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VwGH 01.09.2022, Ra 2022/10/0104

VwGH 01.09.2022, Ra 2022/10/0104

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
UIG 1993
VwGG §30 Abs2
RS 1
Stattgebung - Mitteilung von Umweltinformationen - Bei der gemäß § 30 Abs. 2 VwGG gebotenen Interessenabwägung ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass die aufschiebende Wirkung ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Verwaltungsrechtsordnung stützendes Element ist. Die Rechtsschutzfunktion des Verwaltungsgerichtshofes soll durch den Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses während der Dauer des Revisionsverfahrens nicht ausgehöhlt bzw. ausgeschaltet werden. Die Interessenabwägung schlägt daher in der Regel dann zugunsten der revisionswerbenden Partei aus, wenn der ihr durch den Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses (Beschlusses) drohende Nachteil im Falle eines Erfolges der Revision nicht (oder nur schwer) rückgängig gemacht werden könnte (vgl. ; , Ra 2020/01/0239; , Ra 2020/05/0063). Ausgehend davon muss angesichts des Umstandes, dass eine einmal erteilte Mitteilung der Umweltinformationen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (vgl. dazu ausführlich wiederum ), die Interessenabwägung zugunsten des Revisionswerbers ausfallen.
Normen
BaumschutzG Wr 1974 §4
DSG 2000
EURallg
UmweltinformationsG Wr 2001 §6 Abs2 Z3
UmweltinformationsG Wr 2001 §6 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z1
32016R0679 Datenschutz-GrundV
RS 1
Bei der Mitteilung von Grundstücksadressen in Bezug auf beantragte Baumfällungen nach § 4 Wr BaumschutzG 1974 handelt es sich um personenbezogene Daten iSd. § 6 Abs. 2 Z 3 Wr. UmweltinformationsG 2001, deren Mitteilung dann zu erfolgen hat, wenn die Bekanntgabe keine negativen Auswirkungen auf die Vertraulichkeit dieser personenbezogenen Daten hätte, sofern ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung im Sinne der Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung sowie des Datenschutzgesetzes besteht. Bei Bestehen eines schutzwürdigen Interesses an der Geheimhaltung personenbezogener Daten ist demnach gemäß § 6 Abs. 4 Wr. UmweltinformationsG 2001 eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe vorzunehmen, dies nach der zitierten Norm unter enger Auslegung des Ablehnungsgrundes nach § 6 Abs. 2 Z 3 legcit. (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2022/10/0193 B RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Magistrats der Stadt Wien, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-101/050/10265/2021-2, betreffend Mitteilung von Umweltinformationen (mitbeteiligte Partei: Verein B, vertreten durch Heger & Partner Rechtsanwälte in 1010 Wien, Eßlinggasse 17/9) erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde festgestellt, dass der Magistrat der Stadt Wien der mitbeteiligten Partei näher genannte Umweltinformationen, sofern diese vorhanden seien, mitzuteilen habe.

2 Mit der gegen dieses Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen außerordentlichen Revision des Magistrats der Stadt Wien ist der Antrag verbunden, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründet wird dieser Antrag im Wesentlichen damit, dass das mit der Revision verfolgte Ziel, die begehrte Auskunft nicht erteilen zu müssen, vereitelt würde, wenn diese Auskunft noch während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof erteilt werden müsste. In diesem Fall würde der Rechtsschutz vereitelt, weil eine bereits erteilte Auskunft nicht mehr zurückgenommen werden könnte.

3 Die mitbeteiligte Partei gab zu diesem Antrag keine Stellungnahme ab.

4 Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

5 Von zwingenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG kann nur gesprochen werden, wenn die konkrete Interessenslage öffentliche Rücksichten berührt, die einen umgehenden Vollzug der angefochtenen Entscheidung gebieten. Der Umstand, dass öffentliche Interessen am Vollzug einer Maßnahme bestehen, berechtigt nicht ohne weiteres schon zur Annahme, dass eben diese Interessen auch eine sofortige Verwirklichung der getroffenen Maßnahmen zwingend gebieten (vgl. etwa ).

6 Im vorliegenden Fall sind keine solchen zwingenden öffentlichen Interessen geltend gemacht worden.

7 Bei der gemäß § 30 Abs. 2 VwGG gebotenen Interessenabwägung ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass die aufschiebende Wirkung ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Verwaltungsrechtsordnung stützendes Element ist. Die Rechtsschutzfunktion des Verwaltungsgerichtshofes soll durch den Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses während der Dauer des Revisionsverfahrens nicht ausgehöhlt bzw. ausgeschaltet werden. Die Interessenabwägung schlägt daher in der Regel dann zugunsten der revisionswerbenden Partei aus, wenn der ihr durch den Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses (Beschlusses) drohende Nachteil im Falle eines Erfolges der Revision nicht (oder nur schwer) rückgängig gemacht werden könnte (vgl. ; , Ra 2020/01/0239; , Ra 2020/05/0063).

8 Ausgehend davon muss angesichts des Umstandes, dass eine einmal erteilte Mitteilung der Umweltinformationen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (vgl. dazu ausführlich wiederum ), die Interessenabwägung zugunsten des Revisionswerbers ausfallen.

