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VwGH 23.08.2022, Ra 2022/13/0072

VwGH 23.08.2022, Ra 2022/13/0072

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Wird von § 162 BAO Gebrauch gemacht, so führt dies bei Verweigerung der verlangten Angaben auch dann zur Nichtanerkennung der Betriebsausgaben, wenn sie als solche erwiesen oder glaubhaft gemacht worden sind. Dies dient bestimmten - die Erfassung der Beträge beim Empfänger betreffenden - Gesetzeszwecken, an denen sich auch die Ausübung des Ermessens, von der Bestimmung Gebrauch zu machen, zu orientieren hat (vgl. , mwN).
Normen
RS 2
Eine Aufforderung nach § 162 Abs. 1 BAO (wenn sie nicht ausreichend beantwortet wurde) würde dazu führen, dass für eine Schätzung von Aufwendungen nach § 184 BAO kein Raum bliebe (vgl. , mwN) und die geltend gemachten Ausgaben zur Gänze nicht zu berücksichtigen wären (vgl. , mwN).
Normen
RS 3
Es entspricht der Rechtsprechung des VwGH, dass in Fällen von "Deckungsrechnungen" eine Schätzung der Betriebsausgaben ("Schwarzlöhne") und (dazu komplementären) verdeckten Ausschüttungen vorgenommen werden kann (vgl. z.B. ; , Ro 2020/13/0005; , Ra 2021/13/0083; , Ra 2022/13/0001; , Ra 2022/15/0020).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der D GmbH in G, vertreten durch die Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7105101/2015, betreffend Wiederaufnahme (Körperschaftsteuer 2008 bis 2012), Körperschaftsteuer 2008 bis 2012 sowie Anspruchszinsen 2008 bis 2012, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 In der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung vom wurde u.a. festgehalten, die revisionswerbende Partei, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sei im Prüfungszeitraum (2008 bis 2012) ausschließlich für die X AG tätig gewesen. Nach näheren Ausführungen zu einzelnen „Subunternehmern“ der Revisionswerberin wurde dargelegt, die Revisionswerberin habe tatsächlich Personal beschäftigt, das jedoch formell bei einem anderen Unternehmen angemeldet gewesen sei. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei die Revisionswerberin als Dienstgeber anzusehen. Der tatsächliche Lohnaufwand für diese Arbeitnehmer werde aus der von der Revisionswerberin vorgelegten Kalkulation ermittelt. Als Stundensatz werde der von den Fremdleistungsfirmen für die Einzelstunden in Ansatz gebrachte Wert angesetzt. Als Betriebsaufwand würden nach Erfahrungswerten 50 % der verrechneten Leistungen als üblicher Nettolohn für die Arbeiter geschätzt. Die Revisionswerberin habe insbesondere die durch Pauschalbeträge abgerechneten Leistungen nicht hinreichend begründen können; sie habe keine entsprechenden Grundaufzeichnungen vorgelegt. Die Widersprüche in den Aussagen der Geschäftsführer der Revisionswerberin, die beinahe durchgehende Beschäftigung von Gesellschaften, die keinen ordentlichen Sitz, kein feststellbares Anlagevermögen und keine Infrastruktur gehabt hätten und die Differenzen bei der Kalkulation ließen den Schluss zu, dass von den Subfirmen Scheinrechnungen gelegt worden seien. Der den Lohnaufwand übersteigende Betrag werde als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilt und den Gesellschaftern zu gleichen Anteilen zugerechnet.

2 Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2008 bis 2012 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und setzte Körperschaftsteuer sowie Anspruchszinsen betreffend Körperschaftsteuer für diese Jahre fest. In der Begründung verwies das Finanzamt auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung.

3 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide mit Schriftsatz vom Beschwerde und beantragte die sofortige Vorlage an das Bundesfinanzgericht ohne Erlassen einer Beschwerdevorentscheidung.

4 Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, das Finanzamt habe die Wiederaufnahme auf Umstände (Scheinrechnungen durch Subunternehmen mit Zahlungsrückflüssen) gestützt, die dem Finanzamt erst im Zuge der Außenprüfung bekannt geworden seien. Es liege damit ein neu hervorgekommener Tatsachenkomplex vor, auf den die Wiederaufnahme habe gestützt werden können.

7 Nach den Ausführungen des einzigen Auftraggebers der Revisionswerberin sei es vertraglich verboten gewesen, ohne Genehmigung der X AG weitere Subfirmen zu beschäftigen. Ohne grundsätzliche Fachkenntnisse sei es (im vorliegenden Fall) nicht möglich, Teile fachgerecht auszupacken und zuzuordnen und daher an die richtigen Stellen zu verbringen. Es sei daher davon auszugehen, dass nicht jeweils neue Subfirmen mit der von der Revisionswerberin auszuführenden Arbeit beauftragt worden seien, sondern über den gesamten Zeitraum solche Schwarzarbeiter beschäftigt worden seien, die von der Revisionswerberin bereits angelernt worden seien, um diese Tätigkeiten auszuführen.

8 Das Bundesfinanzgericht traf sodann nähere Feststellungen zu den einzelnen Unternehmen, die Rechnungen an die Revisionswerberin gelegt hatten. Das Bundesfinanzgericht kam dabei jeweils zum Ergebnis, dass von diesen Gesellschaften keine Leistungen erbracht worden seien und die Revisionswerberin sich zur Erledigung der in den Rechnungen abgebildeten Leistungen Schwarzarbeiter bedient habe, wobei im Schätzungsweg angenommen werde, dass sie Zahlungen in Höhe von 50 % der üblichen Aufwendungen geleistet habe, da bei solchen Schwarzarbeiterleistungen keine Lohnnebenkosten anfielen. Es sei auch anzunehmen, dass es zu Zahlungsrückflüssen an die ursprünglichen Rechnungszahler (also die Revisionswerberin) gekommen sei und insoweit verdeckte Ausschüttungen vorlägen.

