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VwGH 02.09.2022, Ra 2022/13/0057

VwGH 02.09.2022, Ra 2022/13/0057

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
BAO §131
BAO §131b
BAO §163
BAO §163 Abs1
RS 1
Bücher und Aufzeichnungen, die den Vorschriften der §§ 131 und 131b BAO entsprechen, haben nach § 163 Abs. 1 BAO die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich und sind der Erhebung der Abgaben zugrunde zu legen, wenn nicht ein begründeter Anlass gegeben ist, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen. Die Begründungslast für das Vorliegen eines solchen begründeten Anlasses im Sinne des § 163 BAO liegt auf der Abgabenbehörde (vgl. ; sowie weiters , je mwN).
Norm
BAO §184 Abs1
RS 2
Eine "griffweise" Schätzung ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anerkannt (vgl. etwa ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/13/0006 E RS 4

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der E GmbH in W, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102110/2021, betreffend Wiederaufnahme (Körperschaftsteuer 2017), Körperschaftsteuer 2017 und 2018, Haftung für Kapitalertragsteuer 2017 bis 2019, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung (samt Anhang) wurde u.a. festgehalten, die Haupttätigkeit der revisionswerbenden Partei, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sei das Verlegen von Eisen (Stabstahl) auf Baustellen. Die Revisionswerberin sei als Subunternehmen für andere Gesellschaften tätig gewesen, wobei die Revisionswerberin hiefür sowohl eigene Dienstnehmer als auch beauftragte Subunternehmen eingesetzt habe. Wie sodann zu den Subunternehmen näher dargelegt wird, habe es sich bei Rechnungen dieser Subunternehmen an die Revisionswerberin um Deckungsrechnungen für nicht angemeldete Arbeiter bzw. Partien von Schwarzarbeitern gehandelt. Die Aufwendungen würden gemäß § 184 BAO nur mit 50 % der in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge anerkannt; die nicht anzuerkennenden Aufwendungen stellten verdeckte Ausschüttungen an den Gesellschafter und Geschäftsführer der Revisionswerberin dar.

2 Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2017 wieder auf und setzte Körperschaftsteuer für die Jahre 2017 und 2018 fest. Weiters zog es die Revisionswerberin zur Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2017 bis 2019 heran. In der Begründung wurde jeweils auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung verwiesen.

3 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerde.

4 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben. Die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 2017 und Kapitalertragsteuer 2017 wurden geändert. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

5 Die Revisionswerberin beantragte, die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde betreffend Wiederaufnahme (Körperschaftsteuer 2017) sowie betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2018 und Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2018 und 2019 als unbegründet ab; die Bescheide blieben unverändert. Betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2017 und Haftung für Kapitalertragsteuer für das Jahr 2017 wurde der Beschwerde - im Umfang der Beschwerdevorentscheidung - teilweise Folge gegeben. Das Bundesfinanzgericht erklärte eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig.

7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe die Wiederaufnahme auf im Prüfungsbericht näher dargestellte Umstände gestützt, die im Zuge der Prüfung neu hervorgekommen seien. Sie habe insoweit zu Recht die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt; sie habe dazu auch das Ermessen hinreichend begründet.

8 In der Sache bestehe Streit darüber, ob den Rechnungen der in Rede stehenden Subunternehmen tatsächlich erbrachte Leistungen zu Grunde lägen oder die Rechnungen nur dazu gedient hätten, von nicht angemeldeten Arbeitern bzw. Schwarzarbeitern erbrachte Verlegearbeiten zu verdecken. Sämtlichen Rechnungen sei gemein, dass es zu keiner einzigen der in den Rechnungen ausgewiesenen Leistungen konkrete Anhaltspunkte oder Unterlagen gebe, an Hand derer die tatsächliche Erbringung der verrechneten Verlegearbeiten durch die Subunternehmen nachvollzogen werden könne. Der Prüfer habe die Revisionswerberin wiederholt zur Vorlage solcher Unterlagen aufgefordert. Aus den Unterlagen sei nicht zu ersehen, dass auf den betreffenden Baustellen Arbeiter des jeweiligen Subunternehmens tätig gewesen wären. Auf den Arbeits- und Leistungsberichten schienen nur dann Namen von Arbeitern auf, wenn es sich um eigene (angemeldete) Dienstnehmer der Revisionswerberin handle, ansonsten werde nur die Anzahl der Arbeiter ohne Nennung von Namen und ohne Herstellung eines Bezugs zu einem bestimmten Subunternehmen angegeben. Eine Feststellung, welche Arbeitnehmer die Tätigkeiten ausgeführt hätten und ob es sich dabei um Arbeitnehmer der Subunternehmen gehandelt habe, könne daher nicht getroffen werden. Die Revisionswerberin habe auch im Übrigen keine Unterlagen vorgelegt, die eine tatsächliche Durchführung von Verlegearbeiten durch Subunternehmen belegen könnten. Es sei undenkbar, dass bei dem behaupteten Umfang der Geschäftsbeziehungen keinerlei Unterlagen existierten, die geeignet seien, einen entsprechenden Leistungsaustausch zu dokumentieren. Zum Fehlen jeglicher Leistungsnachweise würden weitere Umstände treten, die im angefochtenen Erkenntnis sodann im Hinblick auf die einzelnen Subunternehmen näher dargelegt wurden; diese Umstände hätten auch zum Teil die Einstufung als Scheinunternehmen im Sinne des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes nach sich gezogen. Die Revisionswerberin habe sich zu den Erhebungsergebnissen zu diesen Subunternehmen nicht geäußert.

9 Vor dem Hintergrund der vorliegenden Verhältnisse sei anzunehmen, dass die Revisionswerberin die Beauftragung von Subunternehmen nur vorgetäuscht habe, um die Verlegearbeiten mit nicht angemeldeten (und deshalb entsprechend billigeren) Arbeitskräften durchzuführen.

10 Aus von der Revisionswerberin vorgelegten Unterlagen könne allenfalls nur abgeleitet werden, dass neben Arbeitern, die in einem (offiziellen) Dienstverhältnis zur Revisionswerberin gestanden seien, weitere Arbeiter zum Einsatz gekommen seien. Von der Außenprüfung sei dies dem Grunde nach auch gar nicht in Abrede gestellt worden. Mit der vorgelegten Kalkulation könne nicht unter Beweis gestellt werden, dass es sich bei den weiteren Arbeitern um solche der in Rede stehenden Subunternehmen gehandelt habe bzw. dass diese Subunternehmen die in den Rechnungen ausgewiesenen Leistungen erbracht hätten.

11 Erfahrungsgemäß werde nur ein Teil der in Deckungsrechnungen ausgewiesenen Beträge zur Bezahlung von Schwarzarbeitern verwendet. Mangels anderer Anhaltspunkte sei die Höhe der für die Leistungserbringung erforderlichen Aufwendungen im Wege einer Schätzung zu ermitteln. Die Außenprüfung habe die Höhe der Schätzung damit begründet, dass nach den Erfahrungen der Praxis solche Rechnungen von Subfirmen in der Regel einen Aufschlag für Lohnnebenkosten in Höhe von ca. 100 % der Nettolöhne beinhalten würden, weshalb davon auszugehen sei, dass nur 50 % der in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge tatsächlich zur Entlohnung von Arbeitern aufgewendet worden seien. Dieser schlüssigen Begründung habe die Revisionswerberin nichts Substantiiertes entgegengesetzt.

12 Ausgehend von der im Schätzungswege erfolgten Anerkennung von Aufwendungen für Schwarzarbeiter im Ausmaß von lediglich 50 % der in den Rechnungen der Subunternehmer ausgewiesenen Beträge liege ein Mehrgewinn vor, der im Betriebsvermögen der Revisionswerberin keinen Niederschlag gefunden habe. Diese Mehrgewinne seien regelmäßig als den Gesellschaftern verdeckt zugeflossene Ausschüttungen anzusehen.

13 Stattzugeben sei der Beschwerde insoweit gewesen, als sie sich gegen die Behandlung einer Überzahlung als verdeckte Ausschüttung richte.

14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.

15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

18 Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Bestimmungen der §§ 162 und 163 BAO.

19 Eine Aufforderung zur Empfängerbenennung nach § 162 BAO sei im vorliegenden Fall unzulässig gewesen. Den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis, wonach die Subunternehmer keine Leistungen erbracht hätten, komme schon deswegen kein Begründungwert zu, weil es an Feststellungen dazu fehle, dass die Zahlungen der Revisionswerberin, die durchgehend auf Bankkonten der Subunternehmer erfolgt seien, nicht tatsächlich an die Subunternehmer als Empfänger weitergeleitet worden seien. Da es sich bei den Subunternehmen um rechtlich existente Gesellschaften mit beschränkter Haftung handle, werde mit dem Hinweis, dass von den Subunternehmen keine Leistungen erbracht worden seien, noch nicht dargetan, dass die besagten Subunternehmen als „Briefkastengesellschaften“ zu qualifizieren seien.

