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VwGH 19.07.2022, Ra 2022/13/0019

VwGH 19.07.2022, Ra 2022/13/0019

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
BAO §248
RS 1
Das Beschwerderecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch steht dem Haftungspflichtigen auch dann zu, wenn der betreffende Bescheid bereits vom Erstschuldner angefochten wurde, und selbst dann, wenn dazu bereits eine Entscheidung vorliegt (vgl. ). Aus § 248 BAO ergibt sich weiters, dass der zur Haftung Herangezogene jedenfalls den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen können muss (; , 98/14/0142, VwSlg 7661 F/2001).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/13/0060 E RS 1
Normen
B-VG Art133 Abs6 Z1
VwGG §34 Abs1
VwRallg
RS 2
Gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines VwG wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben, wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Entscheidend für das Vorliegen der Berechtigung zur Erhebung einer Revision ist somit, ob der Revisionswerber durch das bekämpfte Erkenntnis - ohne Rücksicht auf dessen Rechtmäßigkeit - in einem subjektiven Recht überhaupt verletzt sein kann.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Eraslan, über die Revision der L E in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Halm, Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater, Wirtschaftsprüfer in 1090 Wien, Berggasse 10/14, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7100350/2014, betreffend Umsatzsteuer 2005 und 2006, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Bei der X GmbH fand im Jahr 2006 eine den Zeitraum April 2005 bis August 2006 betreffende Umsatzsteuerprüfung statt. Die Revisionswerberin war seit Mai 2005 - und über das Ende des verfahrensgegenständlichen Zeitraums hinaus - Geschäftsführerin der X GmbH. Im Zuge der Prüfung wurde festgestellt, die X GmbH sei eine „Scheinfirma“, die über keine Büroräumlichkeiten - sondern nur über eine Postübernahmestelle - und keine Gewerbeberechtigung verfüge. Daher sei die im Zusammenhang mit dem Kauf und Verkauf von Kfz geltend gemachte Vorsteuer zu versagen und die Erwerbsteuer festzusetzen.

2 Das Finanzamt folgte diesen Feststellungen und erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 und 2006, in denen Vorsteuern zur Gänze versagt und Erwerbsteuer in Höhe von 45.140 € (für das Jahr 2005) und von 52.440 € (für das Jahr 2006) festgesetzt wurde.

3 Die gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2005 erhobene Berufung wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab, den daraufhin gestellten Vorlageantrag wies das Finanzamt als verspätet eingebracht zurück.

4 Mit Haftungsbescheid vom wurde die Revisionswerberin als Haftungsschuldnerin gemäß § 9 BAO für die Umsatzsteuerschulden der X GmbH für die Jahre 2005 und 2006 in Anspruch genommen. Der dagegen eingebrachten Berufung wurde vom unabhängigen Finanzsenat mit Entscheidung vom teilweise stattgegeben, wobei der Haftungsbetrag lediglich geringfügig abgeändert wurde. Das Verfahren über die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/16/0001, eingestellt.

5 Die Revisionswerberin erhob mit Schreiben vom Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen die - an die X GmbH ergangenen - Umsatzsteuerbescheide 2005 und 1-8/2006.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der „Beschwerde vom “ teilweise Folge und änderte die Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006 dahingehend ab, dass es Vorsteuern in Höhe von 4.003,05 € (für das Jahr 2005) und von 1.252,92 € (für das Jahr 2006) berücksichtigte, während es die festgesetzte Erwerbsteuer in unveränderter Höhe beließ. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Das Erkenntnis erging an die X GmbH und wurde dieser „als Beschwerdeführerin“ zugestellt.

7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst im Wesentlichen geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht folge nicht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf § 80 Abs. 3 BAO, denn die Zustellung eines Bescheides bzw. eines Erkenntnisses an eine Kapitalgesellschaft könne nicht mehr erfolgen, wenn sie - wie vorliegend - wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden sei. Auch sei der Bescheidadressat zu nennen, der jedoch im vorliegenden Fall nicht mehr existent sei. Es gebe auch keinen Rechtsnachfolger und keinen organschaftlichen - die organschaftliche Funktion der Revisionswerberin sei bereits erloschen - oder steuerlichen Vertreter. Das vom Bundesfinanzgericht erlassene Erkenntnis sei „per se nichtig“ und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem Rechtsbestand zu entfernen. Das Bundesfinanzgericht hätte „ein Erkenntnis“ bestenfalls ihr zustellen können, was jedoch nicht der Fall sei.

12 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

13 Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht das Beschwerderecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch dem Haftungspflichtigen auch dann zu, wenn der betreffende Bescheid bereits vom Erstschuldner angefochten wurde, und selbst dann, wenn dazu bereits eine Entscheidung vorliegt (vgl. , mwN). Aus § 248 BAO ergibt sich weiters, dass der zur Haftung Herangezogene jedenfalls den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen können muss (vgl. , mwN).

15 Die Revisionswerberin hat von der ihr gemäß § 248 BAO zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht und - nach ihrer Heranziehung zur Haftung gemäß § 9 BAO für die Umsatzsteuerschulden der X GmbH - mit Schreiben vom Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen die gegenüber der X GmbH erlassenen Umsatzsteuerbescheide 2005 und 1-8/2006 erhoben.

16 Gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben, wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Entscheidend für das Vorliegen der Berechtigung zur Erhebung einer Revision ist somit, ob der Revisionswerber durch das bekämpfte Erkenntnis - ohne Rücksicht auf dessen Rechtmäßigkeit - in einem subjektiven Recht überhaupt verletzt sein kann. Eine Revision ist nach § 34 Abs. 1 VwGG wegen fehlender Revisionsberechtigung somit immer dann zurückzuweisen, wenn der Revisionswerber durch die angefochtene Entscheidung unabhängig von der Frage ihrer Gesetzmäßigkeit in einem Recht nicht verletzt sein kann (vgl. ).

17 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht nicht über die Beschwerde der Revisionswerberin, sondern „über die Beschwerde [...] der“ X GmbH entschieden und dieses Erkenntnis - laut Zustellverfügung - an die X GmbH „als Beschwerdeführerin“ zugestellt.

18 Das angefochtene Erkenntnis entfaltete daher gegenüber der Revisionswerberin keine Wirkung. Diese ist somit durch das angefochtene Erkenntnis nicht beschwert (vgl. , mwN; , Ra 2022/15/0038).

19 Die Revision war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

20 Da sich das angefochtene Erkenntnis nicht an die Revisionswerberin richtet, erweist sich deren Beschwerde weiterhin als unerledigt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §248
B-VG Art133 Abs6 Z1
VwGG §34 Abs1
VwRallg
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022130019.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAF-46004