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VwGH 17.05.2022, Ra 2022/11/0068

VwGH 17.05.2022, Ra 2022/11/0068

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Norm
RS 1
Bei Bedenken gegen ein (ärztliches) Gutachten liegt es an der Partei, diesem - auf gleichem fachlichen Niveau - entgegenzutreten, es sei denn, das Gutachten ist mit Widersprüchen bzw. Ungereimtheiten behaftet oder unvollständig.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/11/0071 B RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des R S in S, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. L515 2246168-1/6E, betreffend Zusatzeintragung in den Behindertenpass (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialministeriumservice), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht, einen Bescheid der belangten Behörde vom bestätigend, den Antrag des Revisionswerbers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Begründend stützte sich das Verwaltungsgericht auf die von der belangten Behörde eingeholten - im Erkenntnis auszugsweise wiedergegebenen - Gutachten eines Facharztes für Chirurgie und Allgemeinmedizin und eines Facharztes für Psychiatrie sowie die „Gesamtbeurteilung“ eines Sachverständigen für Allgemeinmedizin, welche schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei seien. In den Gutachten werde auf die Art der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Ausmaß eingegangen sowie deren Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel beurteilt. Im chirurgischen Sachverständigengutachten werde ausgeführt, dass die (näher beschriebenen) Funktionseinschränkungen an der linken unteren Extremität nicht so erheblich seien, dass der Revisionswerber ein öffentliches Verkehrsmittel nicht benützen könne. Vor allem habe der Revisionswerber nach einem Reha-Aufenthalt bereits keine Gehbehelfe mehr verwenden müssen. Inwieweit derzeit noch zwei Stützkrücken verwendet würden, entziehe sich der gutachterlichen Kenntnis und habe auch bei der klinischen Untersuchung nicht evaluiert werden können. Die angegebenen Belastungsschmerzen im linken Knie- und Sprunggelenk hätten bei der klinischen Untersuchung nicht evaluiert werden können. Das Verwaltungsgericht führte aus, der Revisionswerber sei den Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Der Revisionswerber erfülle daher jene (näher dargestellten) Kriterien, welche aus rechtlicher Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar erscheinen ließen.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. , mwN).

8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei von der (nicht näher genannten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es die erhebliche Funktionseinschränkung durch die schwere Beinverletzung „nicht genau geprüft“ habe. Der Revisionswerber könne maximal eine Wegstrecke von 100 bis 150 Meter mit Pausen und nur unter Zuhilfenahme eines Rollators zurücklegen. Der Revisionswerber sei „auf Fremdhilfe“ angewiesen.

9 Damit zeigt die Revision eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG schon deswegen nicht auf, weil es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Bedenken gegen ein (ärztliches) Gutachten an der Partei liegt, diesem - auf gleichem fachlichen Niveau - entgegenzutreten, es sei denn, das Gutachten ist mit Widersprüchen bzw. Ungereimtheiten behaftet oder unvollständig (vgl. etwa ; , Ra 2020/11/0140; jeweils mwN). Dass dies gegenständlich der Fall wäre, zeigt die Revision mit dem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen, der (gemeint: psychiatrische) Sachverständige habe eine Funktionseinschränkung „über die Angstzustände und Panik bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel“ ohne Untersuchung verneint, nicht auf. Dass der Revisionswerber ein Gegengutachten vorgelegt hätte, wird in der Revision nicht behauptet.

10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit auch vor, „der Sachverständige“ habe festgehalten, dass die „Schwindelsymptomatik“ nicht abgeklärt worden sei, weswegen das Verwaltungsgericht diesbezüglich ein weiteres Gutachten zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes hätte einholen müssen. Mit diesem Vorbringen legt die Revision weder die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels dar (vgl. , mwN), noch führt sie konkret auf den Revisionsfall bezogen aus, von welcher Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG die Entscheidung über diesen abhängen sollte.

11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022110068.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-45977