9 Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher stattzugeben.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das am  mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, Zl. VGW-101/050/10265/2021-2, betreffend Mitteilung von Umweltinformationen (mitbeteiligte Partei: Verein B in W, vertreten durch Dr. Susanne Heger und Dr. Martin Ulrich Fischer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Eßlinggasse 17/9), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt I.2., soweit damit die Mitteilung der jeweiligen Grundstücksadresse aufgetragen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom wurde - in teilweiser Abänderung eines Bescheides des Magistrats der Stadt Wien (des nunmehrigen Amtsrevisionswerbers) vom  - ausgesprochen, dass der Amtsrevisionswerber der mitbeteiligten Partei Umweltinformationen gemäß dem Wiener Umweltinformationsgesetz (Wr. UIG), sofern diese vorhanden seien, darüber mitzuteilen habe, wie viele Verwaltungsverfahren nach § 4 Wiener Baumschutzgesetz zur Entfernung von Bäumen in den Kalenderwochen 1 bis 19 des Jahres 2021 betreffend Liegenschaften im 17. Wiener Gemeindebezirk eingeleitet worden seien (Spruchpunkt I.1.). Weiters seien für jedes der eingeleiteten Verfahren weitere Informationen (Grundstücksadresse; Anzahl der Bäume, für welche eine Genehmigung zur Baumentfernung beantragt worden sei; je Baum jeweils: Nummer des Baumes; Baumart; Stammumfang in Zentimeter; Entfernungsgrund; ergänzende Begründung [soweit im Antrag angegeben]; Angaben zur Ersatzpflanzung) mitzuteilen (Spruchpunkt I.2.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensganges - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - aus, es erscheine nicht zweifelhaft, dass das Entfernen von Bäumen als „Tätigkeit“ iSd § 2 Z 3 Wr. UIG anzusehen sei, die sich auf die in Z 1 und Z 2 des § 2 Wr. UIG genannten Umweltbestandteile und Umweltfaktoren auswirke. Auch beabsichtigte (beantragte) Baumentfernungen stellten derartige Umweltinformationen dar (Verweis auf ). Der Mitteilung dieser Umweltinformationen stehe auch nicht - wie vom Amtsrevisionswerber angenommen - die Mitteilungsschranke des § 6 Abs. 1 Z 4 Wr. UIG entgegen. Die begehrten Informationen bezögen sich nicht auf gerade vervollständigt werdendes Material, auf noch nicht abgeschlossene Schriftstücke oder auf noch nicht aufbereitete Daten. Der Amtsrevisionswerber scheine dem Irrtum zu unterliegen, die mitbeteiligte Partei begehre Informationen über bewilligte oder allenfalls zu bewilligende Baumentfernungen. Informationen während eines anhängigen Verfahrens zur Frage, ob der verfahrenseinleitende Antrag bewilligt werde, wären in der Tat von der genannten Mitteilungsschranke erfasst. Derartige Informationen begehre die mitbeteiligte Partei aber nicht.

3 Die in Spruchpunkt I. 1. formulierte Anfrage betreffe Umweltinformationen und sei schlicht mit der konkreten Zahl zu beantworten. Die Pflicht des Amtsrevisionswerbers zur Mitteilung der Informationen bestehe nur insoweit, als diese Umweltinformationen bei ihm vorhanden seien oder für ihn bereitgehalten würden; er habe keine Ermittlungsschritte zu setzen, um zu jenen Umweltinformationen zu gelangen, deren Mitteilung begehrt werde. Entgegen der Ansicht des Amtsrevisionswerbers könne die Mitteilung der Liegenschaftsadresse, auf die sich „das Rodungsansuchen“ beziehe, nicht aus Datenschutzgründen verweigert werden, da „die Liegenschaftsadresse an sich kein personenbezogenes Datum“ sei. Die vom Amtsrevisionswerber angesprochene Möglichkeit, Identität und Wohnadresse des Grundstückseigentümers durch Einsichtnahme im Grundbuch festzustellen, bestehe unabhängig von der begehrten Umweltinformation.

4 Den Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht damit, dass keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Weder weiche die gegenständlichen Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehle es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Auch sei diese Rechtsprechung nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Magistrats der Stadt Wien.

6 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.

7 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 Der vorliegende Fall gleicht im Hinblick auf die Entscheidungsbegründung durch das Verwaltungsgericht und das zur Zulässigkeit der Revision erstattete Vorbringen in den entscheidungswesentlichen Punkten sowohl in sachverhaltsmäßiger wie auch in rechtlicher Hinsicht jenem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2022/10/0063, zugrunde lag, auf dessen Begründung daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird.

9 In Bezug auf den aufhebenden Teil des Spruches ist mit Blick auf das zitierte Erkenntnis anzumerken, dass es sich bei der Mitteilung der Grundstücksadressen in Bezug auf beantragte Baumfällungen nach § 4 Wiener Baumschutzgesetz um personenbezogene Daten im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 3 Wr. UIG handelt, deren Mitteilung dann zu erfolgen hat, wenn die Bekanntgabe keine negativen Auswirkungen auf die Vertraulichkeit dieser personenbezogenen Daten hätte, sofern ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung im Sinne der Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung sowie des Datenschutzgesetzes besteht. Bei Bestehen eines schutzwürdigen Interesses an der Geheimhaltung personenbezogener Daten wäre demnach gemäß § 6 Abs. 4 Wr. UIG eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe vorzunehmen gewesen, dies nach der zitierten Norm unter enger Auslegung des Ablehnungsgrundes nach § 6 Abs. 2 Z 3 Wr. UIG.

10 Das angefochtene Erkenntnis war daher in seinem Spruchpunkt I.2., soweit damit die Mitteilung der jeweiligen Grundstücksadresse aufgetragen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; im Übrigen war die Revision - ebenfalls aus den im Erkenntnis vom , Ra 2022/10/0063, genannten Gründen - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
UIG 1993
VwGG §30 Abs2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022100104.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAF-45963