9 Dagegen wendet sich die vorliegende Revision.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, die Behörde könne in Ausübung der freien Beweiswürdigung den Abzug von geltend gemachten Ausgaben verweigern. Als Behelf dazu stehe allerdings als besonderes Instrument eigens § 162 BAO zur Verfügung. Im konkreten Fall habe die Behörde aber keinen Gebrauch von diesem Instrument gemacht. Damit werde die bisher nicht beantwortete Rechtsfrage aufgeworfen, ob aufgrund der dargelegten Rechtsfolgen bei Verdachtsmomenten in Bezug auf die Abzugsfähigkeit einer Betriebsausgabe in Folge einer fraglichen Ausgangsrechnung eine prüfende Behörde von diesem Ermessen iSd § 162 BAO im konkreten Fall Gebrauch machen müsse oder ob die Rechtsprechung in Bezug auf § 162 BAO analog auf die Abzugsfähigkeit von Scheinrechnungen angewandt werden könne (insbesondere in Bezug auf Sorgfaltspflichten, unerfüllbare Benennungsaufträge usw.). Grundsätzlich sei eine Empfängerbenennung nach § 162 BAO als spezielle Ermessensausübungsnorm der freien Beweiswürdigung vorzuziehen; nur bereits offenkundig fingierte Ausgaben erübrigten eine Empfängerbenennung. Im vorliegenden Fall könne aber eine solche Offenkundigkeit nicht in Rede stehen, da im Zuge der Außenprüfung eine Erledigung im Sinne des § 162 BAO angedacht worden sei. Steuerpflichtige hätten bei der Gestaltung ihrer Geschäftsbeziehungen bestimmte Sorgfaltspflichten. Für den Bereich der Empfängerbenennung nach § 162 BAO sei aber bedeutsam, dass das Finanzamt dem Steuerpflichtigen keine offenbar unerfüllbaren Aufträge zum Nachweis der Empfänger erteilen dürfe. Ein entsprechender Auftrag zur Empfängerbenennung dürfe nicht erteilt werden, wenn es dem Unternehmer, der Leistungen von einem Subunternehmer beziehe, trotz entsprechender Sorgfalt unverschuldet nicht möglich sei, die tatsächlichen Empfänger der Entgeltzahlungen zu kennen. Dass der Unternehmer nicht geprüft habe, ob der Subunternehmer an der im Firmenbuch eingetragenen Adresse seinen Sitz und betriebliche Einrichtungen habe und zur Erbringung der bestellten Leistungen in der Lage sei, könne nicht ohne nähere Begründung als Sorgfaltspflichtverletzung angesehen werden. Sei die Anwendung des § 162 BAO zulässig, so bleibe für eine Glaubhaftmachung oder eine Schätzung der Aufwendungen kein Raum.

14 Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan.

15 Wird von § 162 BAO Gebrauch gemacht, so führt dies bei Verweigerung der verlangten Angaben auch dann zur Nichtanerkennung der Betriebsausgaben, wenn sie als solche erwiesen oder glaubhaft gemacht worden sind. Dies dient bestimmten - die Erfassung der Beträge beim Empfänger betreffenden - Gesetzeszwecken, an denen sich auch die Ausübung des Ermessens, von der Bestimmung Gebrauch zu machen, zu orientieren hat (vgl. , mwN). Im vorliegenden Fall erfolgte eine derartige Aufforderung nicht, sodass sich die Frage, ob diese Aufforderung offenbar unerfüllbar gewesen wäre (vgl. dazu etwa , mwN), hier nicht stellt. Der Umstand, dass das Finanzamt (und in der Folge das Bundesfinanzgericht) eine derartige Aufforderung nicht vorgenommen hat, kann aber die Revisionswerberin von vornherein nicht in ihren Rechten verletzen, würde doch eine derartige Aufforderung (wenn sie nicht ausreichend beantwortet wurde) - wie auch in der Revision dargelegt - dazu führen, dass für eine Schätzung von Aufwendungen nach § 184 BAO kein Raum bliebe (vgl. , mwN) und die geltend gemachten Ausgaben (anders als nach dem vorliegenden Erkenntnis) zur Gänze nicht zu berücksichtigen wären (vgl. , mwN).

16 Unabhängig von einer möglichen Aufforderung nach § 162 BAO hat aber die Abgabenbehörde nach § 161 Abs. 1 BAO die Abgabenerklärungen zu prüfen. Bei Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung hat sie nach § 161 Abs. 2 BAO die Ermittlungen vorzunehmen, die sie zur Erforschung des Sachverhaltes für nötig hält und erforderliche Beweise aufzunehmen. Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen (§ 184 Abs. 1 BAO).

17 Dass im vorliegenden Fall Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung bestanden, wird im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens nicht bestritten. Auch den beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesfinanzgerichts wird im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens nicht entgegengetreten. Ausgehend von den somit in unbedenklicher Weise auf diese Erwägungen gestützten Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts kann aber eine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtswidrigkeit nicht aufgezeigt werden. Es entspricht insbesondere der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass in Fällen von „Deckungsrechnungen“ eine Schätzung der Betriebsausgaben („Schwarzlöhne“) und (dazu komplementären) verdeckten Ausschüttungen vorgenommen werden kann (vgl. z.B. ; , Ro 2020/13/0005; , Ra 2021/13/0083; , Ra 2022/13/0001; , Ra 2022/15/0020).

18 Im Zulässigkeitsvorbringen der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 

Zusatzinformationen


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Normen
Schlagworte
Ermessen VwRallg8
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022130072.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAF-46021