmen. Offensichtlich sei auch die Revisionswerberin nicht von einer inländischen Adresse der KM ausgegangen, weil es ihr Schreiben an den Sitz der KM in Slowenien gerichtet habe. Allein der Umstand, dass laut Revisionswerberin der gesamte E-Mail Verkehr mit der KM über eine österreichische E-Mail-Adresse abgewickelt worden sei, reiche nicht aus, eine Betriebsstätte in Österreich zu begründen. Aufgrund der Bestimmungen in den Doppelbesteuerungsabkommen mit Slowenien und Ungarn komme Österreich kein Besteuerungsrecht für die Gewinne der Gestellungsvergütung zu. Unabhängig davon bestehe aber in Österreich nach § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 eine Abzugsteuerpflicht. Die Voraussetzungen für der Entlastung an der Quelle seien im Revisionsfall nicht erfüllt. Weiters bestätigte das Bundesfinanzgericht das Abzugsverbot für die Zahlungen an MB.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, weil eine fiktive Lohnsteuerberechnung, wie sie seitens der Finanzverwaltung praktiziert werde, unzulässig sei. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes müsse die Steuer der Arbeitnehmer vielmehr im Wege einer Jahresveranlagung unter Berücksichtigung allfälliger Werbungskosten ermittelt werden. Zusätzlich seien Verfahrensfehler begangen worden, weil die amtswegige Ermittlungspflicht verletzt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reiche für die Annahme einer inländischen Betriebsstätte bereits eine bloße Mitbenutzung eines Raumes aus. Ein solcher Fall sei vorliegend gegeben, weil die Einrichtungen eines österreichischen Büros im 15. Bezirk über den gesamten Zeitraum der Arbeitskräftegestellung zur Verfügung gestanden seien. Es seien nicht nur Rechnungen von einer österreichischen E-Mail-Adresse der KM versendet worden, sondern wurden umgekehrt auch die Stundenaufstellungen von der Revisionswerberin an die KM unter dieser E-Mail-Adresse bekannt gegeben. Der E-Mail Verkehr habe sich über mehrere Jahre gezogen, weshalb eine inländische Betriebsstätte des ausländischen Gestellers anzunehmen sei. Dies sei von der Behörde nicht überprüft worden. Auf den gelegten Rechnungen sei immer diese E-Mail-Adresse angeführt worden, weshalb eine inländische Betriebsstätte vorhanden gewesen sei. Im Revisionsfall liege eine Betriebsstättendiskriminierung vor.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision beantragt die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses zur Gänze. Hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 2011 bis 2013, der Körperschaftsteuer 2011 bis 2013 und der Haftungsbescheide für die Kapitalertragsteuer 2011 bis 2013 enthält die Revision kein Zulässigkeitsvorbringen, weshalb die Revision dahingehend schon deshalb zurückzuweisen ist.
10 Soweit die Revision ein Abweichen der Rechtsprechung vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/13/0089, moniert, ist darauf zu verweisen, dass es im Revisionsfall nicht um eine fiktive Lohnsteuerberechnung geht.
11 Wenn die Revision behauptet, das Bundesfinanzgericht hätte sich nicht mit dem Vorliegen einer Betriebsstätte der KM in Österreich beschäftigt, ist dem entgegenzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht das diesbezügliche Vorbringen der Revisionswerberin gewürdigt und festgestellt hat, es sei nicht nachgewiesen, dass unter der angegebenen Adresse tatsächlich die KM ein Büro unterhalten habe. Die dort angeführte Gesellschaft hätte zwar auch ein M im Namen, es handle sich dabei aber um ein anderes Unternehmen. Darauf geht die Revision nicht ein. Wenn die Revision annimmt, es reiche für das Vorliegen einer Betriebsstätte aus, dass über eine österreichische E-Mail-Adresse der Geschäftsverkehr abgewickelt werde, ist auf § 29 Abs. 1 BAO zu verweisen, wonach eine Betriebsstätte jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung ist, die der Ausübung eines Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes dient. Eine österreichische E-Mail-Adresse allein begründet noch keine inländische Betriebsstätte.
12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022130111.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-46042