VwGH 20.09.2023, Ra 2022/13/0049
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Das Werbungskostenpauschale des § 17 Abs. 6 EStG 1988 i.V.m. der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II 2001/382, tritt an die Stelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988. Sind die tatsächlichen Werbungskosten höher als das Pauschale, dann sind die gesamten Werbungskosten nachzuweisen. Das Pauschale ist dann grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen. Lediglich die in § 16 Abs. 3 letzter Satz aufgezählten Aufwendungen sind ohne Anrechnung auf das Werbungskostenpauschale abzusetzen (vgl. Doralt, EStG11, § 16 Tz. 217). Diese Grundsätze sind auch auf das Pauschale gemäß § 17 Abs. 6 i.V.m. der Verordnung anzuwenden (vgl. auch hiezu Doralt, a.a.O., § 17 Tz. 103). (Hier: Der Beschwerdeführer hat ausdrücklich und trotz Vorhaltes der belangten Behörde das Werbungskostenpauschale in Anspruch genommen und von einer Geltendmachung der einzelnen Werbungskosten Abstand genommen. Wird aber das Werbungskostenpauschale in Anspruch genommen, können die Werbungskosten, soweit sie nicht in § 16 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 aufgezählt sind, nicht zusätzlich geltend gemacht werden. Bei den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten handelt es sich um Werbungskosten nach § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988. Solche Aufwendungen sind jedoch von der Pauschalierung jedenfalls umfasst. Die Auffassung der belangten Behörde, dass Aufwendungen für Familienheimfahrten neben dem Werbungskostenpauschale nicht berücksichtigt werden können, ist daher nicht rechtswidrig.) |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2006/15/0117 E VwSlg 8356 F/2008 RS 2 (hier nur die ersten vier Sätze) |
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RS 2 | Wird das Berufsgruppenpauschale in Anspruch genommen, können Werbungskosten, soweit sie nicht in § 16 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 aufgezählt sind, nicht zusätzlich geltend gemacht werden. (hier: Aufwendungen für Vertretungskosten [§ 17 HBG] sind von der Pauschalierung umfasst.) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Wien 2/20/21/22 in 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102195/2019, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 (mitbeteiligte Partei: S in W, vertreten durch die SFB Alber & Co Steuerberatungsgesellschaft für freie Berufe OG in 1010 Wien, Weihburggasse 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte übt eine Tätigkeit als Hausbesorger aus und erzielte daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Während Urlauben und Krankheiten ließ er sich durch seinen Bruder vertreten. Die dafür anfallenden Kosten wurden ihm durch den Arbeitgeber ersetzt. Ebenso erfolgte vom Arbeitgeber ein Ersatz der Materialkosten.
2 Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 machte der Mitbeteiligte Werbungskosten in Höhe von 16.268,08 € für Material- und Vertretungskosten geltend.
3 Nach mehreren Ergänzungsersuchen erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2017 und berücksichtigte nur das Werbungskostenpauschale in Höhe von 132 €. Begründend führte es aus, dass der Zahlungsfluss an den Bruder nicht durch Kontoauszüge oder ähnliches nachgewiesen worden sei, weshalb die Werbungskosten nicht steuermindernd hätten berücksichtigt werden können.
4 Die dagegen eingebrachte Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab, woraufhin der Mitbeteiligte die Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte.
5 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde teilweise Folge und änderte den Bescheid ab. Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, es sei plausibel, dass der Mitbeteiligte Vertretungskosten von 8.764,88 € aufgewendet habe. Dies ergebe sich auch daraus, dass sein Bruder - mit einer geringfügigen Abweichung - im Jahr 2017 korrespondierende Einnahmen erklärt habe. Zu den Materialkosten führte es aus, dass dem Mitbeteiligten ein Werbungskostenpauschale gemäß § 1 Z 7 der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen in Höhe von 3.504 € zustehe. Daneben könne der Mitbeteiligte die Vertretungskosten gesondert als Werbungskosten geltend machen. Das Bundesfinanzgericht setzte in weiterer Folge sowohl das Berufsgruppenpauschale als auch die Vertretungskosten als Werbungskosten an.
6 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Amtsrevision. Zur Zulässigkeit bringt sie ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, weil das Bundesfinanzgericht die vom Hauseigentümer ersetzten Aufwendungen „zu Teilen“ in tatsächlicher Höhe und zusätzlich in Form des Werbungskostenpauschbetrages berücksichtigt habe.
7 Die mitbeteiligte Partei hat nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Berücksichtigung der ursprünglich geltend gemachten tatsächlichen Aufwendungen beantragte.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Die Revision ist zulässig und begründet.