20 Gemäß § 163 Abs. 1 BAO hätten Bücher und Aufzeichnungen, die den Vorschriften der §§ 131 und 131b BAO entsprächen, die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich und seien der Erhebung der Abgaben zugrunde zu legen. Statistische Auffälligkeiten in den erklärten Erlösen reichten nicht aus, um die Richtigkeitsvermutung einer formell ordnungsgemäßen Buchführung zu widerlegen.

21 Die Revisionswerberin sei im Rahmen der Außenprüfung aufgefordert worden, Namen und Anschriften der Arbeitnehmer der Subunternehmen, welche zu diesem Zeitpunkt bereits geschlossen oder aufgelöst gewesen seien, zu nennen. Dies sei bei lebensnaher Betrachtung unzumutbar. Die von den Prüfern dargestellte Kalkulation stütze sich auf unbewiesene statistische Auffälligkeiten in den erklärten Erlösen; dies reiche nicht aus, die Richtigkeitsvermutung einer formell ordnungsmäßigen Buchführung zu widerlegen.

22 Die Annahme, dass nur 50 % der in den Rechnungen der Subfirmen ausgewiesenen Beträge tatsächlich zur Entlohnung von Arbeitern aufgewendet worden seien, beruhe nur auf Vermutungen, denen kein Begründungswert zukomme.

23 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.

24 Soweit die Revisionsausführungen geltend machen, § 162 BAO sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar oder sei unrichtig angewendet worden, ist zu bemerken, dass weder die Bescheide des Finanzamts noch das angefochtene Erkenntnis darauf gestützt sind, dass die Abgabenbehörde die Revisionswerberin zur Benennung der Gläubiger oder Empfänger iSd § 162 Abs. 1 BAO aufgefordert hätte. Darauf, ob eine derartige Aufforderung „offenbar unerfüllbar“ oder unzumutbar gewesen wäre und ob der Aufforderung ausreichend entsprochen worden wäre (vgl. dazu z.B. ), kommt es demnach nicht an.

25 Zutreffend ist, dass Bücher und Aufzeichnungen, die den Vorschriften der §§ 131 und 131b BAO entsprechen, nach § 163 Abs. 1 BAO die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich haben und der Erhebung der Abgaben zugrunde zu legen sind, wenn nicht ein begründeter Anlass gegeben ist, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen. Die Begründungslast für das Vorliegen eines solchen begründeten Anlasses im Sinne des § 163 BAO liegt auf der Abgabenbehörde (vgl. ; sowie weiters , je mwN).

26 Entgegen den Revisionsbehauptungen stützte sich das Bundesfinanzgericht aber nicht auf statistische Auffälligkeiten. Das Bundesfinanzgericht ging vielmehr mit näherer Begründung davon aus, dass eine Beauftragung von Subunternehmen nur vorgetäuscht wurde, um die Verlegearbeiten mit nicht angemeldeten Arbeitskräften auszuführen.

27 Soweit dazu auch die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts kritisiert wird, ist darauf zu verweisen, dass die Beweiswürdigung der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes nur insoweit unterliegt, als das Ausreichen der Sachverhaltsermittlungen und die Übereinstimmung der Überlegungen zur Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu prüfen ist. Dabei ist auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt hat (vgl. z.B. , mwN). Entgegen den Behauptungen im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens hat sich das Bundesfinanzgericht eingehend mit den vorliegenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt. Eine Unschlüssigkeit dieser Erwägungen kann mit dem wenig konkreten Vorbringen in der Revision nicht aufgezeigt werden.

28 Damit waren aber - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - der Erhebung der Abgaben nicht die Bücher und Aufzeichnungen der Revisionswerberin zu Grunde zu legen.

29 Dem Zulässigkeitsvorbringen, Schätzungsvorgang und Schätzungsergebnis beruhten auf Vermutungen, denen kein Begründungswert zukomme, ist entgegenzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht davon ausgeht, dass Rechnungen von Subfirmen in der Regel einen Aufschlag für Lohnnebenkosten beinhalten würden, weshalb nur 50 % der in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge tatsächlich zur Entlohnung von Arbeitern aufgewendet worden seien. Konkretes Bestreitungsvorbringen dazu enthält das Zulässigkeitsvorbringen nicht. Im Übrigen ist auch eine „griffweise“ Schätzung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anerkannt (vgl. , mwN; vgl. auch ).

30 Im Zulässigkeitsvorbringen werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am

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BAO §131
BAO §131b
BAO §163
BAO §163 Abs1
BAO §184 Abs1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022130057.L00
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CAAAF-46015