10 Die maßgebliche Bestimmung des HBG (Hausbesorgergesetz), BGBl. Nr. 16/1970 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, lautet auszugsweise:
„Vertretung
§ 17. (1) Ist der Hausbesorger verhindert, seinen Obliegenheiten nachzukommen, so hat er auf seine Kosten für eine Vertretung durch eine andere geeignete Person zu sorgen. Dies gilt solange nicht, als der Hausbesorger infolge einer plötzlich auftretenden Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unfall dieser Pflicht nicht nachzukommen vermag; hiedurch wird jedoch eine besondere Pflicht des Hauseigentümers, für einen solchen Fall im voraus vorzusorgen, nicht begründet.
(2) In den Fällen der Dienstverhinderung wegen Krankheit oder Unfall (§ 14), des Urlaubes (§ 15) und der Bildungsfreistellung gemäß § 118 ArbVG hat der Hauseigentümer dem Hausbesorger die Kosten für die Vertretung bis zum Höchstausmaß des dem Hausbesorger sonst für diesen Zeitraum gebührenden durchschnittlichen Monatsbruttoentgelts zu ersetzen.
[...]“
11 Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II Nr. 382/2001 in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung (im Folgenden Verordnung), lautet auszugsweise:
„Auf Grund des § 17 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, wird verordnet:
§ 1. Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:
[...]
7.Hausbesorger
15% der Bemessungsgrundlage, höchstens 3 504 Euro jährlich.
[...]
§ 5. Werden die Pauschbeträge in Anspruch genommen, dann können daneben keine anderen Werbungskosten aus dieser Tätigkeit geltend gemacht werden.“
12 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts und aus dem im Akt befindlichen Schreiben des Arbeitgebers der mitbeteiligten Partei ergibt sich, dass sowohl der Materialkosten- als auch der Vertretungskostenersatz als lohnsteuerpflichtig behandelt wurden.
13 Nach § 17 Abs. 6 EStG 1988 können vom Bundesminister für Finanzen zur Ermittlung von Werbungskosten Durchschnittssätze für Werbungskosten im Verordnungswege für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis festgelegt werden.
14 Diese Verordnung bestimmt in der für das Streitjahr geltenden Fassung des § 5, dass dann, wenn die Pauschbeträge in Anspruch genommen werden, daneben keine anderen Werbungskosten aus dieser Tätigkeit geltend gemacht werden können.
15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt das Werbungskostenpauschale des § 17 Abs. 6 in Verbindung mit der Verordnung an die Stelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988. Sind die tatsächlichen Werbungskosten höher als das Pauschale, dann sind die gesamten Werbungskosten nachzuweisen. Das Pauschale ist dann grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen. Lediglich die in § 16 Abs. 3 letzter Satz aufgezählten Aufwendungen sind ohne Anrechnung auf das Werbungskostenpauschale abzusetzen (vgl. , mwN).
16 § 16 Abs. 3 EStG 1988 sieht vor, dass zusätzlich zum Pauschbetrag näher genannte Aufwendungen abgesetzt werden können.
17 Die vom Mitbeteiligten geltend gemachten Vertretungskosten stellen keine in § 16 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 aufgezählten Aufwendungen dar. Das Bundesfinanzgericht führt zu deren Berücksichtigung als Werbungskosten neben dem Berufsgruppenpauschale lediglich aus: „Nicht von der VO erfasst sind Kosten für Vertreter, die nach der Bestimmung des HausbesorgerG dem Bf. gesondert ersetzt werden“.
18 Der Mitbeteiligte hat stets nur die Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Material und Vertretung geltend gemacht und kein Pauschale beantragt. Davon abweichend hat das Bundesfinanzgericht nicht nur statt der geltend gemachten Materialkosten das Berufsgruppenpauschale angesetzt, sondern auch zusätzlich zu diesem Pauschale die Absetzbarkeit der Vertretungskosten bestätigt. Wird das Berufsgruppenpauschale in Anspruch genommen, können Werbungskosten, soweit sie nicht in § 16 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 aufgezählt sind, allerdings nicht zusätzlich geltend gemacht werden. Aufwendungen für Vertretungskosten sind von der Pauschalierung umfasst.
19 Indem das Bundesfinanzgericht einerseits das Werbungskostenpauschale nach § 1 Z 7 der Verordnung und zusätzlich die Vertretungskosten als Werbungskosten zuerkannt hat, hat es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
20 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022130049.L00 |
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Fundstelle(n):
YAAAF